L 1 SF 129/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 129/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Antragstellers, die Richterin am sowie die ehrenamtlichen Richterinnen und wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts sowie gegen die ehrenamtlichen Richterinnen der mündlichen Verhandlung vom. Juni 2006 ist zulässig, da sich der Antragsteller nicht rundweg gegen die Kammer als solche wendet. Er erhebt vielmehr jedenfalls auch individualisierte Vorwürfe gegen jede der Richterinnen.

Der Ablehnungsantrag ist jedoch unbegründet. Gemäß § 60 SGG i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung einer Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass die Richterin nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist also nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein" der Parteilichkeit, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Insbesondere kann das Verhalten des Richters im Prozess die Besorgnis der Befangenheit begründen. Je nach den Umständen reicht gegebenenfalls schon das Übergehen eines bestimmten Vortrags oder Antrags eines Beteiligten oder die fehlende Bereitschaft, das Vorbringen einer Partei vollständig zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen.

Solche Gründe liegen nicht vor: Der Antragsteller rügt, die Vorsitzende habe es in der mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt, der Beklagten die Vorlage von Unterlagen aufzugeben bzw. die Verhandlung zu vertagen, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ferner sollen die aus seiner Sicht angezeigten rechtlichen Hinweise nicht erteilt worden sein. Die ehrenamtlichen Richter seien ihm nicht vorgestellt worden. Gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung habe die Vorsitzende die Entscheidung mitgeteilt, dass alle Anträge unbegründet seien. Nur die Beklagte haben vortragen dürfen und unpassend von SED bzw. PDS in Zusammenhang mit ihm geredet. Ihm hingegen sei das Wort abgeschnitten worden, seine Beweisanregungen seien übergangen worden. Das Protokoll des Verhandlungstermines sei unrichtig, u. a. habe die Vorsitzende gar kein Aufzeichnungsgerät benutzt.

Ein Ablehnungsgesuch kann nicht darauf gestützt werden, dass von einem Richter unrichtige Entscheidungen in materieller oder in verfahrensrechtlicher Hinsicht getroffen worden seien. Das Institut der Richterablehnung ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wenden. Behauptete Rechtsverstöße können eine Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruhe. Dafür ist hier nichts ersichtlich: Aufgrund der eingeholten dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden ist anzunehmen, dass der Antragsteller den Ablauf der mündlichen Verhandlung und die Erörterungen missverstanden hat. Es ist davon auszugehen, dass die Verhandlung mit der Einführung in den Akteninhalt begonnen hat und nicht mit der Mitteilung, alle Ansprüche seien unbegründet. Der Umfang der Darstellung des Akteninhaltes und die Leitung der mündlichen Verhandlung -zum Beispiel die Einschätzung, wann der Vortrag eines Beteiligten unterbrochen werden darf- liegt im richterlichen Ermessen des Vorsitzenden. Ob der Sachverhalt bereits ausreichend ermittelt ist, oder ob noch Unterlagen förmlich eingeführt werden müssen und/oder Zeugen anzuhören sind, wird sich im weiteren Verfahren zeigen. Sollte der Antragsteller mit seinen Anträgen bis zum Abschluss des Verfahrens nicht durchdringen, kann er gegen ein Urteil Rechtsmittel einlegen. Das Ablehnungsverfahren ist hierfür nicht gedacht.

Auf das Gesuch des Klägers, die Akte einsehen zu wollen, hat das Gericht in der Verfügung bereits vom 10. Oktober 2006 reagiert. Soweit die Vorsitzende Auffassungen des Antragstellers zur Aufklärung des Sachverhaltes bzw. der Darlegungslast der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung widersprochen hat, rechtfertigt dies aus der gebotenen objektivierten Sicht ebenfalls nicht den Verdacht einer Voreingenommenheit. Dass sie auf Fragen des Antragstellers nicht reagiert haben soll -wie behauptet- ist nicht ersichtlich. Für richterliche Hinweise gilt, dass Meinungsäußerungen eines Richters nicht gegen dessen Unvoreingenommenheit und Objektivität sprechen. Dies gilt gerade, wenn Richter auf einen möglichen oder sogar wahrscheinlichen negativen Ausgang des Gerichtsverfahrens hinweisen. Solche Hinweise eines Richters liegen im Allgemeinen im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten. Diesen ist gewöhnlich daran gelegen, die Einstellung des Richters zu den für den Prozessausgang maßgeblichen rechtlichen Problemen zu erfahren. Auf diese Weise erhalten sie Gelegenheit, ihre eigene, von der des Richters abweichende Ansicht näher zu erläutern und dabei zusätzliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte stärker hervorzuheben. Eine verständige Partei wird diesem Verfahren den Vorzug geben vor einer eher passiven richterlichen Prozessleitung, welche die Beteiligten auf sich allein gestellt lässt. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich allenfalls aus der Art und Weise ergeben, wie ein Rich¬ter seine Meinung vorträgt. Ein Grund kann bestehen, wenn der Richter in ungewöhnlicher, nach der Prozesslage nicht verständlicher Weise subjektive Gewissheit erkennen lässt, so dass die Beteiligten Anlass haben können zu befürchten, er sei ihren Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen und habe sich seine Auffassung schon abschließend gebildet. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor.

Soweit sich das Ablehnungsgesuch gegen die ehrenamtlichen Richterinnen wendet, ist es ebenfalls unbegründet. Der Antragsteller hat kein Verhalten der Richterinnen glaubhaft gemacht, welches Anlass zu der Annahme einer Voreingenommenheit geben könnte. Aufgrund der eingeholten dienstlichen Äußerungen gibt es für den Senat insbesondere keinen Grund zu der Annahme, dass diese in der mündlichen Verhandlung "hämisch gegrinst" oder durch unangemessenes Kopfschütteln den Kläger oder dessen Äußerungen despektierlich kommentiert haben könnten.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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