L 32 B 1403/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 31 AS 1728/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 B 1403/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 02. 07. 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Unterkunftskosten für ein selbst genutztes Einfamilienhaus mit 126 qm Wohnfläche, das der Antragsteller zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt im Rahmen der ergänzenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch (SGB II).

Das Sozialgericht Potsdam (SG) hat den Antrag der Eheleute auf Gewährung von ergänzenden Leistungen nach SGB II im Rahmen eines Eilverfahrens nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Zwar sei ein Anordnungsanspruch im Rahmen des einstweiligen Verfahrens nicht abschließend zu klären, weil die Rechtsfragen, ob im Rahmen der Kosten der Unterkunft auch die Schuldzinsen und wenn ja in welcher Höhe zu berücksichtigen seien, auf Grund der vielseitigen Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum eine abschließende Entscheidung im Eilverfahren nicht zuließen. Gleichwohl führe dies hier nicht zu der von den Antragstellern begehrten Entscheidung, denn das von Ihnen bewohnte Hausgrundstück überschreite mit 126 qm die Grenze der Angemessenheit. Angemessen seien für zwei Personen lediglich 80 qm. Deshalb handele es sich bei dem Hausgrundstück auch nicht mehr um Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Die Antragsteller seien gehalten, das Grundstück zu verwerten. In diesem Zusammenhang fehle es an einem Anordnungsgrund.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Seine Ehefrau hat sich der Beschwerde offenbar nicht angeschlossen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat die Bevollmächtigte des Antragstellers angegeben, dass der Antragsteller seit dem 01.07. 2007 einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, seit dem 15. 08. 2007 einer Vollzeitbeschäftigung. Einem Hinweis des Senats, dass sich bereits daraus Zweifel an einem Anordnungsgrund ergeben könnten und der Aufforderung einen etwa gleichwohl bestehenden Anordnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen ist der Antragsteller nicht nachgekommen.

II.

Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Hierfür sind grundsätzlich das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erforderlich. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird, die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Hier fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch und einem Anordnungsgrund. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar. Zwar begegnen die Ausführungen im angefochtenen Beschluss des SG rechtlichen Bedenken insoweit als das SG die Frage der Angemessenheit eines selbst genutzten Hausgrundstücks nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. 11. 2006- B 7b AS 2/05) abgelehnt und im Hinblick auf eine mögliche Verwertbarkeit des Grundstücks den Anordnungsgrund verneint hat, denn insoweit wäre zumindest zu prüfen gewesen, ob das Grundstück tatsächlich und in welcher Weise zu verwerten ist (vgl. hierzu, insbesondere zur Frage der wirtschaftlichen Unverwertbarkeit Münder Rdnr. 11 zu § 12 SGB II). Auch im Rahmen eines Eilverfahrens ist eine solche Prüfung nicht entbehrlich, da es schwer fallen dürfte im Hauptsacheverfahren, dessen Ausgang das SG als offen bezeichnet hat, eine einmal vorgenommene Verwertung rückgängig zu machen. Dies kann jedoch vorliegend auf sich beruhen, denn da der Antragsteller mittlerweile eine Vollzeittätigkeit ausübt, hätte es an ihm gelegen eine gleichwohl bestehende Hilfebedürftigkeit darzulegen und glaubhaft zu machen. Diese ist jedoch nach § 19 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II Voraussetzung für die Leistungen nach diesem Gesetzbuch. Damit ist jedoch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht und es fehlt auch an der Dringlichkeit in einem Eilverfahren eine vorläufige Entscheidung über den Streitgegenstand zu treffen (Anordnungsgrund). Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 SGG, sie berücksichtigt das Ergebnis der Entscheidung in der Sache. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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