L 5 B 1197/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 8909/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1197/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem SGB II. Die 1959 geborene Antragstellerin und ihr Sohn, der 1988 geborene Antragsteller, bewohnen als zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft eine knapp 120 qm große Wohnung in Berlin-Schöneberg, deren Bruttowarmmiete seit Dezember 2006 888,71 Euro beträgt. Bis einschließlich Dezember 2006 erhielten sie vom Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der vollen Kosten der Unterkunft und unter Anrechnung von 154 Euro an Kindergeld (Leistungsbetrag zuletzt 1.340,38 Euro monatlich). Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 hatte der Antragsgegner den Antragstellern jedoch mitgeteilt, dass für einen Zweipersonenhaushalt unter Berücksichtigung der in der AV-Wohnen angegebenen Werte nur Kosten der Unterkunft in Höhe von 444,- Euro angemessen seien und sie Maßnahmen zur Senkung der Kosten zu ergreifen hätten. In bisheriger Höhe könnten Unterkunftskosten nur für sechs weitere Monate übernommen werden, danach nur noch in der angemessenen Höhe.

Mit Bescheid vom 8. bzw. 23. Februar 2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007, bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 Leistungen nach dem SGB II und berücksichtigte dabei erstmals nur noch Kosten der Unterkunft in Höhe von 444,- Euro (Leistungsbetrag i.H.v. insgesamt 911,- Euro). Über die hiergegen erhobene Klage (S 59 AS 8909/07) ist noch nicht entschieden.

Am 16. April 2007 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin mit dem Begehren um Eilrechtsschutz nachgesucht, den Antragsgegner zu verpflichten, auch weiterhin Kosten der Unterkunft in Höhe von 888,71 Euro zu tragen. Zur Begründung wird im Wesentlichen auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin verwiesen (Bronchialasthma, Allergie vor allem gegen Hausstaub und Tierhaare), der einen Auszug unzumutbar mache und eine weitere Tragung der vollen Wohnkosten durch den Antragsgegner gebiete.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2007 hat das Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die bisher von den Antragstellern bewohnte Wohnung sei im Hinblick auf Größe und Miethöhe offensichtlich nicht angemessen im Sinne von § 22 SGB II. Dafür, dass der Gesundheitszustand der Antragstellerin einen Umzug unzumutbar mache, bestünden keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

II. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2007 ist zulässig (§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG), jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG abgelehnt. Für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung ist kein Raum, weil es an einem Anordnungsanspruch – der materiell-rechtlichen Rechtsposition, deren Durchsetzung beabsichtigt ist – fehlt. Das Sozialgericht hat in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss die Frage der Unangemessenheit der Wohnkosten zutreffend beantwortet.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II in der ab 1. Januar 2007 geltenden Fassung werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 3).

Auch zur Überzeugung des Senats sind die Wohnfläche und die daraus resultierenden Kosten für eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft unangemessen, so dass der Antragsgegner die Leistungen nicht in voller Höhe erbringen darf; angesichts der deutlichen Überschreitung der Angemessenheitsgrenze bedarf dies keiner weiteren Erörterung. Nach der im Eilverfahren ausreichenden summarischen Prüfung ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner sich bei der Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung an die Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7. Juni 2005 (ABl. S. 3743, zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006, ABl. S. 2062; im Folgenden: AV-Wohnen) hält, die 444 Euro für einen Zweipersonenhaushalt vorsehen, und den Antragstellern diesen Betrag bis auf weiteres leistet (st. Rspr. des Senats, vgl. auch Beschluss vom 16. Juli 2007, L 5 B 456/07 AS ER). Orientiert an den vom Bundessozialgericht formulierten Maßstäben zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (siehe Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, Rdnr. 24, zitiert nach juris) hat sich gezeigt, dass sich die in den AV-Wohnen enthaltenen Werte zugunsten der Betroffenen eher noch leicht oberhalb der Angemessenheitsschwelle bewegen (vgl. etwa Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss des 29. Senats vom 13. September 2007, L 29 B 883/07 AS ER [426,00 Euro angemessen für zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft] sowie Beschluss vom 5. September 2007, L 32 B 1312/07 AS ER [422,50 Euro angemessen für zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft], veröffentlicht jeweils bei www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin, ihr Gesundheitszustand gebiete, einen Umzug als unzumutbar anzusehen. Das Unbehagen der Antragstellerin, eine langjährig bewohnte Wohnung aufzugeben, in der sie sich als Asthmatikerin und Allergikerin ihrem Gesundheitszustand gemäß eingerichtet hat, kann der Senat nachvollziehen. Gleichzeitig spricht alles dafür, dass die Antragstellerin auch in anderem Wohnraum adäquat wird leben können; sofern dort etwa Kleintiere untergebracht gewesen sein sollten, wird man dem durch entsprechende Renovierungsmaßnahmen begegnen können, um Allergenfreiheit herbeizuführen.

Der Senat folgt dem Sozialgericht auch darin, dass angesichts der derzeit entspannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt nichts dafür ersichtlich ist, warum etwa nachdrückliche Bemühungen um preiswerteren Wohnraum von vornherein zum Scheitern verurteilt sein sollten (vgl. hierzu und zum Begriff der "Angemessenheit": Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss des 10. Senats des vom 25. Juni 2007, L 10 B 854/07 AS ER, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Der Antragsgegner hat die Absenkung zum 1. Januar 2007 auch im Übrigen beanstandungsfrei vorgenommen. Er hat die tatsächlichen Aufwendungen an Kosten der Unterkunft und Heizung für weit mehr als sechs Monate getragen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) und die Antragsteller mit Schreiben vom 13. Februar 2006 unmissverständlich und sachgerecht auf die Problematik hingewiesen. Dieses Schreiben besitzt die notwendige Aufklärungs- und Warnfunktion (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, Rdnr. 29, zitiert nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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