L 24 KR 167/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 418/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 167/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. Juni 2006 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die mit Schreiben der Beklagten vom 26. August 2004 ausgesprochene Abmahnung rechtswidrig ist.

Die Klägerin war seinerzeit Inhaberin eines Pflegedienstes. Mit den Pflegekassenverbänden schloss sie den ab 01. April 1996 wirksamen Versorgungsvertrag nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) - ambulante Pflege -. Außerdem bestanden u. a. mit der Beklagten wiederholt geschlossene befristete Verträge gemäß §§ 132 und 132 a Abs. 2 SGB V über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie zur Erbringung von Leistungen nach §§ 198 und 199 RVO (häusliche Pflege bzw. Haushaltshilfe) vom 01. April 2000 bis zum 31. Dezember 2004. Der zuletzt am 01. Januar 2004 in Kraft getretene und auf den 31. Dezember 2004 befristete Vertrag wurde nicht erneut um ein weiteres Jahr verlängert, da nach Auffassung der Beklagten eine qualitativ hochwertige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen und pflegefachlichen Erkenntnisse entsprechende wirtschaftliche Versorgung der Versicherten nicht zweifelsfrei gewährleistet sei.

Auf Veranlassung der Pflegekassenverbände führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) bei der Klägerin am 23. und 24. Juni 2004 eine Qualitätsprüfung durch, deren Ergebnis im Prüfbericht vom 01. Juli 2004 niedergelegt wurde. Der MDK stellte fest, dass sich die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Einrichtung seit der letzten Evaluation der Qualitätsprüfung im Februar 2002 deutlich verschlechtert habe. Da ein erheblicher Verbesserungsbedarf bestehe, sei aus Sicht der Prüfer die Einbeziehung einer externen Prozessberatung zur nachhaltigen Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen ratsam.

Die Verbände der Pflegekassen im Land Brandenburg gaben der Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 2004 Gelegenheit, sich am 17. August 2004 im Rahmen einer mündlichen Anhörung zu den im vorab übermittelten Prüfbericht festgestellten Mängeln zu äußern sowie unter Beifügung aussagefähiger Unterlagen mitzuteilen, ob und wie die empfohlenen Maßnahmen bereits umgesetzt seien bzw. in welcher Frist deren Umsetzung erfolgen werde.

Mit Schreiben vom 26. August 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, unter Berücksichtigung deren schriftlicher Stellungnahme vom 09. August 2004 und der mündlichen Anhörung am 17. August 2004 habe sich der Verdacht des Verstoßes gegen die Pflichten aus dem Versorgungsvertrag bestätigt. Die genannten Vertragsverstöße berechtigten, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Unter Abwägung der Interessenlagen der an diesem Vertrag mittelbar und unmittelbar Beteiligten werde die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung das Mittel der Kündigung (jedoch) nicht einsetzen, sondern spreche lediglich gemäß § 35 Abs. 3 des Vertrages eine Abmahnung aus. Im Wiederholungsfall werde vom Recht der außerordentlichen Kündigung des Vertrages (§ 36 Abs. 1 Ziffer 2) Gebrauch gemacht werden.

Mit Bescheid vom 27. August 2004 ordneten die Verbände der Pflegekassen im Land Brandenburg gegenüber der Klägerin mehrere Maßnahmen an und bestimmten Fristen zu deren Umsetzung.

Nachdem die Klägerin verschiedene Beanstandungen als nicht berechtigt zurückgewiesen und erfolglos Fristverlängerung beantragt hatte, hat sie nach Durchführung einer weiteren Überprüfung durch den MDK am 24. September 2004 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 11 P 47/04 registriert worden ist.

Das Sozialgericht hat das die Abmahnung betreffende Verfahren vom Verfahren S 11 P 47/04 getrennt und mit Urteil vom 15. Juni 2006 die Klage abgewiesen: Die Klage sei zulässig, insbesondere bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin nach ihrem Vorbringen erneut einen Pflegedienst eröffnen und mit der Beklagten einen neuen Versorgungsvertrag abschließen möchte. Sie sei jedoch unbegründet, denn die durch den "Bescheid" vom 26. August 2004 ausgesprochene Abmahnung sei rechtmäßig. Es seien zahlreiche erhebliche Mängel festgestellt worden, die eine Abmahnung nach § 35 Abs. 3 des Vertrages rechtfertigten.

Dieses Urteil ist den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 07. August 2006 zugestellt worden.

Der zwischenzeitlich verstorbene neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 17. September 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zugleich beantragt, die Berufungsfrist um einen Monat zu verlängern. Die Klägerin habe nach Vorliegen des Urteils vom 19. August 2005 schwerwiegende gesundheitliche Schäden erlitten, die bis heute nicht behoben seien. Die Verlängerung der Berufungsfrist sei erforderlich, damit gegenüber dem Gericht durch eidesstattliche Erklärungen glaubhaft gemacht werden könne, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den vorgetragenen Geschehensablauf, die Machenschaften der Beklagten zur Zerschlagung ihres Betriebes, objektiv gegeben sei.

Am 04. Dezember 2006 hat dieser Prozessbevollmächtigte auf Nachfrage des Sozialgerichts bestätigt, dass der eingereichte Schriftsatz als Berufung eingetragen werden solle.

Die Klägerin trägt ergänzend vor: Nachdem ihr das für sie überraschende Urteil des Sozialgerichts bekannt gegeben worden sei, sei sie in eine psychische Ausnahmesituation geraten, in welcher sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich sachgemäß um die rechtzeitige Berufungseinlegung zu kümmern. Sie habe unter hochgradiger Angst, depressiver Symptomatik und Panikattacken gelitten. Diese Attacken seien durch eine ausgeprägte Vermeidungshaltung und eine stark ausgeprägte Antriebsstörung begleitet worden, weswegen sie sich in fachärztliche Behandlung habe begeben müssen. Erst nach intensiver Behandlung sei es ihr möglich gewesen, sich mit einem Rechtsanwalt zu treffen und sich mit dem Thema der Berufungseinlegung auseinanderzusetzen. Sie habe sich am 13. September 2006 mit dem neuen, zwischenzeitlich verstorbenen, Rechtsanwalt getroffen und diesen mit der Angelegenheit beauftragt. Ein gesonderter Berufungseinlegungsschriftsatz sei nicht erforderlich, wenn eine fristgerechte Begründungsschrift eingehe, die die erforderlichen Angaben enthalte. Es sei daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das angefochtene Urteil sei aufzuheben, denn es bleibe unklar, worin die erheblichen Mängel bestünden. Die Klägerin hat die Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F vom 07. September 2007 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Bescheid vom 26. August 2004 aufzuheben und festzustellen, dass die ausgesprochene Abmahnung rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen.

Sie meint, der am 17. September 2006 eingegangene Schriftsatz könne wegen seines insoweit entgegenstehenden Inhaltes nicht als Berufungsschriftsatz ausgelegt werden, denn daraus gehe deutlich hervor, dass die versäumte Rechtshandlung ausdrücklich zu einem späteren Zeitpunkt habe nachgeholt werden sollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die Berufung ist, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist, nach § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen (§ 158 Satz 2 SGG), wovon der Senat Gebrauch macht, denn eine mündliche Verhandlung erachtet er, insbesondere nachdem auf seine Hinweise in den Verfügungen vom 22. Mai 2007 und 14. September 2007 umfassend vorgetragen worden ist, nicht für geboten.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung der Verkündung.

Das Urteil wurde den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 07. September 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Der Lauf der Berufungsfrist begann somit am 08. August 2006 und endete am 07. September 2006, mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis, hier also die Zustellung, fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Eine am 17. September 2006 oder erst am 04. Dezember 2006 eingelegte Berufung wahrt diese Frist nicht, so dass die Berufung unzulässig ist.

Wegen der Versäumnis der Berufungsfrist ist der Klägerin auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Nach § 67 SGG ist Voraussetzung hierfür, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (Abs. 1). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs. 2).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zwar binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses, am 17. September 2006 nach der von der Klägerin behaupteten seit dem Tag ihrer Kenntnisnahme vom Urteil bis zum 13. September 2006 andauernden Unfähigkeit, Berufung selbst einzulegen bzw. durch einen Rechtsanwalt einlegen zu lassen, gestellt worden. Die versäumte Rechtshandlung, die Berufung, ist jedoch nicht innerhalb dieser Antragsfrist nachgeholt worden.

Der am 17. September 2006 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung kann nicht zugleich als Berufung ausgelegt werden, denn dies stünde dem in diesem Schriftsatz zum Ausdruck kommenden Willen entgegen. Berufung ist vielmehr erst mit dem am 04. Dezember 2006 eingegangenen Schriftsatz und damit nicht innerhalb der Antragsfrist eingelegt worden.

Die Auffassung, ein Wiedereinsetzungsantrag könne nicht zugleich als das versäumte Rechtsmittel aufgefasst werden, beschneidet allerdings grundsätzlich das durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) garantierte Recht eines effektiven Rechtsschutzes, wenn der Betroffene sich offensichtlich gegen das ihn belastende Urteil zur Wehr setzen und das Verfahren mit diesem Ziel weiter betreiben will. Soweit Verfahrensvorschriften einen Auslegungsspielraum zulassen, dürfen sie nicht in einem Sinne ausgelegt werden, der zu einem Widerspruch zur Verwirklichung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes führen würde. Es überschreitet daher die Grenzen des verfassungsrechtlich zulässigen, wenn verlangt wird, dass die Einlegung des versäumten Rechtsmittels in einem Schriftsatz entweder ausdrücklich erklärt oder jedenfalls allein aus seiner Formulierung ersichtlich wird. Es genügt für eine Auslegung des Antrages auf Wiedereinsetzung zugleich im Sinne des versäumten Rechtsmittels, wenn der maßgebliche Schriftsatz alle Voraussetzungen, die an das versäumte Rechtsmittel zu stellen sind, erfüllt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 02. März 1993 - 1 BvR 249/92, abgedruckt in BVerfG 88, 118 = NJW 1993, 1635). Dem entspricht die von der Klägerin aufgezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach eine Berufungsbegründung zugleich die Prozesshandlung der Berufung enthält, wenn sie sämtlichen Erfordernissen einer Berufung genügt (Beschluss vom 26. September 2002 - III ZB 44/02, abgedruckt in NJW 2002, 3636; Beschluss vom 18. Mai 2000 - VII ZB 25/99, abgedruckt in NJW 2000, 3286). Die Gerichte können jedoch im Interesse der Verfahrensklarheit bei der Beurteilung, ob eine Erklärung (zugleich) als das versäumte Rechtsmittel aufzufassen ist, einen strengen Maßstab anlegen. Ergibt eine Auslegung danach aber keinen Zweifel am Willen zur Einlegung des versäumten Rechtsmittels, darf die Unzulänglichkeit einer Formulierung nicht zum Verlust des Rechtsmittels führen (BVerfG, Beschluss vom 02. März 1993, a.a.O.).

Werden diese Maßstäbe vorliegend angelegt, bestehen zwar keine Bedenken daran, dass der am 17. September 2006 eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung objektiv zugleich alle Erfordernisse einer wirksamen Berufung erfüllt. Weitere als die in § 151 Abs. 1 und 2 SGG genannten Voraussetzungen bestehen nicht. Es muss lediglich deutlich werden, dass sich der Betroffene gegen ein Urteil zur Wehr setzen will und dies schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten kundtun. Die Berufungsschrift soll nach § 151 Abs. 3 SGG zwar auch das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um (zwingende) Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Berufung. Damit ist unschädlich, dass die Klägerin in ihrem am 17. September 2006 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung ein Urteil vom 19. August 2005 und ein Verfahren, in dem neben der Beklagten noch weitere Beteiligte als Beklagte genannt werden, bezeichnet hat.

Allerdings bestehen vorliegend nicht lediglich Zweifel am Willen der Klägerin (ihres seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten) zur Berufungseinlegung im am 17. September 2006 eingegangenen Schriftsatz; der dort erklärte Wille steht vielmehr eindeutig einem entsprechenden Erklärungsinhalt entgegen. Eine Auslegung eines erklärten Willens gegen den darin zum Ausdruck kommenden Willen überschreitet die Grenzen einer Auslegung. Es folgt weder aus dem Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes noch aus den genannten Urteilen des BGH, dass das versäumte Rechtsmittel auch dann Kraft Auslegung als eingelegt anzunehmen ist, wenn dies dem erklärten Willen widerspricht. Im am 17. September 2006 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ausgeführt: "Die Antragstellerin stellt deshalb den Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand, damit gemäß § 233 ff. ZPO die Prozesshandlung, die versäumt worden ist, nachgeholt werden kann.Es wird deshalb ausdrücklich beantragt, im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages die Berufungsfrist zu verlängern. ".

Diese Ausführungen machen deutlich, dass die versäumte Rechtshandlung, die Berufung, nach dem Willen der Klägerin erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden sollte. Damit steht fest, dass der am 17. September 2006 eingegangene Schriftsatz gerade nicht den Willen zur Berufung beinhaltet.

Es ist außerdem nicht glaubhaft gemacht, dass die Klägerin ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Dies ist nur der Fall, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist und auch bei Anwendung dieser Sorgfalt die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen wäre (vgl. Großer Senat des BSG - SozR 1500 § 67 Nr. 1).

Krankheit rechtfertigt den Ausschluss von Verschulden, wenn der Beteiligte so schwer erkrankt war, dass er selbst handlungsunfähig war und auch nicht einen anderen mit der Einlegung der Berufung beauftragen konnte (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 67 Rdnr. 7 c m.w.N.). Dabei kommt es darauf an, ob der Beteiligte körperlich und geistig fähig war, von der Zustellung des Urteils Kenntnis zu nehmen, einen Rechtsanwalt hiervon zu unterrichten und insbesondere unter Abwägung des Für und Wider einen sachgemäßen Entschluss über die Einlegung des Rechtsmittels zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1985 - IV b ZB 55/84, abgedruckt in MDR 1985, 919 = FamRZ 1985, 469).

Das Vorbringen der Klägerin unter Berücksichtigung der vorgelegten Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Fvom 07. September 2007 erweist sich bereits als widersprüchlich. Aus dieser ärztlichen Bescheinigung geht hervor, dass sich die Klägerin bei diesem Arzt seit mehreren Jahren in nervenärztlicher Behandlung befindet. In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin dazu vorgetragen, bereits mehrfach in der Vergangenheit schwere gesundheitliche Schäden (auch Depressionen bis zur Arbeitsunfähigkeit) erlitten zu haben. Die Bescheinigung des Dr. Fweist aus, dass sich bei der Klägerin ein ausgeprägter psychosomatischer Komplex mit hochgradiger Angst, depressiver Symptomatik und Paniksymptomatik gezeigt habe. Aufgrund dieser Tatsache sei Arbeitsfähigkeit nicht gegeben gewesen. Mit der Glaubhaftmachung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist jedoch nicht zugleich glaubhaft gemacht, dass ein Kläger nicht zur Berufungseinlegung in der Lage war; damit wird lediglich belegt, dass die Ausübung der gegenwärtigen Beschäftigung nicht möglich war. Nach der Bescheinigung des Dr. F, auf die sich die Klägerin insoweit ausdrücklich bezieht, bestand der bezeichnete Gesundheitszustand in der Zeit vom 06. August bis 07. September 2006. Damit ist jedoch ausgeschlossen, dass, wie von der Klägerin behauptet, das ihr bekannt gegebene Urteil zu einem Zustand mit hochgradiger Angst, depressiver Symptomatik und Panikattacken führte. Ihren früheren Prozessbevollmächtigten ist das Urteil am 07. August 2006 zugestellt worden, so dass es objektiv unmöglich ist, dass die Klägerin es bereits am 06. August 2006 zur Kenntnis hat nehmen und deswegen in den beschriebenen Zustand zu diesem Zeitpunkt hat geraten können. Hinzu kommt, dass die Klägerin mit dem am 17. September 2006 eingegangenen Antrag auf Wiedereinsetzung vorgetragen hat, dass die nach Vorliegen des Urteils erlittenen schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden bis heute nicht behoben seien. Damit wird gerade - entgegen dem dazu in Widerspruch stehenden Schriftsatz vom 10. September 2007 - vorgetragen, dass seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Urteil bis zum Zeitpunkt des am 17. September 2006 gestellten Antrages auf Wiedereinsetzung ein unveränderter Gesundheitszustand vorlag. Bei einer solchen Sachlage ist nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ausgeschlossen anzunehmen, sie habe ohne Verschulden die Berufungsfrist versäumt. Da sie in der Lage war, am 13. September 2006 ihren neuen, zwischenzeitlich verstorbenen, Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen, hätte sie dies angesichts dessen bereits früher, also innerhalb der Berufungsfrist, ebenso tun können. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 10. September 2007 auch keinerlei Erklärung für ihren nunmehrigen abweichenden und damit widersprüchlichen Vortrag gegeben. Sie hat sich vielmehr sogar ausdrücklich auf die Ausführungen ihres neuen, zwischenzeitlich verstorbenen, Prozessbevollmächtigten in dem am 17. September 2006 eingegangenen Schriftsatz mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung bezogen. Eine solche Erklärung ist auch nicht wegen der Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F entbehrlich gewesen, wonach der dort ausgewiesene Zustand mit Arbeitsunfähigkeit am 07. September 2006 behoben worden sei. Wie bereits ausgeführt hat dieser Gesundheitszustand, da er bereits am 06. August 2006 eingetreten war, ersichtlich nichts mit dem Gesundheitszustand zu tun, der nach dem Vorbringen der Klägerin infolge der Kenntnisnahme vom Urteil, die nicht vor dem 07. August 2006 erfolgt sein kann, eingetreten sein soll.

Angesichts des schon widersprüchlichen Vorbringens der Klägerin besteht keine Veranlassung, zumal nicht einmal die Klägerin zur Glaubhaftmachung eine Versicherung an Eides Statt (§ 67 Abs. 2 Satz 2, § 202 SGG, § 294 Abs. 1 ZPO) abgegeben hat, weitere Ermittlungen dazu anzustellen.

Scheidet daher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen und es hat eine inhaltliche Überprüfung des Urteils des Sozialgerichts nicht zu erfolgen.

Der Senat weist allerdings noch auf Folgendes hin: Die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Klage zulässig sei, dürfte nicht zutreffen. Das Schreiben der Beklagten vom 26. August 2004 mit der Abmahnung stellt keinen Verwaltungsakt dar. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und den Leistungserbringern der häuslichen Krankenpflege vollziehen sich auf der Ebene der Gleichordnung und nicht der Über- und Unterordnung, denn nach § 132 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege Verträge zu schließen; einseitig hoheitliche Maßnahmen der Krankenkasse gegenüber dem Leistungserbringer scheiden daher aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 14/02 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 132 a Nr. 4 = BSGE 90, 150), es sei denn, das Gesetz trifft dazu eine ausdrückliche Regelung (vgl. § 115 Abs. 2 Satz 1 SGB XI im Verhältnis der Landesverbände der Pflegekassen zum Träger der Pflegeeinrichtung). Die von der Beklagten ausgesprochene Abmahnung beruht auf § 35 Abs. 3 des zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen Versorgungsvertrages. Dem Schreiben vom 26. August 2004 kann auch nicht nur andeutungsweise entnommen werden, die Beklagte habe sich die Befugnis zu einer einseitigen hoheitlichen Maßnahme im Sinne eines Verwaltungsaktes angemaßt. Die in dem Versorgungsvertrag geregelte Abmahnung verfolgt das Ziel, den Leistungserbringer zur Einhaltung des Versorgungsvertrages anzuhalten. Sie stellt gegenüber der außerordentlichen Kündigung des Vertrages nach § 36 Abs. 1 Satz 1 das mildere Mittel dar und dient zugleich der Vorbereitung einer solchen Kündigung. Die Abmahnung wird gegenstandslos, wenn der zugrunde liegende Versorgungsvertrag aus anderen Gründen als der einer außerordentlichen Kündigung endet. Es kann dahinstehen, ob ein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen eine Abmahnung überhaupt gegeben ist; jedenfalls entfällt ein solches Rechtsschutzbedürfnis dann, wenn der eine mit der Abmahnung verfolgte Zweck, eine nachgehende außerordentliche Kündigung, nicht eingetreten ist oder nicht mehr eintreten kann. Dies ist vorliegend der Fall, denn der Versorgungsvertrag endete zum 31. Dezember 2004. Das Sozialgericht dürfte dies, ohne es ausdrücklich auszusprechen, erkannt haben, denn das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage hat es (allein) aus der vorgetragenen Absicht der Klägerin, (irgendwann in der Zukunft) erneut einen Pflegedienst eröffnen und einen neuen Versorgungsvertrag abschließen zu wollen, hergeleitet. Ungeachtet der Tatsache, dass die vage Möglichkeit, erneut einen Pflegedienst zu eröffnen insoweit nicht ausreichend ist, solange es dafür keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte gibt (zur insoweit vergleichbaren Situation einer Wiederholungsgefahr im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG, vgl. dazu Meyer-Ladewig, a.a.O. § 131 Rdnr. 10 b), kommt es für die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages besteht, nicht darauf an, ob irgendwann in der Vergangenheit eine Abmahnung zu Recht oder zu Unrecht erfolgte, sondern allein darauf, ob der Leistungserbringer zum Zeitpunkt der Verwirklichung seiner Absicht, einen neuen Versorgungsvertrag zu schließen, die qualitativ-fachlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 14/02 R; vgl. auch BSG, Beschluss vom 27. Mai 2004 - B 3 KR 29/03 B, zitiert nach juris). Ob diese Voraussetzungen zu diesem künftigen Zeitpunkt vorliegen, kann die Klägerin, wenn die Beklagte deswegen den Abschluss eines Versorgungsvertrages verweigert, dann in einem gerichtlichen Verfahren klären lassen. Angesichts dessen vermag der Senat kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu erkennen, die Rechtswidrigkeit der Abmahnung feststellen zu lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG i.V.m. § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Berufungsverfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwertes, die nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verbindung mit § 197 a Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGG ergeht, ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 2 GKG. Danach ist, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, wie im vorliegenden Fall, ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen.
Rechtskraft
Aus
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