L 1 KR 371/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 54/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 371/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 18. April 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versorgung mit dem Gerät Braillezeile PrivatLine 42 als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Kläger ist mit dem Blindenlesesystem HedoScan B von der Beklagten versorgt. Er ist der Auffassung, mit dem begehrten Gerät könne er das vorhandene System verbessern und insbesondere Auszüge, Tabellen und dergleichen leichter lesen und die Rechtschreibkontrolle optimieren.

Der 1954 geborene Kläger ist blind, studierter Jurist und arbeitet in seinem Beruf. Bei der Beklagten ist er gesetzlich krankenversichert.

Das Blindenlesegerät HedoScan gewährte die Beklagte im März 1995, die Kosten betrugen 12 525,54 DM, wobei die Summe an den Lieferanten gezahlt wurde, in dessen Eigentum das Gerät bis jetzt steht.

Am 28. November 2001 beantragte der Kläger die Versorgung mit der neuen Braillezeile und brachte einen Kostenanschlag der Firma H GmbH von der auch das Gerät stammt, das der Kläger nutzt über 4 987,14 EUR bei. Der behandelnde Augenarzt K hatte die Braillezeile am 21. November 2001 verordnet.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung MDK ein. Für diesen vertrat Dr. K die Auffassung, falls der Kläger die Braillezeile zusätzlich zehn Stunden die Woche nutze, könne eine Kostenübernahme befürwortet werden.

Mit Bescheid vom 04. März 2002 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab: Der Kläger habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass mit dem Blindenvorlesesystem aus dem Jahre 1995 die Grundbedürfnisse nicht in ausreichendem Umfang befriedigt werden könnten. Andererseits sei eine zweckmäßige und ausreichende Versorgung mit einem Vorlesesystem grundsätzlich sichergestellt. Die Beklagte lehne daher die Kostenübernahme für eine Braillezeile ab, sei jedoch bereit, die Kosten für ein neues elektronisches Blindenvorlesesystem zu übernehmen (pauschaler Kostenanteil 3 246,70 EUR).

Seinen Widerspruch vom 28. März 2002 hiergegen begründete der Kläger damit, er könne nur mit einer Braillezeile seinen hohen Informationsbedarf zu Hause ohne fremde Hilfe befriedigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Das angebotene neue Vorlesegerät mit einer Kostenübernahme von 3 246,40 EUR sei ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich.

Hiergegen hat sich die am 22. April 2003 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet. Der Kläger habe an seinem Arbeitsplatz auf dem dort bereitgestellten PC eine Braillezeile unter Windows XP, eine Sprachausgabe und einen Scanner als technisches Hilfsmittel. Zur Verwirklichung seines Selbstbestimmungsrechtes möchte er dies auch im privaten Bereich haben. Dies ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts BSG - vom 16. April 1998 B 3 KR 6/97. Schließlich sei auch der Bundesverband der Innungskrankenkassen der Auffassung, im Einzelfall könne ein Anspruch auf eine Braillezeile bejaht werden.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, auch das BSG (a. a. O.) habe bereits 1998 erkannt, dass aufgrund des technischen Fortschritts bei den Vorlesegeräten Braillezeilen entbehrlich werden könnten. Die vom Kläger zitierte Einzelfallentscheidung könne über den entschiedenen Fall hinaus nicht erweitert werden. Die Beklagte hat Beschreibungen der neuen Geräte, die sie dem Kläger angeboten hat, beigebracht und dargelegt, eine Weiternutzung sei zumutbar, es könne jedoch auch eine Neuversorgung mit einem Vorlesesystem neuerer Kategorie im Austausch erfolgen.

Das Sozialgericht hat beim A D durch den Dipl. Sozialpädagogen A R eine Stellungnahme dazu beigeholt, welche Informationsquellen sich ein blinder Mensch mit einem Vorlesegerät neuerer Bauart (Lesphon Privat KMS der Firma N GmbH) erschließe und ob zusätzlich zur Informationsbeschaffung eine zusätzliche Braillezeile notwendig sei. Insbesondere möge dazu Stellung genommen werden, ob aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen technischen Fortschritts die nunmehr auf dem Markt befindlichen Lese-Sprech-Geräte so ausgereift und technisch vervollkommnet seien, dass dadurch Braillezeilen nicht mehr zwingend zur Informationsbeschaffung notwendig seien.

Der Sachverständige hat unter dem 11. Dezember 2006 dargelegt, ein Lese-Sprech-Gerät könne bei tabellarischen Darstellungen und beim Erkennen von deren Struktur keine ausreichenden Informationen vermitteln, Arzneibeipackzettel, Zeitungen, Zeitschriften und Journale seien grundsätzlich erschließbar, Telefonbücher, Rechnungen, Bankkontoauszüge, Fachliteratur und Internetseiten hingegen nur bedingt. Einen Vorteil und den damit verbundenen zwingenden Bedarf bei der Anschaffung einer zusätzlichen Braillezeile könne er nicht erkennen.

Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. April 2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar habe das BSG im Jahre 1998 entschieden, dass Braillezeilen von den Krankenkassen zur Verfügung zu stellen seien, habe jedoch in dieser Entscheidung bereits dargelegt, dass dies in Zukunft bei weitergehendem technischen Fortschritt der Vorlesegeräte entfallen könnte. Das Sozialgericht sei nunmehr der Überzeugung, dass der technische Fortschritt einen Stand erreicht habe, in dem eine zusätzliche Braillezeile keinen wesentlichen Vorteil mehr bringe.

Gegen dieses dem Kläger am 03. Mai 2007 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 31. Mai 2007. Er hat zur Begründung im Wesentlichen aufgeführt, die Auffassung des Sozialgerichts werde von anderen Gerichten ebenso bestritten wie die Darlegungen des vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen von anderen Sachverständigen anders beurteilt würden. Das Sozialgericht sei auch seiner Beweisanregung insoweit nicht nachgekommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 18. April 2007 S 18 KR 54/03 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2003 zu verurteilen, den Kläger zusätzlich zum bewilligten Lese-Sprech-Gerät mit einer 40 stelligen Braillezeile zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung über die Berufung erklärt.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten zum streitigen Anspruch verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Über sie konnte der Berichterstatter des Senats entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einem derartigen Verfahren erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 155 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer zusätzlichen Braillezeile, so dass die dies aussprechenden angefochtenen Bescheide und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts ihn nicht in seinen Rechten verletzen.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer Behandlung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V durch Rechtsverordnung von der Versorgung ausgeschlossen sind.

Die Leistungsgewährung mit Hilfsmitteln muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie darf das Maß des Notwendigen und Erforderlichen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können die Versicherten einerseits nicht beanspruchen und dürfen andererseits die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).

Die Braillezeile stellt ein sonstiges Hilfsmittel gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar und ist nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen.

Sie ist jedoch zum Ausgleich der Behinderung des Klägers unter Beachtung der Maßstäbe des § 12 Abs. 1 SGB V nicht zweckmäßig und wirtschaftlich und nicht das Maß des Notwendigen nicht überschreitend.

Wenn das BSG, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, einerseits Braillezeilen im Jahre 1998 für notwendig gehalten, andererseits aber bereits damals zum Ausdruck gebracht hat, dass diese Notwendigkeit mit dem weiteren technischen Fortschritt in Zukunft entfallen könnte und die Entscheidungen der Landessozialgerichte hierzu vom November 2005 (LSG Nordrhein-Westfalen) beziehungsweise) März 2005 (LSG Rheinland-Pfalz) stammen, so zeigt dies, dass die vom BSG im Jahre 1998 prognostizierte Entwicklung eingetreten ist. Bereits im Jahre 2005 gingen die Sachverständigen und die Sozialgerichtsbarkeit zumindest teilweise davon aus, dass nunmehr der Fortschritt der Vorlesegeräte so weit gediehen ist, dass zusätzliche Braillezeilen nicht mehr notwendig seien. Diese technische Entwicklung schreitet weiter fort, es sind nunmehr zirka zwei weitere Jahre bis zum Gutachten des Sachverständigen R verstrichen. Da sich dieser das Lesphon Privat KMS, das der Kläger benutzt, zwei Stunden vom Hersteller hat präsentieren lassen und ein Ingenieurbüro zur Entwicklung von Sprachausgaben interviewt hat, kommt seiner Stellungnahme nunmehr der höchste Beweiswert zu. Die Darstellung des Herrn R, der Arbeitszweigleiter eines ambulanten Behindertenzentrums ist, vermag daher zu überzeugen. Wenn er dann ausführt, dass der größte Teil der täglichen Informationen mit dem vorhandenen Gerät zu erfassen ist und nur ein geringer nicht, erscheint die begehrte Versorgung nicht mehr notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich. Einen weiteren Beweis brauchten weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht zu erheben, da das beigeholte Beweismittel ausreichend und überzeugend ist und der Kläger selbst keinen konkretisierten Beweisantrag gestellt, sondern, wie er in seiner Berufungsschrift zutreffend darlegt, lediglich Beweisanregungen gegeben hat.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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