L 10 B 1781/07 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 22 AS 404/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1781/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
In sozialgerichtlichen Verfahren muss die Beiordnung eines Rechtsanwalts grundsätzlich kostenmäßig unbeschränkt erfolgen, wenn ein außerhalb des Gerichtsortes wohnender Beteiligter einen an seinem Wohnort residierenden Rechtsanwalt beauftragt.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. August 2007 geändert. Die Einschränkung der Beiordnung von Rechtsanwältin P "zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts" wird aufgehoben. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Klägerin hat im Mai 2006 Klage auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Sozialgericht (SG) Cottbus erhoben. Damals lebte sie noch in der zum Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts gehörenden Gemeinde W. Im selben Monat hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten, Rechtsanwältin P, mit Kanzleisitz in S in der Nähe von B beantragt. Im Laufe des Verfahrens ist auch die Klägerin nach S gezogen, wo sie seit April 2007 unter der im Rubrum genannten Anschrift polizeilich gemeldet ist.

Mit Beschluss vom 29. August 2007 hat ihr das SG Cottbus für die Zeit ab dem 30. Mai 2006 PKH gewährt und Rechtsanwältin P mit der Einschränkung "zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts" gewährt. Mit ihrer Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, macht die Klägerin geltend, jeder habe das Recht, einen Rechtsanwalt am eigenen Wohnsitz zu beauftragen.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1, 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig. Angefochten ist nicht die "die Bewilligung von Prozesskostenhilfe", was nach § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO unzulässig wäre, sondern nur die die Klägerin belastende Beschränkung der Beiordnung auf die Kosten einer Anwalts am Gerichtsort (vgl. Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. November 1985 – L 5 Sb 52/85 – Breith 86, 449).

Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 3 ZPO in der ab dem 01. Juni 2007 geltenden Fassung kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Auch der zuvor geltenden Fassung des § 121 Abs. 3 ZPO, die wegen des Abstellens auf einen nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt nicht auf den Sozialgerichtsprozess passte, da diesem die Zulassung bei einem Prozessgericht seit jeher fremd ist, war für die Sozialgerichtsbarkeit der Grundgedanke zu entnehmen, die im Rahmen der PKH von der Staatskasse zu übernehmenden Kosten zu begrenzen und unnötige Reisekosten zu vermeiden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2002 – L 13 RA 763/02 PKH-B - veröffentlicht unter www.juris.de (juris); für die Verwaltungsgerichtsbarkeit: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 30. November 2006 – 12 C 06.1924 – juris; Thüringer Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 23. April 2001 – 3 KO 827/98 – juris).

Dass hier infolge der Vertretung der Klägerin durch Rechtsanwältin P weitere bzw. unnötige Reisekosten entstehen, die ihre Beiordnung aus Gründen der Kostenersparnis verbieten, ist nicht ersichtlich. Vor dem Sozialgericht findet in aller Regel nur eine mündliche Verhandlung statt. Die Reisekosten der Rechtsanwältin zu einem solchen Termin in Cottbus, die aufgrund der PKH-Bewilligung gemäß §§ 45, 46 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aus der Landeskasse vergütet werden, sind nicht höher als diejenigen der Klägerin für eine Reise zu einem Rechtsanwalt am Gerichtsort zwecks Besprechung, die grundsätzlich entweder der Beteiligte selbst im Rahmen der PKH beanspruchen kann (vgl. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Bd. 2, § 122 Rdnr 14) oder, wenn sie vom Rechtsanwalt vorgestreckt wurden, unter dessen Auslagenvergütungsanspruch nach § 46 Abs. 1 RVG fallen (Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 122 Rdnr 27). Infolgedessen muss in sozialgerichtlichen Verfahren regelmäßig die Beiordnung eines Rechtsanwalts kostenmäßig unbeschränkt erfolgen, wenn ein außerhalb des Gerichtssitzes wohnender Beteiligter einen an seinem Wohnort residierenden Rechtsanwalt beauftragt (vgl. Bayerischer VGH aaO; Thüringer OVG aaO; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Oktober 1996 – A 14 S 3124/95 – juris; Knittel in Hennig, SGG, Stand August 2007, Bd. 1 § 73a Rdnr 48, Bd 2 § 193 Rdnr 83; Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr 9a; Zöller aaO, § 121 Rdnr 12). Dass hier ausnahmsweise etwas anderes gelten müsste, ist nicht ersichtlich.

Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO Kosten nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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