L 6 B 461/07 AL PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 1026/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 B 461/07 AL PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird ihr unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2007 für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin H W gewährt. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 52 AL 1026/07) ist streitig, ob die damals als private Arbeitsvermittlerin tätige Klägerin eine Vergütung in Höhe von 1000,- EUR dafür verlangen kann, dass sie dem Arbeitnehmer T K (K) im Jahr 2005 ein Beschäftigungsverhältnis mit der Firma C C GmbH B (C) vermittelt hat. Das verneint die Beklagte mit der Begründung, K sei bei dieser Firma keine sechs Wochen beschäftigt gewesen. Mit Beschluss vom 26. Juli 2007 hat das SG die Gewährung von Prozesskosten¬hilfe (PKH) für dieses Verfahren mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin, der das SG nicht abgeholfen hat, ist begründet.

Nach § 73 a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten, der - wie die Klägerin - nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf seinen Antrag PKH zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechts¬verfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Mit dieser Bestimmung wird der Gesetzgeber seiner Verpflichtung gerecht, die aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) grundrechtlich gesicherte Rechtsschutzgleichheit zu gewährleisten, die beinhaltet, den Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise zu eröffnen, insbesondere dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen (BVerfGE 81, 347 f). Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn § 114 ZPO von den Fachgerichten in einer Weise ausgelegt und angewandt wird, die Restriktionen vermeidet, die in Ansehung der dargestellten Zielvorstellung ver¬fassungs¬rechtlich unzulässig sind. Dazu gehört es, die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht zu überspannen, insbesondere die Prüfung schwieriger Sach- und Rechtsfragen nicht in das PKH-Verfahren vorzuverlagern, und bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 Abs 2 ZPO) Un¬gleichheiten entgegenzuwirken, deren Ausmaß nach den Fähigkeiten der Beteiligten und dem Streit¬stoff variieren können (vgl BVerfG, 1. Senat, 3. Kammer, Beschluss vom 30. August 2006 – 1 BvR 955/06, BVerfG, 1. Senat, 1. Kammer, Beschluss vom 18. Dezember 2001 - 1 BvR 391/01). Nach diesen Maßstäben hat die Klage hinreichende Erfolgsaussicht und ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts hier erforderlich.

Der Ausgang des Klageverfahrens hängt offenbar maßgeblich vom Ablauf der Sechswochenfrist des § 421g Abs 2 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Die übrigen Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs des Vermittlers sind bei summarischer Prüfung erfüllt. Dass die Firma C jedenfalls ab März 2005 dieselbe Anschrift hatte wie die Klägerin (vgl Bl 195, 216 der K betreffenden Leistungsakte der Beklagten (LA), im Arbeitsvertrag vom 11. Februar 2005, Bl 192 ff der LA, ist als Anschrift der C allerdings noch O R in B angegeben) ist noch kein hinreichender Beleg für eine anspruchshindernde wirtschaftliche Verflechtung zwischen beiden (vgl dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 06. April 2006 – B 7a AL 56/05 RBSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1). Ob die Sechswochenfrist hier verstrichen ist, hängt davon ab, ob man sich bei der Auslegung des Merkmals "Beschäftigungsverhältnis" in § 421g Abs 2 Satz 2 SGB III an dem arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitsverhältnisses orientiert oder auf die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung abstellt (vgl zu den unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs Brand in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 25 Rdnr 3 ff).

Bei an das Arbeitsrecht angelehnter Betrachtung war K länger als sechs Wochen bei der Firma C beschäftigt, so dass der Klage voraussichtlich stattzugeben wäre. Nach dem Arbeitsvertrag begann das Arbeitsverhältnis am 15. Februar 2005. Gekündigt wurde es ausweislich der LA (von Arbeitgeberseite) erst zum 15. April 2005 (Bl 216), also erst nach zwei Monaten. Dementsprechend hat die Firma C der Beklagten noch unter dem 04. April 2005 bestätigt, dass das Beschäftigungsverhältnis seit dem 15. Februar 2005 ununterbrochen bestehe (Bl 11 der Gerichtsakten). Da bei arbeitsrechtlich geprägter Sichtweise Zeiten der Freistellung von der Arbeit bei Fortbestehen des Lohnanspruchs einzubeziehen sind (vgl BSG, Urteil vom 12. November 1975 – 3/12 RK 13/74SozR 2200 § 165 Nr 8), wäre es unerheblich, dass K (der selbst in seinem Formantrag auf Arbeitslosengeld vom 07. April 2005 angegeben hat, noch bis zum 31. März 2005 bei der Firma C beschäftigt gewesen zu sein, Bl 191 der LA) seit seiner unstreitigen Rückkehr aus Spanien am 25. März 2005 nicht mehr für die Firma C gearbeitet hat.

Stellt man hingegen auf die tatsächliche Ausübung der Beschäftigung ab und legt eine Beschäftigungsaufnahme am 15. Februar 2005 - einem Dienstag - zugrunde (wie arbeitsvertraglich vereinbart), gelangt man dann zu einem anderen Ergebnis, wenn man wie das SG davon ausgeht, K habe die Beschäftigung bereits am 25. März 2005 – Karfreitag - endgültig abgebrochen. Denn die Sechswochenfrist war erst mit Ablauf des 28. März 2005 – Ostermontag – verstrichen. Allerdings versteht sich die Außerachtlassung des Osterwochenendes einschließlich Ostermontag nicht von selbst, da auch bei rein faktischer Betrachtung des Beschäftigungsverhältnisses Feiertage und Wochenenden grundsätzlich einzubeziehen sind. Rechnet man - anders als das SG - die Zeit von Karfreitag bis Ostermontag mit ein, müsste bei dieser Sichtweise noch geklärt werden, ob die Beschäftigung tatsächlich bereits am 15. Februar 2005 aufgenommen wurde, woran angesichts der Formulierung im Schreiben der Firma C an K vom 15. März 2005 "Wie Sie wissen wurde die Arbeit erst jetzt aufgenommen" (Bl 195 der LA) gewisse Zweifel bestehen.

Wie der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses in § 421g Abs 2 Satz 2 SGB III zu verstehen ist, bedarf im Klageverfahren näherer Prüfung. Verlässliche Rechtsprechung liegt dazu bislang nicht vor.

Nach alledem erscheint ein Erfolg der Klägerin im Klageverfahren jedenfalls als nicht fern liegend, so dass PKH zu gewähren war.

Der Senat weist bei dieser Gelegenheit noch auf die weiteren Ausführungen im bereits zitierten Urteil des BSG vom 06. April 2006 hin, wonach ein Vermittler kein Leistungsempfänger im Sinne des § 183 SGG ist, sodass nach § 197a SGG Kostenpflichtigkeit besteht, und in solchen Klageverfahren die Arbeitnehmer bzw Vermittelten notwendig beizuladen sind.

Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs 4 ZPO Kosten nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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