Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 247/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 293/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialge-richts Berlin vom 29. September 2006 wird das Urteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO anzuer-kennen. Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin weder für das erst- noch für das zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Anerkennung des Wirbelsäulenleidens der Klägerin als Be-rufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1954 geborene Klägerin war nach einer entsprechenden Ausbildung ab Oktober 1976 als Krankenschwester im G (zuvor: Krankenhaus S) auf verschiedenen Stationen tätig. Die ar-beitstechnischen Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass die Klägerin seit Beginn ihrer Tä-tigkeit eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im Sinne der BK 2108 ausgeübt hat. Im Janu-ar 2000 wechselte die Klägerin in den Arbeitsbereich Sterilisation, wo sie nicht mehr belastend tätig ist.
Im Januar 1998 zeigte die Krankenkasse der Klägerin, die BKK Berlin, gegenüber der Beklag-ten das mögliche Vorliegen einer Berufskrankheit an. Die Beklagte befragte die Klägerin zu ihren Tätigkeiten, zog medizinische Unterlagen über deren Behandlungen bei und holte eine Auskunft der Betriebsärztin des G H Dr. R ein, die zugleich die dort vorhandenen Unterlagen übersandte. Die Beklagte ließ sodann durch Prof. Dr. W/Dr. V, Stiftung O, ein fachorthopädi-sches Gutachten erstellen. Diese kamen mit Datum vom 08. August 2000 zu dem Ergebnis, dass die nachgewiesenen Veränderungen als anlagebedingt und unabhängig von der berufli-chen Belastung einzuschätzen seien und entsprechend eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) nach BK 2108 nicht wahrscheinlich sei. Es seien lediglich die physiologisch am stärksten belasteten Abschnitte der Wirbelsäule verändert, wie dieses auch in der durchschnittlichen Bevölkerung zu erwarten sei; alle weiteren Wirbelsäulenabschnitte zeig-ten lediglich altersentsprechende radiologische Veränderungen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) holte die Beklagte ein Gutachten nach Aktenlage der Ärzte für Orthopädie Dr. T/Dr. S vom 08. September 2003 ein, die ausführten, dass nicht sicher überhaupt von einer bandscheibenbedingten Erkrankung gesprochen werden könne. Denn typische segmentale Nervenwurzelreizerscheinungen könnten den Unterlagen nicht ent-nommen werden; es liege auch keine auffällige Höhenminderung des Bandscheibenzwischen-raumes vor. Letztlich hätten sich in keinem Segment dem Alter deutlich vorauseilende umfor-mende Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose entwickelt, die man als belastungsinduziert bezeichnen könnte. Ein belastungskonformes Schadensbild liege nicht vor, so dass die Empfehlung zur Anerkennung einer BK 2108 nicht vertretbar sei.
Durch Bescheid vom 29. Oktober 2003 lehnte der Beklagte daraufhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 ab.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie ein Attest des Arztes für Orthopädie Dr. G vom 26. Januar 2004 beibrachte, in dem ausgeführt ist, dass aufgrund des Betroffenseins mehrerer Bewegungssegmente der Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und der Wirbelsäulenveränderungen erkennbar sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch unter Be-zugnahme auf das Ergebnis ihrer medizinischen Ermittlungen zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Gericht ein fachorthopädisches Gutachten durch Prof. Dr. N, Dr. B, Evangelisches Waldkrankenhaus S, vom 30. Juni 2005 eingeholt, die aus-führten, dass die Wirbelsäulenerkrankung nicht ursächlich auf die berufliche Belastung der Klägerin als Krankenschwester zurückzuführen sei. Auch eine wesentliche Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens sei nicht abzugrenzen. Ein belastungskonformes Schädi-gungsmuster liege nicht vor. Belastungskonform für Pflegeberufe seien bandscheibenbedingte Erkrankungen der unteren LWS ohne relevante Schädigungen höher liegender Wirbelsäulenab-schnitte. Diese Kriterien seien in der Gesamtheit der radiologischen Diagnostik nicht erfüllt. Es handele sich vielmehr um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit mehrsegmenta-len Bandscheibenschäden bis in die obere LWS, zusätzlich zeigten sich relevante klinisch und radiologisch gesicherte degenerative Veränderungen insbesondere auch an der Halswirbelsäule (HWS). Insgesamt werde ein schicksalhafter Verschleiß eingeschätzt.
Die Klägerin hat weitere Atteste des Dr. G vom 04. Mai 2004 und vom 22. August 2005 beige-bracht, in denen ausgeführt ist, dass die drei Kriterien Länge der Arbeitsbelastung, Höhe und Schwierigkeiten der Arbeitsbelastung und vorhergehende Nichterkrankung, d. h. ohne Vor-schäden erfüllt seien. Mit einer Befundbesserung sei nicht mehr zu rechnen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit mehr als 20 v. H. einzustufen.
Mit Urteil vom 29. September 2006 hat das Sozialgericht Berlin die angefochtenen Bescheide der Beklagten abgeändert und diese verurteilt, das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen, und die Klage im Übrigen, soweit sie auf Gewährung einer Rente gerich-tet war, abgewiesen. Das Bandscheibenleiden an der unteren LWS sei durchaus als konform mit den Belastungen von Pflegekräften anzusehen. Anders als Prof. Dr. N meine, spreche es nach Auffassung der Kammer bei der Kausalitätsbewertung nicht gegen eine berufliche Verur-sachung des LWS Schadens, dass sich an der HWS der Klägerin ebenfalls Schäden fänden. Es sei nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass Schäden an der HWS degenerativ und da-mit schicksalsbedingt sein können, während LWS Schäden durchaus auf der beruflichen Belas-tung beruhen könnten. Die MdE betrage allerdings lediglich 10 v. H., so dass eine Rentenzah-lung nicht erfolgen könne.
Gegen dieses ihr am 16. Oktober 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 15. November 2006 eingegangene Berufung der Beklagten. Im Urteil werde weder die LWS Erkrankung konkret benannt noch sei eine Auseinandersetzung mit der Frage erkennbar, ob die Erkrankung bandscheibenbedingt sei. Selbst wenn dies zu bejahen sei, beantworte dies nicht die Zusammenhangsfrage. Das Auftreten von Veränderungen der LWS vor Vollendung des dritten Lebensjahrzehntes nach relativ kurzer Belastung sei ein Indiz gegen einen ursächli-chen Zusammenhang. Vorliegend seien Wirbelsäulenbeschwerden bereits seit 1979 beklagt worden, mithin im vierten Arbeitsjahr. Auch werde die Adipositas der Klägerin als konkurrie-render Faktor übersehen. Ferner lasse die Entscheidung eine Auseinandersetzung mit biome-chanischen Plausibilitätsüberlegungen unter Abwägung von klar benannten Positiv- und Nega-tivkriterien vermissen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2006 aufzu-heben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verweist auf die Argumentation im erstinstanzlichen Urteil.
Das Gericht hat ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. W vom 23. Mai 2007 eingeholt, der zu dem Ergebnis kam, dass bei der Klägerin ein chronisch-degeneratives Lum-balsyndrom mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen und phasenweisen pseudora-dikulären Abstrahlungen sowie eine Osteochondrose der unteren HWS mit geringen Funkti-onseinschränkungen vorlägen. Es könnte nicht mit genügender Wahrscheinlichkeit nachgewie-sen werden, dass die Bandscheibenveränderungen und die allgemeinen Wirbelsäulendegenera-tionen wesentlich oder zumindest teilursächlich durch die berufliche Belastung verursacht worden seien. Mehr Argumente sprächen für eine anlagebedingte Disposition.
Neben den Grundvoraussetzungen eines belastungskonformen Krankheitsbildes müsse es ge-lingen, mit genügender Sicherheit die beruflich induzierte chronische Discose der unteren LWS durch entsprechende Bilddokumente nachzuweisen. Der Prolaps auf der Etage L5/S1 könne als altersüberschreitend eingestuft werden, da er bei einer 43 jährigen Versicherten nicht als Normalbefund eingestuft werden dürfe. Der Krankheitsentwicklung seien jedoch Erkenntnisse über mögliche konstitutionelle Einflüsse zu entnehmen. Ein Verteilungsmuster, nach dem ausgehend von einer Bandscheibenschädigung der unteren LWS es in den nachfolgenden Jahren zu einer Segmentarthrose gekommen wäre, wobei die radiologischen Veränderungen auf die untere LWS lokalisiert und dort zumindest in einem höheren Ausmaß vorhanden sein müssten als auf höher gelegenen Wirbelsäulenabschnitten, sei dabei nicht zu erkennen. Werte man zunächst die ersten CT Aufnahmen aus, so könne festgehalten werden, dass 1997 ein al-tersüberschreitender Bandscheibenschaden erkennbar gewesen sei, wobei zu diesem Zeitpunkt die umliegende Segmentarthrose noch nicht vorhanden gewesen sei. MRT Aufnahmen der LWS von Dezember 2002 zeigten auf einem weniger belasteten Wirbelsäulenabschnitt (L3/4) nunmehr ebenfalls eine Bandscheibendegeneration und die initiale Veränderung auf dem Seg-ment L4/5 bereits teilverkalkt. Auch auf dem Abschnitt L2/3 sei eine ausgeprägte mediale Protrusion vorhanden gewesen. Spätere MRT Aufnahmen von 2004 wiesen sogar höher gele-gene Bandscheibenschäden auf der L3/4 nach. Auch dieses Segment sei stärker knöchern ge-schädigt als die Hauptbelastungszone L5/S1. Auf den heutigen Aufnahmen sei das Bandschei-benfach L5/S1 weitestgehend altersgemäß und deutlich weniger verändert als das Segment L4/5 oder auch L3/4. Folglich habe sich eine beruflich induzierte Discose nicht entwickelt; ein typisches Verteilungsmuster sei anhand der Röntgenaufnahmen nicht zu erkennen. Vielmehr zeigten höher gelegene Wirbelsäulenabschnitte, welche aus biomechanischen Überlegungen heraus weniger belastet würden, stärkere Abnutzungserscheinungen. Darüber hinaus sollten Osteochondrosen auf mittleren oder oberen LWS-Abschnitten fehlen, was nicht der Fall sei. Auch sei der thorako-lumbale Übergang im Verteilungsmuster ebenfalls betroffen. In Verbin-dung mit dem Verteilungsmuster (mittlere LWS Abschnitte stärker betroffen als untere Regio-nen) sei der Nachweis von Segmentarthrosen sowohl in der LWS, Brustwirbelsäule (BWS) als auch in der unteren HWS zumindest ein Indiz für die konstitutionelle Disposition. Konkurrie-rende Ursachen im Sinne einer langjährigen deutlichen Übergewichtigkeit seien in ihrer Aus-prägung hingegen nicht klar abgrenzbar und sollten nur der Vollständigkeit halber angeführt werden, sie seien jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich. Den Ausführungen des Dr. G sei auch nach mehrfachem Durchlesen leider keine schlüssige Argumentationskette zu entnehmen. Soweit dies zu verstehen sei, sei aus seiner Sicht allein die Tatsache, dass die Klä-gerin als Krankenschwester gearbeitet habe, genügender Beleg dafür, dass Veränderungen und Beschwerden am Achsenorgan zwangsläufig auf diese Tätigkeit zurückgeführt werden könn-ten, was jedoch mitnichten so sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten (zwei Bände).
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Berufung ist zulässig und auch in der Sache begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung ihres Wirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Das anders lautende erstinstanzliche Urteil war deshalb inso-weit aufzuheben.
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebentes Buch Sozialgesetzbuch, Ge-setzliche Unfallversicherung (SGB VII), Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles – eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit – um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGG VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche be-zeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufs-krankheiten gehören nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kau-salitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Die Krank-heit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen ein-schließlich deren Art und Ausmaß müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusam-menhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahr-scheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit ausreicht (Bundessozialgericht, BSG, SozR 3-2200, § 551 Nr. 18 m. w. N.).
Vorliegend fehlt es am Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die BK 2108, da das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit nicht gegeben ist. Zu diesem Ergebnis sind übereinstimmend sämtliche im vorliegenden Verfahren gehörten Gutachter gekommen. Die Gutachter sind dabei vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 ausgegangen, wobei sich die letztlich nicht ganz zu klärende Frage des Zeitpunktes des Krankheitsbeginns nicht entscheidungserheblich ausgewirkt hat. Denn es fehlt vorliegend am so genannten belastungskonformen Verteilungsmuster der Erkrankung an der Wirbelsäule. Art, Ausprägung und Lokalisation des Krankheitsbildes müssen der spezifischen Einwirkung bzw. der beruflichen Exposition entsprechen. Der nach dem anzuwendenden Berufskrankhei-tentatbestand mit einer bestimmten Einwirkung korrespondierende Wirbelsäulenabschnitt muss besonders betroffen sein. Die bandscheibenbedingte Erkrankung im beruflich belasteten Ab-schnitt muss sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. Für die BK Nr. 2108 ist hierbei in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zu-nehmender Befund erforderlich, weil die Belastungen durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeuge bzw. Heben schwerer Lasten insbesondere bei den Lendenwirbelsegmenten L5/S1 und L4/5 kumulieren. Diese Belastung ist brustwirbelsäulenwärts abnehmend, so dass die Segmente L3/3, L2/3 und L1/2 zwar auch, jedoch nur geringer belastet sind. Ein derartiges belastungskonformes Schadensbild entspricht den so genannten Konsensusempfehlungen (Me-dizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwir-belsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 (212 ff.)), wo dieses beschrieben wird durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädi-gung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschä-den an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belaste-ten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person sowie die Entwicklung einer Begleitspondy-lose. Dabei spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung, während ein Befall der HWS und/oder BWS je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann (Konsensusempfehlungen, a. a. O., Seite 216).
Insbesondere Dr. W hat unter Auswertung der genannten Konsensusempfehlungen im Einzel-nen dargelegt, dass ein derartiges belastungskonformes Schadensmuster bei der Klägerin nicht besteht und dies mit dem Krankheitsbild und dem Krankheitsverlauf ausführlich und nachvoll-ziehbar begründet. Das Gericht folgt den Feststellungen des Dr. W, zumal dieser zum selben Ergebnis kam wie die zuvor gehörten Gutachter Prof. Dr. W/Dr. V, Dr. T/Dr. S und Prof. Dr. N/Dr. l. Prof. Dr. N hat ausgeführt, dass im Verlauf nahezu sämtliche Segmente der LWS radiologisch nachweisbar geschädigt worden seien und ebenso wie Dr. W insbesonde-re den vorliegend gut dokumentierten Krankheitsverlauf als Indiz gegen ein typisches belas-tungskonformes Schadensbild gewertet. Nach Dr. W hat sich die Bandscheibenveränderung auf der Etage L5/S1 nach 1997 nicht in einem signifikanten Ausmaß entwickelt, während das mittlere Segment L3/4 erheblich deutlicher betroffen gewesen sei. Auch auf heutigen Aufnah-men zeige sich das Bandscheibenfach L5/S1 weitestgehend altersgemäß und deutlich weniger verändert als das Segment L4/5 oder L3/4; das Segment L3/4 sei stärker knöchern geschädigt als die Hauptbelastungszone L5/S1. Auch beständen Chondrosen auf mittleren oder oberen LWS-Abschnitten, die jedoch fehlen sollten.
Dem erstinstanzlichen Urteil konnte nach allem nicht gefolgt werden, da das hier angenomme-ne belastungskonforme Schadensbild aus den dargelegten Gründen nicht besteht. Bandschei-benschäden an HWS und/oder BWS sind zwar in der Tat nicht per se ein Ausschlusskriterium, wie auch in den Konsensusempfehlungen ausgeführt ist (a.a.O., S. 216, 220); hier kommt es vielmehr auf die gesamte Fallkonstellation und die Art der Schäden an. Dabei wird eine Begleitspondylose als positives Indiz für eine berufliche Verursachung gesehen, während bei deren Fehlen (wie vorliegend der Fall) mindestens eines der Kriterien der Konstellation B2 (a.a.O.: Höhenminderung/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben; besonders intensive Belas-tung; Anhaltspunkt: Erreichen der Richtwerte für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren; besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen) erfüllt und eine Betonung der Schäden an der unteren LWS erkennbar sein müsse. Dr. Whatjedoch ausgeführt, dass die Vor-aussetzungen dieser Konstellation B2 nicht vorliegen (Seite 22 des Gutachtens).
Den Attesten des Dr. G konnten überzeugende Argumente nicht entnommen werden. Dr. W hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dessen Ausführungen keine schlüssige Argumentationskette zu entnehmen ist. Ein Kausalzusammenhang lässt sich gerade nicht aus Länge, Höhe und Schwierigkeiten der Arbeitsbelastung bei Fehlen von Vorschäden folgern, auch folgt ein sol-cher nicht schon aus einem polysegmentalen Befall. Andere Anhaltspunkte für einen überwie-genden Kausalzusammenhang konnten den Attesten jedoch nicht entnommen werden.
Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Haupt-sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 3 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Anerkennung des Wirbelsäulenleidens der Klägerin als Be-rufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1954 geborene Klägerin war nach einer entsprechenden Ausbildung ab Oktober 1976 als Krankenschwester im G (zuvor: Krankenhaus S) auf verschiedenen Stationen tätig. Die ar-beitstechnischen Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass die Klägerin seit Beginn ihrer Tä-tigkeit eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im Sinne der BK 2108 ausgeübt hat. Im Janu-ar 2000 wechselte die Klägerin in den Arbeitsbereich Sterilisation, wo sie nicht mehr belastend tätig ist.
Im Januar 1998 zeigte die Krankenkasse der Klägerin, die BKK Berlin, gegenüber der Beklag-ten das mögliche Vorliegen einer Berufskrankheit an. Die Beklagte befragte die Klägerin zu ihren Tätigkeiten, zog medizinische Unterlagen über deren Behandlungen bei und holte eine Auskunft der Betriebsärztin des G H Dr. R ein, die zugleich die dort vorhandenen Unterlagen übersandte. Die Beklagte ließ sodann durch Prof. Dr. W/Dr. V, Stiftung O, ein fachorthopädi-sches Gutachten erstellen. Diese kamen mit Datum vom 08. August 2000 zu dem Ergebnis, dass die nachgewiesenen Veränderungen als anlagebedingt und unabhängig von der berufli-chen Belastung einzuschätzen seien und entsprechend eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) nach BK 2108 nicht wahrscheinlich sei. Es seien lediglich die physiologisch am stärksten belasteten Abschnitte der Wirbelsäule verändert, wie dieses auch in der durchschnittlichen Bevölkerung zu erwarten sei; alle weiteren Wirbelsäulenabschnitte zeig-ten lediglich altersentsprechende radiologische Veränderungen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) holte die Beklagte ein Gutachten nach Aktenlage der Ärzte für Orthopädie Dr. T/Dr. S vom 08. September 2003 ein, die ausführten, dass nicht sicher überhaupt von einer bandscheibenbedingten Erkrankung gesprochen werden könne. Denn typische segmentale Nervenwurzelreizerscheinungen könnten den Unterlagen nicht ent-nommen werden; es liege auch keine auffällige Höhenminderung des Bandscheibenzwischen-raumes vor. Letztlich hätten sich in keinem Segment dem Alter deutlich vorauseilende umfor-mende Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose entwickelt, die man als belastungsinduziert bezeichnen könnte. Ein belastungskonformes Schadensbild liege nicht vor, so dass die Empfehlung zur Anerkennung einer BK 2108 nicht vertretbar sei.
Durch Bescheid vom 29. Oktober 2003 lehnte der Beklagte daraufhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2108 ab.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie ein Attest des Arztes für Orthopädie Dr. G vom 26. Januar 2004 beibrachte, in dem ausgeführt ist, dass aufgrund des Betroffenseins mehrerer Bewegungssegmente der Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und der Wirbelsäulenveränderungen erkennbar sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch unter Be-zugnahme auf das Ergebnis ihrer medizinischen Ermittlungen zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Gericht ein fachorthopädisches Gutachten durch Prof. Dr. N, Dr. B, Evangelisches Waldkrankenhaus S, vom 30. Juni 2005 eingeholt, die aus-führten, dass die Wirbelsäulenerkrankung nicht ursächlich auf die berufliche Belastung der Klägerin als Krankenschwester zurückzuführen sei. Auch eine wesentliche Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens sei nicht abzugrenzen. Ein belastungskonformes Schädi-gungsmuster liege nicht vor. Belastungskonform für Pflegeberufe seien bandscheibenbedingte Erkrankungen der unteren LWS ohne relevante Schädigungen höher liegender Wirbelsäulenab-schnitte. Diese Kriterien seien in der Gesamtheit der radiologischen Diagnostik nicht erfüllt. Es handele sich vielmehr um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit mehrsegmenta-len Bandscheibenschäden bis in die obere LWS, zusätzlich zeigten sich relevante klinisch und radiologisch gesicherte degenerative Veränderungen insbesondere auch an der Halswirbelsäule (HWS). Insgesamt werde ein schicksalhafter Verschleiß eingeschätzt.
Die Klägerin hat weitere Atteste des Dr. G vom 04. Mai 2004 und vom 22. August 2005 beige-bracht, in denen ausgeführt ist, dass die drei Kriterien Länge der Arbeitsbelastung, Höhe und Schwierigkeiten der Arbeitsbelastung und vorhergehende Nichterkrankung, d. h. ohne Vor-schäden erfüllt seien. Mit einer Befundbesserung sei nicht mehr zu rechnen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit mehr als 20 v. H. einzustufen.
Mit Urteil vom 29. September 2006 hat das Sozialgericht Berlin die angefochtenen Bescheide der Beklagten abgeändert und diese verurteilt, das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen, und die Klage im Übrigen, soweit sie auf Gewährung einer Rente gerich-tet war, abgewiesen. Das Bandscheibenleiden an der unteren LWS sei durchaus als konform mit den Belastungen von Pflegekräften anzusehen. Anders als Prof. Dr. N meine, spreche es nach Auffassung der Kammer bei der Kausalitätsbewertung nicht gegen eine berufliche Verur-sachung des LWS Schadens, dass sich an der HWS der Klägerin ebenfalls Schäden fänden. Es sei nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass Schäden an der HWS degenerativ und da-mit schicksalsbedingt sein können, während LWS Schäden durchaus auf der beruflichen Belas-tung beruhen könnten. Die MdE betrage allerdings lediglich 10 v. H., so dass eine Rentenzah-lung nicht erfolgen könne.
Gegen dieses ihr am 16. Oktober 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 15. November 2006 eingegangene Berufung der Beklagten. Im Urteil werde weder die LWS Erkrankung konkret benannt noch sei eine Auseinandersetzung mit der Frage erkennbar, ob die Erkrankung bandscheibenbedingt sei. Selbst wenn dies zu bejahen sei, beantworte dies nicht die Zusammenhangsfrage. Das Auftreten von Veränderungen der LWS vor Vollendung des dritten Lebensjahrzehntes nach relativ kurzer Belastung sei ein Indiz gegen einen ursächli-chen Zusammenhang. Vorliegend seien Wirbelsäulenbeschwerden bereits seit 1979 beklagt worden, mithin im vierten Arbeitsjahr. Auch werde die Adipositas der Klägerin als konkurrie-render Faktor übersehen. Ferner lasse die Entscheidung eine Auseinandersetzung mit biome-chanischen Plausibilitätsüberlegungen unter Abwägung von klar benannten Positiv- und Nega-tivkriterien vermissen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2006 aufzu-heben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin verweist auf die Argumentation im erstinstanzlichen Urteil.
Das Gericht hat ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. W vom 23. Mai 2007 eingeholt, der zu dem Ergebnis kam, dass bei der Klägerin ein chronisch-degeneratives Lum-balsyndrom mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen und phasenweisen pseudora-dikulären Abstrahlungen sowie eine Osteochondrose der unteren HWS mit geringen Funkti-onseinschränkungen vorlägen. Es könnte nicht mit genügender Wahrscheinlichkeit nachgewie-sen werden, dass die Bandscheibenveränderungen und die allgemeinen Wirbelsäulendegenera-tionen wesentlich oder zumindest teilursächlich durch die berufliche Belastung verursacht worden seien. Mehr Argumente sprächen für eine anlagebedingte Disposition.
Neben den Grundvoraussetzungen eines belastungskonformen Krankheitsbildes müsse es ge-lingen, mit genügender Sicherheit die beruflich induzierte chronische Discose der unteren LWS durch entsprechende Bilddokumente nachzuweisen. Der Prolaps auf der Etage L5/S1 könne als altersüberschreitend eingestuft werden, da er bei einer 43 jährigen Versicherten nicht als Normalbefund eingestuft werden dürfe. Der Krankheitsentwicklung seien jedoch Erkenntnisse über mögliche konstitutionelle Einflüsse zu entnehmen. Ein Verteilungsmuster, nach dem ausgehend von einer Bandscheibenschädigung der unteren LWS es in den nachfolgenden Jahren zu einer Segmentarthrose gekommen wäre, wobei die radiologischen Veränderungen auf die untere LWS lokalisiert und dort zumindest in einem höheren Ausmaß vorhanden sein müssten als auf höher gelegenen Wirbelsäulenabschnitten, sei dabei nicht zu erkennen. Werte man zunächst die ersten CT Aufnahmen aus, so könne festgehalten werden, dass 1997 ein al-tersüberschreitender Bandscheibenschaden erkennbar gewesen sei, wobei zu diesem Zeitpunkt die umliegende Segmentarthrose noch nicht vorhanden gewesen sei. MRT Aufnahmen der LWS von Dezember 2002 zeigten auf einem weniger belasteten Wirbelsäulenabschnitt (L3/4) nunmehr ebenfalls eine Bandscheibendegeneration und die initiale Veränderung auf dem Seg-ment L4/5 bereits teilverkalkt. Auch auf dem Abschnitt L2/3 sei eine ausgeprägte mediale Protrusion vorhanden gewesen. Spätere MRT Aufnahmen von 2004 wiesen sogar höher gele-gene Bandscheibenschäden auf der L3/4 nach. Auch dieses Segment sei stärker knöchern ge-schädigt als die Hauptbelastungszone L5/S1. Auf den heutigen Aufnahmen sei das Bandschei-benfach L5/S1 weitestgehend altersgemäß und deutlich weniger verändert als das Segment L4/5 oder auch L3/4. Folglich habe sich eine beruflich induzierte Discose nicht entwickelt; ein typisches Verteilungsmuster sei anhand der Röntgenaufnahmen nicht zu erkennen. Vielmehr zeigten höher gelegene Wirbelsäulenabschnitte, welche aus biomechanischen Überlegungen heraus weniger belastet würden, stärkere Abnutzungserscheinungen. Darüber hinaus sollten Osteochondrosen auf mittleren oder oberen LWS-Abschnitten fehlen, was nicht der Fall sei. Auch sei der thorako-lumbale Übergang im Verteilungsmuster ebenfalls betroffen. In Verbin-dung mit dem Verteilungsmuster (mittlere LWS Abschnitte stärker betroffen als untere Regio-nen) sei der Nachweis von Segmentarthrosen sowohl in der LWS, Brustwirbelsäule (BWS) als auch in der unteren HWS zumindest ein Indiz für die konstitutionelle Disposition. Konkurrie-rende Ursachen im Sinne einer langjährigen deutlichen Übergewichtigkeit seien in ihrer Aus-prägung hingegen nicht klar abgrenzbar und sollten nur der Vollständigkeit halber angeführt werden, sie seien jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich. Den Ausführungen des Dr. G sei auch nach mehrfachem Durchlesen leider keine schlüssige Argumentationskette zu entnehmen. Soweit dies zu verstehen sei, sei aus seiner Sicht allein die Tatsache, dass die Klä-gerin als Krankenschwester gearbeitet habe, genügender Beleg dafür, dass Veränderungen und Beschwerden am Achsenorgan zwangsläufig auf diese Tätigkeit zurückgeführt werden könn-ten, was jedoch mitnichten so sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten (zwei Bände).
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Berufung ist zulässig und auch in der Sache begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Anerkennung ihres Wirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Das anders lautende erstinstanzliche Urteil war deshalb inso-weit aufzuheben.
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebentes Buch Sozialgesetzbuch, Ge-setzliche Unfallversicherung (SGB VII), Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles – eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit – um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGG VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche be-zeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufs-krankheiten gehören nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kau-salitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Die Krank-heit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen ein-schließlich deren Art und Ausmaß müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusam-menhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahr-scheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit ausreicht (Bundessozialgericht, BSG, SozR 3-2200, § 551 Nr. 18 m. w. N.).
Vorliegend fehlt es am Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die BK 2108, da das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit nicht gegeben ist. Zu diesem Ergebnis sind übereinstimmend sämtliche im vorliegenden Verfahren gehörten Gutachter gekommen. Die Gutachter sind dabei vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2108 ausgegangen, wobei sich die letztlich nicht ganz zu klärende Frage des Zeitpunktes des Krankheitsbeginns nicht entscheidungserheblich ausgewirkt hat. Denn es fehlt vorliegend am so genannten belastungskonformen Verteilungsmuster der Erkrankung an der Wirbelsäule. Art, Ausprägung und Lokalisation des Krankheitsbildes müssen der spezifischen Einwirkung bzw. der beruflichen Exposition entsprechen. Der nach dem anzuwendenden Berufskrankhei-tentatbestand mit einer bestimmten Einwirkung korrespondierende Wirbelsäulenabschnitt muss besonders betroffen sein. Die bandscheibenbedingte Erkrankung im beruflich belasteten Ab-schnitt muss sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. Für die BK Nr. 2108 ist hierbei in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zu-nehmender Befund erforderlich, weil die Belastungen durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeuge bzw. Heben schwerer Lasten insbesondere bei den Lendenwirbelsegmenten L5/S1 und L4/5 kumulieren. Diese Belastung ist brustwirbelsäulenwärts abnehmend, so dass die Segmente L3/3, L2/3 und L1/2 zwar auch, jedoch nur geringer belastet sind. Ein derartiges belastungskonformes Schadensbild entspricht den so genannten Konsensusempfehlungen (Me-dizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwir-belsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, 211 (212 ff.)), wo dieses beschrieben wird durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädi-gung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschä-den an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belaste-ten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person sowie die Entwicklung einer Begleitspondy-lose. Dabei spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung, während ein Befall der HWS und/oder BWS je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann (Konsensusempfehlungen, a. a. O., Seite 216).
Insbesondere Dr. W hat unter Auswertung der genannten Konsensusempfehlungen im Einzel-nen dargelegt, dass ein derartiges belastungskonformes Schadensmuster bei der Klägerin nicht besteht und dies mit dem Krankheitsbild und dem Krankheitsverlauf ausführlich und nachvoll-ziehbar begründet. Das Gericht folgt den Feststellungen des Dr. W, zumal dieser zum selben Ergebnis kam wie die zuvor gehörten Gutachter Prof. Dr. W/Dr. V, Dr. T/Dr. S und Prof. Dr. N/Dr. l. Prof. Dr. N hat ausgeführt, dass im Verlauf nahezu sämtliche Segmente der LWS radiologisch nachweisbar geschädigt worden seien und ebenso wie Dr. W insbesonde-re den vorliegend gut dokumentierten Krankheitsverlauf als Indiz gegen ein typisches belas-tungskonformes Schadensbild gewertet. Nach Dr. W hat sich die Bandscheibenveränderung auf der Etage L5/S1 nach 1997 nicht in einem signifikanten Ausmaß entwickelt, während das mittlere Segment L3/4 erheblich deutlicher betroffen gewesen sei. Auch auf heutigen Aufnah-men zeige sich das Bandscheibenfach L5/S1 weitestgehend altersgemäß und deutlich weniger verändert als das Segment L4/5 oder L3/4; das Segment L3/4 sei stärker knöchern geschädigt als die Hauptbelastungszone L5/S1. Auch beständen Chondrosen auf mittleren oder oberen LWS-Abschnitten, die jedoch fehlen sollten.
Dem erstinstanzlichen Urteil konnte nach allem nicht gefolgt werden, da das hier angenomme-ne belastungskonforme Schadensbild aus den dargelegten Gründen nicht besteht. Bandschei-benschäden an HWS und/oder BWS sind zwar in der Tat nicht per se ein Ausschlusskriterium, wie auch in den Konsensusempfehlungen ausgeführt ist (a.a.O., S. 216, 220); hier kommt es vielmehr auf die gesamte Fallkonstellation und die Art der Schäden an. Dabei wird eine Begleitspondylose als positives Indiz für eine berufliche Verursachung gesehen, während bei deren Fehlen (wie vorliegend der Fall) mindestens eines der Kriterien der Konstellation B2 (a.a.O.: Höhenminderung/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben; besonders intensive Belas-tung; Anhaltspunkt: Erreichen der Richtwerte für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren; besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen) erfüllt und eine Betonung der Schäden an der unteren LWS erkennbar sein müsse. Dr. Whatjedoch ausgeführt, dass die Vor-aussetzungen dieser Konstellation B2 nicht vorliegen (Seite 22 des Gutachtens).
Den Attesten des Dr. G konnten überzeugende Argumente nicht entnommen werden. Dr. W hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dessen Ausführungen keine schlüssige Argumentationskette zu entnehmen ist. Ein Kausalzusammenhang lässt sich gerade nicht aus Länge, Höhe und Schwierigkeiten der Arbeitsbelastung bei Fehlen von Vorschäden folgern, auch folgt ein sol-cher nicht schon aus einem polysegmentalen Befall. Andere Anhaltspunkte für einen überwie-genden Kausalzusammenhang konnten den Attesten jedoch nicht entnommen werden.
Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Haupt-sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 3 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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