L 3 RJ 86/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 RJ 831/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 86/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. August 2003 wird aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 01. Februar 2001 und 07. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2007 werden aufgehoben, soweit die Beklagte darin die jeweiligen monatlichen Einzelansprüche aus der Rente des Klägers für die Monate März, April, Mai und Juni 2001 um 83,18 DM und für die Monate Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2001 um 134, 59 DM herabgesetzt hat. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Betrag von insgesamt 583,01 EUR (= 1.140, 26 DM) nachzuzahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger für die Zeit vom 01. März 2001 bis zum 31. Dezember 2001 ein Betrag von 1.140, 26 DM = 583, 01 EUR aus seiner Rente wegen Erwerbsminderung nachzuzahlen ist.

Die Beklagte bewilligte dem am 01. Juli 1953 geborenen Kläger zunächst eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 01. Juni 1996 bis zum 28. Februar 1998 (Bescheid vom 19. April 1996), die mit Bescheid vom 10. März 1998 ab dem 01. März 1998 auf Dauer gezahlt wurde. Im Überprüfungsverfahren wurde dem Kläger mit Bescheid vom 07. Juni 2001 rückwirkend ab dem 01. Dezember 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer gewährt.

Die Beklagte entsprach zunächst einem Verrechnungsersuchen der AOK Berlin über eine titulierte Forderung in Höhe von 3.526, 94 DM und minderte die Rente um monatlich 147, 70 DM bzw. 175, 70 DM ab Oktober 1998. Der gegen die Verrechnung geführte Rechtsstreit bei dem Sozialgericht Berlin (S 22 RJ 1864/98) blieb erfolglos, die hiergegen eingelegte Berufung (L 16 RJ 8/99) nahm der Kläger am 22. April 1999 zurück, nachdem ihm die Beklagte zugesicherte hatte, es bis zur Tilgung der Forderung der AOK bei dem ursprünglichen Verrechnungsbetrag von 147, 70 DM zu belassen, unabhängig von zwischenzeitlichen Rentenanpassungen.

Bereits am 24. April 1998 war das Schreiben der N Inkasso GmbH & Co. KG vom 20. April 1998 bei der Beklagten eingegangen, mit dem diese wegen einer Forderung der Beigeladenen in Höhe von 65.093, 89 DM zzgl. weiterer Verzugszinsen aus 32.963, 00 DM aufgefordert wurde, den pfändbaren Betrag der Bezüge des Klägers einzubehalten und an die Beigeladene zu überweisen. Die Forderung resultierte aus einem Darlehensantrag des Klägers vom 19. Mai 1988 bei der mit der Beigeladenen 1990 fusionierten Bank für H und I AG, aufgrund dessen ihm ein Darlehen in Höhe von 33.000,- DM gewährt worden war. Als Sicherheit für alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der Bank aus dem Darlehen und während dessen Laufzeit beantragter Anschlussdarlehen sowie allen damit zusammenhängenden Nebenforderungen hatte der Kläger den jeweils pfändbaren Teil seiner "gegenwärtigen und zukünftigen Lohn-/Gehalts-/Pensionsansprüche einschließlich etwaiger Provisionen, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen" gegen seinen jeweiligen Arbeitgeber sowie seine etwaigen "Ansprüche auf Sozialleistungen gegen die jeweilig zahlende Stelle" an die Bank abgetreten. Mit Schreiben vom 09. Januar 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich die Berechnungsgrundlagen der Rente geändert hätten. Ab dem 01. Februar 2001 betrage die Rente 1.496, 70 DM, es werde ein Betrag von monatlich 1.349,- DM an den Kläger ausgezahlt. Zwar sei die Forderung der AOK mit der letzten Zahlung im Februar getilgt, eine Änderung des Zahlbetrags ergebe sich dadurch aber nicht, weil nunmehr ein überzahlter Beitragszuschuss in Höhe von 396, 64 DM von der Rente einbehalten werde. Danach sei die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 65.063, 89 DM zuzüglich Zinsen zu tilgen. Hierzu erhalte der Kläger weitere Mitteilung. Dazu hat der Kläger ausgeführt, eine Kürzung seiner Rente gegenüber der Privatwirtschaft dürfe nach § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vorgenommen werden. Es sei auch arglistig, dass hinter seinem Rücken gehandelt werde. Die Abtretungserklärung sei nichtig, da er damals noch Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis gehabt habe und jetzt Rente beziehe. Das Verwaltungsgericht Berlin habe in einem Beschluss vom 02. Februar 2000 (Az.: VG 8 A 20.00) entschieden, dass die Pfändungsfreigrenze in seinem Fall 1.413, 52 DM betrage.

Mit Schreiben vom 01. Februar 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die nach § 53 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zulässig abgetretene Forderung wie folgt getilgt werde: Ab dem 01. März 2001 werde unter Berücksichtigung der Regelung des § 53 Abs. 4 SGB I und des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin hinsichtlich der festgesetzten Einkommensgrenze gemäß § 79 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Höhe von 1.413, 52 DM ein Betrag von 83, 18 DM von der Rente abgezogen. Mit Schreiben vom 06. Februar 2001 wandte der Kläger dagegen u. a. ein, das Gesetz verbiete gemäß § 850 b ZPO Pfändungen der Rente, wenn diese wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sei. Er weise auch darauf hin, dass die monatliche Zahlung von 83, 18 DM auf eine Summe von 65.093, 89 DM nicht einmal den Zinseszins decke. Gegen die Antwort der Beklagten vom 23. Februar 2001 legte der Kläger ausdrücklich Widerspruch ein, auf den die Beklagte mit einem weiteren Schreiben vom 14. März 2001 reagierte. Am 07. März 2001 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sich unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen gegen die Abführung von Teilen seiner Rente an die Beigeladene gewendet hat. Mit Bescheid vom 07. Juni 2001 ist dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab dem 01. Dezember 1995 gewährt worden. Dies hat zu einem Rentenbetrag ab dem 01. Juli 2000 in Höhe von 1.519, 03 DM und ab dem 01. Juli 2001 in Höhe von 1.548, 11 DM geführt, wobei die Beklagte hiervon unverändert für März bis Juni 2001 monatlich 83, 18 DM und ab dem 01. Juli 2001 134, 59 DM abgesetzt und an die Beigeladene ausgezahlt hat. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 2001, eingegangen bei Gericht am 16. Juni 2001, Einwendungen erhoben. Mit Schreiben vom 29. November 2001 hat die Beklagte dem Kläger dann mitgeteilt, ab dem 01. Januar 2002 stehe wegen der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen ein abtretbarer Betrag gemäß § 850 c ZPO nicht mehr zur Verfügung. Dem Kläger werde deshalb ein Betrag von 791, 54 EUR (= 1.548, 11 DM) monatlich gezahlt.

Mit Beschluss vom 17. März 2003 hat das Sozialgericht die D Bank AG gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen. Durch Urteil vom 08. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, in der Abzweigung eines Rententeilbetrags in Ausführung der Abtretungsvereinbarung vom 19. Mai 1988 liege keine gegenüber dem Kläger oder der Beigeladenen erfolgte Regelung eines Einzelfalls. Die maßgebliche Regelung über die Auszahlung des Rententeilbetrags werde nicht durch die Beklagte, sondern in der Abtretungsvereinbarung durch den Kläger und die Beigeladene getroffen. Die in Ausführung dieser Vereinbarung vorgenommenen Berechnungen des abzuzweigenden Betrags und des verbleibenden, an den Kläger auszuzahlenden Betrags der Rente stellten demgegenüber keine eigenständige Regelung dar. Die insoweit zulässige Leistungsklage sei unbegründet, denn die Beklagte habe nach Vorlage der Abtretungsvereinbarung, für deren Nichtigkeit keine Anhaltspunkte gegeben seien und die nicht wegen Zeitablaufs oder wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Klägers ungültig geworden sei, unter Beachtung der Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO den an die Beigeladene abzuführenden Teil der Rente zutreffend berechnet. Da die Beklagte außerdem die im Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin zugrunde gelegte Einkommensgrenze gemäß § 79 BSHG in Höhe von 1.413, 52 DM bei der Ausführung der Abtretung berücksichtigt habe, habe sie im Ergebnis dem Kläger einen über den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens hinausgehenden Teil in entsprechender Anwendung des § 850 f Abs. 1 ZPO belassen. Der Ausführung der Abtretung stehe entgegen der Auffassung des Klägers § 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht entgegen. Denn eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit falle eben nicht unter diese Regelung über unpfändbare Renten. Etwas anderes ergebe sich weder aus dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 1999, Az.: S 22 J 1864/98, noch aus dem Protokoll der Niederschrift zur nichtöffentlichen Sitzung im Berufungsverfahren am 22. April 1999. Auch seine Ausführungen, dass eine Kürzung der Rente zugunsten der Privatwirtschaft nicht zulässig sei, greife nicht, denn es gehe um die Durchführung einer Abtretungsvereinbarung, die unter den Voraussetzungen des § 53 SGB I auch zugunsten der Privatwirtschaft zulässig sei.

Gegen das ihm zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2007 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen das Schreiben vom 01. Februar 2001 und den Bescheid vom 07. Juni 2001 zurückgewiesen.

Seinem schriftsätzlichen Vorbringen ist der Antrag zu entnehmen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. August 2003 aufzuheben und die Bescheide vom 01. Februar 2001 und 07. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2007 aufzuheben, soweit die Beklagte darin die jeweiligen monatlichen Einzelansprüche aus seiner Rente für die Monate März, April, Mai und Juni 2001 um 83, 18 DM und für die Monate Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2001 um 134, 59 DM herabgesetzt hat, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Betrag von insgesamt 583,01 EUR (= 1.140, 26 DM) nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat bisher keinen Antrag gestellt. Sie hält allerdings die Abtretung für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Er hat Anspruch auf Nachzahlung des in den Monaten März bis Dezember 2001 zu Unrecht an die Beigeladene abgeführten Teils seiner Rente in Höhe von insgesamt 583,01 EUR (= 1.140, 26 DM). Das Urteil des Sozialgerichts vom 08. August 2003 war daher aufzuheben.

Streitgegenstand des Verfahrens ist die teilweise Aufhebung der Bescheide vom 01. Februar 2001 und 07. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2007 hinsichtlich der Abtrennung von Rentenbeiträgen zugunsten der Beigeladenen in den Monaten März bis Dezember 2001.

Bei der von dem Kläger angegriffenen Mitteilung vom 01. Februar 2001 über die Tilgung der abgetretenen Forderung ab März 2001 in Höhe von 83, 18 DM monatlich handelt es sich, obwohl der äußeren Form nach kein Bescheid sondern nur eine formlose Mitteilung, um einen Verwaltungsakt i. S. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Mitteilung des Ergebnisses der Berechnung des aufgrund einer Abtretung nach § 53 Abs. 3 SGB I auszuzahlenden Betrags und seiner Auszahlung durch die Beklagte als Schuldnerin des abgetretenen Rentenanspruchs an den Abtretungsgläubiger, die Ermittlung der Pfändungsfreibeträge nach § 850 c ZPO sowie die Bewertung der Abtretungserklärung als rechtlich verbindlich stellt eine Aufhebung und Neufeststellung des von der Festsetzung des Höchstwerts des Stammrechts infolge der Abtretung abweichenden Werts der monatlichen Einzelansprüche gegenüber dem Kläger als Versicherten dar (so BSG SozR 4-1200 § 53 Nr. 1) und ist damit eine Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen. Richtige Klageart ist deshalb die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts, die in Ausführung der Abtretungsvereinbarung vorgenommene Berechnung des abzuzweigenden und des verbleibenden, an den Kläger auszuzahlenden Betrags der Rente stelle keine eigenständige Regelung dar, vermag der Senat nicht zu folgen.

Nach der Rechtsprechung des 4. Senats (BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 2 und SozR 4-1200 § 53 Nr. 1), des 5. Senats (BSG SozR 1300 § 63 Nr. 10), des 13. Senats (BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 7) und des 11. Senats (BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 8) des Bundessozialgerichts, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, hat der Sozialleistungsträger im Fall der Abtretung einer Sozialleistung im Verhältnis zum Sozialleistungsberechtigten, nicht jedoch gegenüber dem Abtretungsgläubiger, die Höhe des diesem noch auszuzahlenden Betrags durch Verwaltungsakt zu regeln und zwar durch einen Bescheid nach § 48 SGB X. Dies wird damit begründet, dass zwar der Gläubigerwechsel unmittelbar durch die Abtretung herbeigeführt wird, ohne dass es einer Entscheidung der Beklagten bedarf. Die Situation sei jedoch anders als bei einer Abzweigung nach § 48 SGB I, denn dort werde die Grundlage für die Auszahlung an einen Dritten erst durch die Entscheidung des Leistungsträgers gelegt. Bei der Abtretung bleibe jedoch die Notwendigkeit, Tatsachen festzustellen und aufgrund der festgestellten Tatsachen über die Höhe des abzutrennenden Teils zu entscheiden. Diese Prüfung ende mit einer Entscheidung, die als eine Regelung i. S. des § 48 SGB X und damit als Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X zu qualifizieren sei.

Die Entscheidung des 4. Senats vom 27. November 1991, Az.: 4 RA 80/90 (abgedruckt in SozR 3-1200 § 53 Nr. 2), auf die das Sozialgericht seine Auffassung gestützt hat, hat sich nur mit der Wirkung des Verwaltungshandelns gegenüber dem Abtretungsgläubiger, hier also der Beigeladenen, befasst und ist deshalb für den vorliegend zu entscheidenden Fall nicht einschlägig. Das Sozialgericht hat ohne weitere Begründung ausgeführt, die Entscheidung des 4. Senats sei auch für das Verhältnis von Versichertem und Sozialleistungsträger maßgeblich. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass der Rentenbescheid aus verschiedenen Verfügungssätzen besteht. Er enthält Entscheidungen über Rentenart, Beginn, Dauer und (Höchst-) Wert des Stammrechts auf Rente. Die Höchstwertfestsetzung des Stammrechts einschließlich des darin enthaltenen Werts der monatlichen Einzelansprüche bleibt - auch im Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsträger - solange in voller Höhe wirksam und Grundlage für die Zahlungsansprüche, bis sie durch einen anderen Verwaltungsakt aufgehoben oder abgeändert wird oder sich anderweitig erledigt (so BSG SozR 4-1200 § 53 Nr. 1). Die Beklagte hat deshalb im Verhältnis zum Kläger nicht nur die Höhe des Stammrechts sondern auch die Höhe des an ihn monatlich auszuzahlenden Betrags durch Verwaltungsakt festzustellen. Aufgrund der durch den Abtretungsvertrag - wirksam - veränderten Rechtslage ist der Sozialleistungsträger deshalb gegenüber dem Abtretungsschuldner verpflichtet, die bisherige Feststellung des Rentenzahlbetrags - nach § 48 SGB X - aufzuheben und insoweit neu festzustellen sowie die geschuldeten Beträge an den Abtretungsgläubiger zu zahlen, § 53 Abs. 4 SGB I. Hiergegen steht dem Versicherten als Abtretungsschuldner die Anfechtungsklage offen, die er jeweils mit einer auf die frühere Rentenhöchstwertfestsetzung gestützten Leistungsklage verbinden kann, während der Abtretungsgläubiger, der meint, der Rentenversicherungsträger zahle ihm zu wenig, dies mit der Leistungsklage geltend machen kann (so ausdrücklich BSG SozR 4-1200 § 53 Nr. 1).

Dieser Rechtsprechung offenbar folgend, hat die Beklagte die abtretbaren Beträge ab Juli 2001 mit Bescheid vom 07. Juni 2001 geregelt. Das gemäß § 78 SGG erforderliche Vorverfahren ist mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2007 nachgeholt worden.

Die Bescheide sind nicht wegen fehlender Anhörung gemäß § 24 SGB X formell rechtswidrig. Zwar hat die Beklagte den Kläger vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide nicht angehört, allerdings ist der Anhörungsmangel nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt, denn der Kläger hat ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und davon auch im Verwaltungsverfahren umfassend Gebrauch gemacht.

Von einer Rente in Höhe von 1.496, 70 DM hat die Beklagte in den Monaten März bis Juni 2001 jeweils 83, 18 DM, insgesamt 332, 72 DM, abgezogen, so dass ein Betrag von 1.413, 52 DM monatlich verblieben ist. Ab dem 01. Juli 2001 betrug die Rente 1.548, 11 DM. Davon hat die Beklagte bis einschließlich Dezember 2001 jeweils 134, 59 DM, insgesamt 807, 54 DM, einbehalten, so dass dem Kläger auch ab diesem Zeitpunkt ein Betrag von 1.413, 52 DM monatlich gezahlt worden ist. Damit hat die Beklagte die Pfändungsfreigrenze der Tabelle zu § 850 c ZPO eingehalten, die bis zur Änderung zum 01. Januar 2002 1.307, 00 DM betrug. In entsprechender Anwendung des § 850 f ZPO ist dem Kläger unter Berücksichtigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin sogar ein höherer Betrag belassen worden.

Die Unpfändbarkeit der Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich nicht aus § 850 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Danach sind Renten, die wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, unpfändbar. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nicht auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wie sie der Kläger in Form einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, sondern vorrangig auf Haftpflichtrenten auf gesetzlicher Grundlage, z. B. Geldrenten nach § 843 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder nach § 13 Straßenverkehrsgesetz (StVG), bzw. auf Renten auf vertraglicher Grundlage. Dazu gehören z. B. Unfallrenten privater Versicherungsunternehmen (vgl. Baumbach/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 62. A. 2004, § 850 b ZPO Rdnr. 3). Die Unpfändbarkeit ergibt sich auch nicht aus der Sonderregelung des § 54 Abs. 3 SGB I, dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind.

Der Einbehaltung von Teilen der bewilligten Rente und deren Abführung an die Beigeladene steht jedoch entgegen, dass die Abtretungsvereinbarung, die der Kläger mit der Beigeladenen am 19. Mai 1988 getroffen hat, unwirksam ist.

Nach § 53 Abs. 3 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die - wie die Rente wegen Erwerbsminderung - der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, über Absatz 2 der Vorschrift hinaus übertragen werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. Die Abtretung von Sozialleistungsansprüchen kann auch zur Sicherung von Krediten vereinbart werden. Auch zukünftige Sozialleistungsansprüche sind abtretbar. Dann sind allerdings die Grundsätze über die Abtretung zukünftiger Forderungen zu beachten. Erforderlich ist insoweit, dass die Entstehung der Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung möglich erscheint und die abgetretene Forderung bestimmt oder jedenfalls bestimmbar bezeichnet ist (BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 8 m. w. N.). Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung ist damit, dass der Gegenstand der Abtretung bestimmt oder jedenfalls individuell bestimmbar ist (so BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 4 m. w. N.). Denn im Hinblick auf die Vielzahl laufender Geldleistungen bleibt bei mangelnder Bestimmtheit das Objekt des Rechtsgeschäfts (der Abtretungsgegenstand) im Ungewissen.

Im vorliegenden Fall erfüllt der vorgelegte Abtretungsvertrag vom 19. Mai 1988 jedoch nicht die Voraussetzungen für eine wirksame Abtretung eines künftigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung. So hat der Kläger darin als Sicherheit für alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der Beigeladenen aus dem Darlehen und während dessen Laufzeit beantragter Anschlussdarlehen sowie allen damit zusammenhängenden Nebenforderungen den jeweils pfändbaren Teil seiner gegenwärtigen und zukünftigen "Lohn-/Gehalts-/Pensionsansprüche einschließlich etwaiger Provisionen, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen gegen seinen jeweiligen Arbeitgeber" sowie seine etwaigen "Ansprüche auf Sozialleistungen gegen die jeweilig zahlende Stelle" an die Beigeladene abgetreten. Diese Erklärung wird den o. g. Anforderungen an die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Abtretungserklärung nicht gerecht.

Bezogen auf die Abtretungsvereinbarung handelt es sich bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die dem Kläger erstmals mit Bescheid vom 19. April 1996 ab dem 01. Juni 1996 zunächst auf Zeit und später sogar auf Dauer (Bescheid vom 10. März 1998: ab dem 01. März 1998; Bescheid vom 07. Juni 2001: Rente ab dem 01. Dezember 1995) gewährt wurde, zwar um einen zukünftigen Anspruch auf eine Sozialleistung. Allerdings handelt es sich bei der in der Vereinbarung gewählten Formulierung "Ansprüche auf Sozialleistungen" um eine - unzulässige - Pauschalbezeichnung.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 4) genügt schon nicht eine Erklärung, wonach "hiermit meine Ansprüche gegenüber dem Arbeitsamt in Höhe der mir zu gewährenden Leistungen nach dem AFG" abgetreten werden, dem Bestimmtheitsgebot. Denn das AFG kenne eine Vielzahl von nach Zweck, Charakter und Voraussetzungen unterschiedlichen Geldleistungen. Bei einer dergestalt vielzähligen Leistungskompetenz der Arbeitsverwaltung für laufende Leistungen der verschiedensten Art allein nach dem AFG sei es für die Bestimmbarkeit einer der Pfändung oder Abtretung zu unterwerfenden Forderung völlig unzureichend, sie lediglich unter einem Sammelbegriff wie etwa demjenigen der "sämtliche laufenden Leistungen nach dem AFG" zu kennzeichnen. Sollte damit die Belegung jedweder in Betracht kommenden Forderung, gleich nach welcher konkreten Rechtsgrundlage, gemeint sein, wäre sie bereits als Pauschalbezeichnung unzulänglich. Sollte hingegen eine bestimmte Forderung gemeint sein, fehle es an jeglicher Individualisierung. Für Dritte, insbesondere andere Gläubiger des Schuldners, bliebe völlig unklar, welche Forderungen abgetreten worden seien. Es fehlten die Mindestangaben über den Charakter, die Art der Forderung oder jedenfalls die Umrisse des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (BSG SozR 1200 § 54 Nr. 6). Gemessen an der oben zitierten Formulierung, die in dem vom Bundessozialgericht zu entscheidenden Fall verwendet wurde, ist die Abtretungserklärung des Klägers noch weitergehend, denn die Beigeladene hat sich alle denkbaren Sozialleistungen pauschal abtreten lassen. Weder ist eine Beschränkung auf Geldleistungen erfolgt, noch ist deren Charakter oder Art (laufend, einmalig usw.) bezeichnet und der Sozialleistungsträger (Leistungsschuldner) konkret genannt worden. Eine Bestimmbarkeit des Gegenstands der gewollten Abtretung ist damit noch nicht einmal im Ansatz gegeben. Zudem stand der Kläger im Zeitpunkt der Abtretung noch in einem Beschäftigungsverhältnis. Dass ihm jemals zukünftig eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt werden würde, war damals nicht absehbar und entspricht auch nicht dem Normalverlauf eines Versicherungslebens. Insoweit fehlt es nicht nur an der Bestimmtheit der abgetretenen Forderung sondern auch an dem Erfordernis, dass die Entstehung der Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung auch möglich erscheint.

Da der Kläger seine Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht wirksam an die Beigeladene abgetreten hat, ist eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen i. S. des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X, die bei Erlass der Rentenbewilligungsbescheide vorgelegen haben, nicht eingetreten. Die Beklagte durfte deshalb in den Monaten März bis Dezember 2001 nicht den pfändbaren Teil der Rente des Klägers in Höhe von insgesamt 583,01 EUR (= 1.140, 26 DM) an die Beigeladene abführen. Dieser Betrag ist dem Kläger deshalb nachzuzahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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