L 7 KA 56/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 138/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 56/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Kürzung des Honorars des Klägers um 69.767,70 DM für das II. Quartal 1996 auf den durchschnittlichen Fallwert seiner Fachgruppe in Folge einer durchgeführten Plausibilitätsprüfung.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und nimmt - nunmehr als hausärztlicher Internist - seit April 1984 an der vertragsärztlichen Versorgung in B. teil.

Nach Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM) in der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung und der infolgedessen festgestellten starken Leistungsausweitung im I. Quartal 1996 beschloss der Vorstand der Beklagten am 6. Juni 1996 zum I. Quartal 1996 eine Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen aller Berliner Vertragsärzte nach der so genannten Zeitrastermethode einzuführen. In daraufhin entwickelten Zeitrastern wurden sowohl die EBM-Mindestzeiten als auch die von der Beklagten unter Mitwirkung der Berufsverbände festgelegten Minimalzeiten ärztlicher, nicht delegierbarer Leistungen eingestellt. Am 14. Oktober 1996 und 26. November 1996 beschloss der Vorstand im Einzelnen das Prozedere der Durchführung sowie die festzulegenden Kriterien und Maßnahmen der Plausibilitätsprüfung und legte u. a. fest, dass unter Zugrundelegung des Zeitrasters eine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von maximal bis zu 9,9 Stunden als realistisch anzusehen sei. Die Honorarabrechnung von Praxen mit einer durchschnittlichen werktäglichen Arbeitszeit von 10 bis 11,99 Stunden sei als implausibel und die Honorarabrechnung von Praxen mit einer durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden und mehr sei als hoch implausibel einzustufen. In den Fällen einer Hochimplausibilität sollte eine Reduzierung des Honorars auf den Fachgruppendurchschnitt vorgenommen werden.

Im II. Quartal 1996 behandelte der Kläger 1336 Versicherte (der Fachgruppendurchschnitt lag bei 800) der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Bereich Präventionen/Impfungen ergab sich ein Fallwert von 10,18 DM (Fachgruppendurchschnitt 3,53 DM) und für die übrigen Leistungen ein Fallwert von 121,59 DM (Fachgruppendurchschnitt 64,96 DM). Die Beklagte erstellte im Rahmen der Prüfung der Plausibilität Tagesprofile für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1996 und ermittelte, dass der Kläger Leistungen mit Mindestzeiten von 877 Stunden, 31 Minuten und 18 Sekunden im II. Quartal 1996 abgerechnet hatte. Verteilt auf 60 Werktage ergab dies eine Durchschnittsleistung von 12 Stunden, 42 Minuten und 41 Sekunden. Die von der Beklagten erstellten Tagesprofile ergaben im April 1996 werktägliche Arbeitszeiten von bis zu 17,18 Stunden (16. April), im Mai 1996 von bis zu 15,28 Stunden (28. Mai) und im Juni 1996 von bis zu 13,16 Stunden (6. Juni).

Mit Bescheid vom 31. Januar 1997 korrigierte die Beklagte das dem Kläger für das II. Quartal 1996 ausgezahlte Honorar auf den Fachgruppendurchschnitt und kürzte es um 81.926,56 DM. Die sich ausschließlich an Zeitvorgaben orientierte Plausibilitätskontrolle habe ergeben, dass er im II. Quartal 1996 unter Berücksichtigung einer Fünf-Tage-Woche ärztliche Leistungen erbracht habe, die pro Tag mindestens eine Stundenanzahl von 14,9 erfordere. Unter Berücksichtigung der darüber hinausgehenden organisatorischen Maßnahmen innerhalb einer Vertragsarztpraxis sei die ärztliche Tätigkeit des Klägers unter dieser Zeitkomponente als höchst implausibel einzustufen. Die durchschnittlich ermittelte Tagesarbeitszeit ergebe sich durch Auswertung der abgerechneten EBM-Festzeiten (z. B. Gebührennummer - GO-Nr. 851/Dauer mindestens 15 Minuten) und den von der Beklagten in Zusammenarbeit mit den Fachgruppen ermittelten Mindestzeiten für ärztlich durchzuführende, nicht delegierbare Leistungen. Aufgrund des Beschlusses des Vorstandes vom 14. Oktober 1996 sei daher das dem Kläger zustehende Honorar auf den Fachgruppendurchschnitt zu korrigieren.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er in seiner nunmehr 13-jährigen Praxistätigkeit an jeweils mindestens sechs Arbeitstagen generell bis zu 16 Stunden mit Sprechstunden und Hausbesuchen ein erheblich höheres Leistungsniveau als der Fachgruppendurchschnitt erziele. Der Preis dafür sei eine völlige Aufgabe seines Privatlebens. Seine Quartalsabrechnungen habe er nach bestem Wissen und Gewissen erstellt.

Während des Widerspruchsverfahrens erstellte die Beklagte neue Tagesprofile für das II. Quartal 1996, wobei sie weitere, bei Fremdkassen abgerechnete Krankenscheine des Klägers berücksichtigte. Mit Bescheid vom 31. Oktober 2000 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als sich die Kürzung nunmehr auf 69.767,70 DM belief und 12.158,86 DM zur Auszahlung kamen. Sie wies darauf hin, dass infolge des Urteils des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 17. September 1997 eine Neuberechnung des Fachgruppendurchschnitts erforderlich gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2000 wies die Beklagte den darüber hinausgehenden Widerspruch als unbegründet zurück. Die Plausibilitätskontrolle habe ihre rechtliche Grundlage in § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä), wonach die Beklagte berechtigt sei, die Honoraranforderungen des Klägers bei Fehlern durch eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zu berichtigen. Die Fehlerhaftigkeit der Honoraranforderung für das II. Quartal 1996 ergebe sich aus den für das Quartal erstellten Tagesprofilen für die Praxis des Klägers, die eine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von 12 Stunden 42 Minuten und 41 Sekunden aufweise, was nach den vom Vorstand festgelegten Kriterien den Schluss auf eine hochimplausible Honorarabrechnung zulasse und damit die Kürzung des Honorars erlaube. Die erstellten Tagesprofile seien ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachzuweisen.

Mit seiner dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht: Die notwendigen Voraussetzungen einer Plausibilitätsprüfung seien durch die Beklagte nicht beachtet worden, da eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Nr. 1 und 2 EKV-Ä nicht allein eine implausible Abrechnung, sondern darüber hinaus den Nachweis von Fehlern in der Abrechnung voraussetze. Allein berechtigte Zweifel an der richtigen Anwendung der Gebührenordnung seien nicht ausreichend, da die vorgenommene Berichtigung der Honorarabrechnung wegen Implausibilität die Rechtsstellung des Klägers im Verhältnis zur Honorarberichtigung und zur Wirtschaftlichkeitsprüfung erheblich verschlechtere. Die vom BSG geforderte konkrete Prüfung sei nicht durchgeführt worden. Es sei rechtswidrig, dass die Beklagte im Bereich der Rechtsfolge das Honorar des Klägers auf den Fachgruppendurchschnitt kürze, da insoweit eine Ungleichbehandlung mit der Gruppe der (nur) implausiblen Abrechner erfolge. Darüber hinaus werde die Richtigkeit der erstellten Tagesprofile sowie des zugrunde gelegten Zeitrasters in Abrede gestellt. Nach der Rechtsprechung seien Plausibilitätsprüfungen nur dann zulässig, wenn sie zu dem Zweck und mit dem Ziel vorgenommen würden, Abrechnungsfehler, d. h. Unregelmäßigkeiten aufzudecken, welche Maßnahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung nach sich ziehen könnten.

Mit Urteil vom 19. Februar 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage der durchgeführten Plausibilitätskontrolle seien § 45 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 EKV-Ä. Die von der Beklagten erstellten Tagesprofile seien ein geeignetes Beweismittel, um auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen durch einen Arzt zu schließen. Das Gericht habe sich dabei anhand der Abrechnungen selbst ein Bild von dem zeitlichen Arbeitsaufwand des Klägers gemacht, der im Einzelnen nicht nachvollziehbar gewesen sei. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, das Honorar aufgrund dieser unrichtigen Abrechnung auf den Fachgruppendurchschnitt zu kürzen. Gegen dieses ihm am 9. Mai 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Juni 2003 eingelegte Berufung des Klägers. Sowohl die durchgeführte Plausibilitätsprüfung als auch die Honorarkorrektur seien unzulässig. Eine für die Zulässigkeit notwendige gesamtvertragliche Regelung habe es zum Zeitpunkt der Durchführung der Plausibilitätsprüfung 1996 nicht gegeben, was nach dem Urteil des BSG vom 8. März 2000 notwendig gewesen wäre. Die von der Beklagten gefassten Vorstandsbeschlüsse setzten sich über die Ermächtigungsnorm des § 83 Abs. 2 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch - SGB V - hinweg. Die im April 2002 zustande gekommene Plausibilitätsvereinbarung könne nicht für die Prüfung ab dem I. Quartal 1996 angewendet werden. Die Honorarkorrektur sei unzulässig, da konkrete Fehler in der Abrechnung seitens der Beklagten nicht geprüft worden seien. Der Nachweis, dass eine rechtsfehlerhafte Abrechnung erfolgt sei, sei nicht erbracht, so dass die Honorarkürzung unzulässig sei. Die Kürzung des Honorars auf den Fachgruppendurchschnitt sei unzulässig, da ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) im Verhältnis zu der Nichtkürzung der (nur) implausiblen Abrechner bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1997 in der Fassung des Bescheides vom 31. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgemäß erhoben worden. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Für das am 9. Mai 2003 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 begann die Frist zur Einlegung der Berufung nach § 64 Abs. 2 SGG am 10. Mai 2003 und endete am 9. Juni 2003. Da der 9. Juni 2003 jedoch ein Feiertag war, endete die Frist mit Ablauf des 10. Juni 2003 (§ 64 Abs. 3 SGG), so dass die Berufungsfrist gewahrt ist.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage im Ergebnis zu Recht angewiesen. Der angefochtene Honorarkürzungsbescheid vom 31. Januar 1997 und der Änderungsbescheid vom 31. Oktober 2000 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2000 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die abgegebene Abrechnung des Klägers für das II. Quartal 1996 zu Recht als unrichtig angesehen und das Honorar des Klägers auf den Fachgruppendurchschnitt geschätzt bzw. gekürzt.

Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht war die von der Beklagten durchgeführte Plausibilitätsprüfung auch ohne eine zu diesem Zeitpunkt bestehende gesamtvertragliche Vereinbarung zulässig. Die Berechtigung der Beklagten, die Honorarabrechnungen der Vertragsärzte auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls die Honorarabrechnung zu berichtigen, ergab sich aus § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä in der seit 1. Januar 1995 geltenden und § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä in der seit 1. Juli 1994 geltenden Fassung, die auf der Grundlage des § 83 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V – (in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I 2477) vereinbart, dann auf der Grundlage des § 83 Abs. 1 SGB V (in der Fassung Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992, BGBl. I 2266) geändert worden sind. Nach den im Primär- und Ersatzkassenbereich im Wesentlichen gleich lautenden Regelungen obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Prüfung der von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Vorschriften gestatten es der Beklagten, dem Kläger aufgrund nicht ordnungsgemäßer Honorarabrechnung zu Unrecht erteilte Honorarbescheide ohne Beachtung weiterer Voraussetzungen aufzuheben und den materiell-rechtlich richtigen Zustand herzustellen. Die Plausibilitätskontrolle ist dabei kein eigenständiges Prüfverfahren neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106 SGB V, sondern dient der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar. Die Beklagte hat sich bei den den Tagesprofilen zugrunde liegenden Zeitvorgaben auf die EBM-Mindestzeiten (bspw. GO-Nrn. 10 und 11 mit je 15 Minuten) und, wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, auf in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden/Fachgruppen festgelegte Minimalzeiten ärztlicher, nicht delegierbarer Leistungen (bspw. GO-Nr. 25 mit 7 Minuten und GO-Nr. 32 mit 2 Minuten) beschränkt. Bei der Erstellung von Tagesprofilen ist zudem zu beachten, dass bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand in diesen Fällen also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf. Tagesprofile sollen für einen durchgehenden längeren Zeitraum – bspw. für ein Abrechnungsquartal – erstellt werden (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4), jedoch genügt als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).

Sind Tagesprofile unter Beachtung dieser Kriterien erstellt worden, ist es rechtlich unbedenklich, aus ihnen bei entsprechenden Ergebnissen im Wege des Indizienbeweises auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen durch einen Arzt zu schließen. Ergibt sich in einem Tagesprofil eine tägliche Gesamtarbeitszeit, die der Arzt unmöglich geleistet haben kann, so ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, er könne nicht alle abgerechneten Leistungen vollständig erbracht haben. Da nicht bzw. nicht in vollem Umfang erbrachte Leistungen nicht berechnungsfähig sind (Allgemeine Bestimmungen A I S. 1 EBM), können sie im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung gestrichen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. November 2002, L 5 KA 4454/00). Nur die in Plausibilitätskontrollen tatsächlich aufgedeckten und somit vorliegenden Abrechnungsfehler berechtigen die Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu deren Berichtigung, letztlich zu Honorarkürzungen.

Die von der Beklagten hier erstellten Tagesprofile für das II. Quartal 1996 werden diesen Anforderungen gerecht. Die Beklagte hat nur solche Leistungen berücksichtigt, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Leistungen, die im Wege der Delegation erbracht werden können, sind außer Betracht geblieben. Sie hat auch nicht nur einzelne Tage des Quartals herausgegriffen, sondern Tagesprofile für jeden Tag erstellt. Die in die Tagesprofile eingestellten Leistungen sind alle zeitabhängig – entweder nach dem EBM oder nach den von der Beklagten in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden erstellten Zeitvorgaben.

Bei der Auswertung der Tagesprofile des Klägers, die nur die vertragsärztliche Versorgung erfassen, ergibt sich, dass an den Spitzentagen der überwiegende Teil der von der Beklagten festgestellten Arbeitszeit auf Leistungen nach den Gebührennummern 10, 11, 25 und 32 EBM fällt, deren Leistungslegende im II. Quartal 1996 wie folgt lautete:

• GO-Nr. 10 = therapeutisches hausärztliches Gespräch zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen und/oder Beratung und Instruktion der Eltern und/oder Bezugspersonen von Kindern oder Jugendlichen mit Verhaltensstörungen oder Suchtproblemen, Dauer mindestens 15 Minuten, • GO-Nr. 11 = Diagnose und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch, Dauer mindestens 15 Minuten, • GO-Nr. 25 = Hausbesuch, Zeitvorgabe durch Beklagte 7 Minuten, • GO-Nr. 32 = Besuch eines weiteren Kranken derselben sozialen Gemeinschaft (z.B. Altenheim) in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Besuch nach den Nrn. 25, 26 oder 150, Zeitvorgabe durch Beklagte 2 Minuten. Bei Besuchen in Altenheimen oder ähnlichen Einrichtungen ist die Nr. 32 nicht berechnungsfähig, wenn der Kranke dort im Rahmen einer Sprechstunde behandelt wird.

Bei diesen Gebührennummern handelt es sich um nicht delegierbare Leistungen des Arztes, er selbst muss das Gespräch mit dem Patienten führen bzw. die Hausbesuche durchführen.

Anhand der von der Beklagten erstellten Tagesprofile, die vom Kläger nicht substantiiert beanstandet worden sind, ergibt sich nach den Feststellungen des Senats folgendes:

Am 1. April 1996 hat der Kläger 32 mal die GO-Nr. 10 EBM, 6 mal die GO-Nr. 11 EBM sowie 15 mal die GO-Nr. 25 EBM und 6 mal die GO-Nr. 32 EBM abgerechnet. Am 3. April 1996 hat er 28 mal die GO-Nr. 10 EBM, 4 mal die GO-Nr. 11 EBM, 43 mal die GO-Nr. 25 EBM und 37 mal die GO-Nr. 32 EBM abgerechnet. Am 16. April 1996 hat er 32 mal die GO-Nr. 10 EBM, 1 mal die GO-Nr. 11 EBM, 37 mal die GO-Nr. 25 EBM und 36 mal die GO-Nr. 32 EBM abgerechnet. Er muss danach am 1. April 1996 38 therapeutische Gespräche mit 38 Patienten geführt (9,5 Stunden) und weitere 21 Patienten im Hausbesuch behandelt haben. Am 3. April 1996 muss er nach seiner Abrechnung 32 therapeutische Gespräche mit 32 Patienten (8 Stunden) geführt und darüber hinaus noch 80 Patienten im Hausbesuch behandelt haben. Am 16. April 1996 muss er nach seiner Abrechnung 33 therapeutische Gespräche mit 32 Patienten (8,25 Stunden) geführt und zusätzlich noch 73 Patienten im Hausbesuch behandelt haben. Ohne Berücksichtigung der weiteren vom Kläger – mit und ohne Zeitvorgabe – abgerechneten Leistungen ergeben sich am 1. April 1996 dafür bereits 11,45 Stunden, am 3. April 1996 14,25 Stunden und am 16. April 1996 13,77 Stunden. Selbst wenn der Kläger die Mindestzeiten nur bei den Gesprächen eingehalten haben sollte, wären damit bereits je 8 Stunden an täglicher Arbeitszeit ausgefüllt, ohne dass eventuelle diagnostische Tätigkeiten bei diesen Patienten berücksichtigt worden sind. Zusätzlich will er dann je noch weitere 47, 80 bzw. 73 Patienten im Hausbesuch behandelt haben. Auch bei Unterstellung eines routinierten, zügig arbeitenden Arztes ist es ausgeschlossen, dass die Leistungen nach den Gebührennummern 10, 11, 25 und 32 in vollem Umfang ordnungsgemäß erbracht worden sind. Zum einen erfordern bereits die Gespräche eine hohe Konzentration des Arztes. Zum anderen ist bei Berücksichtigung von notwendigen Wegezeiten zwischen den einzelnen Hausbesuchen nicht schlüssig nachvollziehbar, wie und wann nach über 8 bzw. 9 Stunden Tätigkeit in der Praxis (hier sind nur die abgerechneten Gesprächsleistungen addiert worden) noch die vom Kläger abgerechneten Hausbesuche durchgeführt worden sein sollen. Bei der Addition der hier allein gewählten vier Gebührennummern sind bereits alle weiteren abgerechneten Leistungen außer Betracht geblieben und notwendige Pausenzeiten und Zeiten für die Organisation der Praxis nicht berücksichtigt worden.

Nach Prüfung der Tagesprofile stellt der Senat im Ergebnis fest, dass der Kläger bereits nur bei der Berücksichtigung der nach den Gebührennummern 10, 11, 25 und 32 abgerechneten Leistungen diese am 1., 3. und 16. April 1996 jedenfalls nicht ordnungsgemäß erbracht haben kann. Es ist dabei nicht erforderlich, dass dies für jeden Tag des II. Quartals 1996 überprüft wird. Vielmehr ist die nach den §§ 35 Abs. 2 Satz 3, 42 Abs. 3 BMV-Ä und §§ 43 Abs. 1 35 Abs. 3 EKV-Ä abgegebene Abrechnungs-Sammelerklärung des Klägers, die die an sich für jeden Behandlungsausweis gebotene Erklärung des Vertragsarztes über die ordnungsgemäße Erbringung und Abrechnung der Leistungen ersetzt, bereits falsch, wenn die Prüfung der von einem Vertragsarzt an einem beliebigen Tag abgerechneten Leistungen erkennen lässt, dass diese unter Berücksichtigung des für die einzelnen Leistungen erforderlichen persönlichen Arbeitsaufwands, so, wie sie abgerechnet worden sind, nicht erbracht sein können (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Die Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungs-Sammelerklärung ist jedoch Voraussetzung für die Entstehung des Honoraranspruches. Die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfällt mit der Feststellung abgerechneter, jedoch nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen, es sei denn, es läge lediglich ein Fall schlichten Versehens vor, was im Falle des Klägers zu verneinen ist. Die vom Kläger eingereichte Abrechnungs-Sammelerklärung für das II. Quartal 1996 ist bereits durch die oben für den 1., 3. und 16. April 1996 festgestellten unrichtigen Angaben als Ganzes unrichtig. Eine Nachweispflicht der Beklagten in allen Behandlungsfällen, in denen sie unrichtige Abrechnungen vermutet, besteht nicht. Insoweit liegt das Honorarrisiko beim Kläger (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). Mit dem Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung fehlt es an einer Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches des Klägers, so dass die Beklagte berechtigt war, das Honorar für das II. Quartal 1996 neu festzusetzen.

Das BSG knüpft wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung anders als bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzt, hier an die Regelungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und § 48 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB X) an und hält bereits beim Vorliegen zumindest grober Fahrlässigkeit eine Honorarkürzung für zulässig (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr. 1). Grobe Fahrlässigkeit ist im Fall des Klägers zu bejahen, da sich die festgestellten Abrechnungsfehler nicht nur auf einen Tag oder auf eine Abrechnungsnummer beschränken. Dem seit Jahren als Vertragsarzt tätigen Kläger musste bei der Abrechnung klar sein, dass für die Gesprächleistungen nach dem EBM eine Mindestzeit vorgegeben ist, und eine Abrechnung nur erfolgen kann, wenn diese Mindestzeit eingehalten worden ist. Ein nur ein schlichtes Versehen scheidet daher aus.

Der Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung bei Vorliegen schon einer einzelnen grob fahrlässig falschen Angabe auf einem Behandlungsausweis – mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das Quartal im Ganzen rechtswidrig ist – unterliegt auch keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Denn das bedeutet nicht, dass dem Arzt überhaupt kein Anspruch auf Vergütung für die in dem Quartal erbrachten Leistungen zusteht. Soweit davon auszugehen ist, dass Leistungen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht wurden, hat die KV nach Aufhebung des unrichtigen Honorarbescheides das dem Vertragsarzt für diese Leistungen zustehende Honorar neu festzusetzen. Bei der Neufestsetzung hat sie allerdings ein weites Schätzungsermessen, das in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn die KV in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt seiner Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, ihm ein Honorar z. B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts – oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger – zuzuerkennen (BSG, SozR 3-5550 § 35 Nr. 1).

Das Honorar des Klägers ist letztlich um 69.767,70 DM auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt worden. Diese Schätzung des Honorars hält der Senat für sachgerecht, obwohl der Kläger mit seiner im II. Quartal 1996 abgerechneten Fallzahl von 1336 weit über dem Fachgruppendurchschnitt von ca. 800 Fällen lag. Dieses Kriterium allein rechtfertigt aber keine andere Schätzung, da die Fallzahl des Klägers – wenn auch bezogen auf den Fachgruppenwert – bei der Berechnung seines Honorars berücksichtigt worden ist. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger bei seiner Abrechnung für das II. Quartal 1996 bei den Präventionen/Impfungen fast mit 2/3 über dem Fachgruppendurchschnitt und bei den übrigen Leistungen fast mit der Hälfte über dem Fachgruppendurchschnitt lag. Für die Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt spricht, dass der Kläger zumindest einen Teil der abgerechneten Leistungen auch ordnungsgemäß erbracht hat und bei ordnungsgemäßer Abrechnung einen dem Fachgruppendurchschnitt vergleichbaren Fallwert erreicht hätte. Der von der Beklagten zugrunde gelegte Umfang von werktäglich durchschnittlich 11,99 Stunden für die Annahme einer ordnungsgemäßen Erbringung zeitgebundener Leistungen – somit plausiblen Abrechnung – ist nicht zu beanstanden. Denn dieser zeitliche Rahmen für die nur zeitgebundenen, nicht übertragbaren Leistungen des Vertragsarztes berücksichtigt bereits nicht die daneben abgerechneten und vergüteten nicht zeitgebundenen weiteren Leistungen. Insoweit ist in der Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt bei einer Feststellung von durchschnittlich werktäglich 12,00 Stunden und mehr auch keine Ungleichbehandlung mit den (nur) implausiblen Abrechnern zu sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 2. Januar 2002 geltenden Fassung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved