L 26 B 1907/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 21906/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 1907/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2007, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Der vor dem Sozialgericht gestellte Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten der bereits am 24. September 2007 begonnenen Weiterbildungsmaßnahme (Umschulung zum Immobilienkaufmann mit IK H-Abschluss) zu übernehmen, den der Antragsteller im Beschwerdeverfahren dahin umgestellt hat, die Kosten für die nächste, am 28. Januar 2008 beginnende Maßnahme zu übernehmen, kann keinen Erfolg haben.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zu Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog Regelungsanordnung). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Anordnungsvoraussetzungen sind mithin sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, die jedoch, gemessen an dem mit dem Antrag verfolgten Rechtsschutzziel (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95; NVwZ 2005, 927), in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, sodass sich die Anforderungen je nach dem zu erwartendem Maß des Erfolgs in der Hauptsache, der Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung oder der Schwere des drohenden Nachteils vermindern können. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO).

Vorliegend ist schon das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zumindest zweifelhaft. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn

1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, 2. vor Beginn der Teilnahme einer Beratung durch den Leistungsträger erfolgt ist und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Erst die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen eröffnet dem Antragsgegner grundsätzlich eine bestimmte Freiheit bei der Entscheidung über die Übernahme der Weiterbildungskosten (sog. Handlungs- oder Entschließungsermessen), wobei angesichts der engen Tatbestandsvoraussetzungen die Ablehnung von Leistungen nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe in Betracht kommen dürfte (vgl. etwa Schmidt in: Eicher/Schlegel, SGB III, Kommentar, Stand: Juni 2007, § 77 RdNr. 55).

Die Voraussetzungen der Ziffern 2 und 3 der genannten Vorschrift sind nach Aktenlage gegeben. Streitig ist allein die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitslosigkeit. Dabei kommt es darauf an, ob gerade die von dem Antragsteller gewünschte Weiterbildung - hier also der 2-jährige Umschulungslehrgang zum Immobilienkaufmann mit IK H-Abschluss - notwendig im Sinne der genannten Vorschrift ist, also ohne die Teilnahme an der gewünschten Maßnahme eine berufliche Eingliederung - voraussichtlich - nicht möglich ist. Diese Tatbestandsvoraussetzung hat der Antragsgegner im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu prüfen. Dabei steht dem Beklagten insoweit ein Beurteilungsspielraum zu; der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung tatsächlich unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1 RdNr. 24). Ausgangspunkt ist dabei zunächst die Frage, ob ohne die Bildungsmaßnahme keine Vermittlungschancen in angemessener und absehbarer Zeit beständen, wobei im Rahmen der Ansprüche nach dem SGB III konkret auf die Qualifikation des Antragstellers, die Gefragtheit seines Berufs und die Dauer der bisherigen Arbeitslosigkeit abzustellen ist (BSG SozR 4100 § 44 Nr. 46). In der Rechtsprechung ist dabei allerdings noch nicht geklärt, ob diese Grundsätze auf die Weiterbildungsförderung nach dem SGB II ohne weiteres übertragen werden können (kritisch Niewald in LPK-SGB II Anhang zu § 16 RdNr. 14). Denn dem Hilfebedürftigen ist vor wie nach der Weiterbildung grundsätzlich jede Arbeit unabhängig von der erworbenen Qualifikation zumutbar (vgl. § 10 SGB II). Ist diese Frage geklärt, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sich prognostisch die Eingliederungschancen nach Abschluss der begehrten Maßnahme erheblich verbessern.

Bei erster Prüfung des vorliegenden Sachverhalts ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar, dass der Beklagte seine Entscheidung auf einer fehlerhaften Grundlage getroffen hat. Fraglich ist nicht nur, ob im bisherigen Beruf keine Eingliederungschancen mehr bestehen, sondern auch ob für den Zielberuf eine günstige Arbeitsmarktprognose besteht, wie der Antragsteller meint. In dem Berufsbild des Kaufmanns in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, das der Ausbildungsgang "Immobilienkaufmann" zum 1. Juli 2006 abgelöst hat, war eine Übersättigung des Arbeitsmarktes eingetreten (dazu etwa Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. August 2006 L 5 B 401/06 AS ER). Es liegt nicht nahe, dass bereits so kurze Zeit nach Einführung des neuen Ausbildungsgangs sich die Eingliederungschancen in den Arbeitsmarkt durchgreifend geändert haben, wobei die gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers erschwerend hinzukommen.

Ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache ist damit nicht wahrscheinlicher als sein Unterliegen. Eine besondere Dringlichkeit, die es bei offenen Erfolgsaussichten gleichwohl notwendig gemacht hätte, die begehrte Leistung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verschaffen, ist nicht erkennbar. In Berlin bieten eine Reihe von Maßnahmeträgern die Ausbildung in dem vom Kläger angestrebten Zielberuf an. Nach Informationen aus der Weiterbildungsdatenbank Berlin beginnen bei mindestens 4 weiteren Trägern ebenso wie bei dem vom Antragsteller gewählten Maßnahmeträger bereits zum 31. März 2008 wieder Weiterbildungsmaßnahmen. Ein Platz war für den Antragsteller sowohl für die bereits begonnene Weiterbildungsmaßnahme als auch für die kommende Maßnahme verfügbar. Soweit dem Antragsteller die begehrte Leistung im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens zusteht, ist also nicht erkennbar, dass Schwierigkeiten bestehen könnten, einen Platz in einer Weiterbildungsmaßnahme zu bekommen. Beginnt der Antragsteller andererseits die Maßnahme ohne dass abschließend feststeht, dass der Beklagte zur Übernahme der Weiterbildungskosten verpflichtet ist, läuft er das Risiko im Falle des Unterliegens die Maßnahme mangels Kostendeckung abbrechen zu müssen. Allein die mögliche Dauer des Hauptsacheverfahrens kann den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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