L 9 KR 57/04 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1280/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 57/04 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Abweichung eines sozialgerichtlichen Urteils von einem Urteil des BSG i. S. d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht schon dann vor, wenn das Sozialgericht einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Berufung wegen Divergenz (vgl. BSG SozR 1500 § 160 a Nr. 14, 21, 29 und 67 sowie Beschluss vom 24.5.2007 - B 3 P 7/07 B - zitiert nach Juris).
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Januar 2004 ist gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet.

Nach § 144 Abs.1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Das ist hier der Fall, weil die Klage auf Übernahme von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 418,03 Euro gerichtet ist.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Voraussetzungen der Übernahme der Kosten der Krankenhausbehandlung durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, u. a. in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 13. Dezember 2001 (B 3 KR 11/01 R), geklärt sind. Dementsprechend beruft sich die Beklagte für die Zulassungsfähigkeit der Rechtssache auch nicht auf ihre grundsätzliche Bedeutung.

Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts weicht auch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 13. Dezember 2001 ab. Wer sich auf den Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Sozialgericht einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb diese miteinander unvereinbar seien (vgl. BSG, Beschluss vom 27.6.2005 - B 1 KR 43/04 B; BSG, Beschluss vom 18.7.2005 - B 1 KR 110/04 B - m.w.N.; BSG, Beschluss vom 24.1.2007 - B 1 KR 155/06 B - RdNr. 8 m. w. N. ). Erforderlich ist, dass das Sozialgericht bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich nur fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr. 26 S. 44 f.). Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte hierfür darlegen müssen, dass das Sozialgericht einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung entwickelt und angewendet hat, und dass die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Divergenz beruht. Hierzu wäre es notwendig gewesen, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des Sozialgerichts herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG aus dem zitierten Urteil aufzuzeigen. Denn eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Sozialgericht einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Berufung wegen Divergenz (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 14, 21, 29 und 67 sowie Beschluss vom 24. 5. 2007 - B 3 P 7/07 B - zitiert nach Juris). Weder aus der Beschwerde noch sonst ist ersichtlich, dass das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung vom Urteil des BSG vom 13. Dezember 2001 bewusst und im Grundsätzlichen abweichen wollte. Dass das Sozialgericht "einen Aspekt" dieser Entscheidung außer Acht gelassen habe, weil es nicht geprüft habe, "ob noch Aufklärungsmöglichkeiten hinsichtlich der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gegeben seien", reicht dafür nicht einmal im Ansatz aus. Denn eine Divergenz von der zitierten Entscheidung des BSG läge nur dann vor, wenn das Sozialgericht dem Prüfungsprogramm des BSG ausdrücklich widersprochen und andere rechtliche Maßstäbe für seine Entscheidung entwickelt hätte (vgl. BSG, Beschluss vom 31.7. 2007 - B 13 R 204/07 B - zitiert nach Juris). Davon kann schon deswegen keine Rede sein, weil das Sozialgericht die von der Nichtzulassungsbeschwerde zitierte Passage der Entscheidung des BSG (Rdnr. 21) selbst zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen und benutzt hat.

Das sozialgerichtliche Urteil beruht auch nicht auf einem Verfahrensfehler i. S. d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG. Insoweit rügt die Beklagte, dass das Sozialgericht die notwendige abschließende (eigene) Prüfung des Sachverhaltes unterlassen und damit eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen habe. Außerdem habe es sich auf den Standpunkt gestellt, dass die unvollständige Dokumentation des Falles zu Lasten der Beklagten gehe. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, weil nicht zu erkennen sei, auf welcher medizinischen Grundlage die Beklagte die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit für die streitigen Tage verneint habe, zumal sich nicht einmal den Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) entnehmen lasse, dass stationär durchgeführte Maßnahmen ambulant hätten erbracht werden können und die Auswahl der zu ergreifenden Maßnahmen in der Verantwortung des Krankenhausarztes liege. Nach der für die Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblichen Sicht des Sozialgerichts kam es deshalb auf die von der Beklagten geforderte weitere Sachaufklärung schon deshalb nicht an, weil nicht einmal Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Erlangung zusätzlicher entscheidungserheblicher Tatsachen durch eine weitere Sachaufklärung ersichtlich waren; demnach hätte sich auf der Grundlage dieser - vom Senat seiner Entscheidung zu Grunde zu legenden - Rechtsauffassung des Sozialgerichts eine weitere Aufklärung als Beweiserhebung "ins Blaue" dargestellt, die verfahrensrechtlich nicht geboten ist. Es ist deshalb nicht zu erkennen, dass das Urteil des Sozialgerichts auf den behaupteten Verfahrensfehlern beruht.

Ob das Sozialgericht den Rechtsstreit hingegen richtig entschieden hat, was die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls in Abrede stellt, ist dagegen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Die (von der Beklagten behauptete) sachliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs. 2 SGG keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Vielmehr soll es gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei Verfahren mit geringem Streitwert – wie hier – grundsätzlich mit einer gerichtlichen sachlichen Überprüfung des Klagebegehrens sein Bewenden haben.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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