L 5 B 1597/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 66 AS 16914/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 1597/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Hinweis auf 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandeburg, Beschluss vom 1. Oktober 2007, L 10 B 1545/07 AS ER (Anschluss)
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. April 2007 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Antragstellerin begehrt Eilrechtsschutz mit dem Ziel, vom Antragsgegner gemäß § 23 Abs. 1 SGB II ein "tilgungsfreies Darlehen" in Höhe von 53,13 Euro als "Zuschuss zur Regelleistung für Lernmittel und Schulmaterial" zu erhalten.

Der Eilantrag ist schon deswegen unzulässig, weil die Antragstellerin nach Auskunft der Hauptregistratur des Sozialgerichts Berlin gegen den diese Leistung ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 23. Februar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2007 keine Klage erhoben hat, so dass die Ablehnung bestandskräftig geworden ist, was im Eilverfahren nicht umgangen werden darf.

Unabhängig davon kann der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg haben. Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Ein Anordnungsanspruch liegt nach summarischer Prüfung nicht vor. Die Antragstellerin begehrt mit dem "tilgungsfreien Darlehen" nämlich eine gesetzlich nicht vorgesehene Leistung.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 SGB II wird das Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen.

Diese Regelungen können nur so verstanden werden, dass dem Antragsgegner kein Entschließungsermessen darüber zusteht, ob er auf die Rückzahlung verzichtet (so auch Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 19. September 2005, L 5 B 167/05 ER AS, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de), sondern lediglich – innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens – hinsichtlich der Höhe der Tilgungsraten. Dem entspricht im Übrigen bereits die Bezeichnung als Darlehen; dieser in § 488 Abs. 1 BGB definierte Begriff beinhaltet zwingend, dass derjenige, der Geld als Darlehen empfangen hat, das Empfangene in gleicher Menge zurückzuerstatten hat. Dass vom Ermessen des Antragsgegners auch die zeitweise Reduzierung der Tilgungsraten auf Null umfasst sein könnte, vermag das Begehren der Antragstellerin nicht zu stützen, da sie keine zeitweise, sondern eine die gesamte Dauer des Leistungsbezuges umfassende Aussetzung der Rückforderung begehrt.

Auch dass der Antragsgegner gemäß § 44 SGB II berechtigt wäre, Ansprüche zu erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, verhilft der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Der Antragsgegner ist nämlich nicht verpflichtet, bereits bei der Entscheidung über die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II zugleich über den Erlass der Rückforderung zu befinden (so auch LSG Hamburg, a.a.O.); dies widerspräche ebenfalls dem Charakter der Zahlung als Darlehen.

Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der nach § 23 Abs. 1 Satz SGB II erforderliche unabweisbare Bedarf für ein Darlehen im Falle der Antragstellerin gegeben ist. Der Senat weist jedoch auf Folgendes hin: Dem von der Antragstellerin zur Untermauerung ihres Begehrens herangezogenen Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2006 (S 37 AS 12025/05) kann keine über den dortigen Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen werden, weil das Sozialgericht dort in vermeintlich "verfassungskonformer Auslegung" eine Entscheidung getroffen hat, die mit Wortlaut und Sinn von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II schlechthin nicht vereinbar ist. Wie oben gezeigt, ist eine Tilgungsrate von "Null" gesetzlich nicht vorgesehen.

Abgesehen davon teilt der Senat die vom 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 1. Oktober 2007 (L 10 B 1545/07 AS ER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de) zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung. Der 10. Senat hat dort zutreffend angeführt, dass mit gewichtigen Argumenten in Frage gestellt wird, ob die finanzielle Unterstützung durch das Sozialgeld als Leistung der Grundsicherung ausreichend ist, um den altersgerechten Bedarf heranwachsender Schulkinder zu decken. Deshalb erscheine es sachgerecht, den nach § 23 Abs. 1 SGB II erforderlichen unabweisbaren Bedarf für ein Darlehen für Schulbedarf im begründeten Einzelfall anzuerkennen. Daher sollte der Antragsgegner sich einer Anwendung von § 23 Abs. 1 SGB II in Zusammenhang mit Schulbedarf nicht grundsätzlich verschließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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