L 15 B 293/07 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 125/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 293/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller erstrebt eine höhere Leistung für kostenaufwändige Ernährung, als er sie bisher erhält. Eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur antragsgemäßen Leistung setzt in diesem Fall voraus, dass bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch nach materiellen Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 der Zivilprozessordnung [ZPO]; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund). Daran fehlt es hier.

Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner gemäß dem am 24. September 2007 bei Gericht eingegangenen Antrag im Wege einsteiliger Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 148,28 Euro zu gewähren.

Nach § 42 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 30 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII – ist unter anderem für Kranke, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Dass der Antragsteller einen Mehrbedarf bei der Ernährung hat, der aus dem Regelsatz nicht bestritten werden kann, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Gestritten wird lediglich über die Höhe des Mehrbedarfs, insbesondere dessen Bemessung bei ggf. mehreren diätpflichtigen Krankheitsbildern.

Der Antragsteller beruft sich für den geltend gemachten Mehrbedarf u. a. auf eine formularmäßige Bescheinigung seiner behandelnden Ärztin vom 21. April 2006, derzufolge sie ihm wegen Hyperlididämie, Hyperurikämie/Gicht Leberinsuffizienz/Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus Typ II a jeweils eine spezielle Kostform für einen Zeitraum von 24 Monaten verordnet habe. Er ist der Auffassung, dass ihm – entsprechend den Beträgen für ALG-II-Empfänger – jeweils monatlich für lipidsenkende Kost 35,79 Euro, für purinreduzierte sowie für eiweißdefinierte Kost 30,68 Euro und wegen des Diabetes mellitus weitere 51,13 Euro zu gewähren seien, mithin insgesamt 148,28 Euro.

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Der erkennende Senat hat bereits in mehreren Beschlüssen ausgeführt, dass es sachgerecht ist, bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII ein ernährungsbedingter Mehrbedarf anzuerkennen ist, die Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge heranzuziehen, die eine unter Beteiligung von medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Sachverständigen entstandene, an typisierten Fallgestaltungen ausgerichtete praktische Entscheidungshilfe mit grundsätzlicher Gewähr für Richtigkeit bieten (vgl. u. a. Beschluss vom 7. September 2005 – L 15 B 66/05 SO – betreffend Hyperurikämie sowie Beschlüsse vom 12. Juli 2006 – L 15 B 113/06 SO ER – betreffend Krebs und - L 15 B 114/06 SO ER – betreffend Hyperlididämie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II a bei Übergewicht). Dies entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers, die in den Materialien zu § 30 Abs. 5 SGB XII zum Ausdruck kommt, sowie im Wesentlichen auch der früheren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Gewährung von Krankenkostzulagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (vgl. Hoffmann im LPK-SGB XII, Rdnr. 29ff zu § 30 m. w. N.).

Diese Empfehlungen, die derzeit in der aktualisierten 2. Auflage 1997 vorliegen und ersichtlich auch vom Antragsgegner herangezogen und zitiert werden, sehen zwar für alle vier der dem Antragsteller von seiner behandelnden Ärztin als diätpflichtig attestierten Leiden die oben genannten unterschiedlichen Kostformen vor, für die Mehrkosten in unterschiedlicher Höhe ermittelt worden sind. Sie sprechen sich aber eindeutig gegen die hier vom Antragsteller begehrte Addition aus. Vielmehr soll, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen mehrerer Krankenkostzulagen vorliegen, regelmäßig nur eine und zwar die höchste gewährt werden. Dies wird nachvollziehbar damit gegründet, dass dann, wenn ein Hilfeempfänger gleichzeitig an mehreren Krankheiten leidet, für die die Einhaltung einer besonderen Kostform empfohlen wird, eine Lebensmittelauswahl zu treffen ist, die möglichst mit den diätetischen Erfordernissen der einzelnen Leiden vereinbar ist. Eine Addition der Mehraufwendungen für verschiedene Kostformen ist grundsätzlich unzulässig, weil es qualitativ und quantitativ zu Kompensationseffekten kommt. Dies hält auch der erkennende Senat im Regelfall für sachgerecht (vgl. Beschluss vom 23. Januar 2006 – L 15 B 1092/05 SO PKH).

Diesen Empfehlungen wird die derzeitige Leistungsgewährung durch den Antragsgegner gerecht. Der Antragsteller bezieht im hier streitigen Zeitraum seit Eingang seines Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht am 24. September 2007 laufende ergänzende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 58,76 Euro auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 25. September 2007 für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis zum 31 Mai 2008. Aus der Anlage zu diesem Bescheid ergibt sich, dass der Antragsgegner bei der Bedarfsberechnung einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII von monatlich 53,- Euro zugrundegelegt hat, wobei er davon ausgegangen ist, dass der Kläger an Diabetes mellitus leidet und deswegen einer besonderen, kostenaufwändigen Diät bedarf. Diese Kostform ist – auch nach Auffassung des Antragstellers – die bei weitem teuerste der von seiner Ärztin für die einzelnen Leiden als erforderlich angesehenen Kostformen und deshalb zu Recht der Entscheidung über seinen Mehrbedarf zugrundegelegt worden. Besonderheiten, die eine Abweichung von der Regel zumindest in der Weise, dass zwar keine Addition, aber ein höherer Betrag als der jetzt bewilligte erforderlich ist, liegen bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sachlage nicht vor.

Allerdings hat der Antragsgegner im Hinblick auf eine amtsärztliche Stellungnahme zu den bisher aktenkundigen Befunden zuletzt nur noch die Notwendigkeit einer purinreduzierten Kost wegen Hyperurikämie/Gicht und einer "Vollkost" im Sinne der mehrfach genannten Empfehlungen wegen der schweren Hauterkrankung des Antragstellers als ausreichend belegt angesehen und hierfür gemäß Änderungsbescheid vom 07. November 2007 für die Zeit von Dezember 2007 bis März 2008 einen Mehrbedarf von nur noch monatlich 33,14 Euro in die Bedarfsberechnung eingestellt. Er beabsichtigt aber – zu Recht – insoweit ergänzende Ermittlungen zur Klärung der Diagnose Diabetes mellitus, da die diesbezüglichen Befunde aus dem letzten stationären Aufenthalt des Antragstellers jedenfalls "grenzwertig" sein sollen. Dabei wäre auch zu bedenken, ob – nur – grenzwertige Befunde möglicherweise gerade auch darauf beruhen, dass die verordnete kostenaufwändige Kostform eingehalten wird. Im Zuge der weiteren Ermittlungen sollte vor einer etwaigen Herabbemessung des Mehrbedarfes darüber hinaus auch geprüft werden, ob Besonderheiten des Hautleidens es ggf. erfordern, die dafür berücksichtigte "Vollkost" quantitativ – wegen eines erhöhten Kalorienbedarfs zur Wundheilung – und qualitativ – wegen erhöhten Protein-, Eisen- und Zinkbedarfs – mit einem höheren Mehrbedarf zu berücksichtigen (vgl. die hierzu vom Antragsteller eingereichten Diätempfehlungen bei Epidermolysis-bullosa). Da der Antragsgegner die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller gegen die Leistungskürzung eingelegten Widerspruches beachtet und deshalb der bisherige Zahlbetrag weiterhin zur Auszahlung gelangt, bedarf es insoweit keiner gerichtlichen Eilentscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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