Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 574/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 319/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 04. Dezember 1985.
Die 1949 geborene Klägerin erlitt während ihrer Tätigkeit als Operationsschwester im Krankenhaus Z – örtlicher Bereich B – (heute: Zentralklinik E v B) am 04. Dezember 1985 einen Unfall, als sie im OP-Gang entlang lief, beim Um-die-Ecke-Gehen nach rechts auf dem nassen Boden ausrutschte und mit angezogenen Knien in seitlicher Haltung gegen den Eisenrahmen der Glastür fiel. Sie zog sich dabei laut Durchgangsarzt-Bericht (D-Arzt-Bericht) des Dr. S vom 05. Dezember 1985 und Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 17. März 1986 Schürfungen und Prellungen an beiden Kniegelenken mit Weichteilschwellung am linken Kniegelenk zu. Die Röntgenuntersuchung ergab keinen Anhalt für Knochenverletzungen im Bereich der Kniegelenke. Wesentliche Bewegungseinschränkungen oder Kniegelenksergüsse bestanden nicht. Als Nebenbefund wurden am linken Kniegelenk eine Patelladysplasie und ein Zustand nach Kreuzbandplastik festgestellt, rechts fand sich eine leichte Lockerung des vorderen Kreuzbandes, die Muskulatur des linken Oberschenkels war gegenüber rechts erheblich verschmächtigt (Nachschaubericht des Chirurgen Dr. M vom 05. Dezember 1985). Arbeitsunfähigkeit bestand vom 04. Dezember 1985 bis einschließlich 15. Dezember 1985.
Im März 1986 wurde die Klägerin vom Dienst suspendiert. Seit September 1986 bezieht sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60.
Am 10. September 2002 stellte sich die Klägerin bei dem Chirurgen Dr. L vor mit starken Beschwerden im linken Kniegelenk bei Hypersensibilität im Bereich der antero-medialen gelenknahen Unterschenkelweichteile. In seinem Bericht vom selben Tag hielt Dr. L es für glaubhaft, dass die Klägerin aufgrund eines akuten Schmerzereignisses eine Ruptur des durch Goretex-Implantats verstärkten Collateralbandes erlitten und dadurch eine Instabilität eingetreten sei.
Die Klägerin führte sowohl den Zustand ihrer Kniegelenke als auch ihrer Hüftgelenke sowie Veränderungen im Bereich des Kiefers auf den Unfall vom 04. Dezember 1985 zurück. Bei dem Unfall sei es auch zu einer Schädel- bzw. Kieferverletzung gekommen. Infolge des Unfalls sei circa im Jahre 1988 ihr Kiefer völlig vereitert gewesen. Sie habe vom 09. bis zum 12. Dezember 1985 Kurzwellenbestrahlungen im Bereich des rechten Kniegelenks und vom 10. bis zum 12. Dezember 1985 Rotlichtbestrahlungen über jeweils 20 Minuten im Bereich des linken Kniegelenks erhalten. Im März/April 1986 habe sie beim Gehen auf der Straße starke Schmerzen im linken Kniegelenk bekommen. Dabei habe es sich um einen Riss des Goretex-Implantats gehandelt. Sie legte unter anderem einen Arztbrief des Krankenhauses N – Orthopädische Abteilung – vom 19. April 1988 über eine diagnostische Arthroskopie am linken Kniegelenk, einen Röntgenbefund des linken Kniegelenks vom 07. Oktober 1988, Atteste der Orthopäden Dres. W und H-B vom 22. März 2001 sowie des praktischen Arztes L W vom 06. Dezember 2001, einen ärztlichen Befundbericht der Dres. W und H-B vom 23. August 2001 und Fotos ihres Oberkiefers von November 1992 vor.
Die Beklagte ermittelte daraufhin zum Unfallereignis vom 04. Dezember 1985 und dessen Folgen bei der damals zuständigen Unfallkasse B, beim ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin, bei der B Ersatzkasse, beim V Klinikum A U, beim V Klinikum N, bei der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften (UBS B) sowie bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und zog unter anderem die Unfallanzeige vom 17. März 1986, den D-Arzt-Bericht vom 05. Dezember 1985, Vorerkrankungsverzeichnisse für die Jahre 1982 bis 1988, den Nachschaubericht vom 05. Dezember 1985, die weiteren D-Arzt-Berichte des Dr. M vom 14. Mai 1986 und 18. Juni 1986 sowie die Rentengutachten des Orthopäden Dr. S vom 16. Januar 1987 nebst Arthroskopiebericht des Krankenhauses A U vom 14. Oktober 1986, des Orthopäden Dr. K vom 02. März 1989 und der Nervenärztin Dr. T-K vom 22. März 1989 nebst einem vertrauensärztlichen Gutachten des Chirurgen Z vom 24. März 1987 und Stellungnahmen bzw. Vermerke der Neurologin und Psychiaterin K vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamtes W vom 28. April 1987, 01. September 1986, 26. August 1986, 09. Mai 1986 und 24. April 1986 bei.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 04. Dezember 1985 als Arbeitsunfall an, Entschädigungsleistungen aus Anlass dieses Arbeitsunfalls über den 15. Dezember 1985 hinaus wurden jedoch abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe bei dem Unfall Prellungen und Schürfungen an beiden Knien erlitten. Zum Unfallzeitpunkt hätten bereits erhebliche Vorschäden an beiden Kniegelenken bestanden. Die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung sei wegen der Prellung der Kniegelenke bis zum 12. Dezember 1985 durchgeführt worden, am 16. Dezember 1985 habe die Klägerin ihre Arbeit wieder aufgenommen. Wegen Beschwerden am rechten Kniegelenk habe sie sich am 14. Mai 1986 erneut in der UBS B vorgestellt. Die dortige Untersuchung habe ergeben, dass die geklagten Beschwerden auf die unfallfremde Erkrankung (Lockerung des vorderen Kreuzbandes und Verdacht auf Meniskopathie rechts) zurückzuführen seien. Folgen des Unfalls hätten weder am rechten noch am linken Knie festgestellt werden können. Am 18. Juni 1986 habe sie sich abermals in der UBS B wegen Beschwerden im linken Oberschenkel und Kniegelenk vorgestellt. Nach der Untersuchung dort hätten auch diese Beschwerden in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 04. Dezember 1985 gestanden. Zusammenfassend sei festzustellen, dass es durch den Unfall lediglich zu Prellungen beider Kniegelenke, jedoch nicht zu dauerhaften krankhaften Befunden gekommen sei. Eine Gesichts- bzw. Kieferverletzung sei in sämtlichen medizinischen Unterlagen und auch in der vom Arbeitgeber erstellten Unfallanzeige nicht erwähnt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 15. Dezember 1985, Behandlungsbedürftigkeit bis zum 12. Dezember 1985 bestanden. Eine darüber hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit sei auf unfallfremde Leiden zurückzuführen. Entschädigungsleistungen seien daher über den 15. Dezember 1985 hinaus nicht zu erbringen. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe der Unfall nicht hinterlassen.
In ihrem Widerspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, die von ihr vorgelegten Fotos des Kiefers zeigten deutlich, dass der Schädel bei dem Arbeitsunfall in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Im Übrigen sei sie nach dem Unfall falsch behandelt worden. Das linke Knie, in dem ein Kunstband fixiert und Schrauben eingesetzt gewesen seien, hätte nicht mit Rotlicht bestrahlt werden dürfen. Diese Bestrahlung habe zu einem verbrannten Bohrloch geführt und das Knochenmark geschädigt. Das rechte Kniegelenk sei durch den Schlag auf die Kniescheibe so geschädigt worden, dass die Menisken zerbrochen seien.
Die Beklagte holte zunächst eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B vom 11. September 2003 ein. Außerdem zog sie von der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der C Kopien der Krankenblätter betreffend die Behandlung der Klägerin von 1988 bis 1993 bei.
In einer von der Beklagten veranlassten fachchirurgischen Stellungnahme vom 10. Dezember 2003 erklärte Dr. B nach Befragung der Klägerin, es sei rückblickend nicht zu erkennen, dass mit der durchgeführten Rotlichtbestrahlung eine fehlerhafte Behandlung vorgelegen habe. Soweit die Klägerin davon berichte, im Sommer 1986 seien plötzlich Schmerzen aufgetreten und das "Bein weggekracht", so sei dies als eine für die seinerzeit implantierten Goretex-Prothesen typische Komplikation zu interpretieren.
Am 01. April 2004 erstellte der Chirurg Dr. B nach Untersuchung der Klägerin am 04. Februar 2004 auf Anforderung der Beklagten ein Zusammenhangsgutachten, in welchem er ausführte, es sei davon auszugehen, dass es anlässlich des Unfalls zu Prellungen und Schürfungen beider Kniegelenke gekommen und weitere Verletzungen nicht aufgetreten seien. Derartige Verletzungen heilten folgenlos ab. Allenfalls könne es durch ein starkes Anpralltrauma zu einem Knorpelschaden der Kniescheibengelenksfläche gekommen sein. Ein derartiger Schaden sie jedoch nicht beschrieben worden. Im Übrigen sei zwar bekannt, dass es durch Mikrowellenbestrahlung zu einer Überhitzung von Metallen kommen könne, jedoch nicht durch eine Rotlichtbestrahlung. Darüber hinaus hätte es beim Auftreten von Verbrennungen des Knochens durch Überhitzung der Metallschraube sofort zu erheblichen Schmerzen kommen müssen. Bei nicht dokumentierten Verletzungsfolgen im Bereich des Kopfes sei kein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der seit dem 21. Dezember 1988 durchgeführten Behandlung wegen Kiefervereiterung zu sehen.
Auf der Grundlage dieser medizinischen Ermittlungen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2004 zurück.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin weiter die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form von Unfallrente, Schmerzensgeld sowie Kostenübernahme für prothetische Hilfsmittel, Rollstuhl, Rehabilitationsmaßnahmen und Transporte, begehrt und ihre Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe über den im angefochtenen Bescheid anerkannten Zeitraum hinaus keinen Anspruch auf unfallversicherungsrechtliche Leistungen, denn Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1985 seien nach den gutachterlichen Feststellungen des Dr. B nicht verblieben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. M mit ihrer Begutachtung beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 29. Juli 2007 ist der Sachverständige zu dem Schluss gekommen, aufgrund der Untersuchung vom 29. Juli 2007 und Auswertung der vorliegenden Röntgenbilder ließen sich folgende Gesundheitsstörungen objektivieren: • posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenks • Kniebandinstabilität linkes Knie bei insuffizienter Kreuzbandplastik • schonungsbedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks ohne wesentliche röntgenmorphologische Hinweise auf Coxarthrose • ausgeprägte Muskelatrophie der linken unteren Extremität • leichtgradige Arthrose des linken Kniegelenks nach Teil-Meniskusentfernung.
Keine der Gesundheitsstörungen sei mit ausreichender Sicherheit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Eine unfallbedingte MdE sei somit nicht auszusprechen.
Die Klägerin hält das Gutachten für falsch.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1985 Entschädigungsleistungen über den 15. Dezember 1985 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1985 über den 15. Dezember 1985 hinaus.
Rechtsgrundlage sind die Vorschriften des Dritten Buchs der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Versicherungsfall vor Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist und die Gewährung von Leistungen geltend gemacht wird, die ebenfalls vor diesem Zeitpunkt einsetzten (§§ 212, 214 SGB VII).
Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls (§ 548 RVO) Entschädigungsleistungen, die unter anderem die Heilbehandlung der Unfallfolgen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie der Versorgung mit Heilmitteln (§ 557 RVO), Verletztengeld (§ 560 RVO) und Verletztenrente (§§ 580, 581 RVO) umfassen.
Die versicherte Tätigkeit nach § 539 RVO, der Unfall und die durch den Unfall verursachte Gesundheitsschädigung (§ 548 Abs. 1 RVO) müssen i. S. des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m. w. N.). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung der für den Zusammenhang sprechenden Faktoren diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann.
Die Klägerin hat für den Zeitraum nach dem 15. Dezember 1985 keinen Anspruch auf Entschädigung nach §§ 547 ff RVO, denn die Unfallfolgen in Form von Prellungen und Schürfungen der Kniegelenke waren zu diesem Zeitpunkt ausgeheilt. Die Klägerin hat am 16. Dezember 1985 ihre Arbeit wieder aufgenommen. Soweit anschließend am 14. Januar 1986 wieder Arbeitsunfähigkeit eintrat bzw. Behandlungsbedürftigkeit über den 15. Dezember 1985 hinaus bestand, beruhte dies nicht auf den anerkannten Unfallfolgen, die zu diesem Zeitpunkt bereits folgenlos ausgeheilt waren, sondern auf den schon vorbestehenden schweren Schädigungen der Kniegelenke sowie einer Erkrankung des psychiatrischen Formenkreises und – ab 1988 – Kieferbeschwerden, welche nicht Unfallfolge sind.
Zu dieser Überzeugung ist der Senat auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere der D-Arztberichte vom 05. Dezember 1985, 14. Mai 1986 und 18. August 1986, des Nachschauberichtes vom 05. Dezember 1985, der Rentengutachten für die BfA vom 16. Januar 1987, 02. März 1989 und 22. März 1989 sowie des Gutachtens des Dr. B vom 01. April 2004 und des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. M vom 29. Juli 2007 gelangt. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet in Form von Prellungen und Schürfungen beider Kniegelenke waren danach mit Ablauf des 15. Dezember 1985 ausgeheilt. Anhand der Erstbefunde sowie der zahlreichen Röntgenbefunde ließen und lassen sich weitergehende Verletzungen durch den Arbeitsunfall nicht feststellen.
Die von Dr. M anlässlich der Untersuchung am 21. Juni 2007 bei der jetzt 58jährigen Klägerin festgestellten Gesundheitsstörungen • posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenks • Kniebandinstabilität linkes Knie bei insuffizienter Kreuzbandplastik • schonungsbedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks ohne wesentliche röntgenmorphologische Hinweise auf Coxarthrose • ausgeprägte Muskelatrophie der linken unteren Extremität • leichtgradige Arthrose des linken Kniegelenks nach Teil-Meniskusentfernung sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall und die dabei erlittenen Prellungen und Schürfungen zurückzuführen.
Die Klägerin hatte bereits vor dem Arbeitsunfall vom 04. Dezember 1985 einige Unfälle erlitten und seit 1966 zahlreiche Operationen im Bereich beider Kniegelenke durchgemacht. Aus den Akten ergeben sich hier insbesondere folgende Daten: 1965: Badeunfall - Arme und Zähne gebrochen Herbst 1965: Sportunfall - Beschädigung Innenmeniskus linkes Knie 1966: Operation – Teilresektion Innenmeniskus linkes Knie 1970: Operation – Entfernung des Restmeniskus und Straffung des Innenbandes linkes Knie 1975: Operation – hinteres Kreuzband linkes Knie 1976: Operation – Innenmeniskus rechtes Knie 1984: Arthroskopie linkes Knie September 1984: Operation – Entfernung Bakerzyste linkes Knie 01. Oktober 1984 Ersatz des vorderen Kreuzbandes linkes Knie durch Goretex-Implantat 10. Januar 1985: Operation – Entfernung abgebrochenes Hinterhorn aus linker Kniekehle 14. Januar 1986: Operation – Entfernung der Schrauben der Kreuzbandplastik linkes Knie 14. Oktober 1986: Arthroskopie linkes Knie 17. März 1988: diagnostische Arthroskopie linkes Knie.
Zwar ist nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. M ein Sturz mit Prellung grundsätzlich geeignet, eine vorbestehende Arthrose zu aktivieren. Diese sog. aktivierten Arthrosen offenbaren sich jedoch mit Schwellungen, Gelenkergüssen und Bewegungseinschränkungen. Derartige Einschränkungen sind in der unfallnahen Zeit nicht dokumentiert. Infolge der Kreuzbandplastik im Oktober 1984 stellte schon Dr. M am 05. Dezember 1985 eine erhebliche Verschmächtigung des linken Oberschenkels gegenüber dem rechten, eine leichte Kreuzbandlockerung rechts sowie eine Instabilität des vorderen Kreuzbandes fest. Wäre die Instabilität Unfallfolge, hätte es in Anbetracht der damit verbundenen Gewebetraumatisierung deutliche Reizzeichen und eine Bewegungseinschränkung geben müssen, was laut Aktenlage in der unfallnahen Zeit jedoch nicht der Fall war. Nachvollziehbar führen daher alle befragten Ärzte die heute bestehenden Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks auf die Folgen der Meniskus(teil)entfernung mit dadurch geförderter Gelenksarthrose und der Kreuzbandplastik mit Goretex-Implantat zurück. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen Dr. M haben insbesondere die in den 60er Jahren üblichen offenen Entfernungen des Innenmeniskus zur Entwicklung frühzeitiger Kniegelenks-Arthrosen beigetragen. Übereinstimmend verweisen Dr. B, Dr. B und Dr. M darauf, dass die in den achtziger Jahren verwendeten und heute nicht mehr empfohlenen Goretex-Implantate in der überwiegenden Anzahl der Fälle zu anhaltenden Instabilitäten und nachfolgend zu Arthrosen der betroffenen Kniegelenke sowie zu fremdmaterialbedingten Gewebereizungen und Beschwerden geführt haben.
Soweit die Klägerin im Bereich des linken Kniegelenks mittelbare Unfallfolgen in Form von Verbrennungen des Knochens (schwarzes Bohrloch) und einer Schädigung des Goretex-Bandes selbst durch die dreimalige Rotlichtbestrahlung des linken Kniegelenks als Teil der Heilbehandlung der Unfallfolgen geltend macht, entbehren ihre medizinischen Ausführungen jeder Grundlage. Weder sind "Verbrennungen" von der Klägerin nachgewiesen worden noch sind derartige Verbrennungen/Verkokungen physikalisch überhaupt möglich, wie bereits alle in dem Verfahren involvierten Ärzte ausgeführt haben. Zunächst fehlt es in den Akten an Aufzeichnungen über äußere Verbrennungsanzeichen. Des Weiteren ist nach den Ausführungen von Dr. B, Dr. B und Dr. M das Rotlicht aufgrund seiner geringen Energie nicht in der Lage, bis in tiefere Hautschichten einzudringen und dort photochemische Prozesse auszulösen. Darüber hinaus hätte eine Verbrennung des Knochens unmittelbar starke Schmerzen und Beschwerden auslösen müssen, die ebenfalls nicht dokumentiert sind.
Die Beschwerden am rechten Kniegelenk sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M ebenfalls weder unmittelbar noch mittelbar mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen, vielmehr handelt es sich vorrangig um Überlastungserscheinungen aufgrund der zunehmenden Schonhaltung und der schon vor dem Arbeitsunfall bestehenden Muskelatrophie des linken Beins.
Eine schwerwiegende Schädigung eines Hüftgelenks ist angesichts der nach der Arthroskopie vom 14. Oktober 1986 vorgenommenen körperlichen Untersuchungen der Hüftgelenke (Gutachten des Dr. S vom 16. Januar 1987 sowie des Dr. K vom 02. März 1989) nicht nachvollziehbar. Die Röntgenuntersuchungen des Beckens sowie der Hüften haben keine Hinweise für eine erkennbare knöcherne Hüftgelenksschädigung ergeben (vgl. CT vom 09. November 1988; Röntgenbefund vom 23. August 2002). Soweit im Bereich der Hüftgelenke überhaupt krankhafte Veränderungen und Beschwerden feststellbar sind, stehen diese nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Die Klägerin selber führt ihre Beschwerden auf die Umstände der Arthroskopie im Krankenhaus A U am 14. Oktober 1986 zurück. Diese operative Maßnahme erfolgte jedoch nicht aufgrund der Unfallfolgen, wie der Sachverständige Dr. M richtig aufgezeigt hat, sondern zur Ursachenabklärung der anhaltenden Beschwerden nach Kreuzbandplastik und Schraubenentfernung im linken Kniegelenk (Arthroskopiebericht vom 14. Oktober 1986).
Letztlich ist auch ein Gesundheits-erst-schaden im Schädelbereich anlässlich des Arbeitsunfalls nicht nachgewiesen. Weder der D-Arzt-Bericht des Dr. S vom 05. Dezember 1985 noch die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 17. März 1986 enthalten Hinweise für Verletzungen im Schädelbereich. Die Klägerin selber hat offenbar derartige Verletzungen zeitnah nach dem Unfall ebenfalls nicht erwähnt, denn auch die Berichte der UNS Berlin aus der Folgezeit enthalten keinerlei Anhaltspunkte. Darüber hinaus konnten die behandelnden Ärzte der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der C keinen Zusammenhang zwischen den Kiefervereiterungen und dem Unfallereignis erkennen (Schreiben an die Beklagte vom 07. Oktober 2003). Die von der Klägerin überreichten Fotos des Ober- und Unterkiefers sowie die vorliegenden Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule vom 09. April 1987 und des Schädels vom 04. September 1987 (jeweils Radiologe Dr. L) sowie vom 25. Januar 1995 (Radiologe Dr. B) liefern – wie Dr. M ausgeführt hat - keine Hinweise für knöcherne Verletzungen durch den Unfall.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 04. Dezember 1985.
Die 1949 geborene Klägerin erlitt während ihrer Tätigkeit als Operationsschwester im Krankenhaus Z – örtlicher Bereich B – (heute: Zentralklinik E v B) am 04. Dezember 1985 einen Unfall, als sie im OP-Gang entlang lief, beim Um-die-Ecke-Gehen nach rechts auf dem nassen Boden ausrutschte und mit angezogenen Knien in seitlicher Haltung gegen den Eisenrahmen der Glastür fiel. Sie zog sich dabei laut Durchgangsarzt-Bericht (D-Arzt-Bericht) des Dr. S vom 05. Dezember 1985 und Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 17. März 1986 Schürfungen und Prellungen an beiden Kniegelenken mit Weichteilschwellung am linken Kniegelenk zu. Die Röntgenuntersuchung ergab keinen Anhalt für Knochenverletzungen im Bereich der Kniegelenke. Wesentliche Bewegungseinschränkungen oder Kniegelenksergüsse bestanden nicht. Als Nebenbefund wurden am linken Kniegelenk eine Patelladysplasie und ein Zustand nach Kreuzbandplastik festgestellt, rechts fand sich eine leichte Lockerung des vorderen Kreuzbandes, die Muskulatur des linken Oberschenkels war gegenüber rechts erheblich verschmächtigt (Nachschaubericht des Chirurgen Dr. M vom 05. Dezember 1985). Arbeitsunfähigkeit bestand vom 04. Dezember 1985 bis einschließlich 15. Dezember 1985.
Im März 1986 wurde die Klägerin vom Dienst suspendiert. Seit September 1986 bezieht sie Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60.
Am 10. September 2002 stellte sich die Klägerin bei dem Chirurgen Dr. L vor mit starken Beschwerden im linken Kniegelenk bei Hypersensibilität im Bereich der antero-medialen gelenknahen Unterschenkelweichteile. In seinem Bericht vom selben Tag hielt Dr. L es für glaubhaft, dass die Klägerin aufgrund eines akuten Schmerzereignisses eine Ruptur des durch Goretex-Implantats verstärkten Collateralbandes erlitten und dadurch eine Instabilität eingetreten sei.
Die Klägerin führte sowohl den Zustand ihrer Kniegelenke als auch ihrer Hüftgelenke sowie Veränderungen im Bereich des Kiefers auf den Unfall vom 04. Dezember 1985 zurück. Bei dem Unfall sei es auch zu einer Schädel- bzw. Kieferverletzung gekommen. Infolge des Unfalls sei circa im Jahre 1988 ihr Kiefer völlig vereitert gewesen. Sie habe vom 09. bis zum 12. Dezember 1985 Kurzwellenbestrahlungen im Bereich des rechten Kniegelenks und vom 10. bis zum 12. Dezember 1985 Rotlichtbestrahlungen über jeweils 20 Minuten im Bereich des linken Kniegelenks erhalten. Im März/April 1986 habe sie beim Gehen auf der Straße starke Schmerzen im linken Kniegelenk bekommen. Dabei habe es sich um einen Riss des Goretex-Implantats gehandelt. Sie legte unter anderem einen Arztbrief des Krankenhauses N – Orthopädische Abteilung – vom 19. April 1988 über eine diagnostische Arthroskopie am linken Kniegelenk, einen Röntgenbefund des linken Kniegelenks vom 07. Oktober 1988, Atteste der Orthopäden Dres. W und H-B vom 22. März 2001 sowie des praktischen Arztes L W vom 06. Dezember 2001, einen ärztlichen Befundbericht der Dres. W und H-B vom 23. August 2001 und Fotos ihres Oberkiefers von November 1992 vor.
Die Beklagte ermittelte daraufhin zum Unfallereignis vom 04. Dezember 1985 und dessen Folgen bei der damals zuständigen Unfallkasse B, beim ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin, bei der B Ersatzkasse, beim V Klinikum A U, beim V Klinikum N, bei der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften (UBS B) sowie bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und zog unter anderem die Unfallanzeige vom 17. März 1986, den D-Arzt-Bericht vom 05. Dezember 1985, Vorerkrankungsverzeichnisse für die Jahre 1982 bis 1988, den Nachschaubericht vom 05. Dezember 1985, die weiteren D-Arzt-Berichte des Dr. M vom 14. Mai 1986 und 18. Juni 1986 sowie die Rentengutachten des Orthopäden Dr. S vom 16. Januar 1987 nebst Arthroskopiebericht des Krankenhauses A U vom 14. Oktober 1986, des Orthopäden Dr. K vom 02. März 1989 und der Nervenärztin Dr. T-K vom 22. März 1989 nebst einem vertrauensärztlichen Gutachten des Chirurgen Z vom 24. März 1987 und Stellungnahmen bzw. Vermerke der Neurologin und Psychiaterin K vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamtes W vom 28. April 1987, 01. September 1986, 26. August 1986, 09. Mai 1986 und 24. April 1986 bei.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 04. Dezember 1985 als Arbeitsunfall an, Entschädigungsleistungen aus Anlass dieses Arbeitsunfalls über den 15. Dezember 1985 hinaus wurden jedoch abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe bei dem Unfall Prellungen und Schürfungen an beiden Knien erlitten. Zum Unfallzeitpunkt hätten bereits erhebliche Vorschäden an beiden Kniegelenken bestanden. Die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung sei wegen der Prellung der Kniegelenke bis zum 12. Dezember 1985 durchgeführt worden, am 16. Dezember 1985 habe die Klägerin ihre Arbeit wieder aufgenommen. Wegen Beschwerden am rechten Kniegelenk habe sie sich am 14. Mai 1986 erneut in der UBS B vorgestellt. Die dortige Untersuchung habe ergeben, dass die geklagten Beschwerden auf die unfallfremde Erkrankung (Lockerung des vorderen Kreuzbandes und Verdacht auf Meniskopathie rechts) zurückzuführen seien. Folgen des Unfalls hätten weder am rechten noch am linken Knie festgestellt werden können. Am 18. Juni 1986 habe sie sich abermals in der UBS B wegen Beschwerden im linken Oberschenkel und Kniegelenk vorgestellt. Nach der Untersuchung dort hätten auch diese Beschwerden in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 04. Dezember 1985 gestanden. Zusammenfassend sei festzustellen, dass es durch den Unfall lediglich zu Prellungen beider Kniegelenke, jedoch nicht zu dauerhaften krankhaften Befunden gekommen sei. Eine Gesichts- bzw. Kieferverletzung sei in sämtlichen medizinischen Unterlagen und auch in der vom Arbeitgeber erstellten Unfallanzeige nicht erwähnt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 15. Dezember 1985, Behandlungsbedürftigkeit bis zum 12. Dezember 1985 bestanden. Eine darüber hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit sei auf unfallfremde Leiden zurückzuführen. Entschädigungsleistungen seien daher über den 15. Dezember 1985 hinaus nicht zu erbringen. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe der Unfall nicht hinterlassen.
In ihrem Widerspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, die von ihr vorgelegten Fotos des Kiefers zeigten deutlich, dass der Schädel bei dem Arbeitsunfall in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Im Übrigen sei sie nach dem Unfall falsch behandelt worden. Das linke Knie, in dem ein Kunstband fixiert und Schrauben eingesetzt gewesen seien, hätte nicht mit Rotlicht bestrahlt werden dürfen. Diese Bestrahlung habe zu einem verbrannten Bohrloch geführt und das Knochenmark geschädigt. Das rechte Kniegelenk sei durch den Schlag auf die Kniescheibe so geschädigt worden, dass die Menisken zerbrochen seien.
Die Beklagte holte zunächst eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B vom 11. September 2003 ein. Außerdem zog sie von der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der C Kopien der Krankenblätter betreffend die Behandlung der Klägerin von 1988 bis 1993 bei.
In einer von der Beklagten veranlassten fachchirurgischen Stellungnahme vom 10. Dezember 2003 erklärte Dr. B nach Befragung der Klägerin, es sei rückblickend nicht zu erkennen, dass mit der durchgeführten Rotlichtbestrahlung eine fehlerhafte Behandlung vorgelegen habe. Soweit die Klägerin davon berichte, im Sommer 1986 seien plötzlich Schmerzen aufgetreten und das "Bein weggekracht", so sei dies als eine für die seinerzeit implantierten Goretex-Prothesen typische Komplikation zu interpretieren.
Am 01. April 2004 erstellte der Chirurg Dr. B nach Untersuchung der Klägerin am 04. Februar 2004 auf Anforderung der Beklagten ein Zusammenhangsgutachten, in welchem er ausführte, es sei davon auszugehen, dass es anlässlich des Unfalls zu Prellungen und Schürfungen beider Kniegelenke gekommen und weitere Verletzungen nicht aufgetreten seien. Derartige Verletzungen heilten folgenlos ab. Allenfalls könne es durch ein starkes Anpralltrauma zu einem Knorpelschaden der Kniescheibengelenksfläche gekommen sein. Ein derartiger Schaden sie jedoch nicht beschrieben worden. Im Übrigen sei zwar bekannt, dass es durch Mikrowellenbestrahlung zu einer Überhitzung von Metallen kommen könne, jedoch nicht durch eine Rotlichtbestrahlung. Darüber hinaus hätte es beim Auftreten von Verbrennungen des Knochens durch Überhitzung der Metallschraube sofort zu erheblichen Schmerzen kommen müssen. Bei nicht dokumentierten Verletzungsfolgen im Bereich des Kopfes sei kein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der seit dem 21. Dezember 1988 durchgeführten Behandlung wegen Kiefervereiterung zu sehen.
Auf der Grundlage dieser medizinischen Ermittlungen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. September 2004 zurück.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin weiter die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form von Unfallrente, Schmerzensgeld sowie Kostenübernahme für prothetische Hilfsmittel, Rollstuhl, Rehabilitationsmaßnahmen und Transporte, begehrt und ihre Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe über den im angefochtenen Bescheid anerkannten Zeitraum hinaus keinen Anspruch auf unfallversicherungsrechtliche Leistungen, denn Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1985 seien nach den gutachterlichen Feststellungen des Dr. B nicht verblieben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. M mit ihrer Begutachtung beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 29. Juli 2007 ist der Sachverständige zu dem Schluss gekommen, aufgrund der Untersuchung vom 29. Juli 2007 und Auswertung der vorliegenden Röntgenbilder ließen sich folgende Gesundheitsstörungen objektivieren: • posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenks • Kniebandinstabilität linkes Knie bei insuffizienter Kreuzbandplastik • schonungsbedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks ohne wesentliche röntgenmorphologische Hinweise auf Coxarthrose • ausgeprägte Muskelatrophie der linken unteren Extremität • leichtgradige Arthrose des linken Kniegelenks nach Teil-Meniskusentfernung.
Keine der Gesundheitsstörungen sei mit ausreichender Sicherheit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Eine unfallbedingte MdE sei somit nicht auszusprechen.
Die Klägerin hält das Gutachten für falsch.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. September 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1985 Entschädigungsleistungen über den 15. Dezember 1985 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 1985 über den 15. Dezember 1985 hinaus.
Rechtsgrundlage sind die Vorschriften des Dritten Buchs der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Versicherungsfall vor Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist und die Gewährung von Leistungen geltend gemacht wird, die ebenfalls vor diesem Zeitpunkt einsetzten (§§ 212, 214 SGB VII).
Nach §§ 547 ff RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls (§ 548 RVO) Entschädigungsleistungen, die unter anderem die Heilbehandlung der Unfallfolgen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie der Versorgung mit Heilmitteln (§ 557 RVO), Verletztengeld (§ 560 RVO) und Verletztenrente (§§ 580, 581 RVO) umfassen.
Die versicherte Tätigkeit nach § 539 RVO, der Unfall und die durch den Unfall verursachte Gesundheitsschädigung (§ 548 Abs. 1 RVO) müssen i. S. des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m. w. N.). Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung der für den Zusammenhang sprechenden Faktoren diese so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann.
Die Klägerin hat für den Zeitraum nach dem 15. Dezember 1985 keinen Anspruch auf Entschädigung nach §§ 547 ff RVO, denn die Unfallfolgen in Form von Prellungen und Schürfungen der Kniegelenke waren zu diesem Zeitpunkt ausgeheilt. Die Klägerin hat am 16. Dezember 1985 ihre Arbeit wieder aufgenommen. Soweit anschließend am 14. Januar 1986 wieder Arbeitsunfähigkeit eintrat bzw. Behandlungsbedürftigkeit über den 15. Dezember 1985 hinaus bestand, beruhte dies nicht auf den anerkannten Unfallfolgen, die zu diesem Zeitpunkt bereits folgenlos ausgeheilt waren, sondern auf den schon vorbestehenden schweren Schädigungen der Kniegelenke sowie einer Erkrankung des psychiatrischen Formenkreises und – ab 1988 – Kieferbeschwerden, welche nicht Unfallfolge sind.
Zu dieser Überzeugung ist der Senat auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere der D-Arztberichte vom 05. Dezember 1985, 14. Mai 1986 und 18. August 1986, des Nachschauberichtes vom 05. Dezember 1985, der Rentengutachten für die BfA vom 16. Januar 1987, 02. März 1989 und 22. März 1989 sowie des Gutachtens des Dr. B vom 01. April 2004 und des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. M vom 29. Juli 2007 gelangt. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet in Form von Prellungen und Schürfungen beider Kniegelenke waren danach mit Ablauf des 15. Dezember 1985 ausgeheilt. Anhand der Erstbefunde sowie der zahlreichen Röntgenbefunde ließen und lassen sich weitergehende Verletzungen durch den Arbeitsunfall nicht feststellen.
Die von Dr. M anlässlich der Untersuchung am 21. Juni 2007 bei der jetzt 58jährigen Klägerin festgestellten Gesundheitsstörungen • posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenks • Kniebandinstabilität linkes Knie bei insuffizienter Kreuzbandplastik • schonungsbedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks ohne wesentliche röntgenmorphologische Hinweise auf Coxarthrose • ausgeprägte Muskelatrophie der linken unteren Extremität • leichtgradige Arthrose des linken Kniegelenks nach Teil-Meniskusentfernung sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall und die dabei erlittenen Prellungen und Schürfungen zurückzuführen.
Die Klägerin hatte bereits vor dem Arbeitsunfall vom 04. Dezember 1985 einige Unfälle erlitten und seit 1966 zahlreiche Operationen im Bereich beider Kniegelenke durchgemacht. Aus den Akten ergeben sich hier insbesondere folgende Daten: 1965: Badeunfall - Arme und Zähne gebrochen Herbst 1965: Sportunfall - Beschädigung Innenmeniskus linkes Knie 1966: Operation – Teilresektion Innenmeniskus linkes Knie 1970: Operation – Entfernung des Restmeniskus und Straffung des Innenbandes linkes Knie 1975: Operation – hinteres Kreuzband linkes Knie 1976: Operation – Innenmeniskus rechtes Knie 1984: Arthroskopie linkes Knie September 1984: Operation – Entfernung Bakerzyste linkes Knie 01. Oktober 1984 Ersatz des vorderen Kreuzbandes linkes Knie durch Goretex-Implantat 10. Januar 1985: Operation – Entfernung abgebrochenes Hinterhorn aus linker Kniekehle 14. Januar 1986: Operation – Entfernung der Schrauben der Kreuzbandplastik linkes Knie 14. Oktober 1986: Arthroskopie linkes Knie 17. März 1988: diagnostische Arthroskopie linkes Knie.
Zwar ist nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. M ein Sturz mit Prellung grundsätzlich geeignet, eine vorbestehende Arthrose zu aktivieren. Diese sog. aktivierten Arthrosen offenbaren sich jedoch mit Schwellungen, Gelenkergüssen und Bewegungseinschränkungen. Derartige Einschränkungen sind in der unfallnahen Zeit nicht dokumentiert. Infolge der Kreuzbandplastik im Oktober 1984 stellte schon Dr. M am 05. Dezember 1985 eine erhebliche Verschmächtigung des linken Oberschenkels gegenüber dem rechten, eine leichte Kreuzbandlockerung rechts sowie eine Instabilität des vorderen Kreuzbandes fest. Wäre die Instabilität Unfallfolge, hätte es in Anbetracht der damit verbundenen Gewebetraumatisierung deutliche Reizzeichen und eine Bewegungseinschränkung geben müssen, was laut Aktenlage in der unfallnahen Zeit jedoch nicht der Fall war. Nachvollziehbar führen daher alle befragten Ärzte die heute bestehenden Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks auf die Folgen der Meniskus(teil)entfernung mit dadurch geförderter Gelenksarthrose und der Kreuzbandplastik mit Goretex-Implantat zurück. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen Dr. M haben insbesondere die in den 60er Jahren üblichen offenen Entfernungen des Innenmeniskus zur Entwicklung frühzeitiger Kniegelenks-Arthrosen beigetragen. Übereinstimmend verweisen Dr. B, Dr. B und Dr. M darauf, dass die in den achtziger Jahren verwendeten und heute nicht mehr empfohlenen Goretex-Implantate in der überwiegenden Anzahl der Fälle zu anhaltenden Instabilitäten und nachfolgend zu Arthrosen der betroffenen Kniegelenke sowie zu fremdmaterialbedingten Gewebereizungen und Beschwerden geführt haben.
Soweit die Klägerin im Bereich des linken Kniegelenks mittelbare Unfallfolgen in Form von Verbrennungen des Knochens (schwarzes Bohrloch) und einer Schädigung des Goretex-Bandes selbst durch die dreimalige Rotlichtbestrahlung des linken Kniegelenks als Teil der Heilbehandlung der Unfallfolgen geltend macht, entbehren ihre medizinischen Ausführungen jeder Grundlage. Weder sind "Verbrennungen" von der Klägerin nachgewiesen worden noch sind derartige Verbrennungen/Verkokungen physikalisch überhaupt möglich, wie bereits alle in dem Verfahren involvierten Ärzte ausgeführt haben. Zunächst fehlt es in den Akten an Aufzeichnungen über äußere Verbrennungsanzeichen. Des Weiteren ist nach den Ausführungen von Dr. B, Dr. B und Dr. M das Rotlicht aufgrund seiner geringen Energie nicht in der Lage, bis in tiefere Hautschichten einzudringen und dort photochemische Prozesse auszulösen. Darüber hinaus hätte eine Verbrennung des Knochens unmittelbar starke Schmerzen und Beschwerden auslösen müssen, die ebenfalls nicht dokumentiert sind.
Die Beschwerden am rechten Kniegelenk sind nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M ebenfalls weder unmittelbar noch mittelbar mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen, vielmehr handelt es sich vorrangig um Überlastungserscheinungen aufgrund der zunehmenden Schonhaltung und der schon vor dem Arbeitsunfall bestehenden Muskelatrophie des linken Beins.
Eine schwerwiegende Schädigung eines Hüftgelenks ist angesichts der nach der Arthroskopie vom 14. Oktober 1986 vorgenommenen körperlichen Untersuchungen der Hüftgelenke (Gutachten des Dr. S vom 16. Januar 1987 sowie des Dr. K vom 02. März 1989) nicht nachvollziehbar. Die Röntgenuntersuchungen des Beckens sowie der Hüften haben keine Hinweise für eine erkennbare knöcherne Hüftgelenksschädigung ergeben (vgl. CT vom 09. November 1988; Röntgenbefund vom 23. August 2002). Soweit im Bereich der Hüftgelenke überhaupt krankhafte Veränderungen und Beschwerden feststellbar sind, stehen diese nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Die Klägerin selber führt ihre Beschwerden auf die Umstände der Arthroskopie im Krankenhaus A U am 14. Oktober 1986 zurück. Diese operative Maßnahme erfolgte jedoch nicht aufgrund der Unfallfolgen, wie der Sachverständige Dr. M richtig aufgezeigt hat, sondern zur Ursachenabklärung der anhaltenden Beschwerden nach Kreuzbandplastik und Schraubenentfernung im linken Kniegelenk (Arthroskopiebericht vom 14. Oktober 1986).
Letztlich ist auch ein Gesundheits-erst-schaden im Schädelbereich anlässlich des Arbeitsunfalls nicht nachgewiesen. Weder der D-Arzt-Bericht des Dr. S vom 05. Dezember 1985 noch die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 17. März 1986 enthalten Hinweise für Verletzungen im Schädelbereich. Die Klägerin selber hat offenbar derartige Verletzungen zeitnah nach dem Unfall ebenfalls nicht erwähnt, denn auch die Berichte der UNS Berlin aus der Folgezeit enthalten keinerlei Anhaltspunkte. Darüber hinaus konnten die behandelnden Ärzte der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der C keinen Zusammenhang zwischen den Kiefervereiterungen und dem Unfallereignis erkennen (Schreiben an die Beklagte vom 07. Oktober 2003). Die von der Klägerin überreichten Fotos des Ober- und Unterkiefers sowie die vorliegenden Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule vom 09. April 1987 und des Schädels vom 04. September 1987 (jeweils Radiologe Dr. L) sowie vom 25. Januar 1995 (Radiologe Dr. B) liefern – wie Dr. M ausgeführt hat - keine Hinweise für knöcherne Verletzungen durch den Unfall.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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