Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 398/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 528/07 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2007 geändert. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Beklagte trägt ebenfalls die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beteiligten haben im Hauptsacheverfahren um den Fortbestand der Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) gestritten.
Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13. März 2006 erfolglos gebeten hatte, u. a. Unterlagen über die aktuelle Tätigkeitsausübung vorzulegen, und ihm mit weiterem Schreiben vom 08. Mai 2006 darauf hingewiesen hatte, die Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz zu beenden, falls die erbetenen Unterlagen nicht eingereicht würden, stellte sie mit Bescheid vom 26. Mai 2006 fest, dass die Versicherungspflicht nach § 1 KSVG am 31. Mai 2006 endet.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ab Juli 2006 wieder künstlerisch tätig zu sein. Er legte verschiedene Verträge, Kontoauszüge und Honorarquittungen vor. Daraus ermittelte die Beklagte Einnahmen für 2006 von 3.130,41 Euro. Sie ließ hierbei die dem Kläger unter dem 07. August 2006 angebotene Rolle des " " in der Showversion des C N ebenso unberücksichtigt wie das mit Schreiben vom 10.September 2006 der Beklagten vorgelegte Angebot der Firma J L über die Vorbereitung (Auswahl der Texte, Konzeption, Auswahl der Schauspieler) des B 2007 bei einer Vergütung von 1.500 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Nach § 1 KSVG würden selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausübten. Nach § 3 Abs. 1 KSVG sei jedoch versicherungsfrei, wer in einem Kalenderjahr ein voraussichtliches Arbeitseinkommen aus selbständiger künstlerischer bzw. publizistischer Tätigkeit erziele, das 3.900 Euro nicht übersteige. Für das Jahr 2006 lägen Nachweise über Einnahmen (lediglich) in Höhe von 3.130,41 Euro vor. Die voraussichtlich zu erwartenden Einkünfte aus der Tätigkeit als Schauspieler beim CN seien für die Beurteilung der Versicherungsvoraussetzungen nicht zu berücksichtigen, da es sich nicht um Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit handele.
Dagegen erhob der Kläger am 09. November 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage.
Außerdem teilte er der Beklagten am 08. November 2006 mit, das Thema "Nationalzirkus" zunächst nicht weiter verfolgen zu wollen. Er legte jedoch seine Rechnung vom 08. August 2006 an RK über 325 Euro für das Coaching für den Film "" sowie vom 06. November 2006 an die Firma J L über 1.500 Euro für Casting, Regiekonzeption und Textauswahl nebst Kontoauszügen vor.
Mit Änderungsbescheid vom 02. März 2007 stellte die Beklagte dem "Antrag nach § 44 SGB X" entsprechend Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ab 01. Juni 2006 fest.
Mit Schriftsatz vom 28. März 2007 erklärte der Kläger daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Er hat beantragt, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Beklagte habe Anlass zur Klage gegeben.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 02. März 2007 nach § 44 SGB X erteilt worden sei, so dass die Klage keinen Erfolg gehabt habe. Eine Kostenübernahme komme daher nicht in Betracht.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten habe: Der Gesichtspunkt des erreichten Prozessergebnisses spreche zwar deutlich für eine Kostenlast der Beklagten. Gleichwertig kostenmindernd sei jedoch das sehr mitwirkungsschwache Verhalten des Klägers im Vorfeld des Bescheides vom 26. Mai 2006 zu berücksichtigen.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 01. August 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22. August 2007 eingelegte Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Er verweist darauf, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass er sich sehr häufig beruflich bedingt auf Reisen befinde, und deswegen die vor Erteilung des Bescheides vom 26. Mai 2006 eingeräumten Fristen zu kurz gewesen seien. Im Übrigen habe er jedenfalls danach sämtliche geforderten Unterlagen vorgelegt, so dass die Erteilung eines Widerspruchsbescheides überflüssig gewesen sei. Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2007 die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, einschließlich des Verwaltungsverfahrens nach "§ 44 SGB X" (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Beklagte die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten nicht in vollem Umfang zu tragen hat.
Nach § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders beendet wird.
Die zu treffende Kostenentscheidung hat nach sachgerechtem Ermessen des Gerichts zu ergehen. Nach Auffassung des Senats ist es sachgerecht, dass derjenige Beteiligte die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt, der das Entstehen dieser Kosten veranlasst hat. Dies entspricht in der Regel billigem Ermessen. Grundsätzlich hat der voraussichtlich unterliegende Beteiligte die Kosten zu tragen, denn die Inanspruchnahme des Gerichts hat sich in diesem Fall als nicht gerechtfertigt erwiesen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage während des gerichtlichen Verfahrens nicht eingetreten ist. Im Einzelfall kann ein anderes Ergebnis geboten sein, wenn vom Regelfall abweichende Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung der Klage vorliegen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 193 Rdnrn. 12 a bis 13 c).
Unter Zugrundelegung dieses Prinzips ist es gerechtfertigt, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang trägt. Sie hat dadurch Veranlassung zur Klage gegeben, dass sie die vom Kläger während des Widerspruchsverfahrens vorgelegten Unterlagen nicht umfassend würdigte.
Die nach § 1 KSVG versicherungspflichtigen selbständigen Künstler sind nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wenn in dem Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt wird, das 3.900 Euro nicht übersteigt.
Der Betrag von 3.900 Euro wurde jedoch im Kalenderjahr 2006 aus vorausschauender Sicht überschritten. Dies hätte die Beklagte bei umfassender Würdigung der vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen erkennen können. Die Erteilung eines Widerspruchsbescheides wäre damit überflüssig gewesen, denn dem Widerspruch hätte in vollem Umfang abgeholfen werden können. Ein nachfolgendes Klageverfahren wäre entbehrlich gewesen. Daraus folgt, dass allein die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat.
Der Kläger übersandte mit Schreiben vom 10. September 2006 das Angebot der Firma JL über ein Angebot zur Vorbereitung des B 2007 mit einer Vergütung von 1.500 Euro. Zusammen mit dem von der Beklagten bereits berücksichtigten Einkommen von 3.130,41 Euro wurde mit diesem Betrag bei einer daraus resultierenden Gesamtsumme von 4.630,41 Euro die Grenze der Versicherungsfreiheit von 3.900 Euro überschritten. Das genannte Vertragsangebot ist Ursache gewesen, dass die Beklagte den Bescheid vom 02. März 2007 erteilte, mit dem sie Versicherungspflicht über den 31. Mai 2006 hinaus feststellte. Dies geht aus dem vom Senat beigezogenen Teil der Verwaltungsakte hervor, die das Verfahren nach "§ 44 SGB X" betrifft. Damit stand bereits während des Widerspruchsverfahrens fest, dass der Kläger die Grenze zur Versicherungsfreiheit voraussichtlich im Jahre 2006 überschreiten wird. Für die vorausschauende Betrachtung genügt es, wenn ein angenommenes Vertragsangebot vorgelegt wird, aus dem sich der Zufluss von Einkommen ergibt. Eine entsprechende Rechnungsstellung des Versicherten oder gar ein Nachweis über den Zufluss dieses Einkommens kann bei einer vorausschauenden Betrachtung für eine in Aussicht genommene Tätigkeit notwendigerweise nicht gefordert werden. Dem Kläger war es demgemäß während des Widerspruchsverfahrens (noch) nicht möglich, die gegenüber der Firma J L ausgestellte Rechnung vom 06. November 2006 und den Kontoauszug vom 17. November 2006 über den Eingang des Betrages von 1.500 Euro am 07. November 2006 vorzulegen. Die von der Beklagten unter dem 15. November 2006 veranlassten weiteren Ermittlungen, die Aufforderung an den Kläger, kurz darzustellen, welche genaue Leistung (Tätigkeit) er mit der Firma abgerechnet habe (bei vorausschauender Betrachtungsweise also abrechnen werde), hätte sie, wenn ihr die Angaben im Angebot dieser Firma nicht ausgereicht hätten, bereits während des Widerspruchsverfahrens durchführen können. Nichts anderes gilt, wenn sie Zweifel daran gehabt haben sollte, ob noch im Jahre 2006 diese Leistung vom Kläger erbracht und die Vergütung zufließen wird. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Wird gegen diese Vorschrift verstoßen und kommt es anschließend zu einem Klageverfahren, so hat die Behörde insoweit Veranlassung zur Klage gegeben.
Dahinstehen kann, ob während eines anhängigen Klageverfahrens die Durchführung eines Verfahrens nach § 44 SGB X zulässig ist. Gleichfalls kann offen bleiben, ob ein während eines laufenden Klageverfahrens erteilter Bescheid, mit dem ganz oder teilweise dem klägerischen Begehren entsprochen wird, ein Bescheid nach "§ 44 SGB X" ist. Vorliegend ändert dies nichts daran, dass die Beklagte die Erteilung eines Widerspruchsbescheides hätte vermeiden können.
Das Verhalten des Klägers vor Erteilung des Bescheides vom 26. Mai 2006 berührt nicht die Frage nach der Veranlassung des Klageverfahrens, denn mit der Vorlage aller erforderlichen Unterlagen während des Widerspruchsverfahrens ist dieses für den weiteren Verlauf nicht mehr kausal im Sinne der wesentlichen Bedingung gewesen. Der Kläger mag dadurch Veranlassung für das Widerspruchsverfahren gegeben haben. Um die Kosten des Widerspruchsverfahrens geht es vorliegend jedoch nicht.
Da die Beklagte die Klage durch ihr Verhalten veranlasst hat, hat sie die erstinstanzlich angefallenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Die Kostenentscheidung zum Beschwerdeverfahren folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG und entspricht dem Ergebnis dieses Verfahrens.
Eine gesonderte Kostenentscheidung ist erforderlich. Die frühere allgemeine Auffassung, dass in Verfahren nach § 183 SGG in der Beschwerdeentscheidung ein Ausspruch über eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht zulässig sei (vgl. Rohwer-Kahlmann, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 176 Rdnr. 9, Stand 42. Lieferung-VIII-2004), kann seit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (RVG) nicht mehr aufrecht erhalten werden (so auch Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz Beschlüsse 06. August 2007 – L 3 B 307/06 AS und vom 13. November 2006 - L 6 B 221/06 SB; LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2007 – L 5 B 3/06 VG, jeweils zitiert nach juris). Sie wurde unter Hinweis auf § 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) damit begründet, dass alle Nebenverfahren wie auch Beschwerdeverfahren grundsätzlich mit der für das Betreiben des sozialgerichtlichen Verfahrens in einem Rechtszug entstandenen Gebühr abgegolten sind (vgl. Nachweise in Rohwer-Kahlmann, a. a. O.). Das RVG erfasst nunmehr jedoch auch insoweit Beschwerdeverfahren. Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 RVG erhält der bevollmächtigte Rechtsanwalt im sozialgerichtlichen Verfahren eine Vertragsrahmengebühr, wenn das Gerichtskostengesetz nicht anwendbar ist (vgl. dazu § 197 a SGG). Nach § 18 Nr. 5 RVG sind – u. a. – Beschwerdeverfahren "besondere Angelegenheiten", die im Verhältnis zur Hauptsache zusätzliche Gebühren für den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt selbst dann neben seinen Gebühren auslösen, wenn die Tätigkeit, die den Anlass zu der Beschwerde bildet, durch die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens abgegolten wird, z. B. wenn sich die Beschwerde gegen ein die Prozessleitung betreffenden Beschluss richtet (vgl. Gerold/Schmidt – Müller-Rabe, § 18 RVG Rdnr. 38). Nach Gebührenziffer 3501 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis) fällt für ein Beschwerdeverfahren in Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG eine eigene Gebühr (von 15,00 EUR bis 160,00 EUR) an.
Der auch unter der Geltung des RVG vertretenen Gegenmeinung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 12. Februar 2007 – L 4 B 246/06 R und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 06. Dezember 2006 – L 19 B 103/06 AS) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar regelt das RVG nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Prozessgegner die Erstattung von nach dem RVG angefallenen außergerichtlichen Kosten gefordert werden kann. Auch trifft es zu, dass eine eigenständige Kostenentscheidung regelmäßig nur in einem Verfahren ergehen kann, das von seinem Verfahrensgegenstand her vom Hauptsacheverfahren unabhängig ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 06. September 1993 – 6 RKa 25/91), und das Verfahren über die außergerichtlichen Kosten insoweit lediglich Annex zum Hauptsacheverfahren ist. Gleichwohl kommt auch in Nebenverfahren eine eigenständige Kostenentscheidung in Betracht, wenn die wegen dieses Nebenverfahrens angefallenen Kosten sonst nicht berücksichtigt werden können (so bereits zum früheren Recht: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage § 176 Rdnr 5; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, 31. ErgL. § 176 Rdnr 49 Bst aa und cc insbesondere für den Fall, dass die Kosten nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG berücksichtigt werden können). Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die einem Rechtsanwalt nach RVG zustehende Gebühr eines Beschwerdeverfahrens kann nicht als Teil der Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens verstanden werden. In analoger Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG ist daher eine gesonderte Kostenentscheidung geboten, da ansonsten diese Kosten (zu Lasten des unterlegenen Prozessgegners) keine Berücksichtigung finden könnten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten haben im Hauptsacheverfahren um den Fortbestand der Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) gestritten.
Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13. März 2006 erfolglos gebeten hatte, u. a. Unterlagen über die aktuelle Tätigkeitsausübung vorzulegen, und ihm mit weiterem Schreiben vom 08. Mai 2006 darauf hingewiesen hatte, die Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz zu beenden, falls die erbetenen Unterlagen nicht eingereicht würden, stellte sie mit Bescheid vom 26. Mai 2006 fest, dass die Versicherungspflicht nach § 1 KSVG am 31. Mai 2006 endet.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ab Juli 2006 wieder künstlerisch tätig zu sein. Er legte verschiedene Verträge, Kontoauszüge und Honorarquittungen vor. Daraus ermittelte die Beklagte Einnahmen für 2006 von 3.130,41 Euro. Sie ließ hierbei die dem Kläger unter dem 07. August 2006 angebotene Rolle des " " in der Showversion des C N ebenso unberücksichtigt wie das mit Schreiben vom 10.September 2006 der Beklagten vorgelegte Angebot der Firma J L über die Vorbereitung (Auswahl der Texte, Konzeption, Auswahl der Schauspieler) des B 2007 bei einer Vergütung von 1.500 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Nach § 1 KSVG würden selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausübten. Nach § 3 Abs. 1 KSVG sei jedoch versicherungsfrei, wer in einem Kalenderjahr ein voraussichtliches Arbeitseinkommen aus selbständiger künstlerischer bzw. publizistischer Tätigkeit erziele, das 3.900 Euro nicht übersteige. Für das Jahr 2006 lägen Nachweise über Einnahmen (lediglich) in Höhe von 3.130,41 Euro vor. Die voraussichtlich zu erwartenden Einkünfte aus der Tätigkeit als Schauspieler beim CN seien für die Beurteilung der Versicherungsvoraussetzungen nicht zu berücksichtigen, da es sich nicht um Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit handele.
Dagegen erhob der Kläger am 09. November 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage.
Außerdem teilte er der Beklagten am 08. November 2006 mit, das Thema "Nationalzirkus" zunächst nicht weiter verfolgen zu wollen. Er legte jedoch seine Rechnung vom 08. August 2006 an RK über 325 Euro für das Coaching für den Film "" sowie vom 06. November 2006 an die Firma J L über 1.500 Euro für Casting, Regiekonzeption und Textauswahl nebst Kontoauszügen vor.
Mit Änderungsbescheid vom 02. März 2007 stellte die Beklagte dem "Antrag nach § 44 SGB X" entsprechend Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ab 01. Juni 2006 fest.
Mit Schriftsatz vom 28. März 2007 erklärte der Kläger daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Er hat beantragt, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Beklagte habe Anlass zur Klage gegeben.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 02. März 2007 nach § 44 SGB X erteilt worden sei, so dass die Klage keinen Erfolg gehabt habe. Eine Kostenübernahme komme daher nicht in Betracht.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten habe: Der Gesichtspunkt des erreichten Prozessergebnisses spreche zwar deutlich für eine Kostenlast der Beklagten. Gleichwertig kostenmindernd sei jedoch das sehr mitwirkungsschwache Verhalten des Klägers im Vorfeld des Bescheides vom 26. Mai 2006 zu berücksichtigen.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 01. August 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22. August 2007 eingelegte Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Er verweist darauf, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass er sich sehr häufig beruflich bedingt auf Reisen befinde, und deswegen die vor Erteilung des Bescheides vom 26. Mai 2006 eingeräumten Fristen zu kurz gewesen seien. Im Übrigen habe er jedenfalls danach sämtliche geforderten Unterlagen vorgelegt, so dass die Erteilung eines Widerspruchsbescheides überflüssig gewesen sei. Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juli 2007 die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, einschließlich des Verwaltungsverfahrens nach "§ 44 SGB X" (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Beklagte die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten nicht in vollem Umfang zu tragen hat.
Nach § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders beendet wird.
Die zu treffende Kostenentscheidung hat nach sachgerechtem Ermessen des Gerichts zu ergehen. Nach Auffassung des Senats ist es sachgerecht, dass derjenige Beteiligte die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt, der das Entstehen dieser Kosten veranlasst hat. Dies entspricht in der Regel billigem Ermessen. Grundsätzlich hat der voraussichtlich unterliegende Beteiligte die Kosten zu tragen, denn die Inanspruchnahme des Gerichts hat sich in diesem Fall als nicht gerechtfertigt erwiesen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage während des gerichtlichen Verfahrens nicht eingetreten ist. Im Einzelfall kann ein anderes Ergebnis geboten sein, wenn vom Regelfall abweichende Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung der Klage vorliegen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 193 Rdnrn. 12 a bis 13 c).
Unter Zugrundelegung dieses Prinzips ist es gerechtfertigt, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang trägt. Sie hat dadurch Veranlassung zur Klage gegeben, dass sie die vom Kläger während des Widerspruchsverfahrens vorgelegten Unterlagen nicht umfassend würdigte.
Die nach § 1 KSVG versicherungspflichtigen selbständigen Künstler sind nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wenn in dem Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt wird, das 3.900 Euro nicht übersteigt.
Der Betrag von 3.900 Euro wurde jedoch im Kalenderjahr 2006 aus vorausschauender Sicht überschritten. Dies hätte die Beklagte bei umfassender Würdigung der vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen erkennen können. Die Erteilung eines Widerspruchsbescheides wäre damit überflüssig gewesen, denn dem Widerspruch hätte in vollem Umfang abgeholfen werden können. Ein nachfolgendes Klageverfahren wäre entbehrlich gewesen. Daraus folgt, dass allein die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat.
Der Kläger übersandte mit Schreiben vom 10. September 2006 das Angebot der Firma JL über ein Angebot zur Vorbereitung des B 2007 mit einer Vergütung von 1.500 Euro. Zusammen mit dem von der Beklagten bereits berücksichtigten Einkommen von 3.130,41 Euro wurde mit diesem Betrag bei einer daraus resultierenden Gesamtsumme von 4.630,41 Euro die Grenze der Versicherungsfreiheit von 3.900 Euro überschritten. Das genannte Vertragsangebot ist Ursache gewesen, dass die Beklagte den Bescheid vom 02. März 2007 erteilte, mit dem sie Versicherungspflicht über den 31. Mai 2006 hinaus feststellte. Dies geht aus dem vom Senat beigezogenen Teil der Verwaltungsakte hervor, die das Verfahren nach "§ 44 SGB X" betrifft. Damit stand bereits während des Widerspruchsverfahrens fest, dass der Kläger die Grenze zur Versicherungsfreiheit voraussichtlich im Jahre 2006 überschreiten wird. Für die vorausschauende Betrachtung genügt es, wenn ein angenommenes Vertragsangebot vorgelegt wird, aus dem sich der Zufluss von Einkommen ergibt. Eine entsprechende Rechnungsstellung des Versicherten oder gar ein Nachweis über den Zufluss dieses Einkommens kann bei einer vorausschauenden Betrachtung für eine in Aussicht genommene Tätigkeit notwendigerweise nicht gefordert werden. Dem Kläger war es demgemäß während des Widerspruchsverfahrens (noch) nicht möglich, die gegenüber der Firma J L ausgestellte Rechnung vom 06. November 2006 und den Kontoauszug vom 17. November 2006 über den Eingang des Betrages von 1.500 Euro am 07. November 2006 vorzulegen. Die von der Beklagten unter dem 15. November 2006 veranlassten weiteren Ermittlungen, die Aufforderung an den Kläger, kurz darzustellen, welche genaue Leistung (Tätigkeit) er mit der Firma abgerechnet habe (bei vorausschauender Betrachtungsweise also abrechnen werde), hätte sie, wenn ihr die Angaben im Angebot dieser Firma nicht ausgereicht hätten, bereits während des Widerspruchsverfahrens durchführen können. Nichts anderes gilt, wenn sie Zweifel daran gehabt haben sollte, ob noch im Jahre 2006 diese Leistung vom Kläger erbracht und die Vergütung zufließen wird. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Wird gegen diese Vorschrift verstoßen und kommt es anschließend zu einem Klageverfahren, so hat die Behörde insoweit Veranlassung zur Klage gegeben.
Dahinstehen kann, ob während eines anhängigen Klageverfahrens die Durchführung eines Verfahrens nach § 44 SGB X zulässig ist. Gleichfalls kann offen bleiben, ob ein während eines laufenden Klageverfahrens erteilter Bescheid, mit dem ganz oder teilweise dem klägerischen Begehren entsprochen wird, ein Bescheid nach "§ 44 SGB X" ist. Vorliegend ändert dies nichts daran, dass die Beklagte die Erteilung eines Widerspruchsbescheides hätte vermeiden können.
Das Verhalten des Klägers vor Erteilung des Bescheides vom 26. Mai 2006 berührt nicht die Frage nach der Veranlassung des Klageverfahrens, denn mit der Vorlage aller erforderlichen Unterlagen während des Widerspruchsverfahrens ist dieses für den weiteren Verlauf nicht mehr kausal im Sinne der wesentlichen Bedingung gewesen. Der Kläger mag dadurch Veranlassung für das Widerspruchsverfahren gegeben haben. Um die Kosten des Widerspruchsverfahrens geht es vorliegend jedoch nicht.
Da die Beklagte die Klage durch ihr Verhalten veranlasst hat, hat sie die erstinstanzlich angefallenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Die Kostenentscheidung zum Beschwerdeverfahren folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG und entspricht dem Ergebnis dieses Verfahrens.
Eine gesonderte Kostenentscheidung ist erforderlich. Die frühere allgemeine Auffassung, dass in Verfahren nach § 183 SGG in der Beschwerdeentscheidung ein Ausspruch über eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht zulässig sei (vgl. Rohwer-Kahlmann, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 176 Rdnr. 9, Stand 42. Lieferung-VIII-2004), kann seit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (RVG) nicht mehr aufrecht erhalten werden (so auch Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz Beschlüsse 06. August 2007 – L 3 B 307/06 AS und vom 13. November 2006 - L 6 B 221/06 SB; LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2007 – L 5 B 3/06 VG, jeweils zitiert nach juris). Sie wurde unter Hinweis auf § 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) damit begründet, dass alle Nebenverfahren wie auch Beschwerdeverfahren grundsätzlich mit der für das Betreiben des sozialgerichtlichen Verfahrens in einem Rechtszug entstandenen Gebühr abgegolten sind (vgl. Nachweise in Rohwer-Kahlmann, a. a. O.). Das RVG erfasst nunmehr jedoch auch insoweit Beschwerdeverfahren. Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 RVG erhält der bevollmächtigte Rechtsanwalt im sozialgerichtlichen Verfahren eine Vertragsrahmengebühr, wenn das Gerichtskostengesetz nicht anwendbar ist (vgl. dazu § 197 a SGG). Nach § 18 Nr. 5 RVG sind – u. a. – Beschwerdeverfahren "besondere Angelegenheiten", die im Verhältnis zur Hauptsache zusätzliche Gebühren für den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt selbst dann neben seinen Gebühren auslösen, wenn die Tätigkeit, die den Anlass zu der Beschwerde bildet, durch die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens abgegolten wird, z. B. wenn sich die Beschwerde gegen ein die Prozessleitung betreffenden Beschluss richtet (vgl. Gerold/Schmidt – Müller-Rabe, § 18 RVG Rdnr. 38). Nach Gebührenziffer 3501 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis) fällt für ein Beschwerdeverfahren in Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG eine eigene Gebühr (von 15,00 EUR bis 160,00 EUR) an.
Der auch unter der Geltung des RVG vertretenen Gegenmeinung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 12. Februar 2007 – L 4 B 246/06 R und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 06. Dezember 2006 – L 19 B 103/06 AS) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar regelt das RVG nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Prozessgegner die Erstattung von nach dem RVG angefallenen außergerichtlichen Kosten gefordert werden kann. Auch trifft es zu, dass eine eigenständige Kostenentscheidung regelmäßig nur in einem Verfahren ergehen kann, das von seinem Verfahrensgegenstand her vom Hauptsacheverfahren unabhängig ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 06. September 1993 – 6 RKa 25/91), und das Verfahren über die außergerichtlichen Kosten insoweit lediglich Annex zum Hauptsacheverfahren ist. Gleichwohl kommt auch in Nebenverfahren eine eigenständige Kostenentscheidung in Betracht, wenn die wegen dieses Nebenverfahrens angefallenen Kosten sonst nicht berücksichtigt werden können (so bereits zum früheren Recht: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage § 176 Rdnr 5; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, 31. ErgL. § 176 Rdnr 49 Bst aa und cc insbesondere für den Fall, dass die Kosten nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG berücksichtigt werden können). Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die einem Rechtsanwalt nach RVG zustehende Gebühr eines Beschwerdeverfahrens kann nicht als Teil der Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens verstanden werden. In analoger Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG ist daher eine gesonderte Kostenentscheidung geboten, da ansonsten diese Kosten (zu Lasten des unterlegenen Prozessgegners) keine Berücksichtigung finden könnten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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