Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 346/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1434/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des 1983 geborenen, unverheirateten und vermögenslosen Antragstellers, der mit Wirkung ab dem 01. August 2006 über seine 1964 geborene Mutter bei der Bahn -BKK familienversichert ist ( § 10 Abs. 2 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) und zusammen mit ihr und ihrem 1960 geborenen Ehemann, dem Stiefvater des Antragstellers, eine 60 m² große Wohnung im Obergeschoss einer Doppelhaushälfte mit einer Gesamtwohnfläche von 120 m² bewohnt, ist nicht begründet.
Der Antragsteller verfolgt seinen erstinstanzlich gestellten Antrag weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihm ab dem 01. Dezember 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu zahlen. Zuvor hat die Antragsgegnerin wegen fehlender Hilfebedürftigkeit den Antrag vom 12. Dezember 2006 mit noch nicht bestandskräftigem Bescheid vom 10. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2007 abgelehnt, mit dem die Mutter des Antragstellers – sinngemäß zugleich für ihren Ehemann und den Antragsteller – die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II beantragt hatte.
Nicht mehr Gegenstand der Beschwerde ist der einstweilige Rechtsschutzantrag der Mutter des Antragstellers, da sie diesen zurückgenommen hat.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es hiernach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.
Soweit der Antragsteller die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits abgelaufene Zeiträume begehrt, steht ihm schon deshalb kein Anordnungsgrund zur Seite, da derartige Ansprüche nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nur in einem Hauptsacheverfahren zu klären sind. Denn Aufgabe einstweiligen Rechtsschutzes der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtigen drohenden Nachteils erforderlich ist. Ein solcher Nachholbedarf ist jedoch weder vom Antragsteller geltend gemacht worden, geschweige denn, dass ein solcher Nachholbedarf glaubhaft gemacht wäre.
Für die Zeiträume ab der Entscheidung des Senats (20. Dezember 2007) scheitert der Erlass der begehrten Regelungsanordnung daran, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 7 SGB II zu gehören.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Die in den Nrn. 1, 2 und 4 genannten Voraussetzungen sind erfüllt; auch wenn dem Antragsteller mit Wirkung ab dem 14. Dezember 2006 ein Grad der Behinderung von 50 wegen eines Residualzustandes einer psychischen Krankheit zuerkannt worden ist (Bescheid vom 05. März 2007, Bl. 156 ff der Verwaltungsakte (VA) ) und somit zweifelhaft sein könnte, ob er in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II), ist von seiner Erwerbsfähigkeit gemäß § 44a Abs. 1 Satz 3 in der ab dem 01. August 2006 wirksamen Fassung des Gesetzes vom 02. Dezember 2006 (BGBl I 2742) auszugehen, da danach die Antragsgegnerin bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit Leistungen zu erbringen hat (so schon das Bundessozialgericht (BSG) zu der Fassung, die die Norm durch das kommunale Optionsgesetz erhalten hatte: vgl. Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R, juris RdNr 19 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 RdNr 19).
Vorliegend ist jedoch die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers im o.g. Sinne nicht glaubhaft. Hilfebedürftigkeit ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen (u.a. Angehörigen) erhält. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der mit Wirkung vom 01. August 2006 geltenden Fassung des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) nicht nur das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils, sondern auch dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II (sogar) jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.
Welche individuellen Einzelleistungsansprüche (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 09. Mai 2006 – L 10 AS 1093/05, juris, und jetzt auch ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris RdNr 12 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr 12) der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft begründet sind, ist dementsprechend bei bestehender Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln, in dem der Summe des Hilfebedarfs der die Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen das ("bereinigte", einzusetzende) Einkommen und Vermögen gegenübergestellt wird und das ggf. verbleibende Defizit (der von der Antragsgegnerin zu deckende Bedarf) den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anteilig zugeordnet wird. Insoweit ist es bei entsprechender Antragstellung auch möglich, dass einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft realisierbare Ansprüche zustehen, wenn sein Einkommen und Vermögen nicht den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft sichert (so genannte fiktive Hilfebedürftigkeit; vgl. BSG Urteile vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris RdNr. 13 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr 13 und - B 7b AS 10/06 R, juris RdNrn 17 und 31= SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 RdNrn 17 und 31).
Der Antragsteller, seine Mutter und sein Stiefvater bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist es im Ergebnis nicht von Belang, ob die Bedarfsgemeinschaft ausgehend von der Mutter des Antragstellers gebildet wird (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 iVm Abs. 3 Nr. 3a iVm Abs. 3 Nr. 4 SGB II, letzterer in der ab dem 01. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006, BGBl I 558) oder ob der Antragsteller als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) angesehen wird und seine Mutter sowie sein Stiefvater nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der ab dem 01. Juli wirksamen Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006 (aaO) als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfasst werden, denn in jedem Fall sind einerseits der Bedarf und andererseits das Einkommen und Vermögen sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft maßgebend dafür, ob und ggf. in welcher Höhe Leistungsansprüche bestehen.
Der Bedarf des Antragstellers beträgt seit dem Tag der Entscheidung des Senats (20. Dezember 2007) nach den vorliegenden Unterlagen 306,86 EUR monatlich. Dieser setzt sich zum einen zusammen aus 278,00 EUR monatlich (abgesenkte Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 01. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006 (aaO) iVm § 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014)), da er einer Bedarfsgemeinschaft angehört und somit insbesondere keine Person ist, "die alleinstehend" iSd § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 6/06 R, juris RdNr 18 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 2 RdNr 18). Tatsächliche Anhaltspunkte für einen Bedarf an Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt (§ 21 SGB II) sind weder vorgetragen noch erkennbar; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II in der seit dem 01. August 2006 geltenden Fassung des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006 (aaO) zustehen könnte. Denn danach erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige nur dann einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden oder doch zumindest einmal erbracht worden sind. Dafür dass eine der beiden Alternativen hier gegeben ist, bestehen keine Anhaltspunkte. Zum anderen werden an KdU für den Antragsteller 28,86 EUR monatlich unterstellt. Dabei sind die bisher glaubhaft gemachten Aufwendungen in vollem Umfang berücksichtigt und diese durch fünf Personen ("Köpfe") geteilt worden (zur so genannten Aufteilung nach " Kopfzahlen": BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R, juris RdNr 28 f = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 RdNr 28 f). Denn die Doppelhaushälfte wird von fünf Personen genutzt, nämlich neben dem Antragsteller, seiner Mutter und deren Ehemann auch noch die im Untergeschoss lebenden Eltern des Ehemanns der Mutter. Die geltend gemachten Gesamtaufwendungen von 144,33 EUR monatlich (108,00 EUR Heizkosten einschließlich Warmwasser und 36,33 EUR Betriebkosten) wurden somit durch fünf Personen geteilt (§ 144,33 EUR: 5 = 28,86 EUR). Die Warmwasserpauschale von 18,00 EUR wurde dabei zu Gunsten des Antragstellers nicht abgezogen (vgl. hierzu Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. März 2007 – L 3 AS 101/06, juris, Revisionsverfahren anhängig beim BSG unter B 14/11b AS 15/07 R).
Der Antragsteller verfügt lediglich über Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Ursprungsfassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954)) von ca. 70,00 EUR monatlich (270,00 Zùoty monatlich), die ihm sein in P lebender Vater als Unterhalt leistet.
Der Bedarf der erwerbsfähigen und –tätigen Mutter des Antragstellers und seines ebenso erwerbsfähigen und -tätigen Stiefvaters beträgt jeweils 340,86 EUR monatlich. Dieser setzt sich jeweils zusammen aus der Regelleistung von 312,00 EUR (§ 20 Abs. 3 SGB II in der ab dem 01. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006 (aaO)) sowie den anteiligen KdU von 28,86 EUR, die in gleicher Weise berechnet werden wie zuvor beim Antragsteller.
Der (hinsichtlich der KdU teilweise zu Gunsten unterstellte) "gesamte Bedarf" (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) der Bedarfsgemeinschaft beträgt somit 988,58 EUR monatlich (306,86 EUR + 340,86 EUR + 340,86 EUR). Dieser Gesamtbedarf kann ohne Weiteres durch das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft "gedeckt" werden, ohne dass erörtert werden müsste, ob und ggf. in welcher Höhe der Stiefvater des Antragstellers über zu berücksichtigendes Vermögen verfügt. Denn angesichts des dem Antragsteller von seinem in P lebenden Vater gewährten Unterhalt von ca. 70,00 EUR monatlich (270,00 Zùoty monatlich) und eines Arbeitsentgelts seiner Mutter von 1.171,71 EUR brutto monatlich (879,39 EUR netto) sowie eines Arbeitsentgelts seines Stiefvaters von 3.294,96 EUR brutto monatlich (1.895,88 EUR netto) ist schon bei überschlägiger Berechnung klar, dass das nach Abzug sämtlicher Freibeträge gemäß § 11 Abs. 2 SGB II zu berechnende "bereinigte" Gesamteinkommen den Gesamtbedarf übersteigt.
Wie dargelegt, beruht die fehlende Hilfebedürftigkeit des Antragstellers darauf, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der Neufassung für die vorliegende "Stiefkind-Konstellation" eine Einsatzgemeinschaft begründet. Dies ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch (vgl. nur Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 08. Januar 2007 – S 103 AS 10896/06 ER, juris = SoSi Plus 2007, 8 und Wenner, Soziale Sicherheit 2006, 146, 152). Abgesehen davon, dass der Senat nicht dazu neigt, sich allein aufgrund der Einstweiligkeit des Verfahrens berechtigt zu sehen, entgegen Art 100 Grundgesetz (GG) die Verfassungswidrigkeit einer Norm selbst festzustellen und diese nicht nur zu verwerfen, sondern anderweitig zu ersetzen, besteht im Falle des Antragstellers kein Anlass, eine verfassungswidrige Lage anzunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass auch für den Fall, dass eine Einsatzgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater nicht angenommen (die Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II somit "hinweg gedacht") würde, es auch dann an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers in Anwendung des verbleibenden Normzusammenhangs fehlen würde, bzgl. dessen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken für den Senat nicht ersichtlich sind.
Der Antragsteller wäre dann als Mitglied einer Einsatzgemeinschaft bestehend aus seiner Person und seiner Mutter anzusehen, deren jeweiligem Bedarf ein Einkommen des Antragstellers von ca. 70,00 EUR und seiner Mutter von 1171,71 EUR brutto gegenübersteht. Das um die Abzüge nach § 11 Abs. 2 SGB II bereinigte Einkommen des Antragstellers - insoweit kommt nur die Versicherungspauschale von 30,00 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 20. Oktober 2004 (BGBl I 2622) idF der 1. Änderungsverordnung vom 22. August 2005 (BGBl I 2499) in Betracht – beträgt ca. 40,00 EUR, während das bereinigte Einkommen der Mutter (ausgehend von den Werten, die im Jahre 2007 mitgeteilt worden sind, vgl. Bl. 55 VA) sich auf 591,32 EUR beläuft, so dass ein ungedeckter Bedarf von jeweils ca. 8,00 EUR (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) verbliebe. Dieser Bedarf (beider) wäre nach § 9 Abs. 5 SGB II durch das Einkommen des Stiefvaters (der mit dem Antragsteller nach § 1590 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verschwägert ist) als gedeckt anzusehen.
Diese Norm bestimmt: Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaften mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Das Tatbestandsmerkmal "soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann" zielt auf die Leistungsfähigkeit der verwandten oder verschwägerten Personen ab, die mit dem Hilfebedürftigen in Haushaltsgemeinschaften leben. Durch die Alg II-V vom 20. Oktober 2004 (BGBl I 2622) idF der 1. Änderungsverordnung vom 22. August 2005 (BGBl I 2499) wurde in § 1 Abs. 2 konkretisiert, dass Leistungen von Verwandten und Verschwägerten in der Haushaltsgemeinschaft nur dann erwartet werden können, wenn diesen Angehörigen ein deutlich über den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts liegendes Lebensunterhaltsniveau verbleibt.
Auszugehen ist dabei zunächst vom bereinigten Einkommen des Stiefvaters von 1279,15 EUR (Blatt 59 VA) abzüglich eines ersten Freibetrages von 722,86 EUR (doppelte Regelleistung zuzüglich des auf ihn entfallenden Kopfteils der KdU 28,86 EUR). Von dem verbleibenden Einkommen von 556,29 EUR ist die Hälfte als nach der Vermutungsregelung einzusetzendes Einkommen anrechenbar. Dieser Betrag (278,14 EUR) übersteigt den Bedarf von Mutter und Antragsteller erheblich. Auch unter Berücksichtigung des vom SG im Einzelnen dargelegten zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs der Mutter gegen Stiefvater verbleibt jedenfalls ein einsetzbares Einkommen, das den Bedarf des Antragstellers von ca 8,00 EUR übersteigt. Anhaltspunkte dafür, dass der Stiefvater nicht zumindest in diesem Umfang zum Unterhalt des Antragstellers beiträgt, sind nicht glaubhaft gemacht. Dies erscheint dem Senat angesichts der familiären Nähesituation im Gegenteil lebensfremd.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des 1983 geborenen, unverheirateten und vermögenslosen Antragstellers, der mit Wirkung ab dem 01. August 2006 über seine 1964 geborene Mutter bei der Bahn -BKK familienversichert ist ( § 10 Abs. 2 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) und zusammen mit ihr und ihrem 1960 geborenen Ehemann, dem Stiefvater des Antragstellers, eine 60 m² große Wohnung im Obergeschoss einer Doppelhaushälfte mit einer Gesamtwohnfläche von 120 m² bewohnt, ist nicht begründet.
Der Antragsteller verfolgt seinen erstinstanzlich gestellten Antrag weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihm ab dem 01. Dezember 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu zahlen. Zuvor hat die Antragsgegnerin wegen fehlender Hilfebedürftigkeit den Antrag vom 12. Dezember 2006 mit noch nicht bestandskräftigem Bescheid vom 10. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2007 abgelehnt, mit dem die Mutter des Antragstellers – sinngemäß zugleich für ihren Ehemann und den Antragsteller – die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II beantragt hatte.
Nicht mehr Gegenstand der Beschwerde ist der einstweilige Rechtsschutzantrag der Mutter des Antragstellers, da sie diesen zurückgenommen hat.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es hiernach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.
Soweit der Antragsteller die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits abgelaufene Zeiträume begehrt, steht ihm schon deshalb kein Anordnungsgrund zur Seite, da derartige Ansprüche nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nur in einem Hauptsacheverfahren zu klären sind. Denn Aufgabe einstweiligen Rechtsschutzes der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtigen drohenden Nachteils erforderlich ist. Ein solcher Nachholbedarf ist jedoch weder vom Antragsteller geltend gemacht worden, geschweige denn, dass ein solcher Nachholbedarf glaubhaft gemacht wäre.
Für die Zeiträume ab der Entscheidung des Senats (20. Dezember 2007) scheitert der Erlass der begehrten Regelungsanordnung daran, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 7 SGB II zu gehören.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Die in den Nrn. 1, 2 und 4 genannten Voraussetzungen sind erfüllt; auch wenn dem Antragsteller mit Wirkung ab dem 14. Dezember 2006 ein Grad der Behinderung von 50 wegen eines Residualzustandes einer psychischen Krankheit zuerkannt worden ist (Bescheid vom 05. März 2007, Bl. 156 ff der Verwaltungsakte (VA) ) und somit zweifelhaft sein könnte, ob er in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II), ist von seiner Erwerbsfähigkeit gemäß § 44a Abs. 1 Satz 3 in der ab dem 01. August 2006 wirksamen Fassung des Gesetzes vom 02. Dezember 2006 (BGBl I 2742) auszugehen, da danach die Antragsgegnerin bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit Leistungen zu erbringen hat (so schon das Bundessozialgericht (BSG) zu der Fassung, die die Norm durch das kommunale Optionsgesetz erhalten hatte: vgl. Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R, juris RdNr 19 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 RdNr 19).
Vorliegend ist jedoch die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers im o.g. Sinne nicht glaubhaft. Hilfebedürftigkeit ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen (u.a. Angehörigen) erhält. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der mit Wirkung vom 01. August 2006 geltenden Fassung des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) nicht nur das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils, sondern auch dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II (sogar) jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.
Welche individuellen Einzelleistungsansprüche (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 09. Mai 2006 – L 10 AS 1093/05, juris, und jetzt auch ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris RdNr 12 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr 12) der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft begründet sind, ist dementsprechend bei bestehender Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln, in dem der Summe des Hilfebedarfs der die Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen das ("bereinigte", einzusetzende) Einkommen und Vermögen gegenübergestellt wird und das ggf. verbleibende Defizit (der von der Antragsgegnerin zu deckende Bedarf) den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anteilig zugeordnet wird. Insoweit ist es bei entsprechender Antragstellung auch möglich, dass einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft realisierbare Ansprüche zustehen, wenn sein Einkommen und Vermögen nicht den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft sichert (so genannte fiktive Hilfebedürftigkeit; vgl. BSG Urteile vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris RdNr. 13 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr 13 und - B 7b AS 10/06 R, juris RdNrn 17 und 31= SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 RdNrn 17 und 31).
Der Antragsteller, seine Mutter und sein Stiefvater bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist es im Ergebnis nicht von Belang, ob die Bedarfsgemeinschaft ausgehend von der Mutter des Antragstellers gebildet wird (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 iVm Abs. 3 Nr. 3a iVm Abs. 3 Nr. 4 SGB II, letzterer in der ab dem 01. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006, BGBl I 558) oder ob der Antragsteller als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) angesehen wird und seine Mutter sowie sein Stiefvater nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der ab dem 01. Juli wirksamen Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006 (aaO) als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfasst werden, denn in jedem Fall sind einerseits der Bedarf und andererseits das Einkommen und Vermögen sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft maßgebend dafür, ob und ggf. in welcher Höhe Leistungsansprüche bestehen.
Der Bedarf des Antragstellers beträgt seit dem Tag der Entscheidung des Senats (20. Dezember 2007) nach den vorliegenden Unterlagen 306,86 EUR monatlich. Dieser setzt sich zum einen zusammen aus 278,00 EUR monatlich (abgesenkte Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 01. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006 (aaO) iVm § 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014)), da er einer Bedarfsgemeinschaft angehört und somit insbesondere keine Person ist, "die alleinstehend" iSd § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 6/06 R, juris RdNr 18 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 2 RdNr 18). Tatsächliche Anhaltspunkte für einen Bedarf an Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt (§ 21 SGB II) sind weder vorgetragen noch erkennbar; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II in der seit dem 01. August 2006 geltenden Fassung des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006 (aaO) zustehen könnte. Denn danach erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige nur dann einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden oder doch zumindest einmal erbracht worden sind. Dafür dass eine der beiden Alternativen hier gegeben ist, bestehen keine Anhaltspunkte. Zum anderen werden an KdU für den Antragsteller 28,86 EUR monatlich unterstellt. Dabei sind die bisher glaubhaft gemachten Aufwendungen in vollem Umfang berücksichtigt und diese durch fünf Personen ("Köpfe") geteilt worden (zur so genannten Aufteilung nach " Kopfzahlen": BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R, juris RdNr 28 f = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 RdNr 28 f). Denn die Doppelhaushälfte wird von fünf Personen genutzt, nämlich neben dem Antragsteller, seiner Mutter und deren Ehemann auch noch die im Untergeschoss lebenden Eltern des Ehemanns der Mutter. Die geltend gemachten Gesamtaufwendungen von 144,33 EUR monatlich (108,00 EUR Heizkosten einschließlich Warmwasser und 36,33 EUR Betriebkosten) wurden somit durch fünf Personen geteilt (§ 144,33 EUR: 5 = 28,86 EUR). Die Warmwasserpauschale von 18,00 EUR wurde dabei zu Gunsten des Antragstellers nicht abgezogen (vgl. hierzu Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. März 2007 – L 3 AS 101/06, juris, Revisionsverfahren anhängig beim BSG unter B 14/11b AS 15/07 R).
Der Antragsteller verfügt lediglich über Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Ursprungsfassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954)) von ca. 70,00 EUR monatlich (270,00 Zùoty monatlich), die ihm sein in P lebender Vater als Unterhalt leistet.
Der Bedarf der erwerbsfähigen und –tätigen Mutter des Antragstellers und seines ebenso erwerbsfähigen und -tätigen Stiefvaters beträgt jeweils 340,86 EUR monatlich. Dieser setzt sich jeweils zusammen aus der Regelleistung von 312,00 EUR (§ 20 Abs. 3 SGB II in der ab dem 01. Juli 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2006 (aaO)) sowie den anteiligen KdU von 28,86 EUR, die in gleicher Weise berechnet werden wie zuvor beim Antragsteller.
Der (hinsichtlich der KdU teilweise zu Gunsten unterstellte) "gesamte Bedarf" (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) der Bedarfsgemeinschaft beträgt somit 988,58 EUR monatlich (306,86 EUR + 340,86 EUR + 340,86 EUR). Dieser Gesamtbedarf kann ohne Weiteres durch das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft "gedeckt" werden, ohne dass erörtert werden müsste, ob und ggf. in welcher Höhe der Stiefvater des Antragstellers über zu berücksichtigendes Vermögen verfügt. Denn angesichts des dem Antragsteller von seinem in P lebenden Vater gewährten Unterhalt von ca. 70,00 EUR monatlich (270,00 Zùoty monatlich) und eines Arbeitsentgelts seiner Mutter von 1.171,71 EUR brutto monatlich (879,39 EUR netto) sowie eines Arbeitsentgelts seines Stiefvaters von 3.294,96 EUR brutto monatlich (1.895,88 EUR netto) ist schon bei überschlägiger Berechnung klar, dass das nach Abzug sämtlicher Freibeträge gemäß § 11 Abs. 2 SGB II zu berechnende "bereinigte" Gesamteinkommen den Gesamtbedarf übersteigt.
Wie dargelegt, beruht die fehlende Hilfebedürftigkeit des Antragstellers darauf, dass § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der Neufassung für die vorliegende "Stiefkind-Konstellation" eine Einsatzgemeinschaft begründet. Dies ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisch (vgl. nur Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 08. Januar 2007 – S 103 AS 10896/06 ER, juris = SoSi Plus 2007, 8 und Wenner, Soziale Sicherheit 2006, 146, 152). Abgesehen davon, dass der Senat nicht dazu neigt, sich allein aufgrund der Einstweiligkeit des Verfahrens berechtigt zu sehen, entgegen Art 100 Grundgesetz (GG) die Verfassungswidrigkeit einer Norm selbst festzustellen und diese nicht nur zu verwerfen, sondern anderweitig zu ersetzen, besteht im Falle des Antragstellers kein Anlass, eine verfassungswidrige Lage anzunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass auch für den Fall, dass eine Einsatzgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Stiefvater nicht angenommen (die Neufassung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II somit "hinweg gedacht") würde, es auch dann an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers in Anwendung des verbleibenden Normzusammenhangs fehlen würde, bzgl. dessen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken für den Senat nicht ersichtlich sind.
Der Antragsteller wäre dann als Mitglied einer Einsatzgemeinschaft bestehend aus seiner Person und seiner Mutter anzusehen, deren jeweiligem Bedarf ein Einkommen des Antragstellers von ca. 70,00 EUR und seiner Mutter von 1171,71 EUR brutto gegenübersteht. Das um die Abzüge nach § 11 Abs. 2 SGB II bereinigte Einkommen des Antragstellers - insoweit kommt nur die Versicherungspauschale von 30,00 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 20. Oktober 2004 (BGBl I 2622) idF der 1. Änderungsverordnung vom 22. August 2005 (BGBl I 2499) in Betracht – beträgt ca. 40,00 EUR, während das bereinigte Einkommen der Mutter (ausgehend von den Werten, die im Jahre 2007 mitgeteilt worden sind, vgl. Bl. 55 VA) sich auf 591,32 EUR beläuft, so dass ein ungedeckter Bedarf von jeweils ca. 8,00 EUR (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) verbliebe. Dieser Bedarf (beider) wäre nach § 9 Abs. 5 SGB II durch das Einkommen des Stiefvaters (der mit dem Antragsteller nach § 1590 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verschwägert ist) als gedeckt anzusehen.
Diese Norm bestimmt: Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaften mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Das Tatbestandsmerkmal "soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann" zielt auf die Leistungsfähigkeit der verwandten oder verschwägerten Personen ab, die mit dem Hilfebedürftigen in Haushaltsgemeinschaften leben. Durch die Alg II-V vom 20. Oktober 2004 (BGBl I 2622) idF der 1. Änderungsverordnung vom 22. August 2005 (BGBl I 2499) wurde in § 1 Abs. 2 konkretisiert, dass Leistungen von Verwandten und Verschwägerten in der Haushaltsgemeinschaft nur dann erwartet werden können, wenn diesen Angehörigen ein deutlich über den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts liegendes Lebensunterhaltsniveau verbleibt.
Auszugehen ist dabei zunächst vom bereinigten Einkommen des Stiefvaters von 1279,15 EUR (Blatt 59 VA) abzüglich eines ersten Freibetrages von 722,86 EUR (doppelte Regelleistung zuzüglich des auf ihn entfallenden Kopfteils der KdU 28,86 EUR). Von dem verbleibenden Einkommen von 556,29 EUR ist die Hälfte als nach der Vermutungsregelung einzusetzendes Einkommen anrechenbar. Dieser Betrag (278,14 EUR) übersteigt den Bedarf von Mutter und Antragsteller erheblich. Auch unter Berücksichtigung des vom SG im Einzelnen dargelegten zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs der Mutter gegen Stiefvater verbleibt jedenfalls ein einsetzbares Einkommen, das den Bedarf des Antragstellers von ca 8,00 EUR übersteigt. Anhaltspunkte dafür, dass der Stiefvater nicht zumindest in diesem Umfang zum Unterhalt des Antragstellers beiträgt, sind nicht glaubhaft gemacht. Dies erscheint dem Senat angesichts der familiären Nähesituation im Gegenteil lebensfremd.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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