L 7 KA 251/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 82/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 251/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Januar 2001 (Tagebuchnummer 25546/00) aufgehoben. Die Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten für den gesamten Rechtsstreit zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höheren Honorars für die Quartale III/98 bis II/99.

Die Kläger – eine Ärztin und ein Arzt für Innere Medizin und ein Arzt für Allgemeinmedizin, die jedenfalls seinerzeit Mitglieder im Ae. V. waren – nahmen in den hier streitbefangenen Quartalen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten als Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie betreuten in erheblichem Umfang HIV-infizierte und AIDS-kranke Patienten und verfügten über die Berechtigung, den sog. AIDS-Zuschlag nach der Pseudonummer 9053 abzurechnen.

Nachdem der Vorstand der Beklagten im Vorfeld der Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets zum 1. Juli 1997 Kriterien zur Erweiterung des Praxisbudgets nach Nr. 4. 3 der Allgemeinen Bestimmungen A. I. Teil B des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (A I B 4. 3 EBM) entwickelt hatte, teilte die Beklagte einer Vielzahl von Vertragsärzten, die diese Kriterien aus ihrer Sicht erfüllten, im August 1997 schriftlich mit, dass sie für die Behandlungsfälle, bei denen die Pseudonummer 9053 abgerechnet werde, nach A I B 4. 3 EBM ein verdoppeltes Praxisbudget erhielten. Zugleich wies die Beklagte in diesen Schreiben in einer Vielzahl von Fällen darauf hin, dass diese Schreiben nur eine Vorabinformation beinhalteten und die betroffenen Ärzte, sollten sie mit der Verdoppelung des Praxisbudgets für die beschriebenen Fälle nicht einverstanden sein, nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen für das Quartal III/97 Widerspruch einlegen könnten. Ob die Kläger ein vergleichbares Schreiben erhalten haben, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Zu ihren Gunsten legte die Beklagte jedoch den die Kläger betreffenden Honorarabrechnungen für die Quartale III/97 bis II/98 für die Behandlungsfälle, bei denen die Pseudonummer 9053 abgerechnet worden war, ein verdoppeltes Praxisbudget zugrunde.

Am 28. Mai 1998 beschloss die Vertreterversammlung der Beklagten, das Praxisbudget ab dem Quartal III/98 für die vorgenannten Fälle nicht mehr zu verdoppeln, sondern nur noch um 50 % zu erhöhen. Daraufhin wiesen die Prozessbevollmächtigten der Kläger als Bevollmächtigte des A e. V. sowie die Kläger selbst die Beklagte im Oktober bzw. November 1998 darauf hin, dass sich die von der Vertreterversammlung beschlossene Reduzierung des Praxisbudgets ihrer Auffassung nach erst dann in den Honorarbescheiden niederschlagen dürfe, wenn zuvor das als begünstigender Verwaltungsakt zu bewertende Schreiben der Beklagten vom August 2007 geändert worden sei. Beginnend mit dem Quartal III/98 setzte die Beklagte den Beschluss ihrer Vertreterversammlung in den die Kläger betreffenden Honorarbescheiden um. Nachdem zahlreiche Ärzte, die von der geänderten Praxis ebenfalls betroffen waren, gegen die ihnen erteilten Honorarbescheide ab dem Quartal III/98 Widerspruch eingelegt hatten, beschloss der Vorstand der Beklagten am 24. Mai 2000, allen zur Zeit vorliegenden Widersprüchen gegen die Honorarfestsetzungsbescheide betreffend die Quartale III/98 bis II/99 und allen zukünftigen Widersprüchen gegen die Honorarfestsetzungsbescheide ab dem Quartal III/99 bis zum In-Kraft-Treten des neuen EBM abzuhelfen, soweit sich die Widerspruchsführer gegen die Reduzierung der Praxisbudgetverdoppelung im Bereich der HIV/Aids-Behandlung wendeten und hierdurch in ihren Rechten verletzt würden.

Mit ihrem am 30. Juni 2000 per Telefax bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom selben Tage legten die Kläger wegen der geänderten Verfahrensweise bei der Berechnung des Praxisbudgets gegen die Honorarbescheide für die Quartale III/99 und IV/99 Widerspruch ein. Mit ihrem weiteren Schreiben vom 30. Juni 2000, das die Beklagte am 6. Juli 2000 erreichte, führten sie aus: Sie hätten erst jetzt erfahren, dass sie selbst wegen der Reduzierung der Praxisbudgetverdoppelung gegen jeden einzelnen Honorarbescheid ab dem Quartal III/98 hätten Widerspruch erheben müssen. Diesen Widerspruch legten sie nunmehr hinsichtlich aller sie betreffenden Honorarbescheide ab dem Quartal III/98 ein und beantragten zugleich, ihnen hinsichtlich der bereits bestandskräftig gewordenen Bescheide Wiedereinsetzung in die jeweils versäumte Widerspruchsfrist zu gewähren. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. Juli 2000, das am 7. Juli 2000 bei der Beklagten einging, beantragten die Kläger darüber hinaus, die bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide ab dem Quartal III/98 zurückzunehmen, soweit sich darin die geänderte Verfahrensweise niedergeschlagen habe, und das Honorar auf der Basis eines verdoppelten Praxisbudgets für die Behandlungsfälle, in denen sie die Pseudonummer 9053 abgerechnet hätten, neu festzusetzen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit ihrem an die Prozessbevollmächtigten der Kläger gerichteten Bescheid vom 15. November 2000 ab. Zur Begründung führte sie aus: Abgesehen davon, dass der begehrten Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide bereits entgegenstehe, dass diese rechtmäßig seien, habe sie über die Rücknahme eine Ermessensentscheidung zu treffen. Für diese Ermessensentscheidung sei ausschlaggebend, dass die Honorarbescheide nicht nachträglich korrigiert werden könnten, weil sie für die hiermit verbundene Nachvergütung keine Rückstellungen gebildet habe. Die Nachvergütung könne somit nur durch eine nachträgliche Umverteilung der bereits ausgezahlten Gesamtvergütung zu Lasten anderer Ärzte erfolgen. Da sich Letztere jedoch auf die Bestandskraft der ihnen erteilten Honorarbescheide berufen könnten, scheide eine nachträgliche Umverteilung aus. Am Ende des Bescheides wies die Beklagte darauf hin, dass sie – soweit gegen die Honorarfestsetzungsbescheide der Quartale ab III/98 Widerspruch erhoben worden sei und ein Widerspruchsbescheid noch nicht vorliege – hierüber gesondert entscheiden werde.

Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den Bescheid vom 15. November 2000 Widerspruch eingelegt und nach Erhalt einer Nichtabhilfeentscheidung vom 6. Dezember 2000 auf Anforderung der Beklagten am 8. Dezember 2000 eine Vollmacht der Kläger mit dem Betreff "Honorarfestsetzung ab III/98" nachgereicht hatten, teilte die Beklagte den Klägern selbst mit ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2000 unter dem Betreff

"Widerspruch gegen den Honorarfestsetzungsbescheid – ab Quartal III/1998 – - Erweiterung des Praxisbudgets nach A I. Teil B 4. 3 EBM 50%-Budget-Reduzierung – Abhilfe HIV-/Aids-Behandlung (GO-Nr. 9053)"

u. a. mit: Ihr Vorstand habe ihren Widerspruch vom 30. Juni 2000 gegen den o. g. Honorarfestsetzungsbescheid zur Kenntnis genommen. Diesem Widerspruch werde aufgrund einer am 24. Mai 2000 getroffenen Vorstandsentscheidung abgeholfen, soweit sich dieser gegen die Aufhebung der Verdoppelung des Praxisbudgets richte.

Den per Telefax eingelegten Widerspruch der Kläger vom 30. Juni 2000 gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/99 wies die Beklagte mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2001 (Tagebuchnummer 14161/00) als unzulässig zurück, weil der Widerspruch nicht fristgemäß erhoben worden sei und den Klägern keine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist gewährt werden könne. Hinsichtlich des zeitgleich eingelegten Widerspruchs gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/99 teilte sie den Klägern am 10. April 2001 mit: Wie ihnen bereits mit dem Schreiben vom 22. Dezember 2000 mitgeteilt worden sei, sei ihrem Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/99 abgeholfen worden. Der Honorarbescheid werde nunmehr entsprechend geändert und sie erhielten eine Nachvergütung in Höhe von 24.136,50 DM.

Den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 15. November 2000 wies die Beklagte mit ihrem an die Prozessbevollmächtigten der Kläger adressierten Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2001 (Tagebuchnummer 25546/00) im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

Die daraufhin erhobene Klage, mit der die Kläger vorrangig geltend gemacht hatten, dass die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 zu verpflichten sei, das ihnen zustehende Honorar für die Quartale III/98 bis II/99 auf der Grundlage ihres Antrags vom 7. Juli 2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu berechnen, hat das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 25. Juni 2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Tatbestand der hier allein in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage des § 44 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) sei nicht erfüllt. Denn die bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide für die Quartale III/98 bis II/99 seien rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Kläger sei es nämlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das Praxisbudget für die Behandlungsfälle, bei denen die Kläger die Pseudonummer 9053 abgerechnet hätten, nur um 50 % erhöht habe. Diese Erhöhung reiche aus, den auf die Behandlung HIV-infizierter und AIDS-kranker Patienten zurückzuführenden besonderen Versorgungsbedarf gemäß A I B 4. 3 EBM angemessen zu decken. Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten lasse sich ein anderes Ergebnis nicht herleiten, weil die Kläger spätestens seit der Veröffentlichung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 28. Mai 1998 gewusst hätten, dass das Praxisbudget für die beschriebenen Behandlungsfälle nicht mehr verdoppelt, sondern nur noch um 50 % erhöht werden würde. Auf das Schreiben vom August 1997 komme es nicht an, weil mit diesem Schreiben nur unverbindliche Vorabinformationen übermittelt worden seien. Dass der Vorstand der Beklagten im Mai 2000 beschlossen habe, den Widersprüchen derjenigen Ärzte abzuhelfen, die sich gegen die Umsetzung des Beschlusses der Vertreterversammlung vom Mai 1998 gewandt hätten, sei für die Entscheidung unerheblich. Auf die Frage, ob die Beklagte das ihr nach § 44 Abs. 2 SGB X eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausgeübt habe, komme es nach allem nicht an.

Gegen dieses ihnen am 20. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger vom 10. September 2003, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen weiter vertiefen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Januar 2001 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 zu verpflichten, die Honorarbescheide für III/98 bis II/99 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine erneute Honorarberechnung für diesen Zeitraum – unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts – durchzuführen, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 zu verpflichten, über den Antrag nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, dass sich ihr Schreiben vom 22. Dezember 2000 nach den Gesamtumständen des Falles ersichtlich nur auf das Quartal IV/99 beziehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil ist unzutreffend.

Wie das Sozialgericht mit Recht entschieden hat, ist die von den Klägern erhobene Klage zulässig. Entgegen der in dem angegriffenen Urteil zum Ausdruck kommenden Auffassung des Sozialgerichts ist richtige Klageart jedoch nicht die – die Anfechtungsklage umschließende – Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Effektiver Rechtsschutz ist im vorliegenden Fall vielmehr auf einfacherem Weg mit der isolierten Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG zu erreichen, die entgegen der Grundregel des § 95 SGG auch nicht gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 (Tagebuchnummer 25546/00), sondern in analoger Anwendung von § 79 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allein gegen den vorgenannten Widerspruchsbescheid zu richten ist. Denn Ziel der Klage ist es, für die Quartale III/98 bis II/99 ein Honorar zu erhalten, das sich der Höhe nach ergibt, legt man der Berechnung ein verdoppeltes Praxisbudget für die Behandlungsfälle zugrunde, bei denen die Pseudonummer 9053 abgerechnet worden ist. Dieses Ziel lässt sich nach den Besonderheiten des Falles durch eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 erreichen, weil die Kläger bereits vor Erlass dieses Bescheides so gestellt gewesen sind, wie sie jetzt gestellt werden wollen, und die Beklagte ihnen diese Rechtsstellung mit dem Widerspruchsbescheid wieder genommen hat.

Dass die Kläger die mit der Klage erstrebte Rechtsstellung bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides innegehabt haben, folgt in ihrem Fall aus dem Umstand, dass die Beklagte ihnen selbst unter der Überschrift "Widerspruch gegen den Honorarfestsetzungsbescheid – ab Quartal III/1998 – " mit ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2000 mitgeteilt hat, sie helfe dem Widerspruch der Kläger vom 30. Juni 2000 ab. Bei diesem Schreiben handelt es sich um einen als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X zu qualifizierenden Abhilfebescheid gemäß § 85 Abs. 1 SGG. Mit diesem Abhilfebescheid hat die Beklagte (jedenfalls) für die hier streitbefangenen Quartale III/98 bis II/99 entschieden, dass die Kläger unter Aufhebung der insoweit erlassenen Honorarbescheide ein Honorar zu beanspruchen haben, das sich auf der Grundlage eines verdoppelten Praxisbudgets für die Behandlungsfälle ergibt, für die sie die Pseudonummer 9053 abgerechnet haben. Dass die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung des Senats ausgeführt hat und ihr Schreiben vom 10. April 2001 belegt, zwar einen Abhilfebescheid erlassen, diesen aber nur auf das Quartal IV/99 beziehen wollte, ändert an dem vorstehenden Ergebnis nichts. Denn maßgeblich dafür, ob – was hier nicht streitig ist – ein Verwaltungsakt erlassen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, ist nicht, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist. Entscheidend ist vielmehr der objektive Sinngehalt ihrer Erklärung, das heißt wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste.

Vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet lässt sich das Schreiben vom 22. Dezember 2000 jedoch nicht anders verstehen als soeben dargelegt. Dies folgt bereits aus dem Betreff des Bescheides, in dem die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass sich der Bescheid auf den Widerspruch der Kläger gegen den Honorarfestsetzungsbescheid ab dem Quartal III/98 beziehe, den die Kläger mit ihrem am 6. Juli 2000 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 30. Juni 2000 auch tatsächlich eingelegt hatten. Hierbei ist entgegen der in der Sitzung des Senats dargelegten Auffassung der Beklagten unerheblich, dass in dem Betreff des Abhilfebescheides nur von einem Honorarfestsetzungsbescheid die Rede ist. Denn für den verständigen Bescheidempfänger ergibt sich aus dem konkretisierenden Hinweis "ab Quartal III/1998" sowie dem Umstand, dass die Kläger mit ihrem am 6. Juli 2000 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch mehrere Honorarfestsetzungsbescheide angefochten hatten, dass nicht nur ein einziger Honorarfestsetzungsbescheid gemeint sein konnte. Dass sich der Abhilfebescheid (jedenfalls) auf die hier streitbefangenen Quartale erstreckt, folgt zudem aus dem weiteren Text des Bescheides, in dem die Beklagte ausdrücklich auf den Widerspruch der Kläger vom 30. Juni 2000 Bezug genommen hat. Denn diese Bezugnahme macht aus der Sicht eines verständigen Bescheidempfängers nur dann Sinn, wenn man diesen Hinweis auf den am 6. Juli 2000 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch bezieht, der jedenfalls die hier streitbefangenen Quartale betrifft. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Kläger unter dem 30. Juni 2000 zwei Widerspruchsschreiben verfasst haben. Denn das Widerspruchsschreiben, das per Telefax bereits am 30. Juni 2000 bei der Beklagten eingegangen ist, betraf eindeutig nur die Quartale III/99 und IV/99, so dass die Beklagte bei Erhalt des zweiten Schreibens, mit dem die Kläger Widerspruch gegen alle Honorarbescheide ab dem Quartal III/98 eingelegt hatten, davon ausgehen musste, dass hiervon jedenfalls die vor dem Quartal III/99 liegenden Quartale III/98 bis II/99 erfasst werden sollten. Stellt die Beklagte vor diesem Hintergrund im Betreff ihres Abhilfebescheides vom 22. Dezember 2000 einen Bezug zu den Honorarbescheiden ab dem Quartal III/98 her, kann der verständige Bescheidempfänger den in den Text des Bescheides aufgenommenen Hinweis auf den Widerspruch vom 30. Juni 2000 nicht anders verstehen, als dass hiermit der sich jedenfalls auch auf die Quartale III/98 bis II/99 beziehende Widerspruch gemeint sein sollte. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die Kläger am Ende ihres zuvor erlassenen Bescheides vom 15. November 2000 darauf hingewiesen hatte, sie werde – soweit gegen die Honorarfestsetzungsbescheide der Quartale ab III/98 Widerspruch erhoben worden sei und ein Widerspruchsbescheid noch nicht vorliege – hierüber noch gesondert entscheiden. Der Schluss, dass diese Entscheidung nunmehr mit dem Abhilfebescheid getroffen worden ist, drängt sich für den objektiven Bescheidempfänger bei verständiger Würdigung der Umstände des Falles auf.

Dass die Beklagte am Ende des Abhilfebescheides mitgeteilt hat, sie benötige zur weiteren Bearbeitung des Widerspruchs noch eine Information darüber, auf welches Musterverfahren sich die Kläger in ihrem Widerspruch berufen hätten, führt im vorstehenden Zusammenhang zu keinem anderen Ergebnis. Denn diese Formulierung legt lediglich die Vermutung nahe, dass im Nachgang des Abhilfebescheides noch einige Abwicklungsfragen geklärt werden sollten. Sie lässt jedoch nicht erkennen, dass der Abhilfebescheid die mit dem Widerspruch erhobenen Rügen nicht für alle betroffenen Quartale umfassend erledigen sollte. Darüber hinaus kommt es für die Auslegung des Abhilfebescheides auch nicht darauf an, dass die Beklagte in diesem Bescheid eine Tagebuchnummer aufgeführt hat, die mit der auf dem Widerspruchsschreiben der Kläger vom 30. Juni 2000 vermerkten Tagebuchnummer nicht identisch ist, sondern ausweislich des Mitteilungsschreibens der Beklagten vom 10. April 2001 sowie der in den Verwaltungsvorgängen abgehefteten so genannten Vorgänge-Übersicht ausschließlich den Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/99 betrifft. Denn unabhängig davon, ob und in welcher Weise den Klägern die vergebenen Tagebuchnummern überhaupt bekannt gegeben worden sind, kommt der Tagebuchnummer jedenfalls dann keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn der Text des Bescheides aus der Sicht eines verständigen Bescheidempfängers keine Zweifel daran aufkommen lässt, was damit geregelt worden ist. So liegt der Fall mit Blick auf den einer anderen Auslegung nicht zugänglichen Betreff des Bescheides, die in dem Bescheid enthaltene Bezugnahme auf das Widerspruchsschreiben vom 30. Juni 2000 sowie die vorausgegangene Ankündigung in dem Bescheid vom 15. November 2000, bezüglich der Quartale ab III/98 eine gesonderte Widerspruchsentscheidung treffen zu wollen, hier. Dass die Kläger aus dem Schreiben vom 10. April 2001 hätten ersehen können, dass sich der Abhilfebescheid vom 22. Dezember 2000 nur auf das Quartal IV/99 beziehen sollte, ist entgegen der Auffassung der Beklagten für die Auslegung des Bescheides unerheblich. Denn abgesehen davon, dass jeder Bescheid in erster Linie aus sich heraus auf seinen Inhalt hin zu untersuchen ist, hat die Beklagte das Schreiben vom 10. April 2001 erst geraume Zeit nach Erlass des Abhilfebescheides verfasst, so dass bei seiner Auslegung hierauf schon aus tatsächlichen Gründen nicht zurückgegriffen werden konnte. Dasselbe gilt für den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Januar 2001 (Tagebuchnummer 14161/00), mit dem die Beklagte den Widerspruch der Kläger vom 30. Juni 2000 gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/99 als unzulässig zurückgewiesen hat, weil auch dieser Widerspruchsbescheid erst nach dem Abhilfebescheid erlassen worden ist.

Schließlich ist für die Auslegung des Abhilfebescheides unerheblich, dass parallel zu dem (jedenfalls) die Quartale III/98 bis II/99 betreffenden Widerspruchsverfahren die Prozessbevollmächtigten der Kläger in ihrem Namen zu derselben Problematik mit einem anderen juristischen Ansatz ein separates Antrags- und Widerspruchsverfahren betrieben haben, in dem die Beklagte vor Erlass des hier streitbefangenen Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 mit dem Ablehnungsbescheid vom 15. November 2000 und dem Nichtabhilfebescheid vom 6. Dezember 2000 dem Abhilfebescheid vom 22. Dezember 2000 entgegenstehende Regelungen getroffen hat. Denn die Kläger müssen sich zwar die Anträge ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Ferner handelt es sich bei allen sie betreffenden Schriftstücken, die ihren Prozessbevollmächtigten zugehen, um Schriftstücke für sie. Es ist jedoch nicht Sache der Kläger, die Entscheidungen der Beklagten zu koordinieren. Vielmehr ist die Beklagte verpflichtet, die bei ihr eingehenden Rechtsschutzbegehren eines Vertragsarztes selbst und seines Bevollmächtigten so aufeinander abzustimmen, dass widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Verlautbart sie eine Entscheidung, mit der sie aus der Sicht eines verständigen Bescheidempfängers auf ein zuvor von ihm tatsächlich eingelegtes Rechtsmittel reagiert, muss sie sich hieran festhalten lassen.

Der Abhilfebescheid vom 22. Dezember 2000 ist gegenüber den Klägern auch wirksam bekannt gegeben geworden. Die Kläger haben zwar ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 3. Juli 2000 eine Vollmacht erteilt, sie gegen die Beklagte wegen der "Honorarfestsetzung ab III/98" zu vertreten. Ferner ist diese Vollmacht am 8. Dezember 2000 vor Erlass des Abhilfebescheides vom 22. Dezember 2000 bei der Beklagten eingegangen. Die Beklagte ist jedoch nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht verpflichtet gewesen, diese Vollmacht bei der Bekanntgabe des Abhilfebescheides zu beachten. Anders als im Falle der Zustellung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes wird ein Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X nämlich dann wirksam, wenn er dem Beteiligten, für den er bestimmt ist, selbst bekannt gegeben wird. Davon abgesehen wäre der Abhilfebescheid für die Beklagte aber auch dann verbindlich, wenn sie die Vollmacht hätte beachten müssen. Denn die Kläger hätten den sie ausschließlich begünstigenden Abhilfebescheid dann jedenfalls erhalten, so dass es zumindest gegen den auch im Öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstieße, könnte sich die Beklagte von dem Bescheid nur deshalb wieder lösen, weil sie eine gerade dem Schutz der Bescheidempfänger dienende Formvorschrift missachtet hätte.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die zulässige Klage auch begründet. Denn der Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2001 (Tagebuchnummer 25546) ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Die Beklagte durfte im vorliegenden Fall einen Widerspruchsbescheid nicht mehr erlassen. Denn das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 15. November 2000 hatte sich mit dem Abhilfebescheid vom 22. Dezember 2000 erledigt, weil die Kläger das, was sie mit ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. November 2000 erreichen wollten, bereits mit dem Abhilfebescheid zu dem von ihnen selbst eingelegten Widerspruch gegen die Honorarbescheide ab dem Quartal III/98 erreicht hatten. Diese Erledigung hat zur Folge, dass die Beklagte das Widerspruchsverfahren hätte einstellen müssen. Durch den dennoch erlassenen Widerspruchsbescheid sind die Kläger beschwert. Denn durch die Zurückweisung ihres Widerspruchs wird der Eindruck erweckt, der (erledigte) Bescheid vom 15. November 2000 sei bestandskräftig geworden. Der Widerspruchsbescheid ist daher aufzuheben (vgl. BVerwGE 81, 226).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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