L 23 SO 88/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 SO 4202/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 88/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung.

Der am geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 20 anerkannt ist und der seit dem 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - bezieht, beantragte am 12. Dezember 2003 bei dem Beklagten die Gewährung von Grundsicherungsleistungen. Dabei legte er einen Bescheid der Landesversicherungsanstalt Berlin vom 27. Oktober 2003 vor, mit dem ein Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI wegen Nichtvorliegens der beitragsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt worden war. Weiter legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Facharztes für Chirurgie DM S (Arbeitsunfähigkeit bis zum 09. Januar 2004) und eine Beurteilung des Dr. L, Krankenhaus H, ohne Datum vor.

Unter dem 22. Juni 2004 erstattete der Prüfarzt der Landesversicherungsanstalt Berlin - LVA Berlin -, Dr. B, Arzt für Arbeitsmedizin, auf ein Ersuchen des Beklagten ein ärztliches Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung, welches dem Beklagten übersandt wurde. Darin wurden ein unbehandelter Bluthochdruck sowie ein Verdacht auf Rheumatoidarthritis diagnostiziert. Ferner heißt es, eine Hochdrucktherapie sei einzuleiten, die rheumatologische Diagnostik laufe und eine entsprechende Therapie habe demzufolge noch nicht begonnen. Hinsichtlich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung heißt es in dem Gutachten, der Kläger sei in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltung und unter Vermeidung von Kälte/Nässe und unter Zeitdruck sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuführen. Für die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten eines Hausmeisters bestünde kein Leistungsvermögen mehr. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 03. November 2004 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen nach § 1 Nr. 2 GSiG seien nicht erfüllt. Unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sei der Kläger noch mindestens drei Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig.

Mit seinem hiergegen am 18. November 2004 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die LVA Berlin habe die Beurteilung seines behandelnden Arztes Dr. R S nicht beachtet. Trotz umfangreicher Diagnostik sei die LVA Berlin zu dem Schluss gelangt, dass er noch mindestens drei Stunden arbeitsfähig wäre. Dem widerspreche er. Bei der Untersuchung bei der LVA sei kein Belastungs-EKG gemacht worden. Die Sonografie habe Auffälligkeiten gezeigt. Seine Arme und Hände, Knie und Füße seien von Taubheitsgefühlen und täglichen Schmerzen geprägt. Auch fielen ihm immer wieder Gegenstände aus der Hand, selbst das Schreiben falle ihm schwer. Die verordneten 40 Physiotherapieeinheiten hätten keine Besserung erbracht. Sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten zwei Jahren immer weiter verschlechtert. Ein späteres Belastungs-EKG sei nach 30 Sekunden abgebrochen worden, weil er gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage gewesen sei. Bei der Untersuchung durch die LVA hätten noch nicht alle Untersuchungsergebnisse vorgelegen. Er bat um nochmalige Prüfung der Angelegenheit.

Der Kläger hat Radiologiebefunde vom 12. September 2003, 30. Oktober 2003 und vom 11. März 2004 sowie einen ärztlichen Befundbericht zum Antrag auf Grundsicherung des behandelnden Arztes DM Ralf Schmidt vom 17. Mai 2004 und einen weiteren Befundbericht des Chirurgen DM S vom 05. April 2005 nebst eines Überweisungsscheins vom 10. Mai 2005 zur Verwaltungsakte gereicht und eine weitere Verschlechterung der Beschwerden geltend gemacht. Weiter reichte er den Bescheid zur Feststellung des Grades der Behinderung von 20 des Landesamtes für Gesundheit und Soziales - Versorgungsamt - vom 23. Mai 2005 zur Verwaltungsakte.

Der Beklagte wies mit Bescheid vom 20. Juli 2005 den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die LVA Berlin habe in Beantwortung des Prüfauftrages mitgeteilt, dass der Kläger noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Das alleinige Feststellungsrecht über das Vorliegen einer medizinisch bedingten dauerhaften vollen Erwerbsminderung liege beim zuständigen Träger der Rentenversicherung. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei unter Berücksichtigung der Einwände des Klägers erneut eine Prüfung eines eventuellen Leistungsanspruchs auch nach den Bestimmungen des am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen 4. Kapitels des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - SGB XII - erfolgt. Diese Voraussetzungen lägen ebenfalls nicht vor.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 26. Juli 2005 hat der Kläger am 28. Juli 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat. Nach Auffassung des behandelnden Chirurgen sei eine Besserung seines Gesundheitszustandes nicht zu erwarten und es bestünde dauerhaft Arbeitsunfähigkeit. Bei der ersten Ablehnung sollte er noch drei Stunden mindestens arbeitsfähig sein, im Widerspruchsverfahren habe der Beklagte nunmehr festgestellt, dass er auch noch sechs Stunden arbeitsfähig sein könne. Aus dem Gutachten seines behandelnden Facharztes gehe aber eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hervor. Seinen Beruf als Elektromonteur könne er nicht mehr ausüben. Er sei auf einen Gehstock angewiesen, außerdem leide er an Arterienverkalkung und an einem Fersensporn. Der Kläger hat u. a. einen ärztlichen Befundbericht des DM RS zur Gerichtsakte gereicht, worin Dauerschmerzen, Kraftlosigkeit beider Hände, Rückenschmerzen, eingeschränkte Gehstrecke und eine Dyspnoe angegeben wurden. Das Gangbild wurde als zeitweilig hinkend beschrieben. Mit dem weiteren zur Gerichtsakte gereichten Befundbericht vom 17. Mai 2004 des DM RS wurde angegeben, dass der Kläger noch nicht ausdiagnostiziert sei. Weiter hat der Kläger eine Ablichtung eines Attests des behandelnden Arztes DM RS vom 11. Oktober 2005 zur Gerichtsakte gereicht, worin ausgeführt wird, dass der Kläger keine Arbeitsfähigkeit mehr erlangen werde. Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass er vom Medizinischen Dienst des Landesarbeitsamtes untersucht worden sei. Er hat eine Ablichtung der sozialmedizinischen Beurteilung des Gutachters Dr. Q für die Agentur für Arbeit Berlin-Mitte vom 12. Januar 2006 zur Gerichtsakte gereicht, worin unter Bezugnahme auf eine Untersuchung vom 09. November 2005 angegeben wird, dass der Kläger noch Arbeiten von drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne. Der Kläger könne noch 3 Stunden und mehr leichte körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender Arbeitshaltung bei zeitweisem Gehen und Stehen möglichst in Wohnnähe verrichten. Für möglich gehalten wird, dass eventuell ein stationäres medizinisches Rehabilitationsverfahren über den zuständigen Versicherungsträger zu einer Besserung der Leistungsfähigkeit und zu einer Abnahme der Beschwerden führen würde.

Der Beklagte ist erstinstanzlich bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung verblieben.

Nachdem es eine ergänzende Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers vom 02. März 2006 eingeholt hatte, hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. April 2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht voll erwerbsgemindert. Das im Vorverfahren eingeholte Gutachten der LVA Berlin bestätige dies eindeutig. An dieser Einschätzung halte der Rentenversicherungsträger auch für die Zeit nach der dort anlässlich der Begutachtung durchgeführten Untersuchung fest. Der vorstehende Befund sei durch die ärztliche Stellungnahme der Ärztin der Bundesagentur für Arbeit, Dr. Q vom Januar 2006 sowohl hinsichtlich der gegenwärtigen Leistungseinschränkung als auch hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten im Wesentlichen bestätigt worden, auch wenn das tägliche Leistungsvermögen nur mit drei bis sechs Stunden angegeben worden sei.

Gegen den ihm am 19. April 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02. Mai 2006 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Sämtliche Atteste und Gutachten des behandelnden Chirurgen DM S seien zwar von der LVA Berlin zur Kenntnis genommen, aber als nicht relevant eingestuft worden. Er sei seit Mai 2003 voll erwerbsunfähig. Physiotherapien hätten keine Besserung erbracht. Seit Juni 2005 sei er außerdem noch auf zwei Gehhilfen angewiesen. Der Fersensporn sei nach Auskunft seines behandelnden Arztes nicht operabel. Da er schon an zwei Gehhilfen laufe, wäre er durch eine Operation gezwungen, sein gesamtes Körpergewicht auf die Gehhilfen abzustützen, was ihm wegen der beidseits bestehenden chronischen Epicondylitis nicht möglich sei. Hinzu kämen auch Gefühlsstörungen in beiden Händen. Die unterstellte lediglich reduzierte Laufleistung durch die Arterienverkalkung werde durch chronische Dauerschmerzen verstärkt. Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert.

Der Senat hat dem Vorbringen des Klägers den Antrag entnommen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 03. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2003 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Befundberichte des DM R S vom 08. Juni 2006 und der Dres. M, Fachärzte für Innere Medizin, vom 26. Juni 2006, jeweils mit Anlagen beigezogen, wegen deren Inhalts auf Blatt 60 bis 66 GA verwiesen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne Anwesenheit des Klägers mündlich verhandeln. Der Kläger ist auf diese Möglichkeit mit der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden (§§ 126, 110 Abs. 1 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens ist der von dem Kläger geltend gemachter Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nach § 1 Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - GSiG - für die Zeit ab 01. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2004 und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nach § 41 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - für die Zeit ab 01. Januar 2005. Streitgegenstand ist damit auch in zulässiger Weise der geltend gemachte Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Über ein solches Begehren hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 03. November 2004 und mit dem Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 ablehnend entschieden. Auch das Sozialgericht hat ausgehend von dem der Entscheidung zugrunde gelegten Klageantrag ausdrücklich (Seite 4 der Entscheidung) über zeitlich der Entscheidung mit dem Widerspruchsbescheid nachgehende Zeiträume entschieden.

Bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kommt es darauf an, dass der Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zum Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz noch rechtmäßig ist, so dass die Sach- und Rechtslage bis zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen ist (vgl. BSGE 43, 1 (5)).

Zwar ist für den Bereich der Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG bzw. nach dem SGB XII der Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht durch die letzte Verwaltungsentscheidung, das heißt regelmäßig durch den Widerspruchsbescheid begrenzt (vgl: ständige Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1972, V C 10.71, BVerwGE 39, 261 bis 269; v. 16. Januar 1986, 5 C 36/84, FEVS 36, 1 - 9). Gelten Ausnahmen von diesem Grundsatz bei Sozialhilfeleistungen, wenn der Sozialhilfeträger Entscheidungen über Hilfeleistungen für einen längeren, auch in der Zukunft nach Erlass des Widerspruchsbescheides liegenden Zeitraum getroffen hat (BVerwG v. 14. Juli 1998, 5 C 2/97, FEVS 48, 535-540; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, Einl. Rn. 135 m.w.N.), gilt jedenfalls für den Bereich der Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz bzw. für Leistungen nach § 41 SGB XII eine Begrenzung des Streitgegenstandes in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung nicht. Die zeitliche Begrenzung des Streitgegenstandes im Rahmen der Sozialhilfeleistungen ist begründet durch das in der Sozialhilfe herrschende Gegenwärtigkeitsprinzip, wonach Sozialhilfe als Nothilfeleistung bezogen auf eine konkrete Notlage geleistet wird und daher täglich erneut regelungsbedürftig ist (BVerwGE 25, 307, 308 f.; 89, 81, 85). Dies gilt jedoch nicht für Dauerleistungen, die nicht auf konkrete Notlagen bezogen geleistet werden. Den Grundsicherungsleistungen kommt keine Nothilfefunktion wie der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG und dem SGB XII zu (OVG NRW vom 21. März 2007, Aktenzeichen 12 A 3301/05, juris, Rn. 10). Grundsicherungsleistungen nach GSiG und nach §§ 41 ff. SGB XII sind andere Leistungen als Sozialhilfeleistungen, da sie auf Dauer angelegt sind. Dies folgt bereits aus § 6 GSiG bzw. § 44 SGB XII, wonach die Leistungen in der Regel für ein Jahr bewilligt werden und auch rückwirkende Änderungen im laufenden Leistungsbezug zu berücksichtigen sind (Schellhorn in: Schellhorn, § 44 SGB XII, Rn. 8; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, § 44 SGB XII). Zudem hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid die beantragte Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt, so dass Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens die gesamte, bis zur Entscheidung verstrichene Zeit ist (BSG vom 07. November 2006, B 7 B AS 14/06 R, juris, Rn. 30).

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es hinsichtlich des auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. SGB XII ab 01. Januar 2005 gerichteten Verpflichtungsbegehrens nicht an einem Vorverfahren nach § 78 Abs. 3, Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -. Der Beklagte hat mit dem Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 erstmals einen dem Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren entnommenen Antrag auf Leistungen nach § 41 SGB XII abgelehnt. Damit hat der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid gegenüber dem ursprünglichen, einen Leistungsanspruch nach dem GSiG ablehnenden Bescheid eine zusätzliche Beschwer geschaffen. Eines Vorverfahrens bedarf es daher nicht, Gegenstand der Klage ist dann in zulässiger Weise nur der Widerspruchsbescheid (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 78 Rn. 8).

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Leistungen nach § 1 GSiG noch auf Leistungen nach § 41 ff. SGB XII für die Zeit ab 01. Januar 2005. Voraussetzung für einen Leistungsanspruch nach dem GSiG bzw. nach § 41 SGB XII ist, dass der Kläger zu dem in den jeweiligen Vorschriften genannten Personenkreis gehört. Der Kläger, der das 65. Lebensjahr nicht vollendet hat und damit nicht nach § 1 Nr. 1 GSiG, § 41 Abs. 1 Nr. SGB XII anspruchsberechtigt ist, gehört auch nicht zu dem dann allein noch in Betracht kommenden Personenkreis nach § 1 Nr. 2 GSiG, § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Danach erhalten auf Antrag Personen, die unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, Leistungen der Grundsicherung.

Der Kläger hat das 65. Lebensjahr nicht vollendet. Er ist auch nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI. Danach sind erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei kommt es, worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht auf die Erwerbsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf bzw. im erlernten Beruf an.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Kläger nicht voll erwerbsgemindert.

Der Kläger leidet an einer Bluthochdruckkrankheit, die behandlungsbedürftig ist, an einem Übergewicht von Krankheitswert, an ständig auftretenden Schmerzen im Nacken mit Ausstrahlung in beide Arme insbesondere in die Ellenbogengelenke, an schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke, ebenso an Schmerzen in den Hand- und Fingergelenken. Weiter leidet er unter Schmerzen im gesamten Rücken bei einer geringen Fehlstellung der Wirbelsäule, an belastungsabhängigen Schmerzen in beiden Kniegelenken und wegen bestehender Fersensporne an den Fersen. Dies ergibt sich aus dem aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers gefertigten Gutachten des arbeitsamtsärztlichen Dienstes, Dr. Q, vom 12. Januar 2006. Die Feststellungen sind schlüssig und nachvollziehbar auch unter Berücksichtigung der weiter vorliegenden ärztlichen Unterlagen insbesondere der Befundberichte der DM R S vom 08. Juni 2006 und der Dres. M vom 26. Juni 2006. Im letzteren werden als Gesundheitsstörungen ein Hypertonus, eine Adipositas per magna, Arthralgien unklarer Genese, eine Fettstoffwechselstörung und eine chronisch rezidivierende Epicondylitis beidseitig angegeben. Diese Gesundheitsstörungen mit den daraus folgenden Schmerzzuständen werden ebenfalls von DM R S mit seinem Befundbericht vom 01. Juni 2006 bestätigt. Damit hat sich tatsächlich im Vergleich zu den mit dem nach § 5 Abs. 2 GSiG erstellten Gutachten des Rentenversicherungsträgers getroffenen Feststellungen eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation ergeben. Bei der damaligen Begutachtung konnte das Bluthochdruckleiden und der Verdacht auf Rheumatoidarthritis festgestellt werden. Nunmehr sind die Diagnosen gesichert, hinzugetreten sind u.a. die Fersenspornerkrankung und die weiteren in dem Gutachten des arbeitsamtsärztlichen Dienstes festgestellten Gesundheitsstörungen.

Mit den vorhandenen und von dem arbeitsamtsärztlichen Dienst festgestellten Gesundheitsstörungen ist aber das Leistungsvermögen des Klägers, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten zu verrichten, nicht in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt. Das ergibt sich aus der diesbezüglich erfolgten Untersuchung des arbeitsamtsärztlichen Dienstes vom 09. November 2005. Die mit der Begutachtung betraute Ärztin hat die von dem Kläger mitgeteilten Schmerzen und die diagnostizierten Erkrankungen nachvollziehbar beschrieben und ist schlüssig zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger nur noch körperlich leichte Arbeiten in überwiegend sitzender Arbeitshaltung bei zeitweisem Gehen und Stehen, möglichst in Wohnortnähe, verrichten könne.

Gerade die Einschränkung, dass Tätigkeiten nur noch überwiegend in sitzender Arbeitshaltung und nur mit zeitweiliger Geh- und Stehbelastung verrichtet werden können, folgt schlüssig aus den festgestellten und vom Kläger beschriebenen Einschränkungen an den unteren Extremitäten, insbesondere aus den durch die Fersensporne verursachten Schmerzen. Dass der Kläger mit Armgehstützen versorgt ist, führt nicht zu der Annahme, dass er keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten kann. Wie der Kläger selbst mit Schriftsatz vom 07. November 2007 angibt, beschränkt sich sein Aktionsradius auf seinen Stadtbezirk. Dass die Fähigkeit, überhaupt Gehstrecken zurückzulegen, gänzlich aufgehoben ist, ergibt sich weder aus dem Gutachten der Landesversicherungsanstalt Berlin noch aus dem Gutachten des arbeitsamtsärztlichen Dienstes und auch nicht aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte. Soweit der behandelnde Facharzt für Chirurgie DM S eine Arterienverkalkung beider Beine angibt, ist der Kläger diesbezüglich mit Gehstützen versorgt. Die Fachärzte für Innere Medizin Dres. M geben diese Erkrankung nicht an. Eine kurzfristige Geh- und Stehbelastung bei zu verrichtenden Tätigkeiten ist daher nicht ausgeschlossen, wobei eine Einschränkung dahin, dass nur sitzende Tätigkeiten ausgeübt werden können, nicht auch eine Reduzierung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht bedingt. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht folgt aus den vorliegenden Gesundheitsstörungen und den durch diese bedingten Schmerzen und Funktionseinschränkungen jedoch nicht. Aus den bei dem Kläger vorliegenden Funktionseinschränkungen der Schulter und Ellenbogen folgen nachvollziehbar keine quantitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens, sondern qualitative Einschränkungen hinsichtlich der Schwere der zu verrichtenden Tätigkeiten und der Haltungsarten. Auch aufgrund der Leiden auf internistischem Fachgebiet werden mit den Gutachten der LVA Berlin und des arbeitsamtsärztlichen Dienstes keine quantitativen Leistungseinschränkungen angegeben. Ebenfalls ergibt sich eine solche Einschränkung nicht aus dem Befundbericht der behandelnden Internisten Dres. M. Konkrete Anhaltspunkte für durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen hinsichtlich des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht in dem Gutachten der Landesversicherungsanstalt Berlin und dem Gutachten des arbeitsamtsärztlichen Dienstes sind nicht ersichtlich.

Die von dem Kläger vorgetragenen Schmerzen sind mit dem Gutachten des arbeitsamtsärztlichen Dienstes gewürdigt worden. Sie bedingen keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Schon in dem Gutachten der LVA Berlin wurden die von dem Kläger angegebenen Beschwerden berücksichtigt. Diese werden sowohl bei der Angabe unter "jetzige Beschwerden" als auch in der Epikrise aufgeführt. Der Kläger selbst gibt keine weiteren als die mit den Befundberichten und dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten festgestellten Erkrankungen, aus denen weitere Leistungseinschränkungen folgen könnten, an. Weder folgt die Annahme einer vollen Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 1 SGB VI, aus der Feststellung eines Grades der Behinderung von 20 noch aus der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit (vgl. Niesel in: Kasseler Kommentar Sozialversicherung, Band 1 47. EL, Std. Juni 2005, § 43 SGB VI Rn. 5). Soweit der Kläger geltend macht, dass bei der Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt Berlin kein Belastungs-EKG durchgeführt worden sei, ergeben sich aus dem Befundbericht der behandelnden Ärzte Dres. M keine solchen Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet, die auf eine Leistungseinschränkung in zeitlicher Hinsicht schließen ließen. Mit dem Befundbericht vom 26. Juni 2006 über den Behandlungszeitraum vom 04. März 2004 bis 08. Juni 2006 wird angegeben, dass der Hypertonus zeitweilig noch unbefriedigend eingestellt sei, eine medikamentöse Dosisanpassung aber erfolge. Eine Verschlechterung des Bluthochdrucksleidens wie auch eine Verschlechterung der anderen Leiden wird nicht angegeben.

Dass bei dem Kläger aufgrund der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen mit den durch diese bedingten Leistungseinschränkungen Schwierigkeiten bestehen, auf dem Arbeitsmarkt einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, ist für die Leistungen nach § 1 GSiG bzw. für einen Anspruch nach § 41 SGB XII nach den insoweit eindeutigen Wortlauten, dass nämlich eine volle Erwerbsminderung unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage auf Dauer vorliegen muss, nicht entscheidungserheblich. Anhaltspunkte dafür, dass für den Kläger wegen Krankheit oder Behinderung der Arbeitsmarkt verschlossen ist, liegen nicht vor. Insbesondere ist die Fähigkeit, Gehstrecken zurückzulegen – wie bereits ausgeführt – nicht derart eingeschränkt, dass Arbeitsstätten nicht aufgesucht werden können (vgl. hierzu: Niesel, a.a.O., Rn. 42). Die Gehfähigkeit ist zwar eingeschränkt. Der Kläger gibt aber selbst an, dass er sich in seinem Bezirk in Berlin (M-H) noch fortbewegt. Mit den Gutachten wird zwar eine Einschränkung der Gehfähigkeit angegeben, nicht aber, dass die Gehfähigkeit aufgehoben ist, der Kläger nicht mehr Fußstrecken von 500 Metern viermal täglich in einer zumutbaren Zeit zurücklegen kann (vgl. hierzu: Niesel, a.a.O., Rn. 43). Anhaltspunkte dafür, dass wegen einer größeren Summierung von Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung die Fähigkeit des Klägers, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten (z.B. Bürotätigkeiten) mindestens drei Stunden arbeitstäglich zu verrichten, zusätzlich in einem erheblichen Umfang eingeschränkt ist, ergeben sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht. Der Senat konnte deshalb dahinstehen lassen, ob die von der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Annahme einer vollen Erwerbsminderung trotz mindestens dreistündigen Leistungsvermögen aufgestellten Grundsätze (vgl.: Niesel, a.a.O, Rn. 37 m.w.N.) im Bereich der Leistungen zur Grundsicherung anzuwenden sind. Der Bereich der körperlich leichten Arbeiten ist hier nicht durch qualitative Leistungseinschränkungen, die nicht bereits von der Einschränkung auf nur noch "körperlich leichte Tätigkeiten" erfasst sind, weiter eingeschränkt.

Nach allem gehört der Kläger nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des GSiG oder des § 41 SGB XII.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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