L 16 R 1055/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 122 R 403/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1055/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Halbwaisenrente (HWR) aus der Versicherung des 1964 geborenen und 2006 verstorbenen U-D Z (im Folgenden: Versicherter).

Die 1993 geborene Klägerin ist die Tochter von G L und M S. Sie lebte mit ihrer Mutter, ihrem Zwillingsbruder K und dem Versicherten bis zu dessen Tod in einer Haushaltsgemeinschaft.

Den Antrag der Klägerin auf HWR vom August 2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 ab mit der Begründung, dass die Klägerin kein Kind des Versicherten gewesen sei und auch nicht als dessen Kind nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) berücksichtigt werden könne. Insbesondere sei die Klägerin kein Stiefkind des Versicherten.

Die auf Gewährung von HWR für die Zeit ab 25. August 2006 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 23. März 2007 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf HWR nach § 48 Abs. 1 SGB VI, da sie weder Kind noch Stief- oder Pflegekind des Versicherten gewesen sei. Voraussetzung für die Annahme eines Stiefkindes sei das Vorliegen einer rechtsgültigen Ehe, was hier nicht der Fall sei. Die Klägerin sei auch nicht Pflegekind des Versicherten gewesen. Denn hierfür sei erforderlich, dass das Kind nicht mehr in einer häuslichen Gemeinschaft mit einem leiblichen Elternteil lebe. Die Klägerin habe aber mit ihrer Mutter und dem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Auf ihre Berufungsbegründung vom 18. Oktober 2007 wird Bezug genommen.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 25. August 2006 Halbwaisenrente aus der Versicherung des U-D Z zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf HWR für die Zeit ab 25. August 2006.

Gemäß § 48 Abs. 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tode eines Elternteils Anspruch auf HWR, wenn sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist (Nr. 1), und wenn der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat (Nr. 2). Der Versicherte hatte die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die Klägerin kann jedoch nicht als "Kind" des Versicherten berücksichtigt werden.

Die Klägerin ist kein – leibliches - Kind des Versicherten. Sie hatte im Verhältnis zu ihm auch nicht die Stellung eines Stiefkindes oder Pflegekindes, so dass sie auch nicht nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI als Kind des Versicherten angesehen werden kann. Als Kinder gelten auch Stiefkinder und Pflegekinder des Versicherten berücksichtigt, sofern sie in dessen Haushalt aufgenommen worden waren (vgl. § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI). Die Klägerin ist aber kein Stiefkind des Versicherten. Denn Stiefkinder sind nur Kinder des Ehegatten, nicht aber Kinder des Partners in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 1/97 R = SozR 3-3100 § 45 Nr. 3).

Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Versicherten sind nicht erfüllt. Nach der Legaldefinition in § 56 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), auf die § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI verweist, sind Pflegekinder Personen, die mit dem Versicherten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden waren. Ein Pflegekindschaftsverhältnis setzt somit voraus, dass die Beziehungen des Kindes zu seinen leiblichen Eltern gelöst sind (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 1/97 R - a.a.O.; BSG SozR 3-1200 § 56 Nrn. 1, 2 und 3). Deshalb ist ein Kind, das – wie die Klägerin – mit einem leiblichen Elternteil und dessen Partner in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, nicht Pflegekind dieses Partners. Für den Pflegekindbegriff ist insoweit auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Rückgriff zu nehmen. Danach sind Pflegekinder Personen, mit denen der Versicherte durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Dieser Pflegekindbegriff ist einheitlich im Versorgungs-, Rentenversicherungs- und Unfallversicherungsrecht zugrunde zu legen (vgl. auch BT-Drucks 11/4508 S. 5, wo die Einheitlichkeit des Pflegekindbegriffs auch dadurch betont wird, dass die Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKGG lediglich als Klarstellung bezeichnet wird). Aus dem Umstand, dass das Versorgungsrecht der einzige Bereich geblieben ist, für den im Zusammenhang mit Waisenrentenansprüchen ausdrücklich auf den Pflegekindbegriff des BKGG verwiesen wird, folgt nichts anderes. Denn der Gesetzgeber hat auch mit der Verweisungsvorschrift in § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI seine bisherige Vereinheitlichungstendenz weiterverfolgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 1/97 R - a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, steht danach fest, dass auch im Sinne der von § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI in Bezug genommenen Vorschrift des § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zum leiblichen Elternteil ein Pflegekindschaftsverhältnis ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 1/97 R - a.a.O.; BSG SozR 3-1200 § 56 Nr. 1 = BSGE 67, 211).

Eine erweiternde Auslegung des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB VI über den ausdrücklichen Wortlaut hinaus ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht geboten, und zwar schon deshalb nicht, weil die Ehe durch Artikel 6 Grundgesetz (GG) besonders geschützt ist (vgl. BVerfGE 31, 58, 82 ff.; 62, 323, 330 ff.). Zwar stellt Artikel 6 Abs. 1 GG auch die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, was auch die Familiengemeinschaft zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern umfasst (vgl. BVerfGE 79, 256, 267). Es obliegt aber dem Gestaltungsermessen des einfachrechtlichen Gesetzgebers, zu bestimmen, welche Kinder als Pflegekinder gelten sollen und welche nicht. Aus Artikel 6 Abs. 1 GG lässt sich zudem für den besonderen Schutz der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nichts herleiten (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 1/97 R – m.w.Nachw.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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