L 23 B 210/07 SO

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 1938/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 210/07 SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 04. Juli 2007 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Erstattung der Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers verpflichtet worden ist. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger, der zuvor Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten hat, stellte im November 2005 einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Nach einem Telefonvermerk vom 28. April 2006 wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass zunächst eine Entscheidung über den Erwerbsunfähigkeits-Rentenantrag benötigt werde. Am 15. Mai 2006 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten das Gutachten der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte vom 30. März 2005 vor, aus dem sich ein Restleistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden ergab. Mit Schreiben vom 20. September 2006 wies der Beklagte erneut darauf hin, dass für die Zahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt zunächst der Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers über die Erwerbsunfähigkeitsrente benötigt werde. Ferner benötige man den Einstellungsbescheid hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Sobald der Ablehnungsbescheid über die Erwerbsunfähigkeit wegen fehlender Vorversicherungszeiten vorliege, werde man umgehend den Rententräger mit der Feststellung der dauernden Erwerbsunfähigkeit beauftragen. Nachdem der Kläger am 02. Oktober 2006 den Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vorgelegt hatte, ersuchte der Beklagte unter dem 06. November 2006 die Deutsche Rentenversicherung um Überprüfung, ob volle Erwerbsminderung vorliege.

Der Kläger, dem bis zum 31. Januar 2007 weiterhin Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden waren, hat am 31. August 2006 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Nachdem das Sozialgericht den Kläger darauf hingewiesen hat, dass zumindest seit dem Zeitpunkt der Beauftragung des Rentenversicherungsträgers durch den Beklagten "Untätigkeit des Beklagten (nicht) mehr vorliege", hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 04. Juli 2007 hat das Sozialgericht den Beklagten zur Erstattung der Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers verpflichtet. Da seit dem 28. April 2006 keine Untätigkeit mehr vorgelegen habe, sei unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte aber zuvor fast fünf Monate untätig geblieben sei, die Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten angemessen.

Gegen den ihm am 23. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 30. Juli 2007 Beschwerde erhoben. Man habe vor Ablauf der Frist nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Bearbeitung des Antrags aufgenommen.

II.

Die Beschwerde des Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers verpflichtet.

Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren wie hier anders als durch Urteil endet. Die Entscheidung ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen. Zu berücksichtigen ist in erster Linie, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bei summarischer Prüfung voraussichtlich ausgegangen wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. BSG SozR 3 1500 § 193 Nrn. 2, 9, 10). Ferner soll trotz fehlender Erfolgsaussicht ein Kostenerstattungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Veranlassungsprinzips gegeben sein (BVerwG NJW 1965, 1732). Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage gilt zudem grundsätzlich, dass der Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten hat, sofern die Klage nach den in § 88 SGG genannten Sperrfristen erhoben wurde. Dies gilt, weil der Kläger mit einer Bescheiderteilung vor dem gesetzlichen Fristablauf rechnen darf, sofern nicht die Beklagte einen zureichenden Grund für die Untätigkeit hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hatte oder er ihm bekannt war (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Januar 2007 L 6 B 102/07 AL unter Bezug auf Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr. 13 c m. w. N.).

Hiervon ausgehend hat der Beklagte außergerichtliche Kosten des Klägers für die Untätigkeitsklage nicht zu tragen. Zwar war die Sperrfrist des § 88 Abs. 2 SGG zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage abgelaufen, der Beklagte hatte jedoch einen zureichenden Grund für die Untätigkeit und dem Kläger war dieser Grund auch bekannt. Worauf schon das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, hat der Beklagte zwar nach langer Untätigkeit jedenfalls im April 2006 die Bearbeitung des Begehrens des Klägers aufgenommen. Der Beklagte hat zu diesem Zeitpunkt den Kläger aufgefordert, die Ablehnung des Rentenversicherungsträgers vorzulegen. Dies hat er aber erst im Oktober 2006 getan. Zutreffend weist das Sozialgericht auch darauf hin, dass die Vorlage des Ablehnungsbescheides hier erforderlich war. Der Beklagte musste und durfte kein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger richten, wenn ihm nicht bekannt ist, ob dieser bereits das Vorliegen einer Erwerbsminderung geprüft hat (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XII).

Zutreffend weist auch das Sozialgericht darauf hin, dass auch im Rahmen des grundsätzlich geltenden Amtsermittlungsprinzips die Vorlage dieser Urkunde durch den Kläger durchaus geboten und der Beklagte nicht dazu verpflichtet war, diesen Bescheid vom Rentenversicherungsträger anzufordern. Jedenfalls wusste der Kläger im Zeitpunkt der Anforderung des Bescheides, dass der Beklagte eine Entscheidung erst treffen würde, wenn dieser Bescheid vorgelegt würde. Nach Vorlage des Bescheids des Rentenversicherungsträgers hat der Beklagte dann kurzfristig die weitere Untersuchung durch den Rentenversicherungsträger beauftragt.

Zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage, als dem Beklagten der Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers noch nicht vorlag, bestand somit ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung. Dies war dem Kläger auch bekannt. Er war spät, aber vor Ablauf der Frist, darüber unterrichtet worden. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hätte er die Untätigkeitsklage nicht erheben dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Eine gesonderte Entscheidung über die Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren war zu treffen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. März 2007 L 5 B 3/06 VG ).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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