L 6 B 6/08 AL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 326/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 B 6/08 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 12. Dezember 2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin (Ast) im Verfahren S 9 AL 327/07 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 5. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2007, mit dem die Antragsgegnerin (Agegn) die ursprünglich mit Bescheid vom 13. Juni 2007 für die Zeit vom 10. Mai 2007 bis zum 23. April 2008 erfolgte Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab dem 06. Oktober 2007 mit der Begründung aufgehoben hat, wegen des ab diesem Tag ärztlicherseits ausgesprochenen Beschäftigungsverbotes stehe sie Vermittlungsbemühungen nicht mehr zur Verfügung, zu Recht angeordnet. Auf die jedenfalls im Wesentlichen zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 12. Dezember 2007 wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Ergänzt sei nur: Ohne Erfolg beruft sich die Agegn mit ihrer Beschwerde auf den Beschluss des 12. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Januar 2008 - L 12 B 611/07 AL ER -, mit dem in einem ähnlich gelagerten Fall einstweiliger Rechtsschutz im Ergebnis versagt wurde. Denn die dem zugrunde liegende prozessuale Lage war insofern maßgeblich anders als die vorliegende, als dort über einen Antrag auf einstweilige Verpflichtung der Agegn zur Alg-Bewilligung zu entscheiden war, was nach § 86b Abs. 2 SGG eine besondere Dringlichkeit (so genannter Anordnungsgrund) voraussetzt, die der 12. Senat nachvollziehbar mit der Erwägung verneint hat, der Lebensunterhalt der dortigen Ast sei aufgrund des Einkommens ihres Lebenspartners vorläufig gesichert. Dagegen geht es hier um die Aussetzung der Vollziehung einer Aufhebungsentscheidung in einem Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG, für die es nach gefestigter Rechtsprechung entscheidend auf die Erfolgsaussichten im Klageverfahren ankommt. Diese erachtet der Senat – wie das SG – insbesondere auch angesichts der Urteile des Hessischen Landessozialgerichts (Hess LSG) vom 20. August 2007 – L 9 AL 35/04 – (veröffentlich in juris; die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist beim Bundessozialgericht (BSG) unter dem Az.: B 11a AL 167/07 B anhängig) und des BSG vom 09. September 1999 – B 11 AL 77/98 R – (SozR 3-4100 § 103 Nr. 19 und juris) sowie vom 21. Oktober 2003 – B 7 AL 28/03 R - (SozR 3-4300 § 147 Nr. 2 und juris) als so hoch, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage im überwiegenden Interesse der Ast angezeigt ist.

Das Hess LSG hat unter eingehender Würdigung der Rechtslage entschieden, dass eine arbeitslose Schwangere trotz fehlender Verfügbarkeit ihren Anspruch auf Alg durch ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) nicht verliere, wenn nicht gleichzeitig eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit vorliege. Die bestehende gesetzliche Lücke, die sich in einem solchen Fall dadurch eröffne, dass weder Anspruch auf Alg (mangels Verfügbarkeit) noch auf Krankengeld (mangels Arbeitsunfähigkeit) bestehe, sei verfassungskonform unter Berücksichtigung von Art 3 und 6 Abs. 4 Grundgesetz durch eine Fortzahlung des Alg zu schließen.

Das BSG hat mit Urteil vom 09. September 1999 eine entsprechende Entscheidung eines anderen Senats des Hess LSG nicht etwa deshalb aufgehoben, weil es Zweifel an der angenommenen planwidrigen Regelungslücke oder an deren Ausfüllung gehabt hätte (dazu hat es sich nicht definitiv geäußert), sondern mit der Erwägung, es müssten zunächst noch Feststellungen dazu getroffen werden, ob tatsächlich das gesetzliche Beschäftigungsverbot eingetreten sei, ohne dass Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Hierzu bedürfe es näherer Auseinandersetzung mit den ärztlichen Attesten und ggfs. einer Vernehmung des Frauenarztes als sachverständigen Zeugen. Eine vor diesem Hintergrund erfolgte telefonische Rücksprache des Berichterstatters mit der Frauenärztin der Ast, die ebenfalls zugleich mit der Aussprache des Beschäftigungsverbotes Arbeitsunfähigkeit verneint hatte, hat ergeben, dass sie diese Unterscheidung in Kenntnis der jeweiligen Voraussetzungen vorgenommen hat und sich auch sonst Zweifel an ihrer Bescheinigung nicht aufdrängen. Dennoch ist allein die formularmäßige Erklärung für eine abschließende Feststellung des komplexen Sachverhalts nicht ausreichend, die Frage, ob die medizinische Sachlage jede Beschäftigung ausgeschlossen hat, und zwar ohne Arbeitsunfähigkeit zu begründen, vielmehr im Klageverfahren noch weiter klärungsbedürftig.

Schließlich erscheint es bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung durchaus nachvollziehbar, dass sowohl das SG als auch das Hess LSG das Urteil des BSG vom 21. Oktober 2003 – B 7 AL 28/03 R - für ihre Auffassung herangezogen haben, es liege bei gleichzeitigem Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG und Arbeitsfähigkeit eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch Fortzahlung des Alg zu schließen sei. Denn in dieser Entscheidung hat das BSG die Frage, ob die vierjährige Verfallsfrist des § 147 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) während der Zeit des Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG ablaufen kann, unter den Umständen des dortigen Falles mit der Erwägung verneint, die Klägerin dürfe allein wegen ihrer Schwangerschaft nicht schlechter gestellt werden als andere Arbeitslose. All dem wird das SG im Klageverfahren noch näher nachzugehen haben; dabei wird ggfs auch eine Beiladung der Krankenkasse in Erwägung zu ziehen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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