L 24 KR 253/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 1641/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 253/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. März 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 94,20 EUR für eine professionelle Zahnreinigung (PZR) sowie Gewährung weiterer PZR zweimal jährlich als Sachleistung.

Der 1959 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, leidet an HIV (AIDS) und einem progressiven Wastingsyndrom.

Am 07. Juni 2006 beantragte der Kläger Kostenübernahme für eine mindestens zweimal jährliche PZR. Für die am 21. Juni 2006 durchgeführte PZR zahlte der Kläger gemäß Rechnung der Zahnärztin F vom selben Tag 94,20 EUR.

Mit Bescheid vom 05. Juli 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Bei der PZR handele es sich um eine außervertragliche Leistung, die nicht zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden könne.

Dagegen hat der Kläger am 12. Juli 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, es liege ein Systemversagen vor, denn weder werde sein besonderer Härtefall berücksichtigt, noch eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Eine alternative Heilmethode gäbe es nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch, den sie mit der Klage als eingelegt ansah, zurück: Ein Kostenerstattungsanspruch bestehe nicht, denn der Kläger habe sich die Leistung beschafft, ohne zuvor die Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Im Übrigen sei auch kein Sachleistungsanspruch gegeben. Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen nach § 22 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) könnten nicht erbracht werden, da der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe. Leistungen der Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V bestimmten sich nach § 8 Abs. 1 Zahnarzt-Ersatzkassenvertrag (EKVZ) in Verbindung mit dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (EBM Z). Nach Ziffer 107 EBM Z sei das Entfernen harter Zahnbeläge einmal pro Kalenderjahr abrechnungsfähig. Sämtliche darüber hinausgehenden Entfernungen harter Zahnbeläge seien mithin nicht vom Sachleistungsanspruch umfasst. Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 01. März 2007 die Klage abgewiesen: Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V scheitere schon daran, dass die Beklagte einen Antrag des Klägers vor der Durchführung der entsprechenden Behandlung nicht abgelehnt habe. Soweit eine Versorgung im Umfang der von der behandelnden Zahnärztin angebotenen PZR als Sachleistung möglich gewesen wäre, was nicht dargelegt sei, bestünde ebenfalls kein Kostenerstattungsanspruch, denn eine solche Leistung sei außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht worden. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf Durchführung einer zweimal jährlichen PZR nach § 27 SGB V in Verbindung mit Ziffer 107 EBM Z. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass aufgrund eines Systemversagens eine Behandlungsmethode im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur Verfügung stünde. So sei schon zweifelhaft, ob die PZR überhaupt zahnärztliche Behandlung und nicht Vorsorgebehandlung beziehungsweise Körperpflege im weiteren Sinne sei. Jedenfalls sei die begehrte Leistung unter dem Gesichtspunkt der Vorrangigkeit der Eigenvorsorge ausgeschlossen.

Gegen den ihm am 14. März 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 20. März 2007 eingelegte Berufung des Klägers.

Er verweist darauf, dass er sich bereits vor Beginn der Maßnahme mit der Beklagten in Verbindung gesetzt habe. Es sei zu bedenken, ob er nicht als Behinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen "G" und "B" einem ähnlichen Personenkreis wie dem in § 22 Abs. 1 SGB V genannten angehöre, bei dem prophylaktische Behandlungen in Betracht kämen. Es handele sich um Krankenbehandlung, auch wenn ein prophylaktischer Teilaspekt hinzukomme. Eine besonders gute Zahnhygiene sei gerade bei AIDS Patienten indiziert. Diesen Zustand zu erreichen, sei durch die Individualprophylaxe medizinisch und zahnmedizinisch möglich. Die begehrte zahnmedizinische Methode sei eine validierte Evidence-based-Methode, die indiziert sei.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. März 2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2006 zu verurteilen,

1. an ihn 94,20 EUR zu zahlen, 2. ihm zweimal jährlich eine professionelle Zahnreinigung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat die Information zur Zahnsteinentfernung der Bundeszahnärztekammer (Stand Mai 2004) beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie hat insbesondere nicht der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts bedurft.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil, dem der Gerichtsbescheid gleichsteht (§ 105 Abs. 1 Satz 3 SGG), des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Mehrere Ansprüche auf Geld- oder Sachleistung werden nach § 202 SGG in Verbindung mit § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammengerechnet (vgl. Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 144 Rdnr. 16 m. w. N.).

Wird allein auf den erhobenen Anspruch auf Kostenerstattung als Zahlungsanspruch abgehoben, erreicht der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 94,20 EUR zwar nicht den maßgeblichen Betrag. Die Klage betrifft jedoch wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr, denn die PZR zweimal jährlich wird wiederholend für jedes nachfolgende Kalenderjahr begehrt; sie erreicht damit zugleich auch den erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstandes.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 05. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2006 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 94,20 EUR noch auf Gewährung von PZR zweimal jährlich als Sachleistung.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Unaufschiebbarkeit ist gegeben, wenn die Leistung ausschließlich aus medizinischen Gründen sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubes erbracht werden muss (BSGE 73, 271, 287; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22).

Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m. w. N.).

Die dem Kläger am 21. Juni 2006 entstandenen Kosten in Höhe von 94,20 EUR können unabhängig davon, ob ein entsprechender Sachleistungsanspruch besteht, schon nicht erstattet werden. Diese Kosten sind nicht ursächlich darauf zurückzuführen, dass eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger beantragte zwar am 07. Juni 2006 Kostenübernahme für die PZR. Er mag sich darüber hinaus, wie mit der Berufung vorgetragen, zusätzlich vor Durchführung dieser PZR mit der Beklagten in Verbindung gesetzt haben. Er wartete jedoch die Entscheidung der Beklagten (Bescheid vom 05. Juli 2006) vor der erfolgten Behandlung nicht ab, so dass die dadurch entstandenen Kosten nicht ursächlich auf eine Ablehnung der Beklagten zurückzuführen sind. Die PZR ist auch nicht unaufschiebbar gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass die PZR so dringlich gewesen sein könnte, dass dem Kläger das Abwarten auf die Entscheidung der Beklagten unzumutbar war. Die Einhaltung eines mit seiner behandelnden Zahnärztin vereinbarten Behandlungstermins stellt einen solchen Grund jedenfalls nicht dar, denn eine solche Vereinbarung beruht auf einem freien Willen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine zweimal jährliche PZR als Sachleistung, denn sie gehört nicht zum Leistungsumfang der Krankenversicherung.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen unter anderem zur Verhütung von Krankheiten, insbesondere von Zahnerkrankungen (§ 22 SGB V). Nach letztgenannter Vorschrift können sich Versicherte, die das 6., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, zur Verhütung von Zahnerkrankungen einmal in jedem Kalenderhalbjahr zahnärztlich untersuchen lassen. Die Untersuchungen sollen sich nach § 22 Abs. 2 SGB V auf den Befund des Zahnfleisches, die Aufklärung über Krankheitsursachen und ihre Vermeidung, das Erstellen von diagnostischen Vergleichen zur Mundhygiene, zum Zustand des Zahnfleisches und zur Anfälligkeit gegenüber Karieserkrankungen, auf die Motivation und Einweisung bei der Mundpflege sowie auf Maßnahmen zur Schmelzhärtung der Zähne erstrecken. Darüber hinaus haben Versicherte nach § 22 Abs. 3 SGB V, die das 6., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf Fissurenversiegelung der Molaren.

Nach diesen Vorschriften kann der Kläger Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen nicht beanspruchen, denn er hat das 18. Lebensjahr bereits vollendet. Er steht auch als Behinderter dem genannten Personenkreis nicht gleich. Während bei dem in § 22 SGB V genannten Personenkreis der unter 18 Jährigen gesetzlich vermutet wird, dass sie aufgrund ihres jugendlichen Alters noch nicht über ausreichende Kenntnisse zur Ursache von Zahnerkrankungen verfügen und besonderer Anleitung und Motivation bei der Zahnpflege bedürfen, trifft dies für Erwachsene, auch wenn sie schwerbehindert sind, nicht zu; jedenfalls kann von dem Personenkreis der erwachsenen Versicherten erwartet werden, dass sie sich darum selbst bemühen und nicht auf die zweimal jährliche fürsorgliche Unterstützung seitens ihres Zahnarztes angewiesen sind. Im Übrigen benennt weder § 22 SGB V noch bezeichnen die nach § 22 Abs. 5 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (früher Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen) festgelegten Richtlinien über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen (Individualprophylaxe) in der Fassung vom 04. Juni 2003 (Bundesanzeiger Nr. 226, Seite 24966 vom 03. Dezember 2003) die PZR als Maßnahme der Verhütung von Zahnerkrankungen.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte außerdem Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V).

Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst die zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden.

Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 2 Nr. 2 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen (zahnärztlichen) Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, insbesondere über die zahnärztliche Behandlung. Nach Buchstabe B Ziffer III Nr. 1 der Richtlinie über eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) vom 04. Juni 2003/ 24. September 2003 (Bundesanzeiger 2003, Seite 24966), zuletzt geändert am 01. März 2006 (Bundesanzeiger 2006, Seite 4466), umfasst im Rahmen der konservierenden Behandlung die Vorbeugung und Behandlung der Gingivitis, Parodontitis und Karies bei Patienten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, insbesondere die Anleitung des Patienten zu effektiver Mundhygiene und Hinweise zur Reduktion von Risikofaktoren sowie gegebenenfalls die Entfernung harter Beläge und iatrogener Reizfaktoren.

Dabei knüpft Buchstabe A Nr. 2 Abs. 1 der Behandlungsrichtlinie an § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V an, wonach die Leistungen (nur) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung gestellt werden, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden. Es wird so bereits § 1 Satz 2 SGB V betont, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an der Krankenbehandlung dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden.

Die Abrechenbarkeit der in der Behandlungsrichtlinie beschriebenen Maßnahmen regeln die Vertragspartner gemäß § 87 SGB V (Buchstabe A Nr. 1 Abs. 2 Behandlungsrichtlinie), also in einem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen (EBM Z) als Bestandteil der Bundesmantelverträge (§ 87 Abs. 1 Satz 1, § 82 Abs. 1, § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Nach Ziffer 107 EBM Z ist das Entfernen harter Zahnbeläge einmal pro Kalenderjahr abrechnungsfähig.

Die PZR als Maßnahme zur Entfernung harter Beläge, also insbesondere des so genannten Zahnsteines, ist danach vornehmlich Bestandteil der Verhütung von Zahnerkrankungen. Sie dient nämlich dem Zweck, einer Reizung des Zahnfleisches durch den Zahnstein vorzubeugen, wodurch das bakterielle Risiko, eine Entzündung des Zahnfleisches (Gingivitis) und des Zahnbettes (Parodontitis) sowie Zahnkaries zu erleiden, vermindert werden kann (vgl. Information der Bundeszahnärztekammer). Lediglich wenn die genannten Zahnerkrankungen bereits eingetreten sind, kann die Zahnsteinentfernung im Zusammenhang mit weiteren dann erforderlich werdenden zahnärztlichen Maßnahmen Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V sein, also insbesondere der Heilung einer Krankheit beziehungsweise der Verhütung ihrer Verschlimmerung dienen. Die nicht im Zusammenhang mit weiteren zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen stehende PZR ist somit, wie auch vorliegend, ausschließlich eine Vorsorgemaßnahme (so Information der Bundeszahnärztekammer).

Es kann dahinstehen, ob eine solche Vorsorgemaßnahme von der zahnärztlichen Behandlung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V überhaupt umfasst wird oder ob nicht vielmehr die dort angesprochene Alternative "zur Verhütung" im systematischen Zusammenhang des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Sinne "zur Verhütung der Verschlimmerung" von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten auszulegen ist und daher, wie bereits das Sozialgericht erwogen hat, nicht zur zahnärztlichen Behandlung rechnet.

Dieser Rechtsfrage muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden, denn gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen sind vornehmlich der Eigenverantwortung jedes Versicherten zuzurechnen. Wenn gleichwohl die gesetzliche Krankenversicherung insoweit Sachleistungen zur Verfügung stellt, muss dies nicht in dem Umfang, wie dies zur Krankenbehandlung nötig ist, geschehen. Es mag daher sinnvoll sein, mehr als einmal jährlich harte Zahnbeläge zahnärztlich entfernen zu lassen. Es ist jedoch nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, jedwede sinnvolle Vorsorgemaßnahme als Sachleistung zu finanzieren; sie darf und muss sich in ihrer Hauptaufgabe auf die Krankenbehandlung beschränken. Es ist daher ausreichend, dass überhaupt die Entfernung harter Beläge als Vorsorgemaßnahme als Sachleistung zur Verfügung steht. Dass die nur einmalige Entfernung harter Beläge dem damit angestrebten Zweck, Zahnkrankheiten zu verhüten, nicht gerecht wird, wird weder vom Kläger vorgetragen, noch ist dies ersichtlich.

Eine besonders gute Zahnhygiene ist zur Verhütung von Zahnerkrankungen nicht nur für den Kläger als Schwerbehinderter und HIV (AIDS) Erkrankter, sondern für alle Versicherten in gleichem Umfang wichtig, so dass kein Grund vorhanden ist, den Kläger gegenüber den anderen Versicherten insoweit zu bevorzugen, indem ihm in größerem Umfang die begehrte Vorsorgeleistung zur Verfügung gestellt wird. Anhaltspunkte für ein Systemversagen liegen angesichts dessen nicht vor.

Dem Kläger steht es frei, über den Anspruch aus Ziffer 107 EBM Z hinaus im Rahmen seiner Eigenverantwortung die PZR auf eigene Kosten durchführen zu lassen.

Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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