L 14 B 348/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 19 AS 540/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 348/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Februar 2008 aufgehoben. Der Antragsgegner hat die Mietschulden der Antragstellerin in Höhe von 4.678,18 Euro als Darlehen zu übernehmen und sich gegenüber dem Vermieter der Antragstellerin, der G W N , Mstraße , N, zur Übernahme der Mietschulden in Höhe von 4.678,18 Euro gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verpflichten und eine entsprechende Übernah-meerklärung bis zum Ablauf des 15. Februar 2008 abzugeben. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber dem Vermieter der Antragstellerin eine Mietschuldenübernahme entsprechend § 569 Abs. 3 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu erklären.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 des Sozialgesetzbuches, Zweites Buch (SGB II). Danach können, wenn Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft ge-rechtfertigt ist, sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Diese Voraussetzungen erscheinen dem Senat hier hinreichend glaubhaft gemacht, um jedenfalls im Rahmen einer Folgenabwägung den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen.

Die Antragstellerin erhält vom Antragsgegner laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Hinblick auf Kosten für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 15. Januar 2008). Der Erhalt ihrer Wohnung ist gefährdet, weil erhebliche Mietrückstände be-stehen (4.687,18 Euro bei einer monatlichen Warmmiete von 435,13 Euro) und der Vermieter mit Klage vom 6. November 2007, der Klägerin zugestellt am 15. Dezember 2007, die Räumung verlangt hat. Die Schuldenübernahme ist ein geeignetes Mittel, um die Unterkunft zu sichern, da die Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB durch die innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung der Räumungsklage durch eine öffentliche Stelle erklärte Verpflichtung zur Befriedigung unwirksam wird.

Der Senat ist – entgegen dem Sozialgericht – nicht der Auffassung, dass die Übernahme der Schulden deswegen nicht gerechtfertigt erscheint, weil die tatsächlichen (anerkannten) Unterkunftskosten in Höhe von 425,67 Euro oberhalb der in der Verwaltungspraxis des Antragsgegners für einen Zwei-Personen-Haushalt maßgeblich gehaltenen Grenze von 396,- Euro liegen. Abgesehen davon, dass die Verwaltungspraxis des Antragsgegners den Senat ohnehin nicht zu binden vermag, überschreitet die tatsächliche Miete den vom Antragsgegner für maßgebend gehaltenen Richtwert nicht so erheblich, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände (Alleinerziehende mit Kind) die Angemessenheit der Unterkunftskosten zweifelsfrei zu verneinen wäre.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit versäumt hatte, ihre Miete fristgerecht zu zahlen. Ein solches Verhalten liegt typischerweise vor, wenn die Übernahme von Mietschulden gemäß § 22 Abs. 5 SGB II in Frage steht. Es ist auch keine Rede davon, dass die Antragstellerin schon einmal trotz Mietschuldenübernahme durch eine öffentliche Stelle wieder in Zahlungsverzug geraten war. Im Übrigen kann nach der zu Lasten der jüngsten Tochter der Antragstellerin begangenen Straftat eine Ausnahmesituation eingetreten sein, welche sich möglicherweise infolge der Aufnahme der Tochter bei ihrem Vater verändert hat und nicht unbedingt Rückschlüsse auf das zu erwartende zukünftige Verhalten zulässt.

Schließlich ist im Rahmen der Folgenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass nur die sofortige Erklärung der Schuldenübernahme durch den Antragsgegner geeignet ist, ihr die bisherige Wohnung zu sichern, ohne dass es auf eine Zustimmung des Ver-mieters ankäme. Der dauerhafte Verlust der Wohnung wiegt schwerer als das verbleibende Risiko, dass öffentliche Mittel möglicherweise ohne zwingenden Grund eingesetzt werden. Das sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes ergebende Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, rechtfertigt vorliegend angesichts der Dringlichkeit der Sache die Verpflichtung des Antragsgegners ohne Rücksicht auf das ihm nach § 22 Abs. 5 SGB II möglicherweise verbleibende Ermessen.

Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragstellerin der Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Sache.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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