L 18 B 2232/07 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 10643/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 2232/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2007 geändert. Der Beklagte trägt ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren. Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin M B, K, B Prozesskostenhilfe für das gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht bewilligt. Die auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren gerichtete Untätigkeitsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen die vom Sozialgericht Berlin getroffene Kostengrundentscheidung (§ 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil endet. Die Entscheidung ist unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Erledigung nach sachgemäßem Ermessen zu treffen, wobei den mutmaßlichen Erfolgsaussichten maßgebliche Bedeutung zukommt. Zu berücksichtigen ist auch, ob Veranlassung zur Klageerhebung bestand (vgl. z. B. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 4).

Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung ergibt sich eine Kostentragungspflicht des Beklagten nicht bereits daraus, dass dieser ihn "klaglos" gestellt hatte. Denn mit dem Bescheid vom 21. Juni 2007 änderte der Beklagte nicht die ursprünglich getroffene vorläufige Entscheidung ab, sondern traf eine davon zu unterscheidende (vgl. Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 328 Rdnr. 7, 18) endgültige Entscheidung, indem er dem Kläger ohne Vorbehalt der Vorläufigkeit Arbeitslosengeld II bewilligte. Der Beklagte hat indes die Kosten des Klägers für das Klageverfahren insoweit zu tragen, als der Kläger mit seiner auf Änderung des Bescheides des Beklagten vom 21. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2006 sowie Zahlung eines weiteren Betrages von jeweils 132,89 EUR für die Monate Dezember 2005 bis Mai 2006 gerichteten Klage nur hinsichtlich des Monats Dezember 2005 Erfolg gehabt hätte. Im Übrigen hätte die auf die Gewährung vorläufiger Leistungen gerichtete Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung -(SGB III) ist auf Antrag über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitsuchenden voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitsuchende die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens lagen die Voraussetzungen eines Anspruchs des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung eines Arbeitseinkommens lediglich hinsichtlich des Monats Dezember 2005 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Nach § 11 SGB II sind zu berücksichtigende Einkommen grundsätzlich Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch und bestimmten Renten und Beihilfen. Die Berechnung des Einkommens im Einzelnen bestimmt sich nach der auf der Grundlage des § 13 SGB II ergangenen Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg-II-VO) in der hier maßgeblichen Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der oben genannten Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl. I, S. 2499). Hiernach ist gemäß § 2 a bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft vom Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften - (SGB IV) auszugehen. Welche Einnahmen zu einem solchen Einkommen gehören, bestimmt sich nach §§ 13 Abs. 1 und 2, 15 Abs. 1 und 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG); (nur) der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus bleibt unberücksichtigt (vgl. § 2 a Abs. 1 Satz 1 und 2 Alg-II-VO). Damit ist bei der Berechnung des Einkommens - hier beim Kläger aus einem Gewerbebetrieb - von dem einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen und bei der abschließenden Entscheidung über die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt der vom Finanzamt für das Berechnungsjahr festgestellte Gewinn zu berücksichtigen. Gemäß § 2 a Abs. 2 Satz 1 Alg-II-VO ist das Einkommen für das Kalenderjahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechnungsjahr). Gemäß Satz 2 der genannten Vorschrift ist für jeden Bedarfszeitraum 1/12 des Einkommens im Berechnungsjahr als Einkommen zu berücksichtigen. Ist Arbeitseinkommen nur während eines Teils des Jahres vorhanden, so ist das Einkommen nur für diesen Zeitraum zu berechnen; für ihn gilt als monatliches Einkommen derjenige Teil des Arbeitseinkommens, der der Anzahl der in den genannten Zeiträumen fallenden Monate entspricht (Satz 3 aaO). Letztlich lässt sich erst nach Vorlage der den jeweiligen Bewilligungszeitraum abdeckenden Einkommensteuerbescheide feststellen, ob überhaupt ein Gewinn erzielt worden ist bzw. wie "hoch" dieser und damit letztlich das Einkommen des Arbeitsuchenden im maßgeblichen Bewilligungszeitraum war. Kommt es für die abschließende Entscheidung auf den im jeweiligen Kalenderjahr nach steuerrechtlichen Maßstäben erzielten Gewinn an, so ist diese Perspektive auch im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung nach § 40 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III zu beachten. Bei der mithin im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung zu treffenden Prognose des für den jeweiligen Bewilligungszeitraum anfallenden Gewinns sind betriebswirtschaftliche Auswertungen heranzuziehen, soweit diese den im gesamten Kalenderjahr erzielten Gewinn ausweisen (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Juni 2007 - L 8 B 7/07 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet, dass nicht bei jeder neu eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung im Hinblick auf die "Einkommensschwankung" eine (vorläufige) Neuberechnung bzw. Anpassung verlangt werden kann, wohl aber nach Abschluss eines Kalenderjahres. Aufgrund der vom Kläger bereits im Widerspruchsverfahren eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung vom Dezember 2005, die für das Jahr 2005 einen Verlustbetrag in Höhe von 5.032,78 EUR auswies, bestand eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III dafür, dass der Kläger in jenem Jahr keinen Gewinn erzielt hatte und deshalb der aufgrund seiner Selbstauskunft ursprünglich angesetzte Anrechnungsbetrag von 132,89 EUR für den hier streitigen Monat Dezember 2005 zu streichen war. Da die Widerspruchsstelle diese betriebswirtschaftliche Auswertung nicht für maßgebend erachtet hatte, bestand auch Veranlassung zur Klageerhebung. Hinsichtlich der Monate Januar bis Mai 2006 bestand hingegen kein Anlass, den Anrechnungsbetrag zu korrigieren. Betriebswirtschaftliche Auswertungen für das gesamte Jahr 2006 konnten im Widerspruchsverfahren noch nicht vorliegen und sie lagen auch im Gerichtsverfahren zu keinem Zeitpunkt vor. Abgesehen davon, dass nur das gesamte Kalenderjahr abdeckende betriebswirtschaftliche Auswertungen als Grundlage für vorläufige Entscheidungen nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 SGB II in Betracht kommen, bestände auch bei einer isolierten Berücksichtigung der eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen kein Anlass für eine Korrektur des Anrechnungsbetrags. Die noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen wiesen lediglich einen Verlust von 283,48 EUR für die Monate Januar bis August 2006 aus. Danach musste der Kläger nur in den ersten drei Monaten des Jahres Verluste hinnehmen, während er in den Monaten April bis August 2006 einen durchaus beachtlichen Gewinn in Höhe von 4.409.07 EUR erzielte. Bei dieser tendenziell positiven Entwicklung seines Geschäftsbetriebs, die von dem für September 2006 - in der nach Erlass des Widerspruchsbescheids eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung - ausgewiesenen geringfügigen Verlust (73,80 EUR) nur unwesentlich getrübt wurde, schien es ohne weiteres möglich, dass der Kläger in den letzten drei Monaten des Jahres 2006 noch den von ihm ursprünglich selbst prognostizierten Gewinn erzielte. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dem Kläger ist für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht unter Beiordnung von Rechtsanwältin M B Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn die Rechtsverfolgung des Klägers hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg und war auch nicht mutwillig (vgl. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO-). Die mit Schriftsatz vom 5. Februar 2008 erhobene Untätigkeitsbeschwerde ist unzulässig, denn es handelt sich um ein jedenfalls im sozialgerichtlichen Verfahren (bisher) nicht vorgesehenes Rechtsmittel (BSG, Beschluss vom 4. September 2007 - B 2 U 308/06 B - = zur Veröffentlichung im SozR vorgesehen). Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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