L 8 R 1244/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 R 524/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 1244/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung höherer Altersrente. Der Kläger ist 1923 geboren worden. Im Juni 1945 heiratete er die 1914 geborene E K (im Folgenden: Ausgleichsberechtigte). Diese bezog ab 1. August 1977 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und später Altersruhegeld von der damaligen Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen. Die Ehe des Klägers mit der Ausgleichsberechtigten wurde durch Urteil des Amtsgerichts B-B vom 14. Dezember 1981 (Az.:) geschieden, das am 9. Februar 1982 rechtskräftig wurde. In dem Urteil wurde bestimmt, dass als Versorgungsausgleich vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten Rentenanwartschaften in Höhe von 625,35 DM monatlich, bezogen auf den 30. September 1980, auf das Versicherungskonto der Ausgleichsberechtigten bei der Landesversicherungsanstalt O-B zu übertragen seien. Die Rentenleistung an die Ausgleichsberechtigte wurde erstmals im März 1982 unter Berücksichtigung der übertragenen Rentenanwartschaften ausgezahlt. Auf seinen Antrag hin gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. Juni 1983 vorzeitiges Altersruhegeld. Als Zahlbetrag, um den sich die Jahresrente unter Berücksichtigung des festgelegten Versorgungsausgleichs minderte, errechnete die Beklagte auf Grund von § 83a Angestelltenversicherungsgesetz einen Betrag von jährlich 8.253,57 DM. Der Zahlbetrag seiner Rente belief sich anfangs auf 949,10 DM und lag seit April 2007 bei 742,80 EUR. Die Ausgleichsberechtigte verstarb im November 2000. Nachdem die Beklagte von der Landesversicherungsanstalt O-B eine Auskunft zum Rentenbezug der Ausgleichsberechtigten eingeholt hatte, prüfte sie, ob ein Rückausgleich der Rentenanwartschaften zu Gunsten des Klägers gemäß § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vorzunehmen war. Sie kam zu dem Ergebnis, dass der im Gesetz vorgesehene Grenzbetrag allein durch den Leistungsbezug der Ausgleichsberechtigten von 18 Jahren und 9 Monaten überschritten sei und es deshalb bei der Kürzung der Rente verbleiben müsse (Vermerk vom 14. Februar 2001). Dem Kläger wurde hierzu nichts mitgeteilt. Im Juni 2005 wandte sich der Kläger an die Beklagte. Er habe vor kurzem erfahren, dass die Ausgleichsberechtigte gestorben sei. Damit sei er ihr auch nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet und müsse jetzt seine Rente voll gezahlt bekommen. Auf den Anspruch auf volle Auszahlung habe er niemals verzichtet. Durch Bescheid vom 6. Juli 2005 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Rente ohne Kürzung um die auf die Ausgleichsberechtigte übertragene Rentenanwartschaft zu gewähren. Nach dem Tod einer Ausgleichsberechtigten sei die Rente des Ausgleichspflichtigen nur dann nicht um die Rentenanwartschaft zu kürzen, die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragen worden sei, wenn hieraus überhaupt keine Leistungen oder nur solche gewährt worden seien, die einen bestimmten Grenzbetrag nicht überstiegen. Der Grenzbetrag sei aber überschritten, weil der Ausgleichsberechtigten für die Zeit vom 1. März 1982 bis zum 30. November 2000 Regelaltersrente gewährt worden sei. Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er nicht einsehe, aus welchem Grund seine Rente sein Leben lang gekürzt werde, obwohl es keine Begünstigte mehr gebe. Das Gesetz schreibe nichts davon und er lebe auf Grund der Kürzung "am Rande des Sozialfalls". Durch Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach der Gesetzeslage sei eine andere Entscheidung nicht möglich. Mit seiner Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Über seinen bisherigen Vortrag hinaus hat er ausgeführt, dass es paradox sei, wenn er wegen der Kürzung der Rente zum Sozialfall werde, obwohl die volle Rente es ihm erlauben würde, gut zu leben und niemandem zur Last zu fallen. Durch Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide entsprächen den gesetzlichen Vorschriften. Gegen die anzuwendende Vorschrift des § 4 VAHRG bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bendenken. Das Bundesverfassungsgericht habe die Härteregelung einschließlich der in § 4 Abs. 2 VAHRG vorgesehenen Pauschalierung als ausreichend angesehen, um das Opfer des Ausgleichsverpflichteten erträglich zu machen. Sein Eigentumsrecht an den Rentenanwartschaften, die der Ausgleichsberechtigten zugeordnet worden seien, habe der Kläger bereits im Zeitpunkt der Übertragung verloren. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Letztmalig sei die Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Jahr 1989 geklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht habe damals aber nicht berücksichtigt, dass die Lebenserwartung der Ausgleichspflichtigen statistisch deutlich steigen werde und sie deshalb voraussichtlich über deutlich längere Zeit mit der gekürzten Rentenleistung leben müssten. Der Kläger beantragt der Sache nach, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Dezember 2000 Altersrente unter Berücksichtigung von Rentenanwartschaften, die am 30. September 1980 den Gegenwert von 625,35 DM hatten, zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte Altersrente unter Berücksichtigung der Rentenanwartschaften gewährt, die der Ausgleichsberechtigten durch das im Februar 1982 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts B-B übertragen worden waren. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente unter Berücksichtigung der 1982 an die Ausgleichsberechtigte übertragenen Rentenanwartschaften des Klägers kann sich nur aus einem Rückausgleichsanspruch gemäß § 4 VAHRG ergeben. Der Tod der Ausgleichsberechtigten bewirkt nicht im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Bewilligung der Rentenleistung an den Kläger vorgelegen haben. Vielmehr führt der Ausgleichsanspruch nach § 4 VAHRG dazu, dass der Ausgleichsverpflichtete so zu stellen ist, als habe der Versorgungsausgleich nie stattgefunden (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 – B 13 R 33/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, im Anschluss an BSG SozR 3-5795 § 4 Nr. 7). Die Voraussetzungen für einen Rückausgleichsanspruch nach § 4 VAHRG sind jedoch nicht erfüllt, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Die Ausgleichsberechtigte hat vor ihrem Tod Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, weshalb § 4 Abs. 1 VAHRG nicht zu Gunsten des Klägers wirkt. Aber auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 VAHRG liegen nicht vor. Danach wird die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die Ausgleichsberechtigte gestorben ist und aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden, die insgesamt zwei Jahresbeiträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors berechneten Vollrente wegen Alters aus der allgemeinen Rentenversicherung aus dem erworbenen Anrecht (Grenzbetrag) nicht übersteigen; jedoch sind die gewährten Leistungen auf die sich ergebende Erhöhung anzurechnen. Die Ausgleichsberechtigte hatte über mehr als 18 Jahre Rentenleistungen als Vollrente unter Berücksichtigung der auf sie übertragenen Rentenanwartschaft bezogen. Gemäß § 64 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ergibt sich der (anfängliche) Monatsbetrag der Rente, wenn (1.) die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (§ 66 SGB VI), (2.) der Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) und (3.) der aktuelle Rentenwert (§ 68 SGB VI) miteinander vervielfältigt werden (sogenannte Rentenformel). Selbst wenn, wie § 4 Abs. 2 VAHRG es vorschreibt, der Zugangsfaktor nicht berücksichtigt wird, ergibt sich mit Blick darauf, dass sich der aktuelle Rentenwert seit 1992 bis zum 1. Juli 2000 lediglich von 41,44 DM auf 48,58 DM erhöht hatte, zwangsläufig, dass der Grenzbetrag auf Grund der Dauer des Rentenbezuges der Ausgleichsberechtigten überschritten ist. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung bestehen nicht, auch insoweit folgt der Senat dem Sozialgericht, das sich zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt hat (s. im besonderen dessen 1989 ergangenes Urteil in BVerfGE 80, 297 ff.). Dieser ist weiterhin zu folgen, weil sich Umstände, die eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung rechtfertigen könnten, nicht ergeben. Vor allem hat keine Bedeutung, ob die Lebenserwartung der Ausgleichsverpflichteten sich seit der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nennenswert erhöht hat. Selbst wenn dem Kläger in seinem Ansatz gefolgt würde, dass der Gesetzgeber Ausgleichsverpflichtete nicht "lebenslang" davon ausschließen dürfe, nach dem Tod der Ausgleichsberechtigten wieder eine eigene Rente aus den im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Anwartschaften zu erhalten, könnte das von Verfassungs wegen nicht den begehrten Anspruch begründen. Denn es ist nicht erkennbar, warum der Gesetzgeber verpflichtet sein sollte, den Rückausgleich der Versorgungsanwartschaften unmittelbar nach dem Tod der Ausgleichsberechtigten zumindest für den Fall vorzusehen, dass – wie hier – keine Ansprüche auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung der Ausgleichsberechtigten entstanden sind: Wenn aus den übertragenen Rentenanwartschaften Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung an die Ausgleichsberechtigte gezahlt worden sind, wäre es verfassungsrechtlich jedenfalls unbedenklich, die von der Ausgleichsberechtigten aus den übertragenen Rentenanwartschaften bezogenen Leistungen auf die Erhöhung der Rentenleistung des Ausgleichsverpflichteten anzurechnen. Das schlösse höhere Rentenansprüche des Klägers angesichts des mehr als 18 Jahre dauernden Rentenbezugs der Ausgleichsberechtigen ebenfalls derzeit und in absehbarer Zukunft aus. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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