Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AS 25711/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 211/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist zulässig gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung – ZPO -).
Hiervon ausgehend ist für den vorliegend allein strittigen Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 jedenfalls ein Anordnungsgrund zu verneinen.
Dies gilt einerseits für die Zeit vor der Beschwerdeentscheidung des Senats (4. März 2008).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Beschlüsse vom 05. Februar 2008, Az: L 25 B 146/08 AS ER, vom 23. Januar 2008, Az: L 25 B 43/08 AS ER, und vom 16. Januar 2008, Az: L 25 B 2274/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen den Antragstellern keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn ihrem Begehren auf Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen über den monatlichen Betrag von 889,87 EUR hinaus für vergangene Zeiträume nicht sofort entsprochen wird. Weder aufgrund des Vortrags der Antragsteller noch sonst sind schwerwiegende Nachteile ersichtlich, die ausnahmsweise in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Sachprüfung eines Anspruchs auch für vergangene Zeiträume rechtfertigen könnten.
Auch für die Zeit ab der Beschwerdeentscheidung des Senats (4. März 2008) fehlt es an einem Anordnungsgrund. Der unerlässliche Bedarf der Antragsteller zum Lebensunterhalt in Höhe der für sie insgesamt anzusetzenden Regelleistungen von 624,- EUR monatlich ist durch die von dem Antragsgegner gewährten monatlichen Leistungen von 889,87 EUR abgesichert. Mit dem darüber hinausgehenden Betrag von monatlich 265,87 EUR (889,87 EUR abzüglich 624,- EUR) sind die Antragsteller zwar nicht mehr in der Lage, ihre derzeitigen Kosten für Unterkunft (einschließlich) Nebenkosten und Heizung in Höhe von monatlich 694,80 EUR vollständig abzudecken. Dies allein rechtfertigt den Erlass der begehrten einstweiligen Regelung auf Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für den allein hier noch in Betracht kommenden Zeitraum vom 04. bis zum 31. März 2008 (Ablauf des hier streitigen Bewilligungszeitraums) jedoch nicht. Denn es ist insbesondere trotz der schon seit mehreren Monaten bestehenden Unterdeckung nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass bislang Miet- oder Zahlungsrückstände von nennenswertem Umfang aufgetreten oder bis zu dem in Kürze bevorstehenden Ende des Bewilligungszeitraumes konkret zu besorgen sind.
Auch unter dem Gesichtspunkt der dauerhaften Sicherung des Wohnungserhalts für die Antragsteller ist dem Senat ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Die Kosten der Unterkunft der Antragsteller sind erheblich überhöht und werden von dem Antragsgegner – zu Recht – nur noch bis zum Ablauf eines sechsmonatigen Übergangszeitraums hingenommen, der spätestens am 31. März 2008 endet. Es steht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass spätestens mit Beginn des folgenden Bewilligungszeitraums nur noch erheblich niedrigere Wohnkosten durch den Antragsgegner übernommen werden und bereits aus diesem Grunde der weitere Erhalt der bestehenden Wohnung den Antragstellern nicht möglich sein wird. Vorläufige Maßnahmen, die allein den weiteren Erhalt der Wohnung zum Ziel haben könnten, sind vor diesem Hintergrund nicht geboten.
Im Hinblick hierauf kann die Klärung des – allerdings gleichwohl zweifelhaften – Anordnungsanspruchs dahinstehen und muss ggf. einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist zulässig gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung – ZPO -).
Hiervon ausgehend ist für den vorliegend allein strittigen Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 jedenfalls ein Anordnungsgrund zu verneinen.
Dies gilt einerseits für die Zeit vor der Beschwerdeentscheidung des Senats (4. März 2008).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Beschlüsse vom 05. Februar 2008, Az: L 25 B 146/08 AS ER, vom 23. Januar 2008, Az: L 25 B 43/08 AS ER, und vom 16. Januar 2008, Az: L 25 B 2274/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen den Antragstellern keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn ihrem Begehren auf Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen über den monatlichen Betrag von 889,87 EUR hinaus für vergangene Zeiträume nicht sofort entsprochen wird. Weder aufgrund des Vortrags der Antragsteller noch sonst sind schwerwiegende Nachteile ersichtlich, die ausnahmsweise in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Sachprüfung eines Anspruchs auch für vergangene Zeiträume rechtfertigen könnten.
Auch für die Zeit ab der Beschwerdeentscheidung des Senats (4. März 2008) fehlt es an einem Anordnungsgrund. Der unerlässliche Bedarf der Antragsteller zum Lebensunterhalt in Höhe der für sie insgesamt anzusetzenden Regelleistungen von 624,- EUR monatlich ist durch die von dem Antragsgegner gewährten monatlichen Leistungen von 889,87 EUR abgesichert. Mit dem darüber hinausgehenden Betrag von monatlich 265,87 EUR (889,87 EUR abzüglich 624,- EUR) sind die Antragsteller zwar nicht mehr in der Lage, ihre derzeitigen Kosten für Unterkunft (einschließlich) Nebenkosten und Heizung in Höhe von monatlich 694,80 EUR vollständig abzudecken. Dies allein rechtfertigt den Erlass der begehrten einstweiligen Regelung auf Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für den allein hier noch in Betracht kommenden Zeitraum vom 04. bis zum 31. März 2008 (Ablauf des hier streitigen Bewilligungszeitraums) jedoch nicht. Denn es ist insbesondere trotz der schon seit mehreren Monaten bestehenden Unterdeckung nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass bislang Miet- oder Zahlungsrückstände von nennenswertem Umfang aufgetreten oder bis zu dem in Kürze bevorstehenden Ende des Bewilligungszeitraumes konkret zu besorgen sind.
Auch unter dem Gesichtspunkt der dauerhaften Sicherung des Wohnungserhalts für die Antragsteller ist dem Senat ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Die Kosten der Unterkunft der Antragsteller sind erheblich überhöht und werden von dem Antragsgegner – zu Recht – nur noch bis zum Ablauf eines sechsmonatigen Übergangszeitraums hingenommen, der spätestens am 31. März 2008 endet. Es steht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass spätestens mit Beginn des folgenden Bewilligungszeitraums nur noch erheblich niedrigere Wohnkosten durch den Antragsgegner übernommen werden und bereits aus diesem Grunde der weitere Erhalt der bestehenden Wohnung den Antragstellern nicht möglich sein wird. Vorläufige Maßnahmen, die allein den weiteren Erhalt der Wohnung zum Ziel haben könnten, sind vor diesem Hintergrund nicht geboten.
Im Hinblick hierauf kann die Klärung des – allerdings gleichwohl zweifelhaften – Anordnungsanspruchs dahinstehen und muss ggf. einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
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