Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 3695/96 W05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 B 1167/07 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
keine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren gegen die Aussetzung nach § 114 SGG
Auf die Beschwerde der Klägerin wir der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2007 aufgehoben.
Gründe:
I.
Streitig ist die Aussetzung des erstinstanzlichen Verfahrens. In diesem begehrt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des 1998 verstorbenen Versicherten E R die teilweise Aufhebung von Feststellungen mit erteilten Entgeltbescheiden durch die Beklagte als Versorgungsträger. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30. Juni 1995 Beschäftigungszeiten des Verstorbenen als Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1 Nr. 19 zu § 1 Abs. 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz AAÜG ) vom 01. Juni 1950 bis 31. März 1984 festgestellt und dabei die Anwendung besonderer Beitragsbemessungsgrenzen ausgewiesen. Ein hiergegen erhobener Widerspruch ist mit Bescheid vom 05. Juli 1996 zurückgewiesen worden. Mit seiner daraufhin am 16. Juli 1996 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger, sein erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem für die Rentenberechnung unbegrenzt zu berücksichtigen (Klageantrag vom 16. Juli 1996). Im bisherigen Verfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 09. April 1997 für die Zeit eines Rentenbezuges ab 01. Januar 1997 nur noch eine Begrenzung der Entgelte unterhalb der Anlage 3 AAÜG für den Zeitraum vom 01. März 1961 bis 31. Dezember 1972 verfügt, mit Bescheid vom 05. September 2002 hat sie diese Feststellungen für den Zeitraum eines Rentenbezuges ab 01. Juli 1993 erweitert. Mit einem weiteren Bescheid vom 10. März 2006 hat die Beklagte die Feststellung des Bescheides vom 09. April 1997 in der Fassung des Bescheides vom 05. September 2002 für die Zeit ab 01. Juli 1993 hinsichtlich des festgestellten Zeitraums vom 12. Dezember 1972 bis 31. Dezember 1972 insoweit aufgehoben, als eine Begrenzung der Entgelte unterhalb der Anlage 3 festgestellt worden war.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2007 hat das Sozialgericht Berlin das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juni 2006 (S 35 RA 5653/97 W 05) ausgesetzt und u. a. ausgeführt, die Klage werde nicht für unzulässig gehalten. Es könne nur noch zulässig streitig sein, ob der Tatbestand der Tätigkeit eines stellvertretenden Ministers ein verfassungsgemäßer Anknüpfungspunkt für eine (grundsätzlich verfassungsgemäße) Begrenzung nach § 6 Abs. 2 AAÜG sein könne. Da aber nach der Rechtsprechung des BSG der Versorgungsträger über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen entscheide, sei die behauptete Verfassungswidrigkeit im Gerichtsverfahren mit dem Versorgungsträger zu klären. Die Klage sei auch zum Zeitpunkt der Aussetzung des Rechtsstreits nicht unbegründet. Die Entscheidung des BVerfG bleibe abzuwarten.
Gegen den am 30. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 16. August 2007 Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses begehrt. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits lägen nicht vor. Eine Aussetzung dürfe nur in besonderen Verfahrenskonstellationen erfolgen, hierzu zähle eine Aussetzung im Hinblick auf ein anderes, beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren nicht. Das Fachgericht müsse vielmehr die streitgegenständliche Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG in eigener Kompetenz einer abschließenden Prüfung und Beurteilung unterziehen und könne diese Aufgabe nicht einem anderen Fachgericht überlassen. Erst danach könne das Verfahren nach Maßgabe von Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz GG ausgesetzt werden. Dadurch werde sichergestellt, dass dem BVerfG die maßgeblichen einfach-rechtlichen Auswirkungen dargelegt und eine abschließende fachgerichtliche Beurteilung vermittelt werde. Auch nach der Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 zum Az. B 4 RS 7/06 und der Änderung der Rechtsprechungspraxis sei eine zügige Entscheidung des Sozialgerichts angebracht. Die Klägerin sei seit vielen Jahren von den Gerichten und der Beklagten als Rentenversicherungsträger auf die Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits gegen den Versorgungsträger hingewiesen und zur Führung von zwei gesonderten Verfahren, nämlich gegen den Rentenversicherungsträger und gegen den Versorgungsträger, hingewiesen worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2007 aufzuheben.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Sozialgericht zu einer den Rechtsstreit beendenden Entscheidung hätte kommen müssen, da die Klage bereits im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 20. Dezember 2001 (B 4 RA 6/01 R) unzulässig sei. Das eigentliche Klagebegehren gehe dahin, von einer Begrenzung der mit dem Bescheid mitgeteilten Entgelte Abstand zu nehmen. Ein solches Begehren könne zulässig nur gegen den Rentenversicherungsträger gerichtet sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die beigezogene Gerichtsakte aus dem Rechtsstreit S 97 RA 2077/01 W 05 verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit zu Unrecht ausgesetzt.
Grundlage der Aussetzung des Rechtsstreits kann hier allein, da die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG – (Vorgreiflichkeit einer Entscheidung in einem familien- oder erbrechtlichen Verhältnis, abzuwartendes Strafverfahren) nicht vorliegen, § 114 Abs. 2 SGG sein, wonach das Gericht die Verhandlung aussetzen kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch ebenfalls nicht vor. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht über die ihm vom Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 09. Juni 2006 zum Aktenzeichen S 35 RA 5653/97 nach Art. 100 Grundgesetz – GG – vorgelegte Frage zur Vereinbarkeit des § 6 Abs. 2 AAÜG mit dem Grundgesetz betrifft kein "Rechtsverhältnis" im Sinne des § 114 Abs. 2 SGG, sondern eine Rechtsfrage (vgl. BSG v. 04.02.1997, 2 BU 316/96, juris Rn. 6; Bayerisches LSG v. 06.07.1987, L 8 B 107/87, NZA 1988, 413; zu § 148 ZPO: Hessisches LAG v. 20.04.2007, 11 Ta 631/06, juris; OLG München v. 14.02.2000, 14 W 280/99, BB 2000, 1061; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl.2005, § 114 Rn. 7b m.w.N.; Kolmetz in: Jansen, SGG, Kommentar, 2. Aufl. 2005, § 114 Rn. 7, m.w.N.). Diese Rechtsfrage ist vom angerufenen Gericht zu entscheiden. Unzutreffend geht das Sozialgericht hier davon aus, dass der Rechtsstreit von ihm ohne die ausstehende Entscheidung des BVerfG über die Richtervorlage nicht entschieden werden kann und deshalb der Rechtsstreit auszusetzen war. Soweit das Sozialgericht im vorliegenden Fall von der Verfassungswidrigkeit des nach seiner Auffassung anzuwenden Rechts ausgeht, sieht Art. 100 GG vor, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Eine Aussetzung des Rechtsstreits ohne Vorlage an das BVerfG ist weder in Art. 100 GG noch in § 114 SGG vorgesehen, so dass das Gericht, soweit kein Ruhen des Verfahrens auf Antrag der Beteiligten nach § 202 SGG in Verbindung mit § 251 ZPO angeordnet wird, den Rechtsstreit grundsätzlich, auch wenn die zu klärende Rechtsfrage dem BVerfG bereits in einem anderen Verfahren zur Prüfung vorliegt, einer Entscheidung zuführen muss (Kolmetz, a.a.O.).
Ob eine Aussetzung ausnahmsweise dann in analoger Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG aus prozessökonomischen Gründen dann in Betracht zu ziehen ist, wenn wegen der entscheidungserheblichen Frage schon mehrere Verfahren vor dem BVerfG anhängig sind und mit einer Entscheidung des BVerfG in absehbarer Zeit gerechnet werden kann (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung) konnte der Senat dahinstehen lassen. Nach den Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss ist zu der vom Gericht angenommenen entscheidungserheblichen rechtlichen Vorfrage (Vereinbarkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG mit dem GG) lediglich ein Vorlagebeschluss anhängig. Allein die Anhängigkeit eines Verfahrens beim BVerfG genügt nicht, um die Vorgreiflichkeit für die Aussetzung eines anderen Verfahrens zu begründen (Thüringer LSG vom 29. Juli 2004, L 2 RA 461/04, juris). Aus der Garantie des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass jeder Prozessbeteiligte Anspruch auf eine Entscheidung seines Rechtsstreits hat und nicht an einen fremden Prozess gebunden wird. Dieser Anspruch kann – wenn überhaupt – nur dann über die in § 114 SGG vorgesehene Fälle hinaus eine Einschränkung erfahren, wenn dies durch schwerwiegende prozessökonomische Gründe gerechtfertigt erscheint. Dies mag angenommen werden, wenn das Aussetzen des Rechtsstreits ein "Überschwemmen" des BVerfG mit einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle verhindern hilft. Ist das BVerfG hinsichtlich der zu entscheidenden Rechtsfrage nur mit einem Vorlagebeschluss befasst, kommt im Hinblick auf diesen die Aussetzung des Rechtsstreits in analoger Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG jedenfalls nicht in Betracht (vgl. auch: Bayerisches LSG vom 03. Juli 2001, L 19 B 293/00 RJ).
Da damit unter keinem Gesichtspunkt ein Tatbestand des § 114 SGG für eine Aussetzung des Rechtsstreits erfüllt war, war für eine - hier vom Sozialgericht auch nicht erkennbar vorgenommene - Ausübung des Ermessens kein Raum.
Diese Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Aussetzung des erstinstanzlichen Verfahrens. In diesem begehrt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des 1998 verstorbenen Versicherten E R die teilweise Aufhebung von Feststellungen mit erteilten Entgeltbescheiden durch die Beklagte als Versorgungsträger. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30. Juni 1995 Beschäftigungszeiten des Verstorbenen als Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1 Nr. 19 zu § 1 Abs. 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz AAÜG ) vom 01. Juni 1950 bis 31. März 1984 festgestellt und dabei die Anwendung besonderer Beitragsbemessungsgrenzen ausgewiesen. Ein hiergegen erhobener Widerspruch ist mit Bescheid vom 05. Juli 1996 zurückgewiesen worden. Mit seiner daraufhin am 16. Juli 1996 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger, sein erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem für die Rentenberechnung unbegrenzt zu berücksichtigen (Klageantrag vom 16. Juli 1996). Im bisherigen Verfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 09. April 1997 für die Zeit eines Rentenbezuges ab 01. Januar 1997 nur noch eine Begrenzung der Entgelte unterhalb der Anlage 3 AAÜG für den Zeitraum vom 01. März 1961 bis 31. Dezember 1972 verfügt, mit Bescheid vom 05. September 2002 hat sie diese Feststellungen für den Zeitraum eines Rentenbezuges ab 01. Juli 1993 erweitert. Mit einem weiteren Bescheid vom 10. März 2006 hat die Beklagte die Feststellung des Bescheides vom 09. April 1997 in der Fassung des Bescheides vom 05. September 2002 für die Zeit ab 01. Juli 1993 hinsichtlich des festgestellten Zeitraums vom 12. Dezember 1972 bis 31. Dezember 1972 insoweit aufgehoben, als eine Begrenzung der Entgelte unterhalb der Anlage 3 festgestellt worden war.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2007 hat das Sozialgericht Berlin das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juni 2006 (S 35 RA 5653/97 W 05) ausgesetzt und u. a. ausgeführt, die Klage werde nicht für unzulässig gehalten. Es könne nur noch zulässig streitig sein, ob der Tatbestand der Tätigkeit eines stellvertretenden Ministers ein verfassungsgemäßer Anknüpfungspunkt für eine (grundsätzlich verfassungsgemäße) Begrenzung nach § 6 Abs. 2 AAÜG sein könne. Da aber nach der Rechtsprechung des BSG der Versorgungsträger über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen entscheide, sei die behauptete Verfassungswidrigkeit im Gerichtsverfahren mit dem Versorgungsträger zu klären. Die Klage sei auch zum Zeitpunkt der Aussetzung des Rechtsstreits nicht unbegründet. Die Entscheidung des BVerfG bleibe abzuwarten.
Gegen den am 30. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 16. August 2007 Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses begehrt. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits lägen nicht vor. Eine Aussetzung dürfe nur in besonderen Verfahrenskonstellationen erfolgen, hierzu zähle eine Aussetzung im Hinblick auf ein anderes, beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren nicht. Das Fachgericht müsse vielmehr die streitgegenständliche Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG in eigener Kompetenz einer abschließenden Prüfung und Beurteilung unterziehen und könne diese Aufgabe nicht einem anderen Fachgericht überlassen. Erst danach könne das Verfahren nach Maßgabe von Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz GG ausgesetzt werden. Dadurch werde sichergestellt, dass dem BVerfG die maßgeblichen einfach-rechtlichen Auswirkungen dargelegt und eine abschließende fachgerichtliche Beurteilung vermittelt werde. Auch nach der Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 zum Az. B 4 RS 7/06 und der Änderung der Rechtsprechungspraxis sei eine zügige Entscheidung des Sozialgerichts angebracht. Die Klägerin sei seit vielen Jahren von den Gerichten und der Beklagten als Rentenversicherungsträger auf die Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits gegen den Versorgungsträger hingewiesen und zur Führung von zwei gesonderten Verfahren, nämlich gegen den Rentenversicherungsträger und gegen den Versorgungsträger, hingewiesen worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2007 aufzuheben.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Sozialgericht zu einer den Rechtsstreit beendenden Entscheidung hätte kommen müssen, da die Klage bereits im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 20. Dezember 2001 (B 4 RA 6/01 R) unzulässig sei. Das eigentliche Klagebegehren gehe dahin, von einer Begrenzung der mit dem Bescheid mitgeteilten Entgelte Abstand zu nehmen. Ein solches Begehren könne zulässig nur gegen den Rentenversicherungsträger gerichtet sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die beigezogene Gerichtsakte aus dem Rechtsstreit S 97 RA 2077/01 W 05 verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit zu Unrecht ausgesetzt.
Grundlage der Aussetzung des Rechtsstreits kann hier allein, da die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG – (Vorgreiflichkeit einer Entscheidung in einem familien- oder erbrechtlichen Verhältnis, abzuwartendes Strafverfahren) nicht vorliegen, § 114 Abs. 2 SGG sein, wonach das Gericht die Verhandlung aussetzen kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch ebenfalls nicht vor. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht über die ihm vom Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 09. Juni 2006 zum Aktenzeichen S 35 RA 5653/97 nach Art. 100 Grundgesetz – GG – vorgelegte Frage zur Vereinbarkeit des § 6 Abs. 2 AAÜG mit dem Grundgesetz betrifft kein "Rechtsverhältnis" im Sinne des § 114 Abs. 2 SGG, sondern eine Rechtsfrage (vgl. BSG v. 04.02.1997, 2 BU 316/96, juris Rn. 6; Bayerisches LSG v. 06.07.1987, L 8 B 107/87, NZA 1988, 413; zu § 148 ZPO: Hessisches LAG v. 20.04.2007, 11 Ta 631/06, juris; OLG München v. 14.02.2000, 14 W 280/99, BB 2000, 1061; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl.2005, § 114 Rn. 7b m.w.N.; Kolmetz in: Jansen, SGG, Kommentar, 2. Aufl. 2005, § 114 Rn. 7, m.w.N.). Diese Rechtsfrage ist vom angerufenen Gericht zu entscheiden. Unzutreffend geht das Sozialgericht hier davon aus, dass der Rechtsstreit von ihm ohne die ausstehende Entscheidung des BVerfG über die Richtervorlage nicht entschieden werden kann und deshalb der Rechtsstreit auszusetzen war. Soweit das Sozialgericht im vorliegenden Fall von der Verfassungswidrigkeit des nach seiner Auffassung anzuwenden Rechts ausgeht, sieht Art. 100 GG vor, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Eine Aussetzung des Rechtsstreits ohne Vorlage an das BVerfG ist weder in Art. 100 GG noch in § 114 SGG vorgesehen, so dass das Gericht, soweit kein Ruhen des Verfahrens auf Antrag der Beteiligten nach § 202 SGG in Verbindung mit § 251 ZPO angeordnet wird, den Rechtsstreit grundsätzlich, auch wenn die zu klärende Rechtsfrage dem BVerfG bereits in einem anderen Verfahren zur Prüfung vorliegt, einer Entscheidung zuführen muss (Kolmetz, a.a.O.).
Ob eine Aussetzung ausnahmsweise dann in analoger Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG aus prozessökonomischen Gründen dann in Betracht zu ziehen ist, wenn wegen der entscheidungserheblichen Frage schon mehrere Verfahren vor dem BVerfG anhängig sind und mit einer Entscheidung des BVerfG in absehbarer Zeit gerechnet werden kann (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung) konnte der Senat dahinstehen lassen. Nach den Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss ist zu der vom Gericht angenommenen entscheidungserheblichen rechtlichen Vorfrage (Vereinbarkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG mit dem GG) lediglich ein Vorlagebeschluss anhängig. Allein die Anhängigkeit eines Verfahrens beim BVerfG genügt nicht, um die Vorgreiflichkeit für die Aussetzung eines anderen Verfahrens zu begründen (Thüringer LSG vom 29. Juli 2004, L 2 RA 461/04, juris). Aus der Garantie des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass jeder Prozessbeteiligte Anspruch auf eine Entscheidung seines Rechtsstreits hat und nicht an einen fremden Prozess gebunden wird. Dieser Anspruch kann – wenn überhaupt – nur dann über die in § 114 SGG vorgesehene Fälle hinaus eine Einschränkung erfahren, wenn dies durch schwerwiegende prozessökonomische Gründe gerechtfertigt erscheint. Dies mag angenommen werden, wenn das Aussetzen des Rechtsstreits ein "Überschwemmen" des BVerfG mit einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle verhindern hilft. Ist das BVerfG hinsichtlich der zu entscheidenden Rechtsfrage nur mit einem Vorlagebeschluss befasst, kommt im Hinblick auf diesen die Aussetzung des Rechtsstreits in analoger Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG jedenfalls nicht in Betracht (vgl. auch: Bayerisches LSG vom 03. Juli 2001, L 19 B 293/00 RJ).
Da damit unter keinem Gesichtspunkt ein Tatbestand des § 114 SGG für eine Aussetzung des Rechtsstreits erfüllt war, war für eine - hier vom Sozialgericht auch nicht erkennbar vorgenommene - Ausübung des Ermessens kein Raum.
Diese Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
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