L 26 B 260/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 33612/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 260/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2008 insoweit geändert, als die vorläufig zu zahlenden Leistungen als Zuschuss zu erbringen sind. Der Antragsgegner hat der Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit ihrer statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. Januar 2008, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, hat sich die Antragstellerin dagegen gewandt, dass das SG den Antragsgegner auf ihren Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz hin lediglich zur darlehensweisen (vorläufigen) Zahlung der von ihr begehrten (weiteren) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verpflichtet hat. Das SG ist dabei davon ausgegangen, dass neben den von dem Antragsgegner für den streitigen Zeitraum bereits bewilligten Leistungen nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorläufig (längstens bis zum 30. Juni 2008) weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in (im Beschwerdeverfahren nicht angegriffener) Höhe von monatlich 343,00 Euro zu gewähren sind, diese jedoch nur darlehensweise zu zahlen seien. Die Darlehensgewährung rechtfertige sich daraus, dass zweifelhaft und im Hauptsacheverfahren zu klären sei, ob die Antragstellerin die von ihr bewohnte Eigentumswohnung im Hinblick auf deren unangemessene Größe zu verwerten habe und damit (entsprechend verfügbares, nicht geschütztes Barvermögen vorausgesetzt) die Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit §§ 9, 12 SGB II entfalle.

Mit der Beschwerde hiergegen hat die Antragstellerin Erfolg.

Grundsätzlich kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine darlehensweise Gewährung anstelle der begehrten Leistungen als Zuschuss in Betracht. Dies folgt schon aus § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach das Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen hat, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Einer entsprechenden Ermächtigungsnorm im materiellen Recht bedarf es nicht. Allerdings bietet die Gewährung des Darlehens gegenüber der vorläufigen Gewährung der Leistung als Zuschuss in der Rückabwicklungssituation, also für den Fall, dass der Antragsteller in der Hauptsache unterliegt und ein Anspruch auf Leistungen nicht besteht, kaum praktische Vorteile. Soweit Leistungen nach dem SGB II im Streit sind, sieht der Senat einen Anwendungsbereich - wie im Ausgangspunkt auch das SG - nur dort, wo Vermögen vorhanden ist, dessen sofortige Verwertung deshalb nicht Betracht kommt, weil erst im Hauptsacheverfahren endgültig geklärt werden kann, ob der Vermögensgegenstand nach § 12 Abs. 3 SGB II geschützt ist oder seine Verwertung zumutbar ist. Sofern ein Vermögensgegenstand im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens verwertbar ist, wäre es dem Betroffenen dann möglich und zumutbar, aus dem Erlös des dann zu verwertenden Vermögensgegenstands die gewährten Leistungen zurückzuzahlen (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B, NJW 2006, 719; zum Ganzen Groth, NJW 2007, 2294, 2296). Es wird in diesen Fällen zur Sicherung des Zwecks der einstweiligen Anordnung sinnvoll sein, die Darlehensgewährung von einer dinglichen oder anderen Sicherung abhängig zu machen. Eine solche Anordnung entspricht dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 5 SGB II, wenngleich dessen unmittelbarer Anwendungsbereich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig deshalb nicht eröffnet ist, weil gerade nicht feststeht, dass der betreffende Vermögensgegenstand verwertbar (§ 12 Abs. 1 SGB II) und von der Berücksichtigung nicht ausgenommen (§ 12 Abs. 2 und 3 SGB II) ist (zu diesen Voraussetzungen Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 9 RdNr. 117 und § 23 RdNr. 516).

Vorliegend ist die Anordnung einer lediglich darlehensweisen Zahlung nach diesen Grundsätzen jedoch nicht erforderlich. Da mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Wohnung der Antragstellerin nicht verwertbar erscheint, ist die Belastung der Antragstellerin durch Gewährung eines Darlehens nicht verhältnismäßig. Die Wohnung, die im Eigentum der Antragstellerin steht, ist mit einem lebenslangen Nießbrauch (vgl. § 1030 Bürgerliches Gesetzbuch) zugunsten der Mutter der Antragstellerin belastet, was die Antragstellerin durch die Vorlage eines Grundbuchauszuges glaubhaft gemacht hat. Das Bundessozialgericht hat in einem entsprechend gelagerten Fall mit Urteil vom 6. Dezember 2007 (- B 14/7b AS 46/06 R -; zitiert nach der Pressemitteilung) entschieden, dass ein mit einem lebenslangen Nießbrauchrecht eines Elternteils belastetes Grundstück nicht zum verwertbaren Vermögen des Hilfebedürftigen gehöre. Die Entscheidungsgründe dieses Urteils liegen zwar noch nicht vor, so dass nicht abschließend entschieden werden kann, ob der vorliegende Fall in sämtlichen Punkten vergleichbar ist und die Wohnung - wenn sie aus den vom SG dargelegten Gründen im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens nicht als selbstbewohntes Eigentum geschützt wäre - wegen des eingetragenen Nießbrauches als unverwertbar gelten muss. Es spricht aber angesichts der Entscheidung mehr für eine Unverwertbarkeit als dagegen. Im Übrigen scheidet eine weitergehende Absicherung des Antragsgegners durch eine dingliche Sicherung im vorliegenden Fall offenbar aus. Neben dem Nießbrauch ist die Wohnung auch mit einem Grundpfandrecht belastet, so dass eine weitere dingliche Belastung nicht sinnvoll erscheint und vom Antragsgegner offenbar auch nicht angestrebt wird. Nach Abwägung der Interessen war die Anordnung des SG einer lediglich dalehensweisen Zahlung daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei kein Anlass dafür bestand, die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu ändern, da die Antragstellerin mit ihrem ursprünglichen Antrag vor dem SG auch höhere (vorläufige) Leistungen geltend gemacht hatte, als zugesprochen worden sind.

Der Antrag, für dieses Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, kann keinen Erfolg haben. Im Hinblick auf den in diesem Beschluss ausgesprochenen Kostenerstattungsanspruch für das Beschwerdeverfahren besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr an der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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