L 1 R 433/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 (2b) An 306/93
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 433/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Das Verfahren wird abgetrennt, soweit es die Klage mit dem Antrag 3 Satz 2 im Schriftsatz der Klägerin vom 20. Januar 2008 (Aktenzeichen des Ausgangsverfahrens L 1 R 388/06) betrifft. 2. Der Rechtsstreit wird im Übrigen (= die Klage mit den Anträgen 1.5 2 im Schriftsatz der Klägerin vom 20. Januar 2008) an das sachlich-funktionell zuständige Sozialgericht Potsdam verwiesen.

Gründe:

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2008 ist den Beteiligten der Hinweis erteilt worden , dass Verweisungen beabsichtigt seien ("Klageantrag 1.5 an das sachlich-instanziell zuständige Sozialgericht Potsdam, Klageantrag zu 3 Satz 2 an das für Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte zuständige Landgericht Berlin, da wohl ein solcher Anspruch rechtshängig gemacht worden sei"). Es wurde eine Frist zur Stellungnahme binnen vier Wochen erteilt.

Hinsichtlich der Klage mit den Anträgen 1.5 ist der Rechtsstreit an das Sozialgericht Potsdam zu verweisen: Nach § 98 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist bei sachlicher Unzuständigkeit der Rechtsstreit nach Anhörung an das zuständige Gericht zu verweisen. Diese Vorschriften sind jedenfalls entsprechend auch bei nicht gegebener funktionaler (instanzieller) Zuständigkeit anzuwenden (so bereits Beschluss des Senats vom 1. März 2007 -L 1 B 47/07 R ER- unter Bezugnahme auf Bundesfinanzhof, B. v. 14.Okt. 2003 –VIII S 15/03 - zur entsprechenden Vorschrift des § 70 Finanzgerichtsordnung; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Leitherer SGG 8. A. 2005 § 98 Rdnr. 2). Ansonsten würde in Fällen wie dem vorliegenden den Beteiligten der nach Art. 101 des Grundgesetzes garantierte gesetzliche Richter entzogen.

Das Landessozialgericht ist funktionell unzuständig. Über Klagen entscheidet nämlich gemäß §§ 8 und 29 SGG zunächst nur das Sozialgericht als das Gericht erster Instanz. Vorliegend ist keine der Ausnahmen einschlägig, nach welcher im Berufungsverfahren ein neues Klagebegehren im Wege der Einbeziehung oder Klageänderung vom Berufungsgericht mitentschieden werden kann. Der Senat hat hierzu im Urteil im Ausgangsverfahren vom 1. Februar 2008 (Az. L 1 R 388/06) ausgeführt:

Soweit mit den Hilfsanträgen 1.5 die Klage erweitert wird, ist die Einbeziehung nicht sachdienlich, da es sich um völlig neue Begehren handelt. Dieser Klageantrag, der im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 56 SGG geltend gemacht ist, war deshalb abzutrennen (§ 113 Abs. 2 SGG bzw. § 202 SGG i. V. m. 145 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).Es handelt sich um neue Streitgegenstände, die noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Rechtsstreits gewesen sind und nicht lediglich um bereits schon bislang geltend Gemachtes. Erstmals soll nicht nur von der Beklagten zu 1) das Bestehen der bbZ nach Eintritt in das Rentenalter und von dem Beklagten zu 2) eine Leistung bzw. ein Recht auf bbZ-Zahlungen in Höhe von 387,50 DM samt Dynamisierung monatlich verlangt bzw. festgestellt werden. Darüber hinaus soll jetzt gegenüber der Beklagten ( also der Beklagten zu 1.) auch festgestellt werden, dass es sich um eine Berufungsunfähigkeitsrente handele, bei der die Berufsunfähigkeit bindend festgestellt sei, und die nach Maßgabe der Einzelheiten des Hilfsantrages 1.5 anzupassen sei. §§ 153 i. V. m. 96 Abs. 1 SGG ist insoweit nicht einschlägig, weil kein neuer Verwaltungsakt erlassen wurde. Bei diesen Hilfsanträgen handelt es sich auch nicht um Abänderungen nach § 99 Abs. 3 SGG. Begehrt wird ein aliud zum Ursprünglichen und nicht nur eine Erweiterung der Hauptsache (§ 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die früher nur begehrte Fortzahlung der bbZ durch den Arbeitgeber ist etwas anderes als die Gewährung einer Berufungsunfähigkeitsrente durch den Rentenversicherungsträger. Ganz allgemein liegt eine Klageänderung vor, wenn nicht nur der Antrag ausgedehnt, sondern neben dem bisher dem Klagebegehren zu Grunde liegenden Sachverhalt zusätzlich ein anderer zur tatsächlichen Grundlage des nunmehr zur Entscheidung gestellten Anspruchs gemacht wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht U. vom 22. 7. 1999 - 2 C 14/98- NVwZ-RR 2000, 172).Es ist insoweit auch keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG). Die Klägerin macht vielmehr einen weiteren Anspruch geltend. Die Klageerweiterung ist nicht sachdienlich nach § 99 Abs. 1 SGG. Sachdienlichkeit scheidet aus, wenn der Rechtsstreit auf eine neue Grundlage gestellt würde (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 8. A. 2005 § 99 Rnr.10a mit Rechtsprechungsnachweisen). Dies ist hier -wie ausgeführt- der Fall. Die Beklagten haben einer Einbeziehung schließlich auch widersprochen. Sie haben sich damit nicht auf die neue Klage eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG).

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnort der Klägerin, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Klage nach dem Antrag 3 Satz 2 war abzutrennen. Sie ist rechtlich anders zu behandeln. Es kann sich nur um eine Amtshaftungsklage handeln, über welche die Sozialgerichte nicht entscheiden dürfen (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch i. V. m. Art. 34 GG, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG). Der Senat hat hierzu im Urteil vom 1. Februar 2008 im Ausgangsverfahren (Az. L 1 R 388/06) ausgeführt:

Soweit die Klägerin im Rahmen des Kostenantrages zu 3.) beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 8.000 EUR wegen unfairer und überlanger Verfahrensdauer zu verurteilen bzw. eine solche Zahlungsverpflichtung festzustellen, war das Verfahren ebenfalls abzutrennen. Auch insoweit handelt es sich um einen neuen Klagegegenstand, nicht jedoch um einen unselbstständigen Kostenantrag: Das SGG sieht nur eine Entscheidung zur Kostentragungslast vor, § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Kosten können nur getätigte Aufwendungen sein, § 193 Abs. 2 SGG. Auch die Kostenfestsetzung (§ 197 SGG) hält sich in diesem Rahmen. Es ist -wie vor- nicht sachdienlich, die Klage zu erweitern. Es handelt sich um eine völlig neue Klage, selbst wenn die Klägerin tatsächlich auch den Beklagten (und nicht der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Brandenburg als Körperschaften der hier unmittelbar oder mittelbar handelnden Judikative) eine Verletzung des Rechts auf Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche in angemessener Frist nach Art. 6 Abs. 1 EMRK vorwerfen will. Ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagten kann sich zudem nach geltendem Recht allenfalls aus Amtshaftung ergeben: Der EGMR verpflichtet nach Art. 41 EMRK im Falle überlanger Zivilgerichtsverfahren nur die Vertragsstaaten -also die Bundesrepublik Deutschland- zu einer gerechten Entschädigung, wenn -nach Auffassung des EGMR- das aktuell geltende innerstaatliche Recht unzureichend ist. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG). Ein Ausnahmefall grundsätzlicher Bedeutung nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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