Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 345/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 1232/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Juni 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an den Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 2. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 in Höhe von 235,00 Euro sowie für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. August 2008 in Höhe von monatlich 243,00 Euro zu zahlen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch zurückgewiesen, soweit das Sozialgericht den Antragsgegner zu weitergehenden Leistungen verpflichtet hat. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im gesamten Verfahren.
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner sich gegen die vom Sozialgericht (SG) ausgesprochene Verpflichtung wendet, an den Antragsteller vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 243,- Euro und damit für den Zeitraum vom 2. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 235,-EUR zu zahlen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen. Hinsichtlich der für die Zeit vom 2. Juni 2008 bis 31. August 2008 vom SG zugesprochenen Leistungen bestehen sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch. Soweit existenzielle Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden, ist regelmäßig ein Anordnungsgrund gegeben. Die Eilbedürftigkeit entfällt hier auch nicht ausnahmsweise deswegen, weil der Antragsteller erst ca. 11 Monate nach der Ablehnung seines Leistungsantrages vorläufigen Rechtsschutz begehrt hat. Der Umstand, dass es dem Antragsteller bisher gelungen ist, ohne Sozialleistungen zu überleben, lässt nicht ohne weitere, vom Antragsgegner nicht dargelegte Anhaltspunkte den Schluss zu, dass es dem Kläger auch künftig möglich sein wird, seine Existenz bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu sichern. Soweit der Antragsteller die Übernahme für Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt, fehlt es hingegen an der Eilbedürftigkeit aus den im angefochtenen Beschluss (Seite 7 Abs. 3) angeführten Gründen.
Der Antragsteller hat bezüglich der begehrten Regelleistungen auch im tenorierten Umfang einen Anordnungsanspruch. Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsteller mit Frau von C (C.), der Mutter seiner Tochter A, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bildet, wofür jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3a Nr. 1 bis 3 SGB II spricht. Denn die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers entfiele auch bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nur im Umfang der Anrechenbarkeit des Einkommens von C. Ob C. über ein anrechenbares Einkommen verfügt, ist jedoch bislang nicht hinreichend geklärt. Insoweit hat der Antragsgegner lediglich Angaben zum Einkommen aus dem Jahre 2006 herangezogen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann indes aus diesen nicht aktuellen Angaben nicht das zu berücksichtigende Einkommen ermittelt werden. Die Auffassung des Antragsgegners, das derzeitige Einkommen der C. könne aufgrund zwischenzeitlicher Tariferhöhungen nicht geringer sein als das zuletzt nachgewiesene, berücksichtigt nämlich nicht hinreichend, dass das nach § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen nicht nur vom (Brutto-)Einkommen, sondern u. a. auch von der Höhe der Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II abhängig ist und mithin im Fall des Antragstellers nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass aufgrund (erhöhter) Absetzbeträge kein anrechenbares Einkommen mehr verbleibt. Wenn der Antragsgegner vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und C. ausgeht, hätte er bei C. gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II Auskünfte zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen einholen müssen. Die angeführte Vorschrift normiert eine eigenständig öffentlichrechtliche Auskunftspflicht des Partners bzw. Dritten, die bußgeldbewehrt ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und bei deren Verletzung der oder die Auskunftspflichtige schadensersatzpflichtig ist (vgl. § 62 SGB II). Da diese Sachverhaltsaufklärung bislang unterblieben ist und es angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache untunlich ist, die Anrechenbarkeit des Einkommens der C. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abschließend zu klären, hat das Gericht eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-). Diese soll einerseits die Existenzsicherung des Antragstellers gewährleisten, andererseits aber auch das öffentliche Interesse berücksichtigen, keine Leistungen bei fehlender Bedürftigkeit zu gewähren.
Der Senat hält es daher für angemessen, dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. August 2008 die "zum Leben unerlässlichen" Regelleistungen zuzuerkennen. Da mit einer Klärung des Sachverhalts bis zu diesem Zeitpunkt zu rechnen ist, besteht keine Notwendigkeit für die Zuerkennung von Leistungen über diesen Zeitpunkt hinaus. Diese Leistungen sind entsprechend der Wertung des § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II mit 243,00 Euro (= 70 % der Regelleistung von 347,00 Euro) pro Monat anzusetzen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2006 – L 19 B 98/06 AS ER -, Beschluss vom 2. Februar 2006 – L 14 B 1157/05 AS ER -, jeweils veröffentlicht in juris), da trotz der Anhebung der Regelleistung zum 1. Juli 2008 nur über die vom SG ausgesprochene Verpflichtung zu entscheiden war. Soweit der Antragsteller einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Regelleistungen geltend macht, ist der Antrag aus den dargelegten Gründen nicht begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Im Hinblick auf die getroffene Entscheidung in diesem Verfahren erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Beschlusses.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner sich gegen die vom Sozialgericht (SG) ausgesprochene Verpflichtung wendet, an den Antragsteller vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 243,- Euro und damit für den Zeitraum vom 2. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 235,-EUR zu zahlen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen. Hinsichtlich der für die Zeit vom 2. Juni 2008 bis 31. August 2008 vom SG zugesprochenen Leistungen bestehen sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch. Soweit existenzielle Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden, ist regelmäßig ein Anordnungsgrund gegeben. Die Eilbedürftigkeit entfällt hier auch nicht ausnahmsweise deswegen, weil der Antragsteller erst ca. 11 Monate nach der Ablehnung seines Leistungsantrages vorläufigen Rechtsschutz begehrt hat. Der Umstand, dass es dem Antragsteller bisher gelungen ist, ohne Sozialleistungen zu überleben, lässt nicht ohne weitere, vom Antragsgegner nicht dargelegte Anhaltspunkte den Schluss zu, dass es dem Kläger auch künftig möglich sein wird, seine Existenz bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu sichern. Soweit der Antragsteller die Übernahme für Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt, fehlt es hingegen an der Eilbedürftigkeit aus den im angefochtenen Beschluss (Seite 7 Abs. 3) angeführten Gründen.
Der Antragsteller hat bezüglich der begehrten Regelleistungen auch im tenorierten Umfang einen Anordnungsanspruch. Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsteller mit Frau von C (C.), der Mutter seiner Tochter A, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bildet, wofür jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3a Nr. 1 bis 3 SGB II spricht. Denn die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers entfiele auch bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nur im Umfang der Anrechenbarkeit des Einkommens von C. Ob C. über ein anrechenbares Einkommen verfügt, ist jedoch bislang nicht hinreichend geklärt. Insoweit hat der Antragsgegner lediglich Angaben zum Einkommen aus dem Jahre 2006 herangezogen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann indes aus diesen nicht aktuellen Angaben nicht das zu berücksichtigende Einkommen ermittelt werden. Die Auffassung des Antragsgegners, das derzeitige Einkommen der C. könne aufgrund zwischenzeitlicher Tariferhöhungen nicht geringer sein als das zuletzt nachgewiesene, berücksichtigt nämlich nicht hinreichend, dass das nach § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen nicht nur vom (Brutto-)Einkommen, sondern u. a. auch von der Höhe der Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II abhängig ist und mithin im Fall des Antragstellers nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass aufgrund (erhöhter) Absetzbeträge kein anrechenbares Einkommen mehr verbleibt. Wenn der Antragsgegner vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und C. ausgeht, hätte er bei C. gemäß § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II Auskünfte zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen einholen müssen. Die angeführte Vorschrift normiert eine eigenständig öffentlichrechtliche Auskunftspflicht des Partners bzw. Dritten, die bußgeldbewehrt ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und bei deren Verletzung der oder die Auskunftspflichtige schadensersatzpflichtig ist (vgl. § 62 SGB II). Da diese Sachverhaltsaufklärung bislang unterblieben ist und es angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache untunlich ist, die Anrechenbarkeit des Einkommens der C. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abschließend zu klären, hat das Gericht eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05-). Diese soll einerseits die Existenzsicherung des Antragstellers gewährleisten, andererseits aber auch das öffentliche Interesse berücksichtigen, keine Leistungen bei fehlender Bedürftigkeit zu gewähren.
Der Senat hält es daher für angemessen, dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. August 2008 die "zum Leben unerlässlichen" Regelleistungen zuzuerkennen. Da mit einer Klärung des Sachverhalts bis zu diesem Zeitpunkt zu rechnen ist, besteht keine Notwendigkeit für die Zuerkennung von Leistungen über diesen Zeitpunkt hinaus. Diese Leistungen sind entsprechend der Wertung des § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II mit 243,00 Euro (= 70 % der Regelleistung von 347,00 Euro) pro Monat anzusetzen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2006 – L 19 B 98/06 AS ER -, Beschluss vom 2. Februar 2006 – L 14 B 1157/05 AS ER -, jeweils veröffentlicht in juris), da trotz der Anhebung der Regelleistung zum 1. Juli 2008 nur über die vom SG ausgesprochene Verpflichtung zu entscheiden war. Soweit der Antragsteller einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Regelleistungen geltend macht, ist der Antrag aus den dargelegten Gründen nicht begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Im Hinblick auf die getroffene Entscheidung in diesem Verfahren erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Beschlusses.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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