Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 1310/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 132/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Enthält ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen Versichertem und Pflegedienst keine Regelung zur Höhe der Vergütung, wird die Forderung des Pflegedienstes gegenüber dem Versicherten frühestens mit Rechnungslegung fällig.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Der 1964 geborene Kläger wohnt in einem von der S GmbH & Co. KG betriebenen Wohnheim. Sein Zimmer, dass er sich mit einer weiteren Person teilt, ist für ihn mit einem Schrank, einem Bett, einem eigenen TV-Gerät, ein Kühlschrank sowie Tisch und Stühlen ausgestattet. Die Kosten hierfür (Tagessatz: 20,45 EUR) trägt das Bezirksamt Mitte von Berlin (Sozialamt) nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches XII. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Wohnheimbetreiberin existiert nach deren Bekunden nicht. Die Wohnheimbetreiberin verfügt nach eigener Auskunft nicht über eigenes Pflegepersonal – es erfolge stattdessen eine Zusammenarbeit mit der Pflegeeinrichtung M & K - und hält außer einem Ansprechpartner in der Zeit von 8:00 Uhr bis 15:30 Uhr auch kein sonstiges Personal vor, sodass Einkäufe, Körperpflege und Essenszubereitungen nicht, wohl aber die Zimmerreinigung übernommen werden könnten. Für einen vom Kläger selbst aufzubringenden Betrag von 75,00 EUR kann er an den vom Wohnheim angebotenen Mahlzeiten teilnehmen.
Am 15. August 2005 schloss er mit der Pflegestation M & K GmbH & Co. KG einen "Pflegevertrag - Häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1, 2 SGB V" mit im Wesentlichen folgenden Inhalt:
"Herr K beauftragt die Pflegestation M & K mit der Durchführung der Behandlungspflege ab dem 12.08.2005. Art und Umfang der zu erbringenden Leistung ergibt sich aus der ärztlichen Verordnung.
1. Die Abrechnung der durchgeführten Pflegeeinsätze erfolgt gemäß der Pflegebestätigung und dem dazugehörigen Leistungsnachweis direkt mit der Krankenkasse.
2. Der Vertrag endet bei Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse.
3. Nach Ablehnung durch die Krankenkasse kann der Vertrag fortgesetzt werden, wenn Herr K gegen den Bescheid der Krankenkasse in Widerspruch geht und die Leistung der Pflegestation weiter in Anspruch nehmen möchte. Sollte dem Widerspruch nicht stattgegeben werden, hat der Vertragspartner die während der Widerspruchsbearbeitung entstandenen Kosten für die in dieser Zeit geleistete Pflege selbst zu tragen."
Am 26. Juni 2006 verordnete die Allgemeinärztin Dr. G dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung 3 x täglich / 7 x wöchentlich das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten und Injektionen. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab Dr. G an: - insulinpflichtiger Diabetes mellitus, - Zustand nach Apoplex mit Hemiparese links, - exokrine und endokrine Pankreasinsuffizienz, - fehlende Krankheitseinsicht bei bekanntem Nikotin-/C2-Abusus, - Blutzucker-Kontrollen bei rezidivierenden Hypoglykämien und stationärem Aufenthalt. Diese Verordnung ging über die vom Kläger mit der Leistungserbringung beauftragte Pflegestation M & K am 3. Juli 2006 – per Fax offensichtlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt - bei der Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass keine Kostenübernahme für die beantragte häusliche Krankenpflege erfolgen könne, da ein eigener Haushalt im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nicht bestehe. Den am 20. Juli 2006 bei der Beklagten eingegangen Widerspruch des Klägers wies diese mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2006 – wegen dessen Begründung wird auf Blatt 15 – 17 der Verwaltungsakte verwiesen – zurück.
Unter dem 31. Oktober 2006 stellte die Pflegestation M & K der M GmbH, einem für die Beklagten im Bereich Rechnungsmanagement tätigen Dienstleister, in drei Rechnungen einen Betrag von insgesamt 3.369,04 EUR für 3 x tägliche Behandlungspflege in der Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006 in Rechnung.
Mit seiner Klage bringt der Kläger vor, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er nicht in einem eigenen Haushalt im Sinne von § 37 Sozialgesetzbuch V (SGB V) wohne.
Mit Urteil vom 7. Februar 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ausgehend von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sei bereits zweifelhaft, ob der Kläger in Anbetracht des mit der Pflegestation geschlossenen Vertrages dieser gegenüber zivilrechtlich überhaupt zur Bezahlung der Pflegekosten verpflichtet sei. Dies könne jedoch dahinstehen, weil der Kläger in dem von ihm bewohnten Obdachlosenheim jedenfalls keinen eigenen Haushalt führe.
Gegen dieses seiner Prozessbevollmächtigten am 22. Februar 2008 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 17. März 2008 eingelegten Berufung. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bestehe für ihn eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Zahlung der Pflegekosten gegenüber der Pflegestation M & K GmbH & Co. KG: Ein Pflegevertrag könne mündlich oder konkludent vereinbart werden. Durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen über den Zeitpunkt der Ablehnung hinaus sei der Pflegevertrag konkludent weiter vereinbart worden. Verneine man einen wirksamen Pflegevertrag, resultiere die Zahlungsverpflichtung des Klägers aus § 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da das Sozialgericht zu Unrecht einen Haushalt im Sinne von § 37 SGB V abgelehnt habe, müsse die Frage einer zivilrechtlichen Verpflichtung des Klägers weiter aufgeklärt werden. Das Sozialgericht hätte daher die von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung erbetene Erklärungsfrist einräumen müssen. Im Übrigen wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.369,04 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch steht bereits entgegen, dass der Kläger keiner wirksamen zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtungen ausgesetzt ist.
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
1) Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse über den Leistungsanspruch sind nur in zwei Konstellationen denkbar: Entweder der Versicherte klagt auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er hat sich die Behandlung zunächst privat auf eigene Rechnung beschafft und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten. Konnte er hingegen im Zeitpunkt der Behandlung davon ausgehen, er erhalte die Leistungen als Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung, so kann eine eigene Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer nicht entstehen; der Leistungserbringer muss einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse dann unmittelbar mit dieser austragen. Das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 3 SGB V bietet keine Handhabe, die Leistungspflicht der Krankenkasse los¬gelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess zu ersparen (BSGE 89, 39 m.w.N.).
2) Der Kläger ist derzeit keiner zivilrechtlichen Verpflichtung ausgesetzt, Kosten im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind ihm daher bislang nicht entstanden.
a) Bereits nach dem Wortlaut des Pflegevertrages ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger hierin zu einer Zahlung gegenüber der Pflegestation verpflichtete. Denn nach Ziffer 1 des Pflegevertrages erfolgt die Abrechnung der durchgeführten Pflegesätze unmittelbar mit der Krankenkasse, sodass – entsprechend den vom BSG aufgestellten Grundsätzen – der Rechtsstreit nicht zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse, sondern zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse zu führen ist.
b) Nur für den Fall, dass – kumulativ – die Kostenübernahme für Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch die Krankenkasse abgelehnt und dem hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers nicht stattgegeben wird, kann nach Ziffer 2 und 3 des Pflegevertrages eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber der Pflegestation – dann allerdings beschränkt auf die während der Widerspruchsbearbeitung (d.h. für die Zeit vom 20. Juli bis 19. September 2006) entstandenen Kosten – entstehen. Dies würde jedoch nach Ziffer 3 Satz 1, 1. Hs. des Pflegevertrages desweiteren voraussetzen, dass der Vertrag fortgesetzt wurde. Hierfür fehlt es an jeglichem Vortrag der Klägerseite. Dem Wortlaut des Vertrages ist im Übrigen auch nicht zu entnehmen, ob für diese Fortsetzung eine einseitige, (wohl) empfangsbedürftige Willenserklärung des Klägers genügt oder ob hierfür übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragsparteien erforderlich sind.
c) Aber selbst dann, wenn man mit der Klägerseite eine konkludente Vertragsfortsetzung für zulässig hielte und in den o.g. Rechnungen der Pflegestation gegenüber den M GmbH einen Beleg für eine Leistungserbringung gemäß der ärztlichen Verordnung vom 26. Juli 2006 sähe, resultierte hieraus noch keine Zahlungsverpflichtung des Klägers. Denn der Pflegevertrag enthält keine Regelungen zur Höhe der nach Ziffer 3 Satz 2 des Pflegevertrages vom Kläger gegebenenfalls zu tragenden Kosten. Die insoweit bestehende vertragliche Regelungslücke wäre dann nach § 612 Abs. 2 BGB zu schließen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn in einem Dienstvertrag - hierzu zählt auch ein Pflegevertrag (OLG Frankfurt OLG-Report 03, 391) - auch die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist, bei dem Bestehen einer Taxe, die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Für Dienstverträge, die die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zum Inhalt haben, existiert eine Taxe, d. h. eine auf Bundes- oder Landesrecht beruhende, staatlich festgesetzte Vergütung (Beck’scher Online-Kommentar/Fuchs, § 612 RdNr. 11 m. w. N.), nicht.
Üblich i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB ist eine Vergütung, die am gleichen Ort in ähnlichen Gewerben oder Berufen für entsprechende Arbeit bezahlt zu werden pflegt (Münchener Kommentar zum BGB / Müller-Glöge, 3.A., § 612 Rd. 29 m.w.N.). Üblich ist jedoch nicht die von der Pflegestation mit den Krankenkassen(-verbänden) gem. § 132 a Abs. 2 SGB V vereinbarte Vergütung. Denn zum einen existieren insoweit wegen der Vielzahl der von den Krankenkassen(-verbänden) entweder mit einem der Berufsverbände oder mit einzelnen Leistungserbringern abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen zahlreiche Vergütungssätze unterschiedlicher Höhe. Zum anderen dürften die zwischen Pflegediensten und Krankenkassen ausgehandelten Vergütungen von den üblicherweise zwischen Privatpersonen und Pflegediensten vereinbarten abweichen.
Lässt sich eine übliche Vergütung nicht bestimmen oder existiert eine solche nicht, richtet sich die Anspruchshöhe nach §§ 315, 316 BGB, d.h. durch einseitige Leistungsbestimmung einer Vertragspartei nach billigem Ermessen (Bundesarbeitsgericht NZA 02, 624). In diesen Fällen ist nach der Auslegungsregel des § 316 BGB im Zweifel der Dienstverpflichtete – im vorliegenden Fall somit die Pflegestation - als Gläubiger der Gegenleistung zur Festlegung der Vergütung ermächtigt (Münchener Kommentar zum BGB a.a.O. Rd. 31). Eine solche Festlegung hat die Pflegestation gegenüber dem Kläger nach dem dem Senat bekannten Sachverhalt bislang nicht vorgenommen. Hierauf kommt es aber auch nicht entscheidend an.
d) Denn unabhängig hiervon wäre eine zivilrechtliche Forderung der Pflegestation gegenüber dem Kläger jedenfalls noch nicht fällig. Gem. § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Eine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung der Leistungszeit fehlt. Den o.g. Umständen ist jedoch zu entnehmen, dass die Pflegestation die Vergütung frühestens verlangen kann, nachdem sie von ihrer Befugnis, die Vergütungshöhe festzusetzen, Gebrauch gemacht hat. Denn generell ist bei Forderungen, die der Schuldner ohne Rechnung der Höhe nach nicht selbst ermitteln kann, eher davon auszugehen, dass sie vor Rechnungserteilung nicht fällig werden sollen (Münchener Kommentar zum BGB / Krüger, 5. A., § 271 RdNr. 20). Ohne Festsetzung der Vergütung kann Fälligkeit im vorliegenden Fall daher nicht eintreten.
e) Eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber der Pflegestation ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 ff. BGB). Gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet. Der Anspruch scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und der Pflegestation bereicherungsrechtlich kein Leistungsverhältnis wegen der Pflegeleistungen besteht. In einem Mehrpersonenverhältnis ist die Person des Leistenden zunächst der vereinbarten Zweckbestimmung zu entnehmen. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, ist darauf abzustellen, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Empfängers darstellt (sog. Empfängerhorizont, vgl. BGH WM 1978, 1053). Nach diesen Grundsätzen stellt sich die Leistung der Pflegestation als solche der Beklagten dar, denn diese schuldete nach dem Sachleistungsprinzip aus der Sicht des Klägers bei objektiver Betrachtungsweise zumindest wegen der ärztlichen Verordnung die Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Da sich der Bereicherungsausgleich innerhalb des jeweiligen Abrechnungsverhältnisses vollzieht, käme ein Anspruch der Pflegestation aus Bereicherungsrecht allenfalls gegenüber der Beklagten in Betracht (BSGE 89, 39 m.w.N.; OLG Köln NJW 90, 1537).
3. Auf die Frage, ob der Kläger in dem von ihm bewohnten Obdachlosenheim einen Haushalt im Sinne von § 37 SGB V führt, kommt es daher nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Der 1964 geborene Kläger wohnt in einem von der S GmbH & Co. KG betriebenen Wohnheim. Sein Zimmer, dass er sich mit einer weiteren Person teilt, ist für ihn mit einem Schrank, einem Bett, einem eigenen TV-Gerät, ein Kühlschrank sowie Tisch und Stühlen ausgestattet. Die Kosten hierfür (Tagessatz: 20,45 EUR) trägt das Bezirksamt Mitte von Berlin (Sozialamt) nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches XII. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Wohnheimbetreiberin existiert nach deren Bekunden nicht. Die Wohnheimbetreiberin verfügt nach eigener Auskunft nicht über eigenes Pflegepersonal – es erfolge stattdessen eine Zusammenarbeit mit der Pflegeeinrichtung M & K - und hält außer einem Ansprechpartner in der Zeit von 8:00 Uhr bis 15:30 Uhr auch kein sonstiges Personal vor, sodass Einkäufe, Körperpflege und Essenszubereitungen nicht, wohl aber die Zimmerreinigung übernommen werden könnten. Für einen vom Kläger selbst aufzubringenden Betrag von 75,00 EUR kann er an den vom Wohnheim angebotenen Mahlzeiten teilnehmen.
Am 15. August 2005 schloss er mit der Pflegestation M & K GmbH & Co. KG einen "Pflegevertrag - Häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1, 2 SGB V" mit im Wesentlichen folgenden Inhalt:
"Herr K beauftragt die Pflegestation M & K mit der Durchführung der Behandlungspflege ab dem 12.08.2005. Art und Umfang der zu erbringenden Leistung ergibt sich aus der ärztlichen Verordnung.
1. Die Abrechnung der durchgeführten Pflegeeinsätze erfolgt gemäß der Pflegebestätigung und dem dazugehörigen Leistungsnachweis direkt mit der Krankenkasse.
2. Der Vertrag endet bei Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse.
3. Nach Ablehnung durch die Krankenkasse kann der Vertrag fortgesetzt werden, wenn Herr K gegen den Bescheid der Krankenkasse in Widerspruch geht und die Leistung der Pflegestation weiter in Anspruch nehmen möchte. Sollte dem Widerspruch nicht stattgegeben werden, hat der Vertragspartner die während der Widerspruchsbearbeitung entstandenen Kosten für die in dieser Zeit geleistete Pflege selbst zu tragen."
Am 26. Juni 2006 verordnete die Allgemeinärztin Dr. G dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung 3 x täglich / 7 x wöchentlich das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten und Injektionen. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab Dr. G an: - insulinpflichtiger Diabetes mellitus, - Zustand nach Apoplex mit Hemiparese links, - exokrine und endokrine Pankreasinsuffizienz, - fehlende Krankheitseinsicht bei bekanntem Nikotin-/C2-Abusus, - Blutzucker-Kontrollen bei rezidivierenden Hypoglykämien und stationärem Aufenthalt. Diese Verordnung ging über die vom Kläger mit der Leistungserbringung beauftragte Pflegestation M & K am 3. Juli 2006 – per Fax offensichtlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt - bei der Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass keine Kostenübernahme für die beantragte häusliche Krankenpflege erfolgen könne, da ein eigener Haushalt im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen nicht bestehe. Den am 20. Juli 2006 bei der Beklagten eingegangen Widerspruch des Klägers wies diese mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2006 – wegen dessen Begründung wird auf Blatt 15 – 17 der Verwaltungsakte verwiesen – zurück.
Unter dem 31. Oktober 2006 stellte die Pflegestation M & K der M GmbH, einem für die Beklagten im Bereich Rechnungsmanagement tätigen Dienstleister, in drei Rechnungen einen Betrag von insgesamt 3.369,04 EUR für 3 x tägliche Behandlungspflege in der Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2006 in Rechnung.
Mit seiner Klage bringt der Kläger vor, die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er nicht in einem eigenen Haushalt im Sinne von § 37 Sozialgesetzbuch V (SGB V) wohne.
Mit Urteil vom 7. Februar 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ausgehend von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sei bereits zweifelhaft, ob der Kläger in Anbetracht des mit der Pflegestation geschlossenen Vertrages dieser gegenüber zivilrechtlich überhaupt zur Bezahlung der Pflegekosten verpflichtet sei. Dies könne jedoch dahinstehen, weil der Kläger in dem von ihm bewohnten Obdachlosenheim jedenfalls keinen eigenen Haushalt führe.
Gegen dieses seiner Prozessbevollmächtigten am 22. Februar 2008 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 17. März 2008 eingelegten Berufung. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bestehe für ihn eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Zahlung der Pflegekosten gegenüber der Pflegestation M & K GmbH & Co. KG: Ein Pflegevertrag könne mündlich oder konkludent vereinbart werden. Durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen über den Zeitpunkt der Ablehnung hinaus sei der Pflegevertrag konkludent weiter vereinbart worden. Verneine man einen wirksamen Pflegevertrag, resultiere die Zahlungsverpflichtung des Klägers aus § 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da das Sozialgericht zu Unrecht einen Haushalt im Sinne von § 37 SGB V abgelehnt habe, müsse die Frage einer zivilrechtlichen Verpflichtung des Klägers weiter aufgeklärt werden. Das Sozialgericht hätte daher die von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung erbetene Erklärungsfrist einräumen müssen. Im Übrigen wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.369,04 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch steht bereits entgegen, dass der Kläger keiner wirksamen zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtungen ausgesetzt ist.
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
1) Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse über den Leistungsanspruch sind nur in zwei Konstellationen denkbar: Entweder der Versicherte klagt auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er hat sich die Behandlung zunächst privat auf eigene Rechnung beschafft und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten. Konnte er hingegen im Zeitpunkt der Behandlung davon ausgehen, er erhalte die Leistungen als Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung, so kann eine eigene Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistungserbringer nicht entstehen; der Leistungserbringer muss einen etwaigen Streit über die Leistungspflicht der Krankenkasse dann unmittelbar mit dieser austragen. Das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 3 SGB V bietet keine Handhabe, die Leistungspflicht der Krankenkasse los¬gelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess zu ersparen (BSGE 89, 39 m.w.N.).
2) Der Kläger ist derzeit keiner zivilrechtlichen Verpflichtung ausgesetzt, Kosten im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind ihm daher bislang nicht entstanden.
a) Bereits nach dem Wortlaut des Pflegevertrages ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger hierin zu einer Zahlung gegenüber der Pflegestation verpflichtete. Denn nach Ziffer 1 des Pflegevertrages erfolgt die Abrechnung der durchgeführten Pflegesätze unmittelbar mit der Krankenkasse, sodass – entsprechend den vom BSG aufgestellten Grundsätzen – der Rechtsstreit nicht zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse, sondern zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse zu führen ist.
b) Nur für den Fall, dass – kumulativ – die Kostenübernahme für Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch die Krankenkasse abgelehnt und dem hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers nicht stattgegeben wird, kann nach Ziffer 2 und 3 des Pflegevertrages eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber der Pflegestation – dann allerdings beschränkt auf die während der Widerspruchsbearbeitung (d.h. für die Zeit vom 20. Juli bis 19. September 2006) entstandenen Kosten – entstehen. Dies würde jedoch nach Ziffer 3 Satz 1, 1. Hs. des Pflegevertrages desweiteren voraussetzen, dass der Vertrag fortgesetzt wurde. Hierfür fehlt es an jeglichem Vortrag der Klägerseite. Dem Wortlaut des Vertrages ist im Übrigen auch nicht zu entnehmen, ob für diese Fortsetzung eine einseitige, (wohl) empfangsbedürftige Willenserklärung des Klägers genügt oder ob hierfür übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragsparteien erforderlich sind.
c) Aber selbst dann, wenn man mit der Klägerseite eine konkludente Vertragsfortsetzung für zulässig hielte und in den o.g. Rechnungen der Pflegestation gegenüber den M GmbH einen Beleg für eine Leistungserbringung gemäß der ärztlichen Verordnung vom 26. Juli 2006 sähe, resultierte hieraus noch keine Zahlungsverpflichtung des Klägers. Denn der Pflegevertrag enthält keine Regelungen zur Höhe der nach Ziffer 3 Satz 2 des Pflegevertrages vom Kläger gegebenenfalls zu tragenden Kosten. Die insoweit bestehende vertragliche Regelungslücke wäre dann nach § 612 Abs. 2 BGB zu schließen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn in einem Dienstvertrag - hierzu zählt auch ein Pflegevertrag (OLG Frankfurt OLG-Report 03, 391) - auch die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist, bei dem Bestehen einer Taxe, die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Für Dienstverträge, die die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zum Inhalt haben, existiert eine Taxe, d. h. eine auf Bundes- oder Landesrecht beruhende, staatlich festgesetzte Vergütung (Beck’scher Online-Kommentar/Fuchs, § 612 RdNr. 11 m. w. N.), nicht.
Üblich i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB ist eine Vergütung, die am gleichen Ort in ähnlichen Gewerben oder Berufen für entsprechende Arbeit bezahlt zu werden pflegt (Münchener Kommentar zum BGB / Müller-Glöge, 3.A., § 612 Rd. 29 m.w.N.). Üblich ist jedoch nicht die von der Pflegestation mit den Krankenkassen(-verbänden) gem. § 132 a Abs. 2 SGB V vereinbarte Vergütung. Denn zum einen existieren insoweit wegen der Vielzahl der von den Krankenkassen(-verbänden) entweder mit einem der Berufsverbände oder mit einzelnen Leistungserbringern abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen zahlreiche Vergütungssätze unterschiedlicher Höhe. Zum anderen dürften die zwischen Pflegediensten und Krankenkassen ausgehandelten Vergütungen von den üblicherweise zwischen Privatpersonen und Pflegediensten vereinbarten abweichen.
Lässt sich eine übliche Vergütung nicht bestimmen oder existiert eine solche nicht, richtet sich die Anspruchshöhe nach §§ 315, 316 BGB, d.h. durch einseitige Leistungsbestimmung einer Vertragspartei nach billigem Ermessen (Bundesarbeitsgericht NZA 02, 624). In diesen Fällen ist nach der Auslegungsregel des § 316 BGB im Zweifel der Dienstverpflichtete – im vorliegenden Fall somit die Pflegestation - als Gläubiger der Gegenleistung zur Festlegung der Vergütung ermächtigt (Münchener Kommentar zum BGB a.a.O. Rd. 31). Eine solche Festlegung hat die Pflegestation gegenüber dem Kläger nach dem dem Senat bekannten Sachverhalt bislang nicht vorgenommen. Hierauf kommt es aber auch nicht entscheidend an.
d) Denn unabhängig hiervon wäre eine zivilrechtliche Forderung der Pflegestation gegenüber dem Kläger jedenfalls noch nicht fällig. Gem. § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Eine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung der Leistungszeit fehlt. Den o.g. Umständen ist jedoch zu entnehmen, dass die Pflegestation die Vergütung frühestens verlangen kann, nachdem sie von ihrer Befugnis, die Vergütungshöhe festzusetzen, Gebrauch gemacht hat. Denn generell ist bei Forderungen, die der Schuldner ohne Rechnung der Höhe nach nicht selbst ermitteln kann, eher davon auszugehen, dass sie vor Rechnungserteilung nicht fällig werden sollen (Münchener Kommentar zum BGB / Krüger, 5. A., § 271 RdNr. 20). Ohne Festsetzung der Vergütung kann Fälligkeit im vorliegenden Fall daher nicht eintreten.
e) Eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber der Pflegestation ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 ff. BGB). Gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet. Der Anspruch scheitert schon daran, dass zwischen dem Kläger und der Pflegestation bereicherungsrechtlich kein Leistungsverhältnis wegen der Pflegeleistungen besteht. In einem Mehrpersonenverhältnis ist die Person des Leistenden zunächst der vereinbarten Zweckbestimmung zu entnehmen. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, ist darauf abzustellen, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Empfängers darstellt (sog. Empfängerhorizont, vgl. BGH WM 1978, 1053). Nach diesen Grundsätzen stellt sich die Leistung der Pflegestation als solche der Beklagten dar, denn diese schuldete nach dem Sachleistungsprinzip aus der Sicht des Klägers bei objektiver Betrachtungsweise zumindest wegen der ärztlichen Verordnung die Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Da sich der Bereicherungsausgleich innerhalb des jeweiligen Abrechnungsverhältnisses vollzieht, käme ein Anspruch der Pflegestation aus Bereicherungsrecht allenfalls gegenüber der Beklagten in Betracht (BSGE 89, 39 m.w.N.; OLG Köln NJW 90, 1537).
3. Auf die Frage, ob der Kläger in dem von ihm bewohnten Obdachlosenheim einen Haushalt im Sinne von § 37 SGB V führt, kommt es daher nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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