Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 RJ 2119/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 33 R 1216/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts, mit dem sie verurteilt wurde, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Juli 2001 bis zum 30. September 2006 zu gewähren.
Der 1949 geborene, also jetzt 59 Jahre alte Kläger hat in der Zeit von 1965 bis 1967 den Beruf des Malers erlernt. Langjährig und auch zuletzt war er in diesem Beruf tätig. Am 19. Juni 2000 erlitt er einen Arbeitsunfall, wobei er aus vier Metern Höhe mit dem Rücken auf eine Steintreppe fiel. Er wurde im Unfallkrankenhaus Berlin in der Zeit vom 20. Juni 2000 bis 11. Juli 2000 behandelt und operativ versorgt. In der Zeit vom 11. Juli 2000 bis 15. August 2000 absolvierte er eine von der Berufsgenossenschaft getragene Rehabilitationsmaßnahme in der M-Klinik H.
Am 16. Juli 2001 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den oben genannten Bericht über den Aufenthalt im Unfallkrankenhaus B sowie einen weiteren Bericht des Unfallkrankenhauses B vom 23. März 2001 bezüglich einer Abklärung der anhaltenden chronischen Beschwerdesymptomatik bei. In seinem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten kam der Orthopäde Herr Z am 11. September 2001 zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Maler nicht mehr arbeiten, leichte Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen, nicht auf Leitern und Gerüsten und nicht im Bücken jedoch noch vollschichtig verrichten könne. Dieser Zustand bestünde seit dem 19. Juni 2000.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aufgrund eines Leistungsfalles vom 19. Juni 2000 ab 01. Juli 2001. Gleichzeitig lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab.
Zur Begründung seines am 18. Dezember 2001 erhobenen Widerspruches trug der Kläger vor, er habe seit dem Unfall 24 Stunden am Tag anhaltend unerträgliche Schmerzen. Starke Schmerzmittel würde er nicht vertragen, da sie Magenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auslösen würden. Er könne wegen der Schmerzen nicht schlafen. Die daraus folgende Erschöpfung führe zu Depressionen.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12. August 2002 hat der Kläger am 12. September 2002 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er leide bis heute massiv unter den Folgen des Arbeitsunfalls. Im Bereich des Oberkörpers sei er in seiner Bewegungsfreiheit fast gänzlich eingeschränkt. Dies resultiere aus der Stabilisierung der Wirbelsäule (der zerstörte Lendenwirbel sei entfernt und überbrückt worden und die Wirbelsäule mit zwei Schienen stabilisiert worden; daraus folge ein Verlust der Elastizität, was dazu führe, dass der Kläger alle 5 bis 10 Minuten die Position wechseln müsse, weil er es sonst vor Schmerzen nicht aushalte). Außerdem bestünden aufgrund der Operation Beschwerden im Bereich des linken Beckenkammes. Bei der Operation seien Nervenstränge in diesem Bereich durchtrennt worden.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Arzt für Orthopädie, Sozialmedizin, Herrn Dr. FH vom 21. Mai 2003. Herr Dr. H hat folgende Diagnosen gestellt: Wirbelfraktur von LWK 1 infolge eines Arbeitsunfalles vom 19. Juni 2000 mit nachfolgender Versteifungs-Operation L 1 bis L 3 vom 23. und 28. Juni 2000; ein posttraumatisches, chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gerbershagen; Verdacht auf eine Schädigung des Plexus lumbo sacralis sowie eine Schädigung des Nervus iliohypogastricus postoperativ links; unfallfremd eine Bandscheibenverschleißerkrankung von L 5/S 1 sowie eine beginnende Dysplasie-Coxarthrose beidseits. Herr Dr. H führte aus, dass sich infolge einer postoperativen chronischen Nervenreizung ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt habe, aufgrund dessen eine auch halbwegs physiologische Wirbelsäulenbeweglichkeit nicht mehr realisierbar sei. Er vermisste eine konsequente schmerztherapeutische Behandlung, eine neurologisch-psychiatrische Behandlung zur Therapie des Schmerzsyndroms und eine neurophysiologische Untersuchung. Eine optimale abschließende Therapie stehe noch aus. Zurzeit seien keine zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorstellbar. Das Leistungsvermögen liege deutlich unter drei Stunden, und dies seit dem 19. Juni 2000. Mit einer Änderung des Leistungsvermögens sei im Verlauf von zwei bis drei Jahren zu rechnen.
Die Beklagte folgte dem Gutachten von Herrn Dr. H nicht. Sie bemängelte, dass sich der Kläger nicht in Behandlung befinde und keine Schmerzmedikation erfolge. Sie schlug vor, eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durchzuführen. In einer weiteren Stellungnahme, die von dem beratenden Arzt der Beklagten, dem Facharzt für Chirurgie Herrn Dr. H abgegeben wurde, führte die Beklagte aus, dass dem Gutachten von Herrn Dr. H nicht zu folgen sei. Eine Objektivierung der postulierten Nervenschädigung mittels eines NLG und einer Elektromyographie sei nicht erfolgt. Die mangelnde Schmerzmedikation sei auffällig. Es sei nicht glaubhaft, dass die Medikation nicht vertragen werde, da es verschiedene Möglichkeiten der Applikation gebe, zum Beispiel über die Haut oder in Form von Zäpfchen. Auch die von Herrn Dr. H festgestellten Aggravationstendenzen seien nicht ausreichend gewertet worden.
Das Sozialgericht hat aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Bau-Berufsgenossenschaft (Aktenzeichen S 67 U 905/01 des Sozialgerichts Berlin) ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie, Herrn Dr. W vom 13. März 2003 beigezogen. Dieser hat u.a. angegeben, dass durch anlagebedingte degenerative Veränderungen auf den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 eine wegstreckenlimitierende claudicatio spinalis vorliege. Die Schmerzen in der linken Leiste seien nicht erklärbar und nicht genügend abgeklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens von Herrn Dr. W wird auf Blatt 109 bis 128 der Gerichtsakten verwiesen.
Weiter hat das Sozialgericht, ebenfalls aus dem Rechtsstreit gegen die Bau-Berufsgenossenschaft, ein Gutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Herrn Dr. JB vom 09. Juni 2004 beigezogen. Dieser hat unter anderem angegeben, dass eine schmerzhafte Nervenirritation des Nervus iliohypogastricus generell nicht ausgeschlossen werden könne. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünde ein nicht objektivierbares Schmerzsyndrom, dass dem Nervus iliohypogastricus zugeordnet werden könne. Weiter bestünden Hinweise für eine dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung. Wegen der weiteren Einzelheiten das Gutachtens von Herrn Dr. B wird auf Blatt 132 bis 147 der Gerichtsakten verwiesen.
Am 12. Mai 2005 hat Herr Dr. H auf Anforderung des Sozialgerichts eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Er hat u.a. ausgeführt, dass eine Aggravation bei dem Kläger zwar vorgelegen habe, aber auch unter Berücksichtigung dieser liege eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor. Durch das Gutachten von Herrn Dr. W werde seine Einschätzung gestützt. Aufgrund des Gutachtens von Herrn Dr. B sei die Diagnose einer Plexus Lumbosacralis-Läsion zu streichen, weil diese von Dr. B ausgeschlossen worden sei. An der Leistungseinschätzung ändere dies nichts.
Die Beklagte hat erneut durch Herrn Dr. H am 07. Juni 2005 Stellung genommen und auf die Mitwirkungspflicht des Klägers bezüglich der Medikamenteneinnahme verwiesen. In seiner daraufhin vom Gericht angeforderten erneuten Stellungnahme hat Herr Dr. H am 26. August 2005 mitgeteilt, er habe schon in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass eine konsequente multidisziplinäre Schmerztherapie durchgeführt werden sollte. Das heiße jedoch nicht, dass man im Umkehrschluss folgern könne, wenn regelmäßig Schmerzmedikamente eingenommen würden, ändere sich das Leistungsbild dergestalt, dass einer Erwerbstätigkeit nachgegangen werden könne. Vielmehr sei nach einer adäquaten Therapie durch erneute Begutachtung festzustellen, ob und inwieweit die Leistungsfähigkeit jetzt tatsächlich wiederhergestellt sei. Auch moderne Schmerzmedikamente würden nicht immer vertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten der gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Dr. H wird auf Blatt 203 bis 205 der Gerichtsakten verwiesen.
Mit Urteil vom 27. März 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Juli 2001 bis zum 30. September 2006 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten von Herrn Dr. H und auch auf das Gutachten von Herrn Dr. W gestützt. Aufgrund der Besserungsaussicht sei eine Befristung der Rentenzahlung vorzunehmen gewesen.
Gegen das ihr am 05. September 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04. Oktober 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Sie hält ein vollschichtiges Leistungsvermögen für gegeben, da der Kläger keinerlei Schmerzmedikation zu sich nehme. Sie bezieht sich auf die von Herrn Dr. H abgegebenen Stellungnahmen im erstinstanzlichen Verfahren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärztinnen, und zwar der Ärztin für Orthopädie, Frau Dipl. Med. B vom 25. Januar 2007, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Frau Dr. W (früher S) vom 17. April 2007 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau SR P vom 18. April 2007 eingeholt. Frau Dr. W hat dabei angegeben, dass bei ihr erfolgte medikamentöse Therapieversuche zur Schmerzlinderung ohne Erfolg geblieben seien. So habe der Kläger Gabapentin nicht vertragen sowie auch Lyrica. Tramal-Tropfen, die etwas gelindert hätten, habe der Kläger nicht mehr gewollt.
Auf den vom Kläger am 30. August 2006 gestellten Weiterzahlungsantrag (über den 30. September 2006 hinaus) der Rente wegen voller Erwerbsminderung hat die Beklagte am 09. Juli 2007 einen ablehnenden Bescheid erteilt. Sie hat sich dabei auf zwei von ihr in Auftrag gegebene Gutachten, und zwar von der Fachärztin für Chirurgie Frau Dr. B vom 14. Mai 2007 und der Ärztin für Psychiatrie Frau Dr. S vom 06. Juni 2007 gestützt. Beide kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Neurochirurgie, Herrn Dr. F. Z, vom 11. Juli 2007. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Bl. 344 bis 376 der Gerichtsakten verwiesen.
Nach Kenntnisnahme von dem Gutachten von Herrn Dr. Z hat die Beklagte am 04. Oktober 2007 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalles vom 11. Juli 2007 ab 01. August 2007 zu gewähren, sofern der Kläger auf die weitergehenden Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 verzichte. Sie bezog sich auf eine Stellungnahme von Herrn Dr. H vom 23. August 2007, wonach dem Gutachten von Herrn Dr. Z insoweit nicht gefolgt werden könne, als er ein aufgehobenes Leistungsvermögen seit 2000 annehme. Der Kläger nehme keine Medikamente ein und Herr Dr. B habe keine Nervenschädigung finden können. Allenfalls könne unter Voraussetzung eines langwierigen unbehandelten Schmerzsyndroms nachvollzogen werden, dass ab dem Zeitpunkt des neurochirurgischen Gutachtens im Juli 2007 ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen vorgelegen habe.
Der Kläger hat den Vergleichsvorschlag der Beklagten nicht angenommen.
Auf Anforderung des Senats hat Herr Dr. Z am 19. März 2008 eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 430 bis 434 der Gerichtsakten verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten (Az.) sowie Kopien der Krankenakte des Unfallkrankenhauses Berlin haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) der Beklagten ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, weil sie wiederkehrende bzw. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Streitgegenstand ist vorliegend nur die Frage, ob dem Kläger, wie vom Sozialgericht entschieden, Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juli 2001 bis 30. September 2006 zusteht, nicht aber, ob er einen Anspruch auf (Weiter-) Zahlung der bzw. einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2006 hat. Der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab Oktober 2006 ablehnende Bescheid vom 09. Juli 2007 ist nicht gemäß § 96 SGG oder analog dieser Vorschrift in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. September 1975 (BGBl. I 1975, Seite 2535) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Diese Vorschrift lautete:
Wird nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens.
Dadurch, dass der Kläger die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin nicht ebenfalls angegriffen hat, ist die Ablehnung des Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit über September 2006 hinaus rechtskräftig geworden. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist daher allein noch die Frage der Rentengewährung bis zum 30. September 2006. Der Bescheid vom 09. Juli 2007 wiederholte zwar die damals (mit Bescheid vom 11. Dezember 2001) ablehnende Entscheidung und wäre daher normalerweise gemäß § 96 SGG in das Verfahren einzubeziehen. Dadurch, dass die Ablehnung bestandskräftig bzw. rechtskräftig geworden ist, ergibt sich jedoch eine andere Situation. Wird ein teilbarer Verwaltungsakt nur hinsichtlich seines nicht streitbefangenen Teiles durch einen später ergangenen weiteren Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt, ist für eine Einbeziehung dieses später ergangenen Verwaltungsaktes nach § 96 SGG in ein den Verwaltungsakt betreffendes früheres gerichtliches Verfahren kein Raum (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG -vom 25. März 1997, Az. 4 RA 23/95, juris Rn. 13 = SozR 3-8585 § 2 Nr. 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 96 Rn. 4 a m.w.N.). Dies muss erst recht gelten, wenn, wie hier, der Teil, über den erneut entschieden wurde, in dem Rechtsstreit mit angefochten war, gegen das abweisende Urteil diesbezüglich aber kein Rechtsmittel eingelegt wurde. Bezüglich der Weiterzahlung der Rente über September 2006 hinaus wird der vom Kläger am 08. August 2007 gegen den Bescheid vom 09. Juli 2007 eingelegte Widerspruch von der Beklagten zu bescheiden sein.
Die Berufung ist nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2002 war insoweit rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten, als die Beklagte ihm nicht Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juli 2001 bis 30. September 2006 gewährt hat. Zutreffend hat das Sozialgericht daher die Bescheide insoweit geändert. Der Kläger hat gemäß § 43 Abs. 2 in Verbindung mit § 102 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) einen Anspruch auf Rente in dem genannten Umfang, da er seit dem 19. Juni 2000 nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig ist.
Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht- beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Kläger ist nach Überzeugung des Senats seit dem 19. Juni 2000 nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen Herrn Dr. Z sowie dem Gutachten des vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen Herrn Dr. H. Herr Dr. Z hat folgende Diagnosen gestellt: Zustand nach LWK 2-Kompressionsfraktur unter operativer Therapie, dorsale Stabilisierung mittels Fixateur interne von L 1 bis L 3 am 23. Juni 2000, ventrale Gegenstabilisierung mit Implantation eines Titankörbchens und lateraler Implantation eines Fixateur interne am 28. Juni 2000; chronisches Schmerzsyndrom Stadium II nach Gerbershagen; Großzehen- und Fußheberparese links; Coxarthrose beidseits und outlet-impingement-Syndrom des linken Schultergelenkes. Er hat ausgeführt, dass der Kläger glaubhaft ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer Neuropathie der linksseitigen Leistenregion schildert. Es besteht darüber hinaus eine Zehen- und Fußheberparese links. Das Gangbild ist wenig raumgreifend. Die Funktionstests des Zehen- und Fußheberstandes sowie die Einnahme einer vorgeneigten Körperposition sind nicht möglich. Der Kläger ist nicht in der Lage, 30 Minuten beschwerdefrei auf dem Stuhl zu sitzen. Aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms und der hochgradigen Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Ausbildung neuropathischer Beschwerden der linksseitigen Leistenregion und einer Funktionsstörung des linken Beines infolge einer Fuß- und Zehenheberparese und in der Zwischenzeit sich manifestiert habenden Myatrophie des linken Beines ist der Kläger beruflich nicht mehr einsatzfähig. Das Leistungsvermögen ist auf zwei bis drei Stunden arbeitstäglich gesunken. Es sind nur noch kurzzeitig körperlich leichte Arbeiten durchführbar, wobei praktisch keine Körperhaltung möglich ist. Auch bei einer zwei- bis dreistündigen Tätigkeit sind die üblichen Pausen nicht ausreichend. Weiter besteht Wegeunfähigkeit, der Kläger ist nicht in der Lage, Wegstrecken von mehr als 500 Metern viermal arbeitstäglich zu bewältigen. Dieser Zustand besteht seit Juni 2000.
Der Senat folgt dem Gutachten von Herrn Dr. Z in vollem Umfang. Es ist schlüssig und nachvollziehbar und berücksichtigt die von dem Kläger vorgetragenen Leiden umfassend. Es bestehen insbesondere auf orthopädischem und neurochirurgischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen welche dazu führen, dass der Kläger Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr verrichten kann.
Das Ergebnis des Gutachtens von Herrn Dr. Z steht auch im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Herrn Dr. H; ein Unterschied ist allerdings, dass Herr Dr. H eine Besserungsaussicht annimmt, Herr Dr. Z jedoch nicht. Die Diagnosen stimmen jedoch weitgehend überein und auch das verbliebene Leistungsvermögen wird von beiden Gutachtern gleich eingeschätzt. Auch die Ausführungen von Herrn Dr. W in dem Gutachten aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft stimmen im Wesentlichen mit denjenigen von Herrn Dr. Z und Herrn Dr. H überein, wenn sich auch naturgemäß ein Unterschied daraus ergibt, dass Herr Dr. W lediglich die Unfallfolgen zu bewerten hatte.
Die Einwendungen der Beklagten, die sich vor allem darauf konzentrieren, eine ausreichende medikamentöse Schmerztherapie habe beim Kläger nicht stattgefunden, sind nicht geeignet, zu einer anderen Einschätzung des Leistungsvermögens zu kommen. Herr Dr. Z hat sich in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 19. März 2008 ausführlich mit der von Herrn Dr. H geäußerten Kritik an seinem Gutachten auseinandergesetzt. Er hat dargestellt, dass der Vorwurf der Beklagten, es sei bei dem Kläger keine medikamentöse Schmerztherapie erfolgt, nicht richtig ist. Während der stationären Rehabilitation in der M- Klinik H ist bereits eine medikamentöse Schmerztherapie mit Vioxx 25 mg und Tramal long zweimal 100 mg vorgenommen worden. Weiterhin erfolgten spezielle schmerztherapeutische Therapien mit der Gabe von Gabapentin und Lyrica zur Behandlung des neuropathischen Schmerzsyndroms, wie sich aus dem Befundbericht von Frau Dr. W ergibt. Auch die modernen, in der Regel gut verträglichen Schmerzmedikamente werden nicht unbedingt immer und von allen Patienten physisch und auch psychisch vertragen, worauf Herr Dr. H hingewiesen hat. Zumindest einige dieser Schmerzmittel hat der Kläger tatsächlich nicht vertragen. Weiter ist auch der Schluss der Beklagten, wenn regelmäßig Schmerzmedikamente eingenommen würden, ändere sich das Leistungsbild dergestalt, dass einer Erwerbstätigkeit nachgegangen werden könne, nicht zutreffend, wie Herr Dr. H, der langjährig als Schmerztherapeut tätig ist und die entsprechende Fachkompetenz besitzt, in seiner ergänzenden Stellungnahme für das Sozialgericht vom 26. August 2005 ausgeführt hat. Der Senat hält diese Angaben des erstinstanzlichen Gutachters insbesondere auch aufgrund der angesprochenen Fachkompetenz für nachvollziehbar und schlüssig und legt sie seiner Beurteilung zu Grunde.
Die in der Berufungsbegründung geäußerte und aus ihrer Kritik herauslesbare Annahme der Beklagten, bei nicht ausreichender (hier medikamentöser) Therapie würde ein Leistungsfall nicht eintreten, ist im Übrigen mit der bestehenden Rechtslage nicht zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes steht die Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit der festgestellten Gesundheitsstörungen dem Eintritt des Versicherungsfalles und dem Rentenanspruch nicht im Wege (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes - BSG - vom 19. Juni 1979, Az.: 5 RJ 122/77=SozR 2200 § 1277 RVO Nr. 2, Seite 2). Diese Einschätzung wird in Literatur und Rechtsprechung geteilt (vgl. Kasseler Kommentar - Niesel, § 43 SGB VI Rdnr. 21; Kamprad in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VI, § 43 Rn. 2; LSG für das Saarland, Urteil vom 11. November 2004, Aktenzeichen L 1 RA 46/03, dokumentiert in Juris). Das BSG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass ein Rentenanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte sich absichtlich berufsunfähig oder erwerbsunfähig gemacht hat. Auf das absichtliche Unterlassen der möglichen Beseitigung einer nicht absichtlich herbeigeführten Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ist § 1277 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (der dem jetzigen § 103 SGB VI entspricht) nicht entsprechend anzuwenden. Der Ausschluss des Rentenanspruchs nach diesen Vorschriften setzt eine zielgerichtete Aktivität des Versicherten voraus, der ein passives Verhalten nicht gleichgestellt werden kann. Die unterbliebene Behandlung führt ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung nicht dazu, dass vorhandene Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen sind (vgl. BSG, SozR 2200 § 1277 RVO Nr. 2, Seite 3).
Der Senat nimmt damit mit den Gutachtern Dr. Z und Dr. H ein unter dreistündiges Leistungsvermögen an, und zwar seit dem 19. Juni 2000, dem Unfallereignis.
Der Einwand der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil, ein Leistungsfall bereits am 19. Juni 2000 sei nicht nachvollziehbar und ihr – jetziges - Einlenken , ein solcher sei frühestens mit dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Herrn Dr. Z aufgrund des nunmehr vorliegenden chronischen Schmerzsyndroms eingetreten, ist unter Hinweis auf das oben gesagte nicht stichhaltig.
Auch aus den von der Beklagten im Verwaltungsverfahren bezüglich des Rentenantrages vom 30. August 2006 eingeholten Gutachten von Frau Dr. B und Frau Dr. S , die ein sechsstündiges Leistungsvermögen auch noch zum Begutachtungszeitpunkt im Sommer 2007 annehmen, folgt kein anderes Ergebnis. Das rein psychiatrische Gutachten von Frau Dr. S betrifft bereits ein anderes Fachgebiet und ist daher nicht geeignet, die fachärztlichen Feststellungen von Herrn Dr. Z und Herrn Dr. H hinsichtlich der auf orthopädischem, schmerztherapeutischem und neurochirurgischem Fachgebiet liegenden Erkrankungen des Klägers zu entkräften. Bezüglich des Gutachtens von Frau Dr. B hat Herr Dr. Z ausgeführt, dass sich bezüglich der anamnestischen Daten keine wesentlichen Diskrepanzen zu den von ihm beschriebenen ergeben. Auch die Befunderhebung stimmt im Wesentlichen überein, es wird unter anderem eine erhebliche Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit und eine erhebliche Störung des Gangbildes beschrieben sowie erwähnt, dass der Kläger Schmerzen im Lendenwirbelsäulen-Bereich sowohl im Sitzen als auch im Stehen und bei längerem Laufen hat. Dabei wird auch erneut auf die Gehstörung hingewiesen. Der Senat folgt Herrn Dr. Z in seiner Einschätzung, dass nicht nachvollziehbar ist, wie dann bei der Beschreibung des Leistungsbildes eine leichte Arbeit vollschichtig auszuüben sein soll.
Für den Leistungsfall 19. Juni 2000 ist die Wartezeit von 60 Monaten (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt, ebenso die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Das Sozialgericht hat auch zutreffend den Rentenbeginn gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGG auf den 01. Juli 2001 festgelegt, da der Rentenantrag erst im Juli 2001 gestellt wurde.
Ob dem Kläger eine Dauerrente zu gewähren ist, ist nicht streitgegenständlich, da der Kläger gegen die dieses verneinende Entscheidung des Sozialgerichts keine Berufung eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger mit dem ganz überwiegenden Teil seines Klagebegehrens erfolgreich war.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von einer Entscheidung eines Obergerichts abgewichen wird (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts, mit dem sie verurteilt wurde, Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Juli 2001 bis zum 30. September 2006 zu gewähren.
Der 1949 geborene, also jetzt 59 Jahre alte Kläger hat in der Zeit von 1965 bis 1967 den Beruf des Malers erlernt. Langjährig und auch zuletzt war er in diesem Beruf tätig. Am 19. Juni 2000 erlitt er einen Arbeitsunfall, wobei er aus vier Metern Höhe mit dem Rücken auf eine Steintreppe fiel. Er wurde im Unfallkrankenhaus Berlin in der Zeit vom 20. Juni 2000 bis 11. Juli 2000 behandelt und operativ versorgt. In der Zeit vom 11. Juli 2000 bis 15. August 2000 absolvierte er eine von der Berufsgenossenschaft getragene Rehabilitationsmaßnahme in der M-Klinik H.
Am 16. Juli 2001 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den oben genannten Bericht über den Aufenthalt im Unfallkrankenhaus B sowie einen weiteren Bericht des Unfallkrankenhauses B vom 23. März 2001 bezüglich einer Abklärung der anhaltenden chronischen Beschwerdesymptomatik bei. In seinem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten kam der Orthopäde Herr Z am 11. September 2001 zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Maler nicht mehr arbeiten, leichte Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen, nicht auf Leitern und Gerüsten und nicht im Bücken jedoch noch vollschichtig verrichten könne. Dieser Zustand bestünde seit dem 19. Juni 2000.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aufgrund eines Leistungsfalles vom 19. Juni 2000 ab 01. Juli 2001. Gleichzeitig lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab.
Zur Begründung seines am 18. Dezember 2001 erhobenen Widerspruches trug der Kläger vor, er habe seit dem Unfall 24 Stunden am Tag anhaltend unerträgliche Schmerzen. Starke Schmerzmittel würde er nicht vertragen, da sie Magenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auslösen würden. Er könne wegen der Schmerzen nicht schlafen. Die daraus folgende Erschöpfung führe zu Depressionen.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12. August 2002 hat der Kläger am 12. September 2002 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er leide bis heute massiv unter den Folgen des Arbeitsunfalls. Im Bereich des Oberkörpers sei er in seiner Bewegungsfreiheit fast gänzlich eingeschränkt. Dies resultiere aus der Stabilisierung der Wirbelsäule (der zerstörte Lendenwirbel sei entfernt und überbrückt worden und die Wirbelsäule mit zwei Schienen stabilisiert worden; daraus folge ein Verlust der Elastizität, was dazu führe, dass der Kläger alle 5 bis 10 Minuten die Position wechseln müsse, weil er es sonst vor Schmerzen nicht aushalte). Außerdem bestünden aufgrund der Operation Beschwerden im Bereich des linken Beckenkammes. Bei der Operation seien Nervenstränge in diesem Bereich durchtrennt worden.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Arzt für Orthopädie, Sozialmedizin, Herrn Dr. FH vom 21. Mai 2003. Herr Dr. H hat folgende Diagnosen gestellt: Wirbelfraktur von LWK 1 infolge eines Arbeitsunfalles vom 19. Juni 2000 mit nachfolgender Versteifungs-Operation L 1 bis L 3 vom 23. und 28. Juni 2000; ein posttraumatisches, chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Gerbershagen; Verdacht auf eine Schädigung des Plexus lumbo sacralis sowie eine Schädigung des Nervus iliohypogastricus postoperativ links; unfallfremd eine Bandscheibenverschleißerkrankung von L 5/S 1 sowie eine beginnende Dysplasie-Coxarthrose beidseits. Herr Dr. H führte aus, dass sich infolge einer postoperativen chronischen Nervenreizung ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt habe, aufgrund dessen eine auch halbwegs physiologische Wirbelsäulenbeweglichkeit nicht mehr realisierbar sei. Er vermisste eine konsequente schmerztherapeutische Behandlung, eine neurologisch-psychiatrische Behandlung zur Therapie des Schmerzsyndroms und eine neurophysiologische Untersuchung. Eine optimale abschließende Therapie stehe noch aus. Zurzeit seien keine zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorstellbar. Das Leistungsvermögen liege deutlich unter drei Stunden, und dies seit dem 19. Juni 2000. Mit einer Änderung des Leistungsvermögens sei im Verlauf von zwei bis drei Jahren zu rechnen.
Die Beklagte folgte dem Gutachten von Herrn Dr. H nicht. Sie bemängelte, dass sich der Kläger nicht in Behandlung befinde und keine Schmerzmedikation erfolge. Sie schlug vor, eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durchzuführen. In einer weiteren Stellungnahme, die von dem beratenden Arzt der Beklagten, dem Facharzt für Chirurgie Herrn Dr. H abgegeben wurde, führte die Beklagte aus, dass dem Gutachten von Herrn Dr. H nicht zu folgen sei. Eine Objektivierung der postulierten Nervenschädigung mittels eines NLG und einer Elektromyographie sei nicht erfolgt. Die mangelnde Schmerzmedikation sei auffällig. Es sei nicht glaubhaft, dass die Medikation nicht vertragen werde, da es verschiedene Möglichkeiten der Applikation gebe, zum Beispiel über die Haut oder in Form von Zäpfchen. Auch die von Herrn Dr. H festgestellten Aggravationstendenzen seien nicht ausreichend gewertet worden.
Das Sozialgericht hat aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Bau-Berufsgenossenschaft (Aktenzeichen S 67 U 905/01 des Sozialgerichts Berlin) ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie, Herrn Dr. W vom 13. März 2003 beigezogen. Dieser hat u.a. angegeben, dass durch anlagebedingte degenerative Veränderungen auf den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 eine wegstreckenlimitierende claudicatio spinalis vorliege. Die Schmerzen in der linken Leiste seien nicht erklärbar und nicht genügend abgeklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens von Herrn Dr. W wird auf Blatt 109 bis 128 der Gerichtsakten verwiesen.
Weiter hat das Sozialgericht, ebenfalls aus dem Rechtsstreit gegen die Bau-Berufsgenossenschaft, ein Gutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Herrn Dr. JB vom 09. Juni 2004 beigezogen. Dieser hat unter anderem angegeben, dass eine schmerzhafte Nervenirritation des Nervus iliohypogastricus generell nicht ausgeschlossen werden könne. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünde ein nicht objektivierbares Schmerzsyndrom, dass dem Nervus iliohypogastricus zugeordnet werden könne. Weiter bestünden Hinweise für eine dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörung. Wegen der weiteren Einzelheiten das Gutachtens von Herrn Dr. B wird auf Blatt 132 bis 147 der Gerichtsakten verwiesen.
Am 12. Mai 2005 hat Herr Dr. H auf Anforderung des Sozialgerichts eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Er hat u.a. ausgeführt, dass eine Aggravation bei dem Kläger zwar vorgelegen habe, aber auch unter Berücksichtigung dieser liege eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor. Durch das Gutachten von Herrn Dr. W werde seine Einschätzung gestützt. Aufgrund des Gutachtens von Herrn Dr. B sei die Diagnose einer Plexus Lumbosacralis-Läsion zu streichen, weil diese von Dr. B ausgeschlossen worden sei. An der Leistungseinschätzung ändere dies nichts.
Die Beklagte hat erneut durch Herrn Dr. H am 07. Juni 2005 Stellung genommen und auf die Mitwirkungspflicht des Klägers bezüglich der Medikamenteneinnahme verwiesen. In seiner daraufhin vom Gericht angeforderten erneuten Stellungnahme hat Herr Dr. H am 26. August 2005 mitgeteilt, er habe schon in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass eine konsequente multidisziplinäre Schmerztherapie durchgeführt werden sollte. Das heiße jedoch nicht, dass man im Umkehrschluss folgern könne, wenn regelmäßig Schmerzmedikamente eingenommen würden, ändere sich das Leistungsbild dergestalt, dass einer Erwerbstätigkeit nachgegangen werden könne. Vielmehr sei nach einer adäquaten Therapie durch erneute Begutachtung festzustellen, ob und inwieweit die Leistungsfähigkeit jetzt tatsächlich wiederhergestellt sei. Auch moderne Schmerzmedikamente würden nicht immer vertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten der gutachterlichen Stellungnahme von Herrn Dr. H wird auf Blatt 203 bis 205 der Gerichtsakten verwiesen.
Mit Urteil vom 27. März 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Juli 2001 bis zum 30. September 2006 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten von Herrn Dr. H und auch auf das Gutachten von Herrn Dr. W gestützt. Aufgrund der Besserungsaussicht sei eine Befristung der Rentenzahlung vorzunehmen gewesen.
Gegen das ihr am 05. September 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04. Oktober 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Sie hält ein vollschichtiges Leistungsvermögen für gegeben, da der Kläger keinerlei Schmerzmedikation zu sich nehme. Sie bezieht sich auf die von Herrn Dr. H abgegebenen Stellungnahmen im erstinstanzlichen Verfahren.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärztinnen, und zwar der Ärztin für Orthopädie, Frau Dipl. Med. B vom 25. Januar 2007, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Frau Dr. W (früher S) vom 17. April 2007 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau SR P vom 18. April 2007 eingeholt. Frau Dr. W hat dabei angegeben, dass bei ihr erfolgte medikamentöse Therapieversuche zur Schmerzlinderung ohne Erfolg geblieben seien. So habe der Kläger Gabapentin nicht vertragen sowie auch Lyrica. Tramal-Tropfen, die etwas gelindert hätten, habe der Kläger nicht mehr gewollt.
Auf den vom Kläger am 30. August 2006 gestellten Weiterzahlungsantrag (über den 30. September 2006 hinaus) der Rente wegen voller Erwerbsminderung hat die Beklagte am 09. Juli 2007 einen ablehnenden Bescheid erteilt. Sie hat sich dabei auf zwei von ihr in Auftrag gegebene Gutachten, und zwar von der Fachärztin für Chirurgie Frau Dr. B vom 14. Mai 2007 und der Ärztin für Psychiatrie Frau Dr. S vom 06. Juni 2007 gestützt. Beide kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Neurochirurgie, Herrn Dr. F. Z, vom 11. Juli 2007. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf Bl. 344 bis 376 der Gerichtsakten verwiesen.
Nach Kenntnisnahme von dem Gutachten von Herrn Dr. Z hat die Beklagte am 04. Oktober 2007 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalles vom 11. Juli 2007 ab 01. August 2007 zu gewähren, sofern der Kläger auf die weitergehenden Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 verzichte. Sie bezog sich auf eine Stellungnahme von Herrn Dr. H vom 23. August 2007, wonach dem Gutachten von Herrn Dr. Z insoweit nicht gefolgt werden könne, als er ein aufgehobenes Leistungsvermögen seit 2000 annehme. Der Kläger nehme keine Medikamente ein und Herr Dr. B habe keine Nervenschädigung finden können. Allenfalls könne unter Voraussetzung eines langwierigen unbehandelten Schmerzsyndroms nachvollzogen werden, dass ab dem Zeitpunkt des neurochirurgischen Gutachtens im Juli 2007 ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen vorgelegen habe.
Der Kläger hat den Vergleichsvorschlag der Beklagten nicht angenommen.
Auf Anforderung des Senats hat Herr Dr. Z am 19. März 2008 eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 430 bis 434 der Gerichtsakten verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten (Az.) sowie Kopien der Krankenakte des Unfallkrankenhauses Berlin haben dem Gericht vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) der Beklagten ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, weil sie wiederkehrende bzw. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Streitgegenstand ist vorliegend nur die Frage, ob dem Kläger, wie vom Sozialgericht entschieden, Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juli 2001 bis 30. September 2006 zusteht, nicht aber, ob er einen Anspruch auf (Weiter-) Zahlung der bzw. einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2006 hat. Der eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab Oktober 2006 ablehnende Bescheid vom 09. Juli 2007 ist nicht gemäß § 96 SGG oder analog dieser Vorschrift in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. September 1975 (BGBl. I 1975, Seite 2535) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Diese Vorschrift lautete:
Wird nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens.
Dadurch, dass der Kläger die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin nicht ebenfalls angegriffen hat, ist die Ablehnung des Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit über September 2006 hinaus rechtskräftig geworden. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist daher allein noch die Frage der Rentengewährung bis zum 30. September 2006. Der Bescheid vom 09. Juli 2007 wiederholte zwar die damals (mit Bescheid vom 11. Dezember 2001) ablehnende Entscheidung und wäre daher normalerweise gemäß § 96 SGG in das Verfahren einzubeziehen. Dadurch, dass die Ablehnung bestandskräftig bzw. rechtskräftig geworden ist, ergibt sich jedoch eine andere Situation. Wird ein teilbarer Verwaltungsakt nur hinsichtlich seines nicht streitbefangenen Teiles durch einen später ergangenen weiteren Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt, ist für eine Einbeziehung dieses später ergangenen Verwaltungsaktes nach § 96 SGG in ein den Verwaltungsakt betreffendes früheres gerichtliches Verfahren kein Raum (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG -vom 25. März 1997, Az. 4 RA 23/95, juris Rn. 13 = SozR 3-8585 § 2 Nr. 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 96 Rn. 4 a m.w.N.). Dies muss erst recht gelten, wenn, wie hier, der Teil, über den erneut entschieden wurde, in dem Rechtsstreit mit angefochten war, gegen das abweisende Urteil diesbezüglich aber kein Rechtsmittel eingelegt wurde. Bezüglich der Weiterzahlung der Rente über September 2006 hinaus wird der vom Kläger am 08. August 2007 gegen den Bescheid vom 09. Juli 2007 eingelegte Widerspruch von der Beklagten zu bescheiden sein.
Die Berufung ist nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2006 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2002 war insoweit rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten, als die Beklagte ihm nicht Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. Juli 2001 bis 30. September 2006 gewährt hat. Zutreffend hat das Sozialgericht daher die Bescheide insoweit geändert. Der Kläger hat gemäß § 43 Abs. 2 in Verbindung mit § 102 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) einen Anspruch auf Rente in dem genannten Umfang, da er seit dem 19. Juni 2000 nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig ist.
Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht- beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Kläger ist nach Überzeugung des Senats seit dem 19. Juni 2000 nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen Herrn Dr. Z sowie dem Gutachten des vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen Herrn Dr. H. Herr Dr. Z hat folgende Diagnosen gestellt: Zustand nach LWK 2-Kompressionsfraktur unter operativer Therapie, dorsale Stabilisierung mittels Fixateur interne von L 1 bis L 3 am 23. Juni 2000, ventrale Gegenstabilisierung mit Implantation eines Titankörbchens und lateraler Implantation eines Fixateur interne am 28. Juni 2000; chronisches Schmerzsyndrom Stadium II nach Gerbershagen; Großzehen- und Fußheberparese links; Coxarthrose beidseits und outlet-impingement-Syndrom des linken Schultergelenkes. Er hat ausgeführt, dass der Kläger glaubhaft ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne einer Neuropathie der linksseitigen Leistenregion schildert. Es besteht darüber hinaus eine Zehen- und Fußheberparese links. Das Gangbild ist wenig raumgreifend. Die Funktionstests des Zehen- und Fußheberstandes sowie die Einnahme einer vorgeneigten Körperposition sind nicht möglich. Der Kläger ist nicht in der Lage, 30 Minuten beschwerdefrei auf dem Stuhl zu sitzen. Aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms und der hochgradigen Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Ausbildung neuropathischer Beschwerden der linksseitigen Leistenregion und einer Funktionsstörung des linken Beines infolge einer Fuß- und Zehenheberparese und in der Zwischenzeit sich manifestiert habenden Myatrophie des linken Beines ist der Kläger beruflich nicht mehr einsatzfähig. Das Leistungsvermögen ist auf zwei bis drei Stunden arbeitstäglich gesunken. Es sind nur noch kurzzeitig körperlich leichte Arbeiten durchführbar, wobei praktisch keine Körperhaltung möglich ist. Auch bei einer zwei- bis dreistündigen Tätigkeit sind die üblichen Pausen nicht ausreichend. Weiter besteht Wegeunfähigkeit, der Kläger ist nicht in der Lage, Wegstrecken von mehr als 500 Metern viermal arbeitstäglich zu bewältigen. Dieser Zustand besteht seit Juni 2000.
Der Senat folgt dem Gutachten von Herrn Dr. Z in vollem Umfang. Es ist schlüssig und nachvollziehbar und berücksichtigt die von dem Kläger vorgetragenen Leiden umfassend. Es bestehen insbesondere auf orthopädischem und neurochirurgischem Fachgebiet Gesundheitsstörungen welche dazu führen, dass der Kläger Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr verrichten kann.
Das Ergebnis des Gutachtens von Herrn Dr. Z steht auch im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Herrn Dr. H; ein Unterschied ist allerdings, dass Herr Dr. H eine Besserungsaussicht annimmt, Herr Dr. Z jedoch nicht. Die Diagnosen stimmen jedoch weitgehend überein und auch das verbliebene Leistungsvermögen wird von beiden Gutachtern gleich eingeschätzt. Auch die Ausführungen von Herrn Dr. W in dem Gutachten aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft stimmen im Wesentlichen mit denjenigen von Herrn Dr. Z und Herrn Dr. H überein, wenn sich auch naturgemäß ein Unterschied daraus ergibt, dass Herr Dr. W lediglich die Unfallfolgen zu bewerten hatte.
Die Einwendungen der Beklagten, die sich vor allem darauf konzentrieren, eine ausreichende medikamentöse Schmerztherapie habe beim Kläger nicht stattgefunden, sind nicht geeignet, zu einer anderen Einschätzung des Leistungsvermögens zu kommen. Herr Dr. Z hat sich in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 19. März 2008 ausführlich mit der von Herrn Dr. H geäußerten Kritik an seinem Gutachten auseinandergesetzt. Er hat dargestellt, dass der Vorwurf der Beklagten, es sei bei dem Kläger keine medikamentöse Schmerztherapie erfolgt, nicht richtig ist. Während der stationären Rehabilitation in der M- Klinik H ist bereits eine medikamentöse Schmerztherapie mit Vioxx 25 mg und Tramal long zweimal 100 mg vorgenommen worden. Weiterhin erfolgten spezielle schmerztherapeutische Therapien mit der Gabe von Gabapentin und Lyrica zur Behandlung des neuropathischen Schmerzsyndroms, wie sich aus dem Befundbericht von Frau Dr. W ergibt. Auch die modernen, in der Regel gut verträglichen Schmerzmedikamente werden nicht unbedingt immer und von allen Patienten physisch und auch psychisch vertragen, worauf Herr Dr. H hingewiesen hat. Zumindest einige dieser Schmerzmittel hat der Kläger tatsächlich nicht vertragen. Weiter ist auch der Schluss der Beklagten, wenn regelmäßig Schmerzmedikamente eingenommen würden, ändere sich das Leistungsbild dergestalt, dass einer Erwerbstätigkeit nachgegangen werden könne, nicht zutreffend, wie Herr Dr. H, der langjährig als Schmerztherapeut tätig ist und die entsprechende Fachkompetenz besitzt, in seiner ergänzenden Stellungnahme für das Sozialgericht vom 26. August 2005 ausgeführt hat. Der Senat hält diese Angaben des erstinstanzlichen Gutachters insbesondere auch aufgrund der angesprochenen Fachkompetenz für nachvollziehbar und schlüssig und legt sie seiner Beurteilung zu Grunde.
Die in der Berufungsbegründung geäußerte und aus ihrer Kritik herauslesbare Annahme der Beklagten, bei nicht ausreichender (hier medikamentöser) Therapie würde ein Leistungsfall nicht eintreten, ist im Übrigen mit der bestehenden Rechtslage nicht zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes steht die Behandlungsfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit der festgestellten Gesundheitsstörungen dem Eintritt des Versicherungsfalles und dem Rentenanspruch nicht im Wege (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes - BSG - vom 19. Juni 1979, Az.: 5 RJ 122/77=SozR 2200 § 1277 RVO Nr. 2, Seite 2). Diese Einschätzung wird in Literatur und Rechtsprechung geteilt (vgl. Kasseler Kommentar - Niesel, § 43 SGB VI Rdnr. 21; Kamprad in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VI, § 43 Rn. 2; LSG für das Saarland, Urteil vom 11. November 2004, Aktenzeichen L 1 RA 46/03, dokumentiert in Juris). Das BSG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass ein Rentenanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte sich absichtlich berufsunfähig oder erwerbsunfähig gemacht hat. Auf das absichtliche Unterlassen der möglichen Beseitigung einer nicht absichtlich herbeigeführten Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ist § 1277 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (der dem jetzigen § 103 SGB VI entspricht) nicht entsprechend anzuwenden. Der Ausschluss des Rentenanspruchs nach diesen Vorschriften setzt eine zielgerichtete Aktivität des Versicherten voraus, der ein passives Verhalten nicht gleichgestellt werden kann. Die unterbliebene Behandlung führt ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung nicht dazu, dass vorhandene Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen sind (vgl. BSG, SozR 2200 § 1277 RVO Nr. 2, Seite 3).
Der Senat nimmt damit mit den Gutachtern Dr. Z und Dr. H ein unter dreistündiges Leistungsvermögen an, und zwar seit dem 19. Juni 2000, dem Unfallereignis.
Der Einwand der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil, ein Leistungsfall bereits am 19. Juni 2000 sei nicht nachvollziehbar und ihr – jetziges - Einlenken , ein solcher sei frühestens mit dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Herrn Dr. Z aufgrund des nunmehr vorliegenden chronischen Schmerzsyndroms eingetreten, ist unter Hinweis auf das oben gesagte nicht stichhaltig.
Auch aus den von der Beklagten im Verwaltungsverfahren bezüglich des Rentenantrages vom 30. August 2006 eingeholten Gutachten von Frau Dr. B und Frau Dr. S , die ein sechsstündiges Leistungsvermögen auch noch zum Begutachtungszeitpunkt im Sommer 2007 annehmen, folgt kein anderes Ergebnis. Das rein psychiatrische Gutachten von Frau Dr. S betrifft bereits ein anderes Fachgebiet und ist daher nicht geeignet, die fachärztlichen Feststellungen von Herrn Dr. Z und Herrn Dr. H hinsichtlich der auf orthopädischem, schmerztherapeutischem und neurochirurgischem Fachgebiet liegenden Erkrankungen des Klägers zu entkräften. Bezüglich des Gutachtens von Frau Dr. B hat Herr Dr. Z ausgeführt, dass sich bezüglich der anamnestischen Daten keine wesentlichen Diskrepanzen zu den von ihm beschriebenen ergeben. Auch die Befunderhebung stimmt im Wesentlichen überein, es wird unter anderem eine erhebliche Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit und eine erhebliche Störung des Gangbildes beschrieben sowie erwähnt, dass der Kläger Schmerzen im Lendenwirbelsäulen-Bereich sowohl im Sitzen als auch im Stehen und bei längerem Laufen hat. Dabei wird auch erneut auf die Gehstörung hingewiesen. Der Senat folgt Herrn Dr. Z in seiner Einschätzung, dass nicht nachvollziehbar ist, wie dann bei der Beschreibung des Leistungsbildes eine leichte Arbeit vollschichtig auszuüben sein soll.
Für den Leistungsfall 19. Juni 2000 ist die Wartezeit von 60 Monaten (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt, ebenso die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Das Sozialgericht hat auch zutreffend den Rentenbeginn gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGG auf den 01. Juli 2001 festgelegt, da der Rentenantrag erst im Juli 2001 gestellt wurde.
Ob dem Kläger eine Dauerrente zu gewähren ist, ist nicht streitgegenständlich, da der Kläger gegen die dieses verneinende Entscheidung des Sozialgerichts keine Berufung eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger mit dem ganz überwiegenden Teil seines Klagebegehrens erfolgreich war.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von einer Entscheidung eines Obergerichts abgewichen wird (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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