Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2621/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 226/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die von ihr erbrachten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verlangen kann.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Versicherte R W beantragte am 11. November 2006 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund medizinische Rehabilitationsmaßnahmen, den diese am 24. November 2006 an die Klägerin weiterleitete. Der Versicherte hatte damals weniger als 180 Beitragsmonate in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Er war zu diesem Zeitpunkt auch kein Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Ferner hatte er auch nicht in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet. Pflichtbeitragszeiten sind vielmehr letztmals nur für den Zeitraum 30. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2005 belegt.
Der Arzt für Innere Medizin/Sozialmedizin der Klägerin Dr. F befürwortete in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 2006 eine Rehabilitationsmaßnahme "im Sinne der KV" mit den Rehabilitationsdiagnosen Lumbalsyndrom M 54. Die Heilbehandlung fand in Form von ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen vom 6. März 2007 bis zum 29. März 2007 statt. Als Aufnahmediagnosen sind chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, belastungsabhängige Ischialgie rechts bei Bandscheibenvorfall, degenerative LWS-Veränderungen sowie Adipositas und Nikotinabusus im Entlassungsbericht vermerkt (vom 7. Mai 2007). Als Rehabilitationsergebnis sind Verbesserungen in allen defizitären Bereichen vermerkt.
Bereits mit der Bewilligung ambulanter Rehabilitationsmaßnahme meldete die Klägerin am 8. Dezember 2006 ihren Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) bei der Beklagten an, den sie mit Schreiben vom 19. Juni 2007 auf insgesamt 1.705,37 EUR bezifferte (vgl. im Einzelnen die Aufstellung im Schreiben der Klägerin vom 19. Juni 2007).
Die Beklagte lehnte eine Erstattung mit Schreiben vom 4. Juli 2007 ab, da die Klägerin nicht zweitangegangener, sondern erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX sei. Bei der Weiterleitung innerhalb eines Sozialbereiches wie von der Deutschen Rentenversicherung Bund an die Klägerin handele es sich nicht um eine Weiterleitung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX.
Die Klägerin hat zur Durchsetzung ihres Erstattungsanspruches am 14. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 11. Januar 2008 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägern 1.705,37 EUR zu zahlen. Nach § 14 Abs. 4 SGB IX erstatte der zuständige Rehabilitationsträger dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht habe, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 Satz 2 - 4 SGB IX festgestellt werde, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig sei. Hier sei letztlich nicht die Klägerin zuständig im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB IX sondern gemäß § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Beklagte. Die Klägerin sei auch zweitangegangene Trägerin im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Die Weiterleitung von der Deutschen Rentenversicherung Bund an die Klägerin sei nämlich nicht nur eine interne Weiterleitung desselben Rehabilitationsträgers. Ein Erstattungsanspruch scheitere auch nicht daran, dass die Unzuständigkeit der Klägerin nicht erst "nach der Bewilligung der Leistung" festgestellt worden sei, wie dies § 14 Abs. 4 SGB IX ausdrücklich voraussetze. Denn "festgestellt" in diesem Sinne sei die Unzuständigkeit erst mit der Geltendmachung des bezifferten Erstattungsanspruches. Selbst wenn die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 14 Abs. 4 SGB IX nicht erfüllt seien, bestünde jedenfalls ein Erstattungsanspruch aus § 102 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Die Klägerin habe jedenfalls die Leistungen zur Teilhabe vorläufig aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, § 14 Abs. 1 SGB IX erbracht.
Gegen dieses Urteil hat sich zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gerichtet (GA Blatt 21 ff). Das SG habe die grundsätzliche Frage, ob die Weiterleitung von Anträgen auf Teilhabeleistungen innerhalb eines Zweiges der Sozialversicherung als Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen sei, unrichtig bejaht.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. Mai 2008 die Berufung zugelassen. Er hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17./22. September 2009 darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, dass beim Versicherten die Voraussetzungen für eine ambulante medizinische Reha-Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB V vorgelegen haben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Klägerin zu 25 160351 W 006 sowie der Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung der Kosten der ambulanten Reha-Maßnahme verurteilt.
Anspruchsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist entweder § 14 Abs. 4 SGB IX oder aber § 104 Abs. 1 SGB X.
§ 14 Abs. 4 SGB IX lässt die Erstattungsregelungen des § 102 ff. SGB X grundsätzlich unberührt. Die Vorschrift verdrängt sie nur teilweise und begründet im Zusammenspiel mit § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX eine nachrangige Zuständigkeit (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28. November 2007 - B 11 a 29/06 R m. w. N.-). Mit § 14 SGB IX soll nur im Außenverhältnis (behinderter Mensch gegenüber Rehabilitationsträger) rasch die Leistungspflicht festgestellt werden. Bliebe es auch im Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander bei der Zuständigkeitsverteilung nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX, würden die Zuständigkeitsnormen innerhalb des SGB IX im Wesentlichen obsolet. Die damit einhergehende Lastenverschiebung ohne Ausgleich würde die Grundlagen des gegliederten Sozialsystems infrage stellen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - L 1 KR 34/06 - Rdnrn. 12, 14). Auch die Erstattungsansprüche müssen dem Primärzweck des § 14 SGB IX dienen, der schnellen Zuständigkeitserklärung im Außenverhältnis. Es darf kein Anreiz geschaffen werden, zur Wahrung potenzieller Erstattungsansprüche Rehabilitationsanträge - mit der Folge einer vermeidbaren Verzögerung - an einen anderen Träger weiterzuleiten, der sich als zweitangegangener Rehabilitationsträger gegen seine Zuständigkeit im Außenverhältnis nicht wehren kann. § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB IX trägt deshalb speziell der Sondersituation des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers Rechnung und begründet lediglich für diesen einen speziellen Erstattungsanspruch (BSG, a.a.O., Rdnr. 15 ff.). Der zweitangegangene Rehabilitationsträger ist nämlich im Gegensatz zum erstangegangenen Rehabilitationsträger besonders schutzwürdig, da er einer aufgedrängten Zuständigkeit ausgesetzt ist und unabhängig von seiner tatsächlichen Leistungspflicht schnell handeln muss.
Bei diesem Gesetzeszweck gibt es keine Veranlassung, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX entgegen dem Wortlaut "Stellt der Rehabilitationsträger innerhalb zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest , leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Leistungsträger zu" auszulegen. Leistungsträger ist die zuständige öffentlich-rechtliche Körperschaft, bei der ein Antrag gestellt beziehungsweise an die er weitergeleitet wird. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, aus § 6 Abs. 1 SGB I ergebe sich, dass alle Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ein einheitlicher Rehabilitationsträger seien, so findet diese Auffassung auch im Wortlaut dieser Vorschrift keine Entsprechung. Denn dort heißt es, Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein: 4. die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und die Träger der Altersversicherung für Landwirte. Aus dem Plural ergibt sich ebenso wie aus § 14 Abs. 1 SGB IX, dass die verschiedenen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils Rehabilitationsträger sind. Der vorliegende Fall zeigt, dass das Ziel des Gesetzgebers, nämlich die Gliederung des Sozialversicherungssystems beizubehalten, durch eine Auslegung, wie sie die Beklagte vornimmt, nicht berücksichtigt wird. Dies führte nämlich dazu, dass, obwohl objektiv die gesetzliche Krankenversicherung zuständig war, die Kosten der Reha-Maßnahme bei einem der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung verblieben. Die Zuständigkeitsregelungen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch sind ebenso zwingendes Recht wie diejenigen zwischen den unterschiedlichen Rehabilitationsträgern, so dass ein unzuständig angegangener Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht anders kann, als den Antrag an den nach SGB VI zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung weiterzugeben. Dass in diesen Fällen jeweils das Kostenrisiko von der gesetzlichen Krankenversicherung auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen werden soll, macht keinen Sinn (so bereits Urteil des Senats vom 7. November 2008 - L 1 KR 111/07 -).
Die Klägerin ist demnach zweitangegangener unzuständiger Leistungsträger. An sie wurde der Reha-Antrag des Versicherten von der sachlich unzuständigen DRV Bund abgegeben, obwohl auch sie aufgrund des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 SGB VI ebenfalls unzuständig war: Die Klägerin ist unzuständig, weil § 11 SGB VI nicht einschlägig ist. Dem Versicherten konnten keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gewährt werden, weil er die Wartezeit von 15 Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht erfüllt hat. Für ihn sind nämlich weniger als 180 Beitragsmonate vorhanden. Er ist auch nicht Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewesen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Es haben auch nicht die Voraussetzungen speziell für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen. Der Versicherte hat nicht in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet. Pflichtbeitragszeiten sind letztmals nur für den Zeitraum 30. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2005 belegt. Der Bezug von Arbeitslosengeld II stellt keine Beschäftigung oder Tätigkeit dar. Auch die ein Versicherungsverhältnis begründenden §§ 1ff SGB VI differenzieren zwischen Beschäftigten (§ 1 SGB VI), selbstständig Tätigen (§ 2 SGB VI) und sonstigen Versicherten (§ 3 SGB VI), darunter Beziehern von Arbeitslosengeld II nach Maßgabe des § 3 Nr. 3a SGB VI. Der gegenüber § 104 SGB X aufgrund § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X vorrangige § 103 SGB X ist nicht einschlägig. Der Versicherte hatte von Anfang an keinen Anspruch gegen die Klägerin im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X, der deshalb auch nicht nachträglich entfallen konnte. Die Klägerin ist nachrangiger Leistungsträger nach der Definition in § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X. Hätte die Beklagte rechtzeitig geleistet, hätte nicht die Klägerin als Zweitangegangene nach § 14 SGB IX vorleisten müssen. Auf eine erweiternde Anwendung des § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX, wie sie das SG vorgenommen hat, kommt es demnach nicht notwendig an.
Der Umfang des Erstattungsanspruches richtet sich gemäß § 104 Abs. 3 SGB X wie nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX nach den für den vorrangig zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Der letztendlich verpflichtete Leistungsträger muss nämlich dem unzuständigen Leistungsträger nicht mehr erstatten, als er selbst bei sofortiger zutreffender Feststellung des Anspruches an den Leistungsberechtigten hätte leisten müssen. Die Beklagte ist als gesetzliche Krankenkasse zu Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als ambulante Maßnahmen gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - i.V.m. § 11 Abs. 2 SGB V) verpflichtet gewesen. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus der fachärztliche Stellungnahme vom 7. Dezember 2006, wonach solche Maßnahmen geboten gewesen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die von ihr erbrachten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verlangen kann.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Versicherte R W beantragte am 11. November 2006 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund medizinische Rehabilitationsmaßnahmen, den diese am 24. November 2006 an die Klägerin weiterleitete. Der Versicherte hatte damals weniger als 180 Beitragsmonate in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Er war zu diesem Zeitpunkt auch kein Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Ferner hatte er auch nicht in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet. Pflichtbeitragszeiten sind vielmehr letztmals nur für den Zeitraum 30. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2005 belegt.
Der Arzt für Innere Medizin/Sozialmedizin der Klägerin Dr. F befürwortete in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 2006 eine Rehabilitationsmaßnahme "im Sinne der KV" mit den Rehabilitationsdiagnosen Lumbalsyndrom M 54. Die Heilbehandlung fand in Form von ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen vom 6. März 2007 bis zum 29. März 2007 statt. Als Aufnahmediagnosen sind chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom, belastungsabhängige Ischialgie rechts bei Bandscheibenvorfall, degenerative LWS-Veränderungen sowie Adipositas und Nikotinabusus im Entlassungsbericht vermerkt (vom 7. Mai 2007). Als Rehabilitationsergebnis sind Verbesserungen in allen defizitären Bereichen vermerkt.
Bereits mit der Bewilligung ambulanter Rehabilitationsmaßnahme meldete die Klägerin am 8. Dezember 2006 ihren Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) bei der Beklagten an, den sie mit Schreiben vom 19. Juni 2007 auf insgesamt 1.705,37 EUR bezifferte (vgl. im Einzelnen die Aufstellung im Schreiben der Klägerin vom 19. Juni 2007).
Die Beklagte lehnte eine Erstattung mit Schreiben vom 4. Juli 2007 ab, da die Klägerin nicht zweitangegangener, sondern erstangegangener Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX sei. Bei der Weiterleitung innerhalb eines Sozialbereiches wie von der Deutschen Rentenversicherung Bund an die Klägerin handele es sich nicht um eine Weiterleitung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX.
Die Klägerin hat zur Durchsetzung ihres Erstattungsanspruches am 14. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 11. Januar 2008 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägern 1.705,37 EUR zu zahlen. Nach § 14 Abs. 4 SGB IX erstatte der zuständige Rehabilitationsträger dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht habe, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften, wenn nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 Satz 2 - 4 SGB IX festgestellt werde, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig sei. Hier sei letztlich nicht die Klägerin zuständig im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB IX sondern gemäß § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Beklagte. Die Klägerin sei auch zweitangegangene Trägerin im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Die Weiterleitung von der Deutschen Rentenversicherung Bund an die Klägerin sei nämlich nicht nur eine interne Weiterleitung desselben Rehabilitationsträgers. Ein Erstattungsanspruch scheitere auch nicht daran, dass die Unzuständigkeit der Klägerin nicht erst "nach der Bewilligung der Leistung" festgestellt worden sei, wie dies § 14 Abs. 4 SGB IX ausdrücklich voraussetze. Denn "festgestellt" in diesem Sinne sei die Unzuständigkeit erst mit der Geltendmachung des bezifferten Erstattungsanspruches. Selbst wenn die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 14 Abs. 4 SGB IX nicht erfüllt seien, bestünde jedenfalls ein Erstattungsanspruch aus § 102 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Die Klägerin habe jedenfalls die Leistungen zur Teilhabe vorläufig aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, § 14 Abs. 1 SGB IX erbracht.
Gegen dieses Urteil hat sich zunächst die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gerichtet (GA Blatt 21 ff). Das SG habe die grundsätzliche Frage, ob die Weiterleitung von Anträgen auf Teilhabeleistungen innerhalb eines Zweiges der Sozialversicherung als Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen sei, unrichtig bejaht.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. Mai 2008 die Berufung zugelassen. Er hat die Beteiligten mit Verfügung vom 17./22. September 2009 darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, dass beim Versicherten die Voraussetzungen für eine ambulante medizinische Reha-Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB V vorgelegen haben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Klägerin zu 25 160351 W 006 sowie der Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung der Kosten der ambulanten Reha-Maßnahme verurteilt.
Anspruchsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist entweder § 14 Abs. 4 SGB IX oder aber § 104 Abs. 1 SGB X.
§ 14 Abs. 4 SGB IX lässt die Erstattungsregelungen des § 102 ff. SGB X grundsätzlich unberührt. Die Vorschrift verdrängt sie nur teilweise und begründet im Zusammenspiel mit § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX eine nachrangige Zuständigkeit (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28. November 2007 - B 11 a 29/06 R m. w. N.-). Mit § 14 SGB IX soll nur im Außenverhältnis (behinderter Mensch gegenüber Rehabilitationsträger) rasch die Leistungspflicht festgestellt werden. Bliebe es auch im Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander bei der Zuständigkeitsverteilung nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX, würden die Zuständigkeitsnormen innerhalb des SGB IX im Wesentlichen obsolet. Die damit einhergehende Lastenverschiebung ohne Ausgleich würde die Grundlagen des gegliederten Sozialsystems infrage stellen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - L 1 KR 34/06 - Rdnrn. 12, 14). Auch die Erstattungsansprüche müssen dem Primärzweck des § 14 SGB IX dienen, der schnellen Zuständigkeitserklärung im Außenverhältnis. Es darf kein Anreiz geschaffen werden, zur Wahrung potenzieller Erstattungsansprüche Rehabilitationsanträge - mit der Folge einer vermeidbaren Verzögerung - an einen anderen Träger weiterzuleiten, der sich als zweitangegangener Rehabilitationsträger gegen seine Zuständigkeit im Außenverhältnis nicht wehren kann. § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB IX trägt deshalb speziell der Sondersituation des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers Rechnung und begründet lediglich für diesen einen speziellen Erstattungsanspruch (BSG, a.a.O., Rdnr. 15 ff.). Der zweitangegangene Rehabilitationsträger ist nämlich im Gegensatz zum erstangegangenen Rehabilitationsträger besonders schutzwürdig, da er einer aufgedrängten Zuständigkeit ausgesetzt ist und unabhängig von seiner tatsächlichen Leistungspflicht schnell handeln muss.
Bei diesem Gesetzeszweck gibt es keine Veranlassung, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX entgegen dem Wortlaut "Stellt der Rehabilitationsträger innerhalb zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest , leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Leistungsträger zu" auszulegen. Leistungsträger ist die zuständige öffentlich-rechtliche Körperschaft, bei der ein Antrag gestellt beziehungsweise an die er weitergeleitet wird. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, aus § 6 Abs. 1 SGB I ergebe sich, dass alle Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ein einheitlicher Rehabilitationsträger seien, so findet diese Auffassung auch im Wortlaut dieser Vorschrift keine Entsprechung. Denn dort heißt es, Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein: 4. die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und die Träger der Altersversicherung für Landwirte. Aus dem Plural ergibt sich ebenso wie aus § 14 Abs. 1 SGB IX, dass die verschiedenen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils Rehabilitationsträger sind. Der vorliegende Fall zeigt, dass das Ziel des Gesetzgebers, nämlich die Gliederung des Sozialversicherungssystems beizubehalten, durch eine Auslegung, wie sie die Beklagte vornimmt, nicht berücksichtigt wird. Dies führte nämlich dazu, dass, obwohl objektiv die gesetzliche Krankenversicherung zuständig war, die Kosten der Reha-Maßnahme bei einem der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung verblieben. Die Zuständigkeitsregelungen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch sind ebenso zwingendes Recht wie diejenigen zwischen den unterschiedlichen Rehabilitationsträgern, so dass ein unzuständig angegangener Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht anders kann, als den Antrag an den nach SGB VI zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung weiterzugeben. Dass in diesen Fällen jeweils das Kostenrisiko von der gesetzlichen Krankenversicherung auf die gesetzliche Rentenversicherung übertragen werden soll, macht keinen Sinn (so bereits Urteil des Senats vom 7. November 2008 - L 1 KR 111/07 -).
Die Klägerin ist demnach zweitangegangener unzuständiger Leistungsträger. An sie wurde der Reha-Antrag des Versicherten von der sachlich unzuständigen DRV Bund abgegeben, obwohl auch sie aufgrund des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 SGB VI ebenfalls unzuständig war: Die Klägerin ist unzuständig, weil § 11 SGB VI nicht einschlägig ist. Dem Versicherten konnten keine Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gewährt werden, weil er die Wartezeit von 15 Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht erfüllt hat. Für ihn sind nämlich weniger als 180 Beitragsmonate vorhanden. Er ist auch nicht Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewesen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Es haben auch nicht die Voraussetzungen speziell für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen. Der Versicherte hat nicht in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet. Pflichtbeitragszeiten sind letztmals nur für den Zeitraum 30. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2005 belegt. Der Bezug von Arbeitslosengeld II stellt keine Beschäftigung oder Tätigkeit dar. Auch die ein Versicherungsverhältnis begründenden §§ 1ff SGB VI differenzieren zwischen Beschäftigten (§ 1 SGB VI), selbstständig Tätigen (§ 2 SGB VI) und sonstigen Versicherten (§ 3 SGB VI), darunter Beziehern von Arbeitslosengeld II nach Maßgabe des § 3 Nr. 3a SGB VI. Der gegenüber § 104 SGB X aufgrund § 104 Abs. 1 S. 1 SGB X vorrangige § 103 SGB X ist nicht einschlägig. Der Versicherte hatte von Anfang an keinen Anspruch gegen die Klägerin im Sinne des § 103 Abs. 1 SGB X, der deshalb auch nicht nachträglich entfallen konnte. Die Klägerin ist nachrangiger Leistungsträger nach der Definition in § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X. Hätte die Beklagte rechtzeitig geleistet, hätte nicht die Klägerin als Zweitangegangene nach § 14 SGB IX vorleisten müssen. Auf eine erweiternde Anwendung des § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX, wie sie das SG vorgenommen hat, kommt es demnach nicht notwendig an.
Der Umfang des Erstattungsanspruches richtet sich gemäß § 104 Abs. 3 SGB X wie nach § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX nach den für den vorrangig zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Der letztendlich verpflichtete Leistungsträger muss nämlich dem unzuständigen Leistungsträger nicht mehr erstatten, als er selbst bei sofortiger zutreffender Feststellung des Anspruches an den Leistungsberechtigten hätte leisten müssen. Die Beklagte ist als gesetzliche Krankenkasse zu Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als ambulante Maßnahmen gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - i.V.m. § 11 Abs. 2 SGB V) verpflichtet gewesen. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus der fachärztliche Stellungnahme vom 7. Dezember 2006, wonach solche Maßnahmen geboten gewesen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG
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