S 10 AS 52/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 52/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.08.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Im Streit ist die Frage, ob bei Beendigung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens durch Beschluss des Gerichtes eine fiktive Terminsgebühr erstattungsfähig ist.

Streitgegenstand in dem zugrunde liegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Am 08.06.2007 erging ohne mündliche Verhandlung ein Beschluss des Sozialgerichts, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, längstens bis zum 15.09.2007 80 vom Hundert der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass der Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen hat.

Mit Schriftsatz vom 14.06.2007 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, folgende von dem Antragsgegner zu erstattende Kosten festzusetzen.

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV 250,- Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV 200,- Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,- Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV 89,30 Euro

Gesamtbetrag: 559,30 Euro

Mit Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 30.08.2007 wurden die von dem Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 321,30 Euro festgesetzt. Dabei wurde eine Terminsgebühr nicht berücksichtigt, da ein Termin nicht stattgefunden habe und die Voraussetzungen für eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV nicht vorliegen würde. Eine fiktive Terminsgebühr sei für ein Verfahren, für dass eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei und dass durch Beschluss beendet worden sei, nicht vorgesehen. Zudem hätten keine außergerichtlichen Besprechungen im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG stattgefunden.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Erinnerung eingelegt, soweit die zur Festsetzung beantragte Terminsgebühr nicht festgesetzt worden ist. Die Terminsgebühr entstehe nach Nr. 3106 VV RVG in einem Verfahren, für dass die mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, auch dann, wenn im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Vorliegend habe das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden. Auch in einem einstweiligen Anordnungsverfahren könne eine mündliche Verhandlung stattfinden.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II. Die nach §§ 197 Abs. 2, 178 SGG zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Eine zu erstattende Terminsgebühr war nicht festzusetzen.

Die Terminsgebühr richtet sich in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, nach Abs. 3 der Vorbemerkung 3 der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis VV) und nach Nr. 3106 VV RVG. Betragsrahmengebühren entstehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG in den Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist. Im zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren handelte es sich um ein Verfahren eines Leistungsempfängers, mit dem Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht wurden, so dass das Verfahren nach § 183 Satz 1 SGG gerichtskostenfrei war und nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG keine Kosten nach dem Gerichtskostengesetz zu erheben waren.

Nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, wobei dies nicht für Besprechungen (allein) mit dem Auftraggeber gilt. In dem vorliegenden Verfahren hat weder ein Termin in dem vorstehend bezeichneten Sinn stattgefunden noch sind Besprechungen des Prozessbevollmächtigten mit der Auftraggeberin und dem Antragsgegner ohne Beteiligung des Gerichts durchgeführt worden.

Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nicht erfüllt. Danach entsteht die Gebühr in den Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren gelten, auch dann, wenn

1.in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, 2.nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder 3.das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Keiner dieser Tatbestände ist im vorliegenden Verfahren erfüllt worden. Soweit sich die Antragstellerin auf Nr. 3106 Anmerkung Ziffer 1 VV RVG beruft, liegen deren Voraussetzungen nicht vor. Danach kann eine Terminsgebühr nur in einem Verfahren entstehen, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Für das im vorliegenden Fall anhängig gewesene einstweilige Anordnungsverfahren ist eine Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung jedoch gesetzlich nicht vorgeschrieben. Da in einem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 86 b Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden wird, gilt insoweit § 124 Abs. 3 SGG, wonach eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, sondern lediglich ergehen kann. Das bedeutet, dass das Gericht nach Ermessen entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird oder nicht (vgl. Meyer-Ladewig § 124 Rn 5). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 3106 Anmerkung ZIffer 1 VV RVG reicht es für die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr nicht aus, dass in dem Verfahren eine mündliche Verhandlung ergehen kann. Somit ist es in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeschlossen, dass der Gebührentatbestand der Nr. 3106 Anmerkung Ziffer 1 VV RVG erfüllt ist (vgl. SG Lüneburg vom 10.05.2007 S 25 SF 23/07; SG Düsseldorf vom 05.12.2007 S 29 AS 131/06 ER; für Nr. 3104 Anmerkung Abs. 1 Nr. 1 VV: OLG München vom 31.08.2005 11 W 2045/05; Gerold/Schmidt Kommentar zum RVG Nr. 3104 VV Rn 14, 21, 22; Mayer-Kroiß Kommentar zum RVG Nr. 3104 VV Rn 10, 11, 18 Göttlich/Mümmler Terminsgebühr 5.10).

Da in dem Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, fehlt es auch an der weiteren Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 3106 Anmerkung Ziffer 1 VV RVG, wonach ein Einverständnis der Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt worden sein muss. Da ein solches Einverständnis bei einer Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren durch Beschluss nicht erforderlich ist, haben die Beteiligten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ihr diesbezügliches Einverständnis auch nicht erklärt.

Schließlich entspricht es auch dem Sinn und Zweck des Gebührentatbestandes, bei einer Entscheidung des Gerichts durch Beschluss in einem einstweiligen Anordnungsverfahren eine Terminsgebühr nicht entstehen zu lassen. Durch den Gebührentatbestand soll zum einen erreicht werden, dass das - bei vorgeschriebener mündlicher Verhandlung - notwendige Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht dadurch erschwert wird, dass sich dieses Einverständnis gebührenrechtlich zum Nachteil auswirkt. Zum anderen soll dem Prozessbevollmächtigten eine zusätzliche Vergütung für die besonders gründliche und umfassende schriftliche Vorarbeit zugebilligt werden, die regelmäßig erwartet werden darf, wenn aufgrund einer Einverständniserklärung der Beteiligten ausnahmsweise im Einzelfall ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucksache 15/1971 Seite 212 zu Nr. 3104; Gerold/Schmidt Nr. 3104 VV Rn 12; BGH NJW 2003, 3133). Bei einer Entscheidung des Gerichts durch Beschluss in einem einstweiligen Anordnungsverfahren ist weder ein besonderer Aufwand des Anwaltes ersichtlich noch können die Beteiligten eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verhindern (so ausdrücklich für eine Entscheidung des Gerichts nach § 153 Abs. 4 SGG: BT-Drucksache 15/1971 Seite 212 zu Nr. 3104).

Somit ergeben sich folgende erstattungsfähige Gebühren und Auslagen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV 250,- Euro Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,- Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV 51,30 Euro

Gesamtbetrag: 321,30 Euro

Rechtsmittelbelehrung:
Rechtskraft
Aus
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