L 18 AS 572/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AS 2247/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 572/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Februar 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgen, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit ab 1. Januar 2010 – für den Antragsteller zu 2) allerdings nur für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 und wieder ab 12. April 2010 – zu gewähren, ist nicht begründet.

Ein Anordnungsgrund iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses ist für die begehrte gerichtliche Regelung nicht ersichtlich. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt dies schon deshalb, weil eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller derzeit nicht zu besorgen ist. Die von den Antragstellern bewohnte Unterkunft ist ungekündigt. Mit dem Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren sind nicht mehr rückgängig zu machende Nachteile jedenfalls derzeit nicht verbunden. Im Übrigen enthält § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 SGB II eine Regelung gerade auch für den – hier nicht vorliegenden – Fall einer Räumungsklage. Auch soweit die Antragsteller insgesamt Leistungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltend machen, haben sie einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit kommt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht in Betracht. Ein besonderer Nachholbedarf der Antragsteller oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart sind nicht dargetan.

Hinsichtlich der begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Übrigen, dh vom Zeitpunkt der Senatsentscheidung an, fehlt es ebenfalls an einem Anordnungsgrund, und zwar schon deshalb, weil die Antragsteller ihren existenzsichernden Bedarf aus dem Einkommen der Antragstellerin zu 1) und des Antragstellers zu 2) zumindest derzeit decken können. Anzusetzen ist hierbei der Regelbedarf des § 20 Abs. 2 SGB II, der sich für die Antragstellerin zu 1) auf 359,- EUR monatlich und die Antragsteller zu 2) und 3) auf jeweils 287,- EUR monatlich (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) beläuft. Die Regelung über die Regelsatzhöhe in § 20 Abs. 2 SGB II ist bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anzuwenden (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1BvL 1/09 u.a. – juris). Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft beläuft sich mithin – ohne KdU - auf 933,- EUR monatlich. Diesem Gesamtregelbedarf steht ein im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu berücksichtigendes Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft von monatlich 1.410,33 EUR gegenüber. Der monatliche Gesamtregelbedarf liegt daher deutlich unter dem derzeitigen monatlichen Gesamteinkommen der Antragsteller. Hierbei ist auch ggf. nicht anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen, da dessen vorrangiger Einsatz nach einer zusprechenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausgeglichen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – nicht veröffentlicht). Der Senat legt dabei seiner - im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorläufigen – Berechnung hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) das von dieser vorgetragene Monatseinkommen aus den selbständigen Tätigkeiten von 267,73 EUR zugrunde. Ob die Antragstellerin zu 1) tatsächlich ein höheres Einkommen aus ihren selbständigen Tätigkeiten erzielt, bedarf keiner abschließenden Beurteilung, weil bereits ausgehend von dem von ihr selbst angegebenen Einkommen kein Bedarf verbleibt, der durch eine gerichtliche Regelungsanordnung abzudecken wäre. Im Einzelnen errechnet sich das tatsächliche monatliche Einkommen von 1.410,33 EUR wie folgt: Einkommen der Antragstellerin zu 1) aus ihren selbständigen Tätigkeiten = 267,73 EUR; Netto-Arbeitsentgelt des Antragstellers zu 2) unter Abzug der von der Arbeitgeberin einbehaltenen Miete = 1.106,18 CHF = 774,60 EUR (Wechselkurs vom 1. April 2010); Kindergeld der Antragsteller zu 2) und 3) = 368,- EUR. Selbst wenn hiervon die von den Antragstellern in Bezug genommenen Versicherungspauschalen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung sowie die von der Antragstellerin zu 1) zu zahlenden privaten Krankenversicherungsbeiträge iHv 207,- EUR monatlich in Abzug zu bringen wären, läge der Gesamtregelbedarf noch niedriger als das Gesamteinkommen.

Sollte der Antragsteller zu 2), dessen Märzgehalt nach eigenen Angaben am 25. März 2010 abgerechnet worden sein dürfte, ab 12. April 2010 kein Einkommen mehr erzielen, bleibt es den Antragstellern unbenommen, dann ggf. erneut um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachzusuchen. Ein etwaiger zukünftiger Bedarf rechtfertigt jedoch im Vorgriff keine einstweilige Anordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, die nur der Behebung einer akuten Notlage dienen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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