Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 AS 6660/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 641/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. April 2010 aufgehoben, soweit das Sozialgericht den Antragsgeg- ner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 in Höhe eines Zahlbetrages verpflichtet hat, der monatlich 251,- EUR übersteigt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt zwei Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Antrag- stellers im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M bewilligt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners, mit der dieser sich gegen die durch den angefochtenen Beschluss verlautbarte einstweilige Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wendet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) i.H.v. monatlich 682,21 EUR als Darlehn zu gewähren, ist den dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen.
Einer Leistungsverpflichtung des Antragsgegners steht zunächst nicht entgegen, dass dieser SGB II-Leistungen für die Zeit ab 1. März 2010 aufgrund des § 66 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) wegen angeblich fehlender Mitwirkung des Antragstellers versagt hat, ohne in der Sache über einen Leistungsanspruch zu entscheiden. Denn auch in derartigen Fällen kommt zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) die unmittelbare Leistungsverpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung in Betracht.
Für die Verpflichtung zur Tragung von Kosten der Unterkunft und Heizung im vom SG tenorierten Umfang fehlt es allerdings an einem Anordnungsgrund iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers ist zumindest derzeit noch nicht zu besorgen. Trotz der wiederholten fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses ist eine Räumungsklage bislang nicht anhängig. Selbst im Fall einer Räumungsklage enthält § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 SGB II eine Regelung zur Sicherung der Unterkunft, so dass insoweit mit dem Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache zumindest derzeit keine nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile für den Antragsteller verbunden sind. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller – wie sich seinem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 15. April 2010 entnehmen lässt – die aus einer Kaufpreisforderung erwartete Zahlung von 1.672,95 EUR zur Begleichung seiner Mietschulden aufzuwenden beabsichtigt.
Etwas anderes gilt, soweit das SG den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung der monatlichen Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II als Darlehn in dem streitigen Zeitraum verpflichtet hat, allerdings nur in Höhe eines Betrages von 251,- EUR monatlich. Die diesbezüglich vorgenommene und an dem Grundrecht des Antragstellers auf Sicherung einer menschenwürdigen Existenz ausgerichtete Folgenabwägung des SG ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil abschließende Sachermittlungen zu den Werten der dem Antragsteller gehörenden Grundstücke und - insbesondere – zu deren augenscheinlich nur durch umfassende Ermittlungen zu klärender Verwertbarkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren untunlich sind. In derartigen Fällen ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der sich die Gerichte schützend und fordernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen haben. Das gilt insbesondere, wenn es – wie bei den SGB II-Leistungen – um die Würde des Menschen geht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris – mwN). Allerdings ist auch hier grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden, z.B. indem Leistungen nur mit einem Abschlag gewährt werden (vgl. BVerfG aaO). Der Senat hält insoweit einen Abschlag von 30% der Regelleistung für angemessen, zumal im Hinblick auf die Wertung des § 30 Abs. 1 SGB II auch der Gesetzgeber insoweit noch von einer hinreichenden Existenzsicherung ausgeht. Hieraus errechnet sich unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift in § 41 Abs. 2 SGB II ein Leistungsbetrag von 251,- EUR monatlich. Da insoweit ohne weiteres auch von einem Anordnungsgrund auszugehen ist, war der angefochtene Beschluss im Übrigen aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dem – bedürftigen - Antragsteller war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M zu bewilligen, weil der Antragsgegner das Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung).
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses hat sich durch die Entscheidung des Senats über die Beschwerde erledigt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners, mit der dieser sich gegen die durch den angefochtenen Beschluss verlautbarte einstweilige Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wendet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 1. März 2010 bis 30. April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) i.H.v. monatlich 682,21 EUR als Darlehn zu gewähren, ist den dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen.
Einer Leistungsverpflichtung des Antragsgegners steht zunächst nicht entgegen, dass dieser SGB II-Leistungen für die Zeit ab 1. März 2010 aufgrund des § 66 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) wegen angeblich fehlender Mitwirkung des Antragstellers versagt hat, ohne in der Sache über einen Leistungsanspruch zu entscheiden. Denn auch in derartigen Fällen kommt zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) die unmittelbare Leistungsverpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung in Betracht.
Für die Verpflichtung zur Tragung von Kosten der Unterkunft und Heizung im vom SG tenorierten Umfang fehlt es allerdings an einem Anordnungsgrund iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers ist zumindest derzeit noch nicht zu besorgen. Trotz der wiederholten fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses ist eine Räumungsklage bislang nicht anhängig. Selbst im Fall einer Räumungsklage enthält § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 SGB II eine Regelung zur Sicherung der Unterkunft, so dass insoweit mit dem Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache zumindest derzeit keine nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile für den Antragsteller verbunden sind. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller – wie sich seinem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 15. April 2010 entnehmen lässt – die aus einer Kaufpreisforderung erwartete Zahlung von 1.672,95 EUR zur Begleichung seiner Mietschulden aufzuwenden beabsichtigt.
Etwas anderes gilt, soweit das SG den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung der monatlichen Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II als Darlehn in dem streitigen Zeitraum verpflichtet hat, allerdings nur in Höhe eines Betrages von 251,- EUR monatlich. Die diesbezüglich vorgenommene und an dem Grundrecht des Antragstellers auf Sicherung einer menschenwürdigen Existenz ausgerichtete Folgenabwägung des SG ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil abschließende Sachermittlungen zu den Werten der dem Antragsteller gehörenden Grundstücke und - insbesondere – zu deren augenscheinlich nur durch umfassende Ermittlungen zu klärender Verwertbarkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren untunlich sind. In derartigen Fällen ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der sich die Gerichte schützend und fordernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen haben. Das gilt insbesondere, wenn es – wie bei den SGB II-Leistungen – um die Würde des Menschen geht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris – mwN). Allerdings ist auch hier grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden, z.B. indem Leistungen nur mit einem Abschlag gewährt werden (vgl. BVerfG aaO). Der Senat hält insoweit einen Abschlag von 30% der Regelleistung für angemessen, zumal im Hinblick auf die Wertung des § 30 Abs. 1 SGB II auch der Gesetzgeber insoweit noch von einer hinreichenden Existenzsicherung ausgeht. Hieraus errechnet sich unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift in § 41 Abs. 2 SGB II ein Leistungsbetrag von 251,- EUR monatlich. Da insoweit ohne weiteres auch von einem Anordnungsgrund auszugehen ist, war der angefochtene Beschluss im Übrigen aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dem – bedürftigen - Antragsteller war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M zu bewilligen, weil der Antragsgegner das Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung).
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses hat sich durch die Entscheidung des Senats über die Beschwerde erledigt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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