L 10 AS 634/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 156 AS 1277/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 634/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. März 2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragsteller machen höhere Leistungsansprüche geltend, da die Antragsgegnerin die Kos¬ten ihrer Unterkunft nur teilweise als angemessene Kosten im Sinne von § 22 Abs 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) berücksichtigt und in die Berechnung der vorläufig bewilligten Leistung einbezieht.

Die verheirateten Antragsteller (geboren 1951 bzw. 1954) wohnen seit dem 1995 als Mieter des im Vorderhaus wohnenden Eigentümers im Hinterhaus des Grundstücks S S. Laut Mietver¬trag ist das gesamte Einfamilienhaus – Wohnfläche 100 m², bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad (zzgl. drei Kellerräumen) –, zu dem eine Garage, eine Terrasse und ein Garten¬anteil gehören, vermietet. Die Wohnung wird über eine eigene Heizungsanlage geheizt und mit Warmwasser versorgt. Der Mietvertrag sieht vor, dass die Mieter für das Öl für die Heizungsanlage, den Wasserverbrauch, die Müllentsorgung, den Schornsteinfegeraufwand und den Stromverbrauch aufkommen. Ferner verpflichteten sich die Antragsteller bei Einzug zu Schönheitsreparaturen, deren Aufwand mit 10.000,00 DM geschätzt wurde. Dazu war vorgesehen, diesen Aufwand durch dreimonatiges mietfreies Wohnen für den Fall abzugelten, dass die Antragsteller das Mietobjekt vor Ablauf von 10 Jahren wieder verlassen.

Die Antragsgegnerin berücksichtigte bei den seit dem 2005 im ergänzenden Leistungsbezug stehenden Antragstellern einen Gesamtbedarf von Unterkunftskosten von 854,48 Euro (766,94 Euro monatliche Miete zzgl. 87,54 Euro monatliche Nebenkosten). Ferner machten die Antragsteller ihre Heizölrechnungen geltend. Im Dezember 2008 kündigte die Antragsgegnerin eine Kostensenkungsaufforderung bzgl. der Kosten der Unterkunft (KdU) an und wies in dem Schreiben auf die nach Maßgabe der in B zur Anwendung gebrachten Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung (AV-Wohnen) vorgesehenen Tatbestände für erhöhte Leistungen hin. Daraufhin teilte der Antragsteller mit, seine Ehefrau leide an einer schweren psychischen und körperlichen Krankheit und er selbst werde voraussichtlich demnächst den Lebensunterhalt deckende Einkünfte erzielen. Es wurden drei Atteste die Antragstellerin betreffend eingereicht, und zwar der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. S vom 22. Dezember 2008, des Internisten und Rheumatologen Dr. R vom 06. Januar 2009 und des Orthopäden I.

Mit Bescheid vom 08. Dezember 2009 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern für den Zeitraum vom 01. Juni 2010 bis zum 31. Mai 2010 Leistungen im Umfang von 7,21 Euro monatlich (Einzelansprüche auf KdU von 3,60 und 3,61 Euro – dem war am 03. Februar 2009 eine Kostensenkungsaufforderung mit der Ankündigung vorausgegangen). Dabei rechnete sie das Renteneinkommen der Antragstellerin (befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung) und prognostiziertes Einkommen des Antragstellers an (Ausgangs¬wert insoweit 827,00 Euro/Anrechnungsbetrag 584,30 Euro) und erklärte die Bewilligung für vorläufig. Als Bedarf für Unterkunft und Heizung waren im Bescheid vom 08. Dezember 2009 444,00 Euro – Pauschalwert nach der AV-Wohnen für zwei Personen – angesetzt.

Am 14. Januar 2010 wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der erhobene Anspruch wurde nicht beziffert, vielmehr wurde geltend gemacht, es sollten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter "korrekter" Einkommensanrechnung bewilligt werden. Dazu wurde vorgetragen, der Antragsteller habe in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 keine Einkünfte erzielt.

Mit Bescheiden vom 12. Februar 2010 und 01. März 2010 berechnete die Antragsgegnerin die Leistungen neu und sah dabei bezogen auf den Antragsteller von jeglicher Einkommens¬anrechnung ab. Weiter ausgehend von einem Unterkunftsbedarf von 444,00 Euro ergab sich als Summe der monatlichen Individualansprüche der Antragsteller ein Betrag von 591,51 Euro. Auch diese Bescheide sind als vorläufige Bescheide im Sinne von § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ergangen.

Zu ihrem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben die Antragsteller vorge¬tragen, von einer Absenkung der Unterkunftskosten müsse abgesehen werden. Zum Einen hätten sie gegen die Zusage des Vermieters, für 10 Jahre auf Mieterhöhungen zu verzichten, erheblichen Renovierungsaufwand bezüglich des Hauses geleistet, das bei Einzug "eine Ruine" gewesen sei. Die Antragstellerin leide an schwerwiegenden Erkrankungen. Der Vermieter habe auf einen Betrag von 100,00 Euro monatlich vorläufig verzichtet. Die Gesamtkosten der Unterkunft beliefen sich danach auf 754,41 Euro monatlich (666,87 Euro (statt 766,84 Euro) zzgl 87,54 Euro monatlich für Müll- Wasser- Schornsteinfegergebühren). Zudem seien Heizkosten von einmalig 352,85 Euro, zahlbar zum 01. März 2010, geltend zu machen. Dieser Betrag sei für die letzte Heizöllieferung im Dezember 2009 aufzuwenden gewesen und spätestens Anfang März sei eine Nachbestellung im gleichen Umfang notwendig. Dem entsprechend wurde der Antrag konkretisiert (Hilfe zum Lebensunterhalt im Umfang von 930,49 Euro monatlich bis zum 31. Mai 2010 (Summe der Ansprüche beider Antragsteller) sowie 352,85 Euro zum 01. März 2010). Die Antragsgegnerin müsse prüfen, ob die Absenkung individuell zumutbar sei und dabei die Regelungen der AV-Wohnen zum Ausschluss von Kostensenkungen und den Umstand, dass die jetzige Wohnung behindertengerecht sei, beachten. Dies sei nicht geschehen. Der Antragsteller habe ein Alterseinkommen zu erwarten, das erlauben werde, die Wohnung unabhängig von bedarfsabhängigen Sozialleistungen zu halten.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die Kosten der Wohnung lägen um ca. 300,00 Euro monatlich über den Regelwerten der AV-Wohnen. Dieser Betrag könne nicht für die Dauer von ca. sieben Jahren – bis zum Renteneintritt des Antragstellers – getragen werden. Für eine medizinisch bedingte Unzumutbarkeit der Senkung der Mietaufwendungen durch einen Wohnungswechsel sei kein hinreichender Grund erkennbar.

Mit Beschluss vom 15. März 2010 hat das Sozialgericht (SG) Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehle am Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Die Kosten der innegehabten Wohnung seien unangemessen hoch. Angemessen sei eine Wohnung bis zu einer Bruttokaltmiete – dieser Betrag wird ausführlich hergeleitet – von 370,00 Euro. Angesichts dessen treffe die Antragsteller eine Kostensenkungsobliegenheit, über die sie seit Dezember 2009 auch informiert seien. Die Voraussetzung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II, wonach unangemessene Aufwendungen solange zu berücksichtigen seien, wie es den Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, die Aufwendungen zu senken, lägen nicht vor. Der Wohnbedarf sei auf das Notwendige zu beschränken, auch wenn erhebliche Investitionen in die Mietwohnung geleistet worden seien. Eine objektive Unmöglichkeit des Wohnungswechsels sei nicht dargetan, insbesondere sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht umziehen könne oder zur Vermeidung einer gesundheitlichen Verschlimmerung in ihrer jetzigen Wohnung verbleiben müsse.

Am Anordnungsgrund fehle es ebenfalls. Den Antragstellern drohe derzeit keine Wohnungslosigkeit, sie befänden sich mit ihren Mietzahlungen nicht im Rückstand. Es seien auch keine nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile zu besorgen, da bisher keine Räumungsklage erhoben worden sei.

Mit der Beschwerde wird das Begehren weiter verfolgt. Das SG berechne die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als angemessen zu betrachtenden Aufwendungen falsch. Diese lägen hier bei 674,19 Euro. Dazu seien die Heizkosten separat zu übernehmen. Die verbleibende Lücke habe die Antragsgegnerin nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II zu schließen. Dazu vertiefen die Antragsteller die Überlegung zu den gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin und der zuvor geäußerten Auffassung, hier handele es sich nur um eine Überbrückung. Es wird ein Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales von Berlin vom 06. April 2010 eingereicht, wonach der Grad der Behinderung (GdB) der Antragstellerin 70 beträgt. Ferner werden Überlegungen zur Bindungswirkung der AV-Wohnen, zur möglichen Bandbreite der Entscheidungen bei Anwendung der Produkttheorie und zu einem Zusammenhang der vorliegend verfolgten Ansprüche mit einem zeitgleich beantragten Einstiegsgeld angestellt.

Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (Schriftsatz vom 16. April 2010),

unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 15.03.2010 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern für den Zeitraum vom 14.01.2010 bis 31.05.2010 einen Betrag in Höhe von monatlich 930,49 Euro sowie einen einmaligen Betrag in Höhe von weiteren 352,85 Euro zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Position fest, angemessener Wohnraum stehe zur Verfügung und ein Umzug sei zumutbar.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf einen streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung ist bereits deshalb kein Raum, weil es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt. Dies hat das SG den Antragstellern in seinem Beschluss zu Recht vor Augen geführt. Dennoch ist auch in der Beschwerdeinstanz jeglicher Vortrag dazu unterblieben, aus welchen Gründen eine vorläufige Regelung hier zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist. Aktenkundig ist insoweit nicht mehr, als der sich aus den maßgebenden Bescheiden ergebende Umstand, dass die Kosten der Unterkunft derzeit nicht mehr in der Höhe gewährt werden, in der sie tatsächlich anfallen. Welche (allgemein durchaus nahe liegenden) Nachteile daraus gegenwärtig drohen, dh welche konkreten Gefährdungen bezüglich des Erhalts der Unterkunft eingetreten sind oder zumindest unmittelbar bevorstehen, wird nicht deutlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass den Antragstellern ein gegenwärtiger Nachteil droht, denn es ist nicht vorgetragen oder erkennbar, dass bisher überhaupt ein Mietrückstand aufgelaufen ist, geschweige denn, dass eine Lage eingetreten wäre, die den Vermieter zu einer außerordentlichen Kündigung iS von § 543 Abs 1, Abs 2 Satz 1 Nr 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigen könnte. Angesichts des Fehlens jeglichen Vortrags zur Gefährdung des Mietverhältnisses kann der Senat dahinstehen lassen, welche Anforderungen er insoweit im Einzelnen stellen würde; eines Hinweises, dass die Beschwerdeentscheidung in entscheidungserheblicher Weise auf das Fehlen des Anordnungs¬grundes abstellen wird, bedurfte es jedenfalls deshalb nicht, da die Antragsteller fachkundig vertreten sind und bereits der Beschluss des SG das Fehlen des Anordnungsgrundes zum Gegenstand hatte.

Es fehlt auch am Anordnungsanspruch.

Das SG hat die angemessenen KdU iS von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zutreffend bestimmt, in dem es ohne eine Bindung an die AV-Wohnen anzunehmen, die Bruttokaltmiete nach Maßgabe der Produkttheorie (dazu BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 10/06 R) berechnet und die Heizkosten separat betrachtet hat (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R). Das Ergebnis ist tragfähig, der Senat nimmt darauf für die Belange dieses Verfahrens Bezug (Bl 5 2. Abs bis Bl 7 4. Abs des angefochtenen Beschlusses). Soweit der Senat sich bisher auf die einzelnen zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche und des angemessenen qm-Preises heranzuziehenden Werte nicht abschließend festgelegt hat, verbleibt es dabei; das SG hat alle Parameter (Wohnfläche, Kaltmiete, kalte Nebenkosten) so angesetzt, dass allenfalls geringfügige Abweichungen – im Bereich weniger Euro – in Betracht zu ziehen wären. Insoweit kann gesagt werden, dass die Werte für die Nettokaltmiete (durchschnittliche Miete in einfachen Wohnlagen nach den B Mietspiegel) und die zur Bestimmung der kalten Betriebskosten herangezogenen Grundlagen so weitgehend realitätsnah sind und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Wertungen stehen, dass auch abweichende Erwägungen zu einzelnen Kostenpositionen eine erhebliche, ergebnisrelevante Abweichung nicht erbringen würden.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Zahlung der tatsächlichen Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II. Nach dieser Bestimmung sind die Aufwendungen für die Unterkunft soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen als Bedarf solange zu berücksichtigten, wie es den Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens sechs Monate. Die entsprechende Kostensenkungsaufforderung, die nicht gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung ist (Berlit in LPK-SGB II § 22 RdNr 64), ist ergangen.

Nach derzeitigem Sachstand ist es den Antragstellern nicht unzumutbar, eine Kostensenkung durch einen Wohnungswechsel herbeizuführen; die dazu von den Antragstellern in Anspruch genommenen Sachverhalte begründen dies nicht.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Zumutbarkeit nicht losgelöst vom Umfang der Überschreitung der angemessenen Kosten zu beurteilen ist. Zwar ist Ausgangspunkt der Norm nicht die Zumutbarkeit weiterer Zahlungen für den SGB-Träger, vielmehr soll mittels des unbestimmten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit einzelfallbezogen ein temporärer Bestandsschutz zu Gunsten des Hilfebedürftigen herbeigeführt werden. Deshalb ist zu fragen, ob die Konsequenz der Kostensenkungsnotwendigkeit (bei Ausschöpfung/fehlender Realisierbarkeit sonstiger Möglichkeiten: des Umzuges) für ihn vom Durchschnitt (ungünstig) abweichende Belastungssituationen begründet (vgl Gagel-Lauterbach, § 22 SGB II, RdNr 55). Dennoch ist der Umfang, in dem ggf eine "zeitweise Zuvielleistung" beansprucht werden kann, nicht ohne Bedeutung. Sofern in diesem Zusammenhang vergleichsweise hohe (etwa – wie hier – in der Größenordnung dem Doppelten der angemessenen KdU entsprechende) Aufwendungen der Allgemeinheit überbürdet werden sollen, ist ein strengerer Maßstab geboten als bei marginalen Überschreitungen. Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen kann durchaus angesonnen werden, einen den normalen Rahmen sprengenden Leistungsanspruch nur dann realisieren zu können, wenn der Bedarf auch bei Hinnahme nicht unerheblicher Belastungen unabweisbar ist, während eine überdurchschnittliche Betroffenheit durch eine Leistungsversagung geringem Umfangs deutlich eher gegeben sein kann, weil die Ablehnung eines moderaten Anliegens bereits bei geringer absoluter Belastung unverhältnismäßig sein kann. Diese Überlegung ist einzubringen, da die Anwendung des Begriffs der Zumutbarkeit immer den Raum eröffnet und erfordert, Normalfall und Ausnahme wertend ins Verhältnis zu stellen. Dies findet Bestätigung in der generellen Obliegenheit jedes erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, alle Möglichkeit zur Verringerung seine Hilfebedürftigkeit einzusetzen und dazu alle Mittel und Kräfte zu nutzen (§ 2 Abs 1 uns 2 SGB II).

Ein Umzug ist nicht wegen der bisher nicht glaubhaft gemachten, ausgehend vom Vortrag der Antragsteller erheblichen Aufwendungen auf die Mietsache unzumutbar. Die Antragsteller sind einen Mietvertrag eingegangen, in dem zu ihren Aufwendungen eine Gegenleistung bestimmt ist (drei Monate mietfreies Wohnen bei Beendigung vor Ablauf einer Mietdauer von zehn Jahren – so der Vertragstext – bzw (zusätzlich?) Verzicht auf Mieterhöhnungen für die Dauer von 10 Jahren – so der Vortrag –). Wenn Gegenleistungen dieses Umfangs als akzeptable vertragliche Regelung angesehen wurden, was die Antragsteller nicht in Abrede stellen, ist der geleistete Aufwand abgegolten und die Antragsteller könnten einer Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter insoweit nichts entgegenhalten. Es ist nicht erkennbar, wie aus einer Belastung, die mietrechtlich Kraft privatautonomer Regelung hinzunehmen ist (die auf Einverständnis beruht), im vorliegenden Zusammenhang eine nicht hinnehmbare Belastung hergeleitet werden soll.

Eine Kostensenkung durch einen Umzug ist den Antragstellern nicht deshalb nicht unzumutbar, weil erwartet werden kann, dass erhöhte Aufwendungen befristet bis zum Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand anfallen. Zwar erscheint es nicht unbedingt einleuchtend, Berechtigte, die absehbar aus dem Leistungsbezug ausscheiden, günstiger zu stellen als diejenigen, die darum (nur) ohne klare zeitliche Perspektive bemüht sind. Es ist aber letztlich nicht zu leugnen, dass die Unausweichlichkeit, seine Lebensumstände durch einen Wohnungswechsel wesentlich zu ändern, für einen Berechtigten, der gesichert nur noch kurze Zeit auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein wird, einen gravierenderen Eingriff darstellt, als für den Leistungsberechtigten, der keine zeitnahe, konkret aufzeigbare Möglichkeit hat, einen unerwünschten Umzug in eine kostengünstigere Wohnung zu vermeiden. Bereits die nicht unbedingt zwingende Herleitung zeigt aber, dass Überbrückungssachverhalte keine weitreichende, lediglich fehlende zukünftige Hilfebedürftigkeit voraussetzende Ausnahme von der Übernahme lediglich der angemessenen Kosten darstellen. Dies bleibt vielmehr Konstellationen vorbehalten, in denen die zusätzliche Gewährung nach dem Gesamtumfang maßvoller Beträge (etwa in Größenordnung eines Umzugsaufwandes oder eines kündigungsrelevanten Mietrückstandes) Wohnverhältnisse erhalten, die bezogen auf die gesichert zu prognostizierende künftige wirtschaftliche Lage als konsolidiert zu beurteilen sind. Dies Maß ist hier im Hinblick auf die Dauer der Überbrückungsnotwendigkeit und den (auch) daraus folgenden Umfang der Aufwendungen nicht eingehalten. Die von den Antragstellern angestrebte weite Auslegung der Zumutbarkeitsregelung, die es erlauben würde, auch den von ihnen unterbreiteten Sachverhalt zu erfassen, würde überdies im Ergebnis bedeuten, dass durch Fürsorgeleistungen mittelfristig bestehende Aussichten zu finanzieren wären, deren Realisierung (wiederum im Hinblick auf die Zeitspanne) aus den verschiedensten Gründen ungewiss ist. Darin läge ersichtlich eine mit den gesetzlichen Regelungen nicht vereinbare Verschiebung des auf die Sicherung des Existenzminimums ausgerichteten Leistungsumfangs.

Es sind keine gesundheitlichen Verhältnisse dargetan und glaubhaft gemacht, die eine Kostensenkung durch einen Umzug unzumutbar machen. Die Antragsteller haben zu diesem Komplex nicht selbst vorgetragen, sondern sich auf die Beibringung von Attesten (deren eigentlicher Zweck darin liegt, einen Vortrag unter Beweis zu stellen) beschränkt. Dabei trägt die Bescheinigung des Orthopäden I zur Sache nichts bei; dass die Antragstellerin aufgrund ihrer "erheblichen Reduzierung ihres Leistungsvermögens nicht mehr in der Lage (ist), die Umzugstätigkeit ohne Gefährdung ihres Gesundheitszustandes zu bewältigen" ist für die Frage ohne Belang, ob es ihr nach einem Umzug, zu dem sie körperlich nicht beitragen muss, zumutbar ist, in einer anderen Wohnung zu leben. Auch die Atteste von Dr. R und Frau Dr. S sind nicht geeignet, eine Überzeugungsbildung des Senats, dass dem so ist, zumindest im Sinne einer Glaubhaftmachung zu ermöglichen, denn sie beschränken sich nicht auf die Aussagen, die in ärztlicher Kompetenz stehen und sind in dem Bereich, der ärztlichen Feststellungen zugänglich ist und in dem ärztliche Bewertungen zur rechtlichen Entscheidungs¬findung notwendig sind, unzureichend.

Zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Lebenssachverhalt die Voraussetzung einer anspruchsbegründenden Norm erfüllt, ist Sache des Gerichts. Zur hinreichend differenzierten Erfassung des Sachverhalts bedarf es ggf besonderen Fachwissens – bei medizinisch geprägten Sachverhalten ärztlicher Kenntnisse –; insoweit vorliegende Bekundungen werden der Entscheidung zu Grunde gelegt, wenn sie nachvollziehbar und überzeugend sind. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass keine allgemeinkundigen Tatsachen oder Erkenntnisse für einen Zusammenhang derart bestehen, wie sie von den Antragstellern in Anspruch genommen werden, dh, dass ein Umzug aus einer innegehabten Wohnung in eine andere, nach den Maßstäben des SGB II angemessene Wohnung, kausal zu einer darstellbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes führt. Entsprechende Ermittlungen des Gerichts sind also (auch in einem Hauptsacheverfahren) nicht angezeigt, falls nicht ein solcher Zusammenhang einzelfallbezogen plausibel dargelegt wird. Ein ärztliches Zeugnis (eines behandelnden Arztes) kann dies dann leisten, wenn die gestellten Diagnosen mitgeteilt werden, dargelegt wird, welche Einschränkungen aus dem diagnostizierten Leiden folgen und welche Ausprägung solcher Einschränkungen vorliegt. Danach ist zu erörtern, welche der dargestellten Symptome/ Defizite/Bedürfnisse einen Zusammenhang zu den Wohnverhältnissen aufweisen und in welcher Hinsicht (etwa Adaption/Fläche/Beleuchtung/Ebenerdigkeit) dies der Fall ist. Danach ist es Sache des Gerichts zu beurteilen, ob eine Überzeugungsbildung iS der Antragsteller möglich ist, ob Rückfragen oder ein Gutachten notwendig sind (etwa eine Gefährdungssituation näherer Aufklärung bedarf), dies um abwägen zu können, ob wesentliche Wechsel¬beschränkungen vorliegen, denen auch nicht durch eine entsprechende Auswahl/Ausstattung einer preiswerteren Zielwohnung Rechnung getragen werden kann.

Davon ausgehend sei zu den vorgelegten Attesten nur gesagt, dass Dr. S die Krankheit der Antragstellerin nicht benennt, die Ausgangspunkt ihrer Betrachtung ist. Die Äußerung ist zudem rein ergebnisorientiert abgefasst; als Begründungselement wird nur angeführt ein Wohnungswechsel sei eine "zu große Veränderung" und der Garten habe "nicht unwesentlich" zu einer "gewissen Stabilität" beigetragen. Es wird ersichtlich jede qualitative und quantitative Fassbarkeit der Aussage vermieden. Der Internist und Rheumatologe Dr. R äußert sich zu einer körperlichen Erkrankung, jedenfalls macht er nicht deutlich, dass eine fachgebietsüberschreitende Äußerung zu psychischen Auswirkungen sein Anliegen ist. Insoweit bleibt sein Attest jegliche Begründung schuldig, warum durch ein Fibromyalgiensyndrom bedingte Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen einer Verminderung der Wohnfläche entgegenstehen.

Ein Wohnungswechsel ist den Antragstellern nicht im Hinblick auf eine fehlende Möglichkeit zur zeitnahen Lösung ihres gegenwärtigen Mietverhältnisses unzumutbar. Nach § 573 c Abs 1 und 4 BGB beträgt die Kündigungsfrist drei Monate und nicht 12 Monate, wie von den Antragstellern vorgetragen.

Eine subjektive Unmöglichkeit zum Wohnungswechsel im Hinblick auf das Fehlen einer angemessenen Zielwohnung ist nicht anzunehmen. Angesichts der Verhältnisse am B Wohnungsmarkt würde dies entsprechenden Vortrag der Antragsteller erfordern, wobei eine Verschlossenheit nur bei umfänglichen Negativanzeigen angenommen werden können, die insbesondere auch das Segment der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und der Wohnungsbaugenossenschaften im Stadtgebiet umfassen müsste.

Zum Anspruch auf einmalige Übernahme von Heizkosten ist ergänzend anzumerken, dass nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden ist, dass diese Kosten tatsächlich als notwendige Aufwendungen angefallen sind.

Da die auf vorläufige Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen gerichteten Ansprüche unbegründet sind, bedurfte keiner Entscheidung, ob die Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragsteller deshalb beschränkt sind, weil die Bescheide der Antragsgegnerin als vorläufige Bewilligungen gefasst sind (dazu Niesel/Brand, SGB II, § 328 RdNr 30f).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gegen diesen Beschluss ist eine Beschwerdemöglichkeit nicht eröffnet (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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