Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 129/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 147/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 02. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 02. Juni 2005.
Der 1965 geborene Kläger erlitt auf dem Heimweg von seiner Arbeit als Bankangestellter bei der Cbank am 02. Juni 2005 einen Verkehrsunfall mit seinem Motorroller, als ihm ein entgegenkommender links abbiegender PKW die Vorfahrt nahm. Obwohl er sofort stark abbremste, fuhr der PKW gegen den Roller. Der Kläger stürzte durch den Aufprall über den Roller hinweg auf die linke Seite und den Kopf (Unfallschilde-rung des Klägers in seiner Zeugenaussage bei dem Polizeipräsidenten B – vom 07. Juni 2005). Laut dem Durchgangsarztbericht des Dr. S vom 03. Juni 2005 erlitt er dabei eine Distorsion des rechten Handgelenks und des linken oberen Sprunggelenks. Im Bereich der Halswirbelsäule erhob der Arzt als Befund einen paravertebralen Hartspann, keinen Druckschmerz, aber einen leichten diffusen Klopfschmerz. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule fand sich kein Druck- oder Klopfschmerz. Neurologisch konnte kein pathologischer Befund erhoben werden, es bestanden außerdem weder Schwindel noch Übelkeit und Ohnmacht. Röntgenologisch konnte eine Fraktur im Bereich des Handgelenks, des Sprunggelenks und der Hals- und Brustwirbelsäule ausgeschlossen werden. Eine Computertomographie des linken Schultergelenks am 20. Juni 2005 ergab eine Hypertrophie im Schultergelenk links im subacromialen Im-pingement, eine ältere, kleine Fissur der Supraspinatussehne ventrolateral kapselansatznah ohne Kontinuitätsunterbrechung und ohne zentrale mucoide Degeneration sowie eine Degeneration des ventralen Labrum glenoidale. Es fanden sich keine Nachweise einer Bursitis subacromialis/-deltoidea, eines Gelenkergusses, einer Hill-Sachs- oder Bankart- Läsion. Die Sehne des Musculus bizeps longus stellte sich letztlich unauffällig dar. Der den Kläger seit dem 06. Juni 2005 behandelnde Orthopäde Dr. K teilte in seinem Bericht vom 02. September 2005 an die F Versicherungs- AG als Unfallfolge eine Rü-ckenprellung, eine Distorsion des rechten Handgelenks sowie eine Kontusion des Schultergürtels beidseits mit. Er diagnostizierte außerdem eine Bursitis subacromialis linke Schulter. Dr. K teilte der Beklagten unter dem 06. Oktober 2005 mit, der Kläger sei am 27. September 2005 aus der ambulanten Behandlung entlassen worden. Die weitere ärztliche Behandlung erfolge zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls eine Rückenprellung, Stauchung des rechten Handgelenks, eine Kontusion beider Schultergürtel sowie eine Stauchung des oberen Sprunggelenks an. Keine Unfallfolge seien die degenerativen Veränderungen im Schultergelenk links. Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit werde bis einschließlich 27. September 2005 anerkannt. Am 27. Oktober 2005 ging bei der Beklagten der weitere Bericht von Dr. K ein, in dem er unter anderem mitteilte, bei dem Kläger bestehe als nachgewiesene Vorerkrankung eine Bandscheibenprotrusion L 4/5, eine Spondylarthrose L 4/5 sowie eine Spondylolisthesis. Dem Bericht beigefügt war der Befund einer MRT-Untersuchung der LWS am 15. Juli 2005 mit dem Ergebnis einer Pseudospondylolisthesis LWK 5/SWK 1 mit Ventralversatz LWK 5 um ca. 3 mm entsprechend Meyerding I°, eines breitbasigen Bandscheibenüberhangs bei freier Abgrenzbarkeit der Wurzeln L 5 intraforaminal und S 1 bds. intraspinal. Spondylarthrosen, einer medial betonten breitbasigen Bandscheibenprotrusion LWK 4/5 und bilateralen Spondylarthrosen mit beginnender spinaler Enge, einer flachen breitbasigen Bandscheibenprotrusion LWK 3/4 und initialen Spondylarthrosen mit ebenfalls spinaler Enge und einer hyperlordotischen Fehlhaltung der LWS.
Den gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch begründete der Kläger mit fortbe-stehenden Schmerzen im Rücken und in den Schultern. Seit dem 31. Oktober 2005 sei er wieder voll in Arbeit, die Schmerzen hätten sich jedoch trotz Schmerzmittelein-nahme verstärkt. Außerdem bestünden sehr starke Nacken- und Kopfschmerzen. Dr. K habe Bandscheibenvorfälle in der Hals- und Lendenwirbelsäule festgestellt. Sicher-lich seien im Bereich der LWS Abnutzungen festgestellt worden, aber er habe im Be-reich der LWS und der HWS erst seit dem Unfall am 02. Juni 2005 Beschwerden. Vor dem Unfall habe er keine Bandscheibenvorfälle in der Hals- und Lendenwirbelsäule gehabt. Der Kläger bezog sich im Weiteren auf einen Bericht der Nervenärztin S vom 30. November 2005 und ein Attest des Dr. K vom 22. Dezember 2005. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die festgestellten Bandscheibenvorfälle seien nicht durch den Unfall vom 02. Juni 2005 verursacht worden. In dem Bericht von Dr. S hätten direkt nach dem Unfall seien keine schwerwiegenden Verletzungen der Wirbelsäule, insbesondere keine Knochen-, Nerven- oder Bandverletzungen festgestellt worden. Diese Begleitverlet-zungen seien jedoch Voraussetzung für die Anerkennung eines unfallbedingten Band-scheibenvorfalls. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass eher ein Wirbelkörper zerbreche, als dass eine Bandscheibe zerreiße.
Zur Begründung seiner bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die pauschale Behauptung der Beklagten zum Zerreißen einer Bandscheibe sei nicht haltbar. Ohne ein Unfallrekonstruktionsgutachten zur Feststel-lung der biomechanischen Kräfte sei es nicht möglich, die Auswirkungen seines Un-falls festzustellen. Das Unfallereignis sei schwer genug gewesen, um die Rissbildung in der Bandscheibe zu verursachen. Auch der biomechanische Ablauf des Unfalls sei geeignet gewesen, diese Verletzung zu begründen. Erst nach dem Unfall habe er un-ter schmerzhaften Funktionsstörungen der Wirbelsäule gelitten, während er vor dem Unfall vollkommen beschwerdefrei gewesen sei. Im Weiteren hat sich der Kläger auf einen Arztbrief von Dr. K vom 07. Juli 2006 bezogen.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht Vorerkrankungsverzeichnisse der Ikrankenkasse Berlin-Brandenburg, der T BKK, der G Ersatzkasse, der BKK G und des M Vereins Krankenversicherung a. G. beigezogen. Dann hat es den Ortho-päden Dr. E mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 20. Januar 2007 folgende Diagnosen gestellt: 1. Rezidivierende Cephalgien, 2. ein HWS-Syndrom mit rezidivierenden Hinterkopf- Nacken- Schulterschmerzen und Schulter-Armschmerzen beidseits im Sinne eines pseudoradikulären Schmerzsyndroms auf dem Boden eines Bandscheibenvorfalls bei geringen degenerativen Veränderungen, 3. eine Sehnenansatzentzündung des linken Schultergelenks mit schmerzhafter Funktion des Schultergelenks bei im MRT nachgewiesener Enge, 4. eine Einklemmung des Mittelhandnerven rechts (Carpaltunnelsyndrom), 5. ein BWS-Syndrom mit Dorsalgien bei deutlichen degenerativen Veränderun-gen, 6. ein LWS-Syndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beidseits auf dem Boden von im Kernspintomogramm nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbun-gen bei degenerativem Wirbelgleiten, 7. eine Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften (Periarthrosis coxae), 8. ein initialer Verschleißzustand am linken Kniescheibengleitlager, 9. belastungsabhängige Arthralgien bei geringem Verschleiß linkes oberes Sprunggelenk, 10. eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines deutlichen Senk-Spreizfußes und Hammerzehenbildung, 11. ein extrem überreichlicher Ernährungszustand. Der Sachverständige ist zu der abschließenden Beurteilung gelangt, keine der jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen seien im Sinne der erstmaligen Entstehung oder im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens ursächlich auf den Unfall vom 02. Juni 2005 zurückzuführen. Es bestehe nur ein zeitli-cher, aber kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall.
Der Kläger hat sich dem Ergebnis der Begutachtung nicht anzuschließen vermocht. Er hat den Bericht einer von der Deutschen Rentenversicherung geförderten stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 07. Februar 2007 vorgelegt, in dem ein Zervikobrachi-alsyndrom bei NpP C7/ Th1, ein LWS-Syndrom bei Spondylolisthesis L 5/S 1, Meyer-ding I, ein Impingementsyndrom linke Schulter, ein Karpaltunnelsyndrom rechts und eine primäre Gonarthrose, beidseitig, diagnostiziert worden ist. Vom 14. März 2007 bis 18. März 2007 hat sich der Kläger wegen einer Rotatorenmanschettenruptur linke Schulter in stationärer Behandlung der D-Kliniken B befunden, die am 14. März 2007 arthroskopisch versorgt worden ist (Bericht vom 16. März 2007). In einem Schreiben vom 16. April 2007 hat der Assistenzarzt Dr. G von den D-Kliniken B die Auffassung vertreten, dass Rotatorenmanschettenrupturen sowie Bizepssehnenläsionen nicht nur degenerativer sondern auch traumatischer Genese sein könnten.
Mit Gerichtsbescheid vom 02. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass die bei dem Kläger diagnostizierten Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ursächlich auf das Unfallereignis vom 02. Juni 2005 zurückzuführen seien. Die Kam-mer stützte sich diesbezüglich auf das auf einer umfassenden und lückenlosen Be-funderhebung beruhende, wissenschaftlich fundierte und letztlich überzeugende Gut-achten auf orthopädischem Gebiet des Sachverständigen Dr. E vom 20. Januar 2007. Danach sei der Unfallmechanismus lediglich geeignet gewesen, im Bereich der Hals-wirbelsäule eine leichte Distorsion hervorzurufen. Aufgrund des stattgehabten Unfall-mechanismus und der klinischen Symptomatik nach dem Unfall gehe der Sachver-ständige nachvollziehbar von einer nur leichten Beschleunigungsverletzung der Hals-wirbelsäule (Verletzungsgrad 1 nach Erdmann) aus. Morphologisch handele es sich bei diesen leichten Verletzungen um Muskel- und Bandzerrungen ohne nennenswerte Einblutungen in die verletzten Gewebestrukturen oder Einrisse an den Gelenkkapseln und Bandapparaten ohne wesentliche primär erkennbare Bandscheibenbeteiligung. Eine gröbere Verletzung hätte zu einer Einblutung in die umliegenden Strukturen füh-ren müssen. Diese Einblutung führe aufgrund der unmittelbaren Nähe der Speiseröhre immer sofort zu Schluckbeschwerden. Derartiges sei jedoch nicht dokumentiert oder durch den Kläger anlässlich der Begutachtung geschildert worden. Dr. E habe nach-vollziehbar erläutert, dass es bei einer unfallbedingten Bandscheibenvorwölbung mit einem Kontakt zu den nervösen Strukturen aufgrund der Akutheit zu einer sofortig bis gering verzögert einsetzenden neurologischen Symptomatik hätte kommen müs-sen. Auch diese sei nicht dokumentiert. Die in den ersten Wochen nach dem Unfaller-eignis auftretenden Beschwerden seien ausschließlich auf vorbestehende degenerati-ve Veränderungen zurückführbar. Dr. E folgere schlüssig, das Unfallereignis sei unter der Annahme, dass vor dem Ereignis keine Beschwerden seitens der Hals- oder Len-denwirbelsäule bestanden hätten, auf einen bis dato klinisch stummen, also be-schwerdefreien Anlageschaden getroffen und habe zu einer zeitlich gering verzöger-ten Symptomatik geführt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei anzu-nehmen, dass es durch den schicksalhaften Verlauf eines vorbestehenden Hals- bzw. Lendenwirbelsäulenleidens auch ohne das angeschuldigte Unfallereignis zu der jetzt bestehenden Beschwerdesymptomatik gekommen wäre. Ein enger zeitlicher Zusam-menhang begründe keine hinreichend wahrscheinliche Kausalität. Die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens stünden außerdem im Einklang mit den Feststellungen des Dr. K im Verwaltungsverfahren. Die durch den Kläger vorgebrachten Einwände gegen das Gutachten des Dr. E seien nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der Ausführungen zu erschüttern. Wenn der Kläger vortrage, er habe entgegen den Ausführungen des Gutachters den Durchgangsarzt nicht ca. vier Tage nach dem Unfall aufgesucht son-dern bereits drei Tage nach dem Unfall, so stelle dies allenfalls eine ganz marginale Impräzision dar, die nichts an der durch Dr. E festgestellten klinischen Symptomatik nach dem Unfall ändere. Gleiches gelte für den Umstand, dass nicht ein LKW, son-dern ein PKW ihm die Vorfahrt genommen habe. Der Unfallmechanismus verändere durch diesen Umstand seinen Charakter nicht. Die bei dem Kläger bestehende Symptomatik in den Schultergelenken werde durch den präzise formulierten Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers nicht erfasst und bedürfe daher keiner weiteren Erörterung.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule auf den Unfall zurückzuführen seien. Er macht geltend, es sei unstreitig, dass er mit seinem Motorroller ca. 50 km/h gefahren sei, als ihm von links ein PKW die Vorfahrt genommen und er über den Lenker auf die gesamte linke Körperseite gestürzt sei. Hauptaufprallpunkte seien der Kopf und die linke Schulter gewesen. Seit dem Unfall seien Nacken- und Schulterschmerzen sowie Muskelverspannungen dauernd mit un-terschiedlicher Intensität vorhanden. Schmerzen strahlten in beide Arme, rechts stär-ker als links, bis in die Finger II bis IV aus. Es komme zum Einschlafen, Kribbeln und einem Taubheitsgefühl der Finger. Auf den Röntgenbildern der Halswirbelsäule in zwei Ebenen vom 02. Juni 2005 hätten sich normal hohe Wirbelkörper und Zwischen-wirbelräume in den Etagen C 2/3 und C 3/4 gefunden. Es hätten keine degenerativen Veränderungen vorgelegen. Es bestünden nur Veränderungen an den kleinen Wirbel-gelenken. Die MRT-Untersuchung im Juli 2005 habe in der Etage L 3/4 eine flache, breitbasige Bandscheibenvorwölbung mit spinaler Enge und bei L 4/5 eine medial be-tonte breitbasige Bandscheibenvorwölbung mit beginnender spinaler Enge gezeigt. Lediglich bei L 5/S 1 bestehe ein degeneratives Wirbelgleiten. Die Schlussfolgerungen des Gutachters, dass diese Gesundheitsstörungen nicht vom Unfall herrühren könn-ten, seien nicht überzeugend. Die hohe Differenzgeschwindigkeit, die bei einer Fahrt mit 50 km/h vorgelegen haben müsse, sei dazu geeignet, die Verletzungen zu be-gründen. Es lasse sich dem Gutachten nicht hinreichend sicher entnehmen, dass die Verletzungen degenerativen Ursprungs seien. Lediglich in den angrenzenden Berei-chen lägen leichte degenerative Veränderungen vor. Aus den Arbeitsunfähigkeitsaus-künften ergebe sich außerdem, dass er vor dem Unfall keinerlei Beschwerden im Be-reich der Wirbelsäule gehabt habe. Der Kläger hat einen weiteren Heilverfahrensentlassungsbericht der Deutschen Ren-tenversicherung vom 06. August 2007 vorgelegt, wonach bei ihm ein anhaltendes Funktionsdefizit bei Impingementsymptomatik linke Schulter, ein funktionelles Defizit bei rezidivierendem lumbalem Schmerzsyndrom bei Pseudospondylolisthesis L 5/S 1 und ein funktionelles Defizit bei Cervicobrachialsyndrom links (NPP C 7/Th 1 rechts) besteht. Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 02. Mai 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 01. Februar 2006 insoweit aufzuheben, als die Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule nicht als Folge des Unfalls vom 02. Juni 2005 anerkannt wurden. Es wird festgestellt, dass die Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule Folgen des Unfalls vom 02. Juni 2005 sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E vom 06. August 2007 veranlasst. Der Sachverständige ist auch unter Berücksichti-gung des Vorbringens des Klägers bei seiner Auffassung verblieben. Anschließend hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. M mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. M ist in seinem Gutachten vom 17. Januar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger bestünden im Bereich des Bewegungsapparats folgende Gesundheitsstörungen: • chronisches Zervikal-Syndrom mit Ausstrahlung in die Arme, • Bandscheibenvorfall C 7/Th 1 rechts-median, • chronisches Lumbalsyndrom mit Ausstrahlung in die Beine, • Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) L 5/S 1 Grad I nach Meyerding, • Bandscheibenvorwölbung L 3/4, L 4/5, L 5/S1, • deutliches Übergewicht (Adipositas per magna), • Schultersteife (frozen shoulder) links, • Z. n. arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht und Acromioplastik linkes Schultergelenk 03/2007, • Venenschwäche (venöse Insuffizienz) beider Beine, • Knorpelschaden, Meniskusverschleiß linkes Kniegelenk, • Z. n. arthroskopischer Meniskusrevision und Knorpelglättung linkes Kniegelenk 2002, • Knick- und Plattfuß bds., • chronisches Schmerzsyndrom. Der Sachverständige hat ausgeführt, die festgestellten Bandscheibenschäden im Be-reich der Wirbelsäule seien vermutlich schon länger vorhanden, eine präzise Zeitan-gabe sei nicht möglich. Die Erkrankungen der Wirbelsäule seien nicht auf das Unfall-ereignis vom 02. Juni 2005 zurückzuführen. Die Verletzung der Rotatorenmanschette mit Riss der knorpeligen Gelenkpfanne (SLAP-Läsion) der linken Schulter sei Folge des Sturzes vom Motorroller auf die linke Schulter. In einer ergänzenden Stellung-nahme vom 10. März 2008 hat Dr. M an seiner Auffassung festgehalten.
Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats nach dem nunmehr gestellten Berufungsan-trag hat der Kläger mitgeteilt, es bleibe bei dem bisher gestellten Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ohne mündli-che Verhandlung gemäß §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil entschie-den werden, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstan-den erklärt.
Die von dem Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist zulässig aber unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die bei ihm vorliegenden Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule Folge des Arbeitsunfalls vom 02. Juni 2005 sind.
Die Beklagte hat den Unfall vom 02. Juni 2005 mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 als Arbeitsunfall anerkannt. Als Folge des Arbeitsunfalls hat sie eine Rückenprellung, Stauchung des rechten Handgelenks, Kontusion beider Schultergürtel und eine Stau-chung des oberen Sprunggelenks anerkannt. Für die Anerkennung von – weiteren - Unfallfolgen ist erforderlich, dass sowohl zwi-schen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammen-hang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesund-heitsschädigung im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahr-scheinlichkeit – nicht eine Möglichkeit – ausreicht (BSG in SozR 3-2200, § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Anders als nach der im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie, nach der jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg ent-fiele, als Ursache des Erfolges gilt, erfolgt im Sozialrecht die Unterscheidung und Zu-rechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kau-sal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursa-che wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesund-heitsschadens abgeleitet werden (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Da es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann, ist für die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache allein relevant, dass das Unfallereignis wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhande-nen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissen-schaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art uner-setzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Er-eignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung aller Umstände, die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Ge-richts gegründet werden kann (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der angefochtene Bescheid der Beklagten mit den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen als Folge des Ar-beitsunfalls vom 02. Juni 2005 als rechtmäßig. Denn es ist nicht hinreichend wahr-scheinlich, dass die von dem Kläger weiter genannten Gesundheitsstörungen in Form von Bandscheibenvorfällen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule auf den Ar-beitsunfall zurückzuführen sind. Durch eine CT-Untersuchung der Halswirbelsäule am 28. Oktober 2005 ist ein media-ner bzw. paramedian rechtsbetonter subligamentärer Prolaps im Segment HWK 7/Th 1 mit Duralschlauchpelottierung und rechtsseitiger Recessuseinengung festgestellt worden. Im Bereich HWK 6/7 hat sich lediglich eine diskrete flachbogige mediale Protrusion, also eine Vorwölbung, gezeigt, deren Anerkennung der Kläger, der aus-drücklich die Feststellung von unfallbedingten Bandscheibenvorfällen beantragt hat, nicht begehrt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule liegen keine Bandscheibenvorfälle vor, sondern nur Vorwölbungen im Bereich von LWK 3/4 mit bestehender spinaler En-ge und bei L 4/5 mit beginnender spinaler Enge. Bei LWK 5/S 1 besteht ein degenera-tives Wirbelgleiten mit Ventralversatz des LWK 5 um drei bis vier Millimeter entspre-chend Meyerding I. Dies ergibt sich aus der MRT-Untersuchung am 15. Juli 2005. Der Sachverständige Dr. E hat bei seiner Begutachtung des Klägers keine davon abwei-chenden Erkenntnisse gewonnen. Auch Dr. M sieht nur einen Bandscheibenvorfall im Bereich der HWS.
Nach den medizinischen Feststellungen, wie sie insbesondere in dem Gutachten von Dr. E vom 10. Januar 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 06. August 2007 ge-troffen worden sind, ist der Bandscheibenvorfall bei HWK 7/Th 1 nicht wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 02. Juni 2005 zurückzuführen. Es bestehen keine Beden-ken, der wohlbegründeten Auffassung des Sachverständigen, die insoweit auch mit dem Ergebnis der Begutachtung durch Dr. M übereinstimmt, zu folgen. Das Sozialge-richt ist den Sachverständigen gefolgt und hat seine Entscheidung ausführlich und überzeugend begründet. Der Senat hat keine Veranlassung, davon abzuweichen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen, denn sie sind mit den wissenschaftlichen Erkenntnis-sen, wie sie in der unfallmedizinischen Literatur veröffentlicht sind, nicht zu vereinba-ren (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Kap. 8.3.2.6.2). Danach entstehen traumatische Bandscheibenschäden meis-tens mit Wirbelkörperfrakturen. Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleit-verletzung des Wirbelkörperbruchs. Ein Wirbelkörperbruch ist nach den vorliegenden Befunden jedoch ausgeschlossen. Nach der Unfallliteratur ist weiter zu beachten, dass traumatische Bandscheibenvorfälle aus anatomischen Gründen stets mit beglei-tenden minimalen knöchernen oder Bandverletzungen einhergehen (vgl. Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 8.3.2.6.3). Denn vor einer unfallbedingten me-chanischen Schädigung der Bandscheibe müssen die die Bandscheiben sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Erst beim Überschreiten der durch einen intakten Bandapparat vorgegebenen Grenzen normaler Bewegung mit Durchtrennen der Bänder treten Bandscheibenschäden ein. Diese Ausführungen gel-ten nicht nur für Bandscheibenvorfälle, sondern für jegliche Bandscheibenschäden. Die genannten Veränderungen sind bei dem Kläger jedoch ebenfalls nicht gesichert. Es sind weder Bandverletzungen noch Risse im Faserring oder eine Fraktur der Deckplatten, die bei einer Kompressionsbelastung eintritt, gesichert. Damit ist die Schlussfolgerung des Sachverständigen schlüssig, dass bei dem Kläger ein klinisch stummer Vorschaden vorgelegen hat, der bei Gelegenheit des Unfalls am 02. Juni 2005 die jetzt geklagte Beschwerdesymptomatik gezeitigt hat. Da der Kläger vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sein will und die beigezogenen Vorerkrankungsver-zeichnisse der Annahme einer wesentlichen Beschwerdefreiheit nicht entgegenste-hen, scheidet die Diskussion einer unfallursächlichen Verschlimmerung einer Ge-sundheitsschädigung aus.
Letztlich ist auch der geschilderte Unfallhergang zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, eine gesunde Bandscheibe zum Zerreißen zu bringen. Nach der bereits zi-tierten unfallmedizinischen Literatur können Bewegungen mit Scher- und Rotations-wirkung, Überbeugung, Überstreckung sowie Zugbelastung eine gesunde Bandschei-be zerreißen, wobei je nach Art der Einwirkung die Begleitverletzungen ligamentärer oder knöcherner Art sein können. Vom Unfallhergang ausgehende Rekonstruktionen der Unfallschwere und Unfallmechanik sind unsicher und nicht hinreichend. Vielmehr ergeben sich nach der Analyse des Schadensbildes Rückschlüsse auf die biomecha-nische Einwirkung durch das Unfallereignis und damit auf dessen Geeignetheit. Auch hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass ohne Begleitverletzungen die Schadensanla-ge wesentlich, der Unfall also als Gelegenheitsanlass anzusehen ist. Wie bereits er-läutert, sind begleitende knöcherne Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule, Schä-del-Hirn-Traumen, Extremitäten- oder Rumpfverletzungen sowie Bandverletzungen, die Hinweise auf die Stärke der Krafteinwirkung geben könnten, nicht dokumentiert.
Der Kläger kann die Berufung auch nicht mit Erfolg auf das Gutachten des Dr. M vom 17. Januar 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 10. März 2008 stützen, denn auch Dr. M sieht die Erkrankungen der Wirbelsäule als unfallfremd an. Selbst der den Kläger behandelnde Arzt Dr. K hat in seinem ärztlichen Bericht vom 02. September 2005 als Unfallfolgen lediglich eine Rückenprellung, eine Distorsion des rechten Handgelenks sowie eine Kontusion des Schultergürtels beidseits angenommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 02. Juni 2005.
Der 1965 geborene Kläger erlitt auf dem Heimweg von seiner Arbeit als Bankangestellter bei der Cbank am 02. Juni 2005 einen Verkehrsunfall mit seinem Motorroller, als ihm ein entgegenkommender links abbiegender PKW die Vorfahrt nahm. Obwohl er sofort stark abbremste, fuhr der PKW gegen den Roller. Der Kläger stürzte durch den Aufprall über den Roller hinweg auf die linke Seite und den Kopf (Unfallschilde-rung des Klägers in seiner Zeugenaussage bei dem Polizeipräsidenten B – vom 07. Juni 2005). Laut dem Durchgangsarztbericht des Dr. S vom 03. Juni 2005 erlitt er dabei eine Distorsion des rechten Handgelenks und des linken oberen Sprunggelenks. Im Bereich der Halswirbelsäule erhob der Arzt als Befund einen paravertebralen Hartspann, keinen Druckschmerz, aber einen leichten diffusen Klopfschmerz. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule fand sich kein Druck- oder Klopfschmerz. Neurologisch konnte kein pathologischer Befund erhoben werden, es bestanden außerdem weder Schwindel noch Übelkeit und Ohnmacht. Röntgenologisch konnte eine Fraktur im Bereich des Handgelenks, des Sprunggelenks und der Hals- und Brustwirbelsäule ausgeschlossen werden. Eine Computertomographie des linken Schultergelenks am 20. Juni 2005 ergab eine Hypertrophie im Schultergelenk links im subacromialen Im-pingement, eine ältere, kleine Fissur der Supraspinatussehne ventrolateral kapselansatznah ohne Kontinuitätsunterbrechung und ohne zentrale mucoide Degeneration sowie eine Degeneration des ventralen Labrum glenoidale. Es fanden sich keine Nachweise einer Bursitis subacromialis/-deltoidea, eines Gelenkergusses, einer Hill-Sachs- oder Bankart- Läsion. Die Sehne des Musculus bizeps longus stellte sich letztlich unauffällig dar. Der den Kläger seit dem 06. Juni 2005 behandelnde Orthopäde Dr. K teilte in seinem Bericht vom 02. September 2005 an die F Versicherungs- AG als Unfallfolge eine Rü-ckenprellung, eine Distorsion des rechten Handgelenks sowie eine Kontusion des Schultergürtels beidseits mit. Er diagnostizierte außerdem eine Bursitis subacromialis linke Schulter. Dr. K teilte der Beklagten unter dem 06. Oktober 2005 mit, der Kläger sei am 27. September 2005 aus der ambulanten Behandlung entlassen worden. Die weitere ärztliche Behandlung erfolge zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls eine Rückenprellung, Stauchung des rechten Handgelenks, eine Kontusion beider Schultergürtel sowie eine Stauchung des oberen Sprunggelenks an. Keine Unfallfolge seien die degenerativen Veränderungen im Schultergelenk links. Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit werde bis einschließlich 27. September 2005 anerkannt. Am 27. Oktober 2005 ging bei der Beklagten der weitere Bericht von Dr. K ein, in dem er unter anderem mitteilte, bei dem Kläger bestehe als nachgewiesene Vorerkrankung eine Bandscheibenprotrusion L 4/5, eine Spondylarthrose L 4/5 sowie eine Spondylolisthesis. Dem Bericht beigefügt war der Befund einer MRT-Untersuchung der LWS am 15. Juli 2005 mit dem Ergebnis einer Pseudospondylolisthesis LWK 5/SWK 1 mit Ventralversatz LWK 5 um ca. 3 mm entsprechend Meyerding I°, eines breitbasigen Bandscheibenüberhangs bei freier Abgrenzbarkeit der Wurzeln L 5 intraforaminal und S 1 bds. intraspinal. Spondylarthrosen, einer medial betonten breitbasigen Bandscheibenprotrusion LWK 4/5 und bilateralen Spondylarthrosen mit beginnender spinaler Enge, einer flachen breitbasigen Bandscheibenprotrusion LWK 3/4 und initialen Spondylarthrosen mit ebenfalls spinaler Enge und einer hyperlordotischen Fehlhaltung der LWS.
Den gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch begründete der Kläger mit fortbe-stehenden Schmerzen im Rücken und in den Schultern. Seit dem 31. Oktober 2005 sei er wieder voll in Arbeit, die Schmerzen hätten sich jedoch trotz Schmerzmittelein-nahme verstärkt. Außerdem bestünden sehr starke Nacken- und Kopfschmerzen. Dr. K habe Bandscheibenvorfälle in der Hals- und Lendenwirbelsäule festgestellt. Sicher-lich seien im Bereich der LWS Abnutzungen festgestellt worden, aber er habe im Be-reich der LWS und der HWS erst seit dem Unfall am 02. Juni 2005 Beschwerden. Vor dem Unfall habe er keine Bandscheibenvorfälle in der Hals- und Lendenwirbelsäule gehabt. Der Kläger bezog sich im Weiteren auf einen Bericht der Nervenärztin S vom 30. November 2005 und ein Attest des Dr. K vom 22. Dezember 2005. Mit Widerspruchsbescheid vom 01. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die festgestellten Bandscheibenvorfälle seien nicht durch den Unfall vom 02. Juni 2005 verursacht worden. In dem Bericht von Dr. S hätten direkt nach dem Unfall seien keine schwerwiegenden Verletzungen der Wirbelsäule, insbesondere keine Knochen-, Nerven- oder Bandverletzungen festgestellt worden. Diese Begleitverlet-zungen seien jedoch Voraussetzung für die Anerkennung eines unfallbedingten Band-scheibenvorfalls. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass eher ein Wirbelkörper zerbreche, als dass eine Bandscheibe zerreiße.
Zur Begründung seiner bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die pauschale Behauptung der Beklagten zum Zerreißen einer Bandscheibe sei nicht haltbar. Ohne ein Unfallrekonstruktionsgutachten zur Feststel-lung der biomechanischen Kräfte sei es nicht möglich, die Auswirkungen seines Un-falls festzustellen. Das Unfallereignis sei schwer genug gewesen, um die Rissbildung in der Bandscheibe zu verursachen. Auch der biomechanische Ablauf des Unfalls sei geeignet gewesen, diese Verletzung zu begründen. Erst nach dem Unfall habe er un-ter schmerzhaften Funktionsstörungen der Wirbelsäule gelitten, während er vor dem Unfall vollkommen beschwerdefrei gewesen sei. Im Weiteren hat sich der Kläger auf einen Arztbrief von Dr. K vom 07. Juli 2006 bezogen.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht Vorerkrankungsverzeichnisse der Ikrankenkasse Berlin-Brandenburg, der T BKK, der G Ersatzkasse, der BKK G und des M Vereins Krankenversicherung a. G. beigezogen. Dann hat es den Ortho-päden Dr. E mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. E hat in seinem Gutachten vom 20. Januar 2007 folgende Diagnosen gestellt: 1. Rezidivierende Cephalgien, 2. ein HWS-Syndrom mit rezidivierenden Hinterkopf- Nacken- Schulterschmerzen und Schulter-Armschmerzen beidseits im Sinne eines pseudoradikulären Schmerzsyndroms auf dem Boden eines Bandscheibenvorfalls bei geringen degenerativen Veränderungen, 3. eine Sehnenansatzentzündung des linken Schultergelenks mit schmerzhafter Funktion des Schultergelenks bei im MRT nachgewiesener Enge, 4. eine Einklemmung des Mittelhandnerven rechts (Carpaltunnelsyndrom), 5. ein BWS-Syndrom mit Dorsalgien bei deutlichen degenerativen Veränderun-gen, 6. ein LWS-Syndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beidseits auf dem Boden von im Kernspintomogramm nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbun-gen bei degenerativem Wirbelgleiten, 7. eine Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften (Periarthrosis coxae), 8. ein initialer Verschleißzustand am linken Kniescheibengleitlager, 9. belastungsabhängige Arthralgien bei geringem Verschleiß linkes oberes Sprunggelenk, 10. eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines deutlichen Senk-Spreizfußes und Hammerzehenbildung, 11. ein extrem überreichlicher Ernährungszustand. Der Sachverständige ist zu der abschließenden Beurteilung gelangt, keine der jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen seien im Sinne der erstmaligen Entstehung oder im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens ursächlich auf den Unfall vom 02. Juni 2005 zurückzuführen. Es bestehe nur ein zeitli-cher, aber kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall.
Der Kläger hat sich dem Ergebnis der Begutachtung nicht anzuschließen vermocht. Er hat den Bericht einer von der Deutschen Rentenversicherung geförderten stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 07. Februar 2007 vorgelegt, in dem ein Zervikobrachi-alsyndrom bei NpP C7/ Th1, ein LWS-Syndrom bei Spondylolisthesis L 5/S 1, Meyer-ding I, ein Impingementsyndrom linke Schulter, ein Karpaltunnelsyndrom rechts und eine primäre Gonarthrose, beidseitig, diagnostiziert worden ist. Vom 14. März 2007 bis 18. März 2007 hat sich der Kläger wegen einer Rotatorenmanschettenruptur linke Schulter in stationärer Behandlung der D-Kliniken B befunden, die am 14. März 2007 arthroskopisch versorgt worden ist (Bericht vom 16. März 2007). In einem Schreiben vom 16. April 2007 hat der Assistenzarzt Dr. G von den D-Kliniken B die Auffassung vertreten, dass Rotatorenmanschettenrupturen sowie Bizepssehnenläsionen nicht nur degenerativer sondern auch traumatischer Genese sein könnten.
Mit Gerichtsbescheid vom 02. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht nachgewiesen, dass die bei dem Kläger diagnostizierten Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ursächlich auf das Unfallereignis vom 02. Juni 2005 zurückzuführen seien. Die Kam-mer stützte sich diesbezüglich auf das auf einer umfassenden und lückenlosen Be-funderhebung beruhende, wissenschaftlich fundierte und letztlich überzeugende Gut-achten auf orthopädischem Gebiet des Sachverständigen Dr. E vom 20. Januar 2007. Danach sei der Unfallmechanismus lediglich geeignet gewesen, im Bereich der Hals-wirbelsäule eine leichte Distorsion hervorzurufen. Aufgrund des stattgehabten Unfall-mechanismus und der klinischen Symptomatik nach dem Unfall gehe der Sachver-ständige nachvollziehbar von einer nur leichten Beschleunigungsverletzung der Hals-wirbelsäule (Verletzungsgrad 1 nach Erdmann) aus. Morphologisch handele es sich bei diesen leichten Verletzungen um Muskel- und Bandzerrungen ohne nennenswerte Einblutungen in die verletzten Gewebestrukturen oder Einrisse an den Gelenkkapseln und Bandapparaten ohne wesentliche primär erkennbare Bandscheibenbeteiligung. Eine gröbere Verletzung hätte zu einer Einblutung in die umliegenden Strukturen füh-ren müssen. Diese Einblutung führe aufgrund der unmittelbaren Nähe der Speiseröhre immer sofort zu Schluckbeschwerden. Derartiges sei jedoch nicht dokumentiert oder durch den Kläger anlässlich der Begutachtung geschildert worden. Dr. E habe nach-vollziehbar erläutert, dass es bei einer unfallbedingten Bandscheibenvorwölbung mit einem Kontakt zu den nervösen Strukturen aufgrund der Akutheit zu einer sofortig bis gering verzögert einsetzenden neurologischen Symptomatik hätte kommen müs-sen. Auch diese sei nicht dokumentiert. Die in den ersten Wochen nach dem Unfaller-eignis auftretenden Beschwerden seien ausschließlich auf vorbestehende degenerati-ve Veränderungen zurückführbar. Dr. E folgere schlüssig, das Unfallereignis sei unter der Annahme, dass vor dem Ereignis keine Beschwerden seitens der Hals- oder Len-denwirbelsäule bestanden hätten, auf einen bis dato klinisch stummen, also be-schwerdefreien Anlageschaden getroffen und habe zu einer zeitlich gering verzöger-ten Symptomatik geführt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei anzu-nehmen, dass es durch den schicksalhaften Verlauf eines vorbestehenden Hals- bzw. Lendenwirbelsäulenleidens auch ohne das angeschuldigte Unfallereignis zu der jetzt bestehenden Beschwerdesymptomatik gekommen wäre. Ein enger zeitlicher Zusam-menhang begründe keine hinreichend wahrscheinliche Kausalität. Die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens stünden außerdem im Einklang mit den Feststellungen des Dr. K im Verwaltungsverfahren. Die durch den Kläger vorgebrachten Einwände gegen das Gutachten des Dr. E seien nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der Ausführungen zu erschüttern. Wenn der Kläger vortrage, er habe entgegen den Ausführungen des Gutachters den Durchgangsarzt nicht ca. vier Tage nach dem Unfall aufgesucht son-dern bereits drei Tage nach dem Unfall, so stelle dies allenfalls eine ganz marginale Impräzision dar, die nichts an der durch Dr. E festgestellten klinischen Symptomatik nach dem Unfall ändere. Gleiches gelte für den Umstand, dass nicht ein LKW, son-dern ein PKW ihm die Vorfahrt genommen habe. Der Unfallmechanismus verändere durch diesen Umstand seinen Charakter nicht. Die bei dem Kläger bestehende Symptomatik in den Schultergelenken werde durch den präzise formulierten Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers nicht erfasst und bedürfe daher keiner weiteren Erörterung.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule auf den Unfall zurückzuführen seien. Er macht geltend, es sei unstreitig, dass er mit seinem Motorroller ca. 50 km/h gefahren sei, als ihm von links ein PKW die Vorfahrt genommen und er über den Lenker auf die gesamte linke Körperseite gestürzt sei. Hauptaufprallpunkte seien der Kopf und die linke Schulter gewesen. Seit dem Unfall seien Nacken- und Schulterschmerzen sowie Muskelverspannungen dauernd mit un-terschiedlicher Intensität vorhanden. Schmerzen strahlten in beide Arme, rechts stär-ker als links, bis in die Finger II bis IV aus. Es komme zum Einschlafen, Kribbeln und einem Taubheitsgefühl der Finger. Auf den Röntgenbildern der Halswirbelsäule in zwei Ebenen vom 02. Juni 2005 hätten sich normal hohe Wirbelkörper und Zwischen-wirbelräume in den Etagen C 2/3 und C 3/4 gefunden. Es hätten keine degenerativen Veränderungen vorgelegen. Es bestünden nur Veränderungen an den kleinen Wirbel-gelenken. Die MRT-Untersuchung im Juli 2005 habe in der Etage L 3/4 eine flache, breitbasige Bandscheibenvorwölbung mit spinaler Enge und bei L 4/5 eine medial be-tonte breitbasige Bandscheibenvorwölbung mit beginnender spinaler Enge gezeigt. Lediglich bei L 5/S 1 bestehe ein degeneratives Wirbelgleiten. Die Schlussfolgerungen des Gutachters, dass diese Gesundheitsstörungen nicht vom Unfall herrühren könn-ten, seien nicht überzeugend. Die hohe Differenzgeschwindigkeit, die bei einer Fahrt mit 50 km/h vorgelegen haben müsse, sei dazu geeignet, die Verletzungen zu be-gründen. Es lasse sich dem Gutachten nicht hinreichend sicher entnehmen, dass die Verletzungen degenerativen Ursprungs seien. Lediglich in den angrenzenden Berei-chen lägen leichte degenerative Veränderungen vor. Aus den Arbeitsunfähigkeitsaus-künften ergebe sich außerdem, dass er vor dem Unfall keinerlei Beschwerden im Be-reich der Wirbelsäule gehabt habe. Der Kläger hat einen weiteren Heilverfahrensentlassungsbericht der Deutschen Ren-tenversicherung vom 06. August 2007 vorgelegt, wonach bei ihm ein anhaltendes Funktionsdefizit bei Impingementsymptomatik linke Schulter, ein funktionelles Defizit bei rezidivierendem lumbalem Schmerzsyndrom bei Pseudospondylolisthesis L 5/S 1 und ein funktionelles Defizit bei Cervicobrachialsyndrom links (NPP C 7/Th 1 rechts) besteht. Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 02. Mai 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 01. Februar 2006 insoweit aufzuheben, als die Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule nicht als Folge des Unfalls vom 02. Juni 2005 anerkannt wurden. Es wird festgestellt, dass die Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule Folgen des Unfalls vom 02. Juni 2005 sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E vom 06. August 2007 veranlasst. Der Sachverständige ist auch unter Berücksichti-gung des Vorbringens des Klägers bei seiner Auffassung verblieben. Anschließend hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. M mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. M ist in seinem Gutachten vom 17. Januar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger bestünden im Bereich des Bewegungsapparats folgende Gesundheitsstörungen: • chronisches Zervikal-Syndrom mit Ausstrahlung in die Arme, • Bandscheibenvorfall C 7/Th 1 rechts-median, • chronisches Lumbalsyndrom mit Ausstrahlung in die Beine, • Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) L 5/S 1 Grad I nach Meyerding, • Bandscheibenvorwölbung L 3/4, L 4/5, L 5/S1, • deutliches Übergewicht (Adipositas per magna), • Schultersteife (frozen shoulder) links, • Z. n. arthroskopischer Rotatorenmanschettennaht und Acromioplastik linkes Schultergelenk 03/2007, • Venenschwäche (venöse Insuffizienz) beider Beine, • Knorpelschaden, Meniskusverschleiß linkes Kniegelenk, • Z. n. arthroskopischer Meniskusrevision und Knorpelglättung linkes Kniegelenk 2002, • Knick- und Plattfuß bds., • chronisches Schmerzsyndrom. Der Sachverständige hat ausgeführt, die festgestellten Bandscheibenschäden im Be-reich der Wirbelsäule seien vermutlich schon länger vorhanden, eine präzise Zeitan-gabe sei nicht möglich. Die Erkrankungen der Wirbelsäule seien nicht auf das Unfall-ereignis vom 02. Juni 2005 zurückzuführen. Die Verletzung der Rotatorenmanschette mit Riss der knorpeligen Gelenkpfanne (SLAP-Läsion) der linken Schulter sei Folge des Sturzes vom Motorroller auf die linke Schulter. In einer ergänzenden Stellung-nahme vom 10. März 2008 hat Dr. M an seiner Auffassung festgehalten.
Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats nach dem nunmehr gestellten Berufungsan-trag hat der Kläger mitgeteilt, es bleibe bei dem bisher gestellten Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ohne mündli-che Verhandlung gemäß §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil entschie-den werden, denn die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstan-den erklärt.
Die von dem Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist zulässig aber unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die bei ihm vorliegenden Bandscheibenvorfälle im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule Folge des Arbeitsunfalls vom 02. Juni 2005 sind.
Die Beklagte hat den Unfall vom 02. Juni 2005 mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 als Arbeitsunfall anerkannt. Als Folge des Arbeitsunfalls hat sie eine Rückenprellung, Stauchung des rechten Handgelenks, Kontusion beider Schultergürtel und eine Stau-chung des oberen Sprunggelenks anerkannt. Für die Anerkennung von – weiteren - Unfallfolgen ist erforderlich, dass sowohl zwi-schen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammen-hang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesund-heitsschädigung im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahr-scheinlichkeit – nicht eine Möglichkeit – ausreicht (BSG in SozR 3-2200, § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Anders als nach der im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie, nach der jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg ent-fiele, als Ursache des Erfolges gilt, erfolgt im Sozialrecht die Unterscheidung und Zu-rechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kau-sal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursa-che wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesund-heitsschadens abgeleitet werden (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Da es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann, ist für die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache allein relevant, dass das Unfallereignis wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhande-nen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissen-schaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art uner-setzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Er-eignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung aller Umstände, die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Ge-richts gegründet werden kann (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der angefochtene Bescheid der Beklagten mit den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen als Folge des Ar-beitsunfalls vom 02. Juni 2005 als rechtmäßig. Denn es ist nicht hinreichend wahr-scheinlich, dass die von dem Kläger weiter genannten Gesundheitsstörungen in Form von Bandscheibenvorfällen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule auf den Ar-beitsunfall zurückzuführen sind. Durch eine CT-Untersuchung der Halswirbelsäule am 28. Oktober 2005 ist ein media-ner bzw. paramedian rechtsbetonter subligamentärer Prolaps im Segment HWK 7/Th 1 mit Duralschlauchpelottierung und rechtsseitiger Recessuseinengung festgestellt worden. Im Bereich HWK 6/7 hat sich lediglich eine diskrete flachbogige mediale Protrusion, also eine Vorwölbung, gezeigt, deren Anerkennung der Kläger, der aus-drücklich die Feststellung von unfallbedingten Bandscheibenvorfällen beantragt hat, nicht begehrt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule liegen keine Bandscheibenvorfälle vor, sondern nur Vorwölbungen im Bereich von LWK 3/4 mit bestehender spinaler En-ge und bei L 4/5 mit beginnender spinaler Enge. Bei LWK 5/S 1 besteht ein degenera-tives Wirbelgleiten mit Ventralversatz des LWK 5 um drei bis vier Millimeter entspre-chend Meyerding I. Dies ergibt sich aus der MRT-Untersuchung am 15. Juli 2005. Der Sachverständige Dr. E hat bei seiner Begutachtung des Klägers keine davon abwei-chenden Erkenntnisse gewonnen. Auch Dr. M sieht nur einen Bandscheibenvorfall im Bereich der HWS.
Nach den medizinischen Feststellungen, wie sie insbesondere in dem Gutachten von Dr. E vom 10. Januar 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 06. August 2007 ge-troffen worden sind, ist der Bandscheibenvorfall bei HWK 7/Th 1 nicht wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 02. Juni 2005 zurückzuführen. Es bestehen keine Beden-ken, der wohlbegründeten Auffassung des Sachverständigen, die insoweit auch mit dem Ergebnis der Begutachtung durch Dr. M übereinstimmt, zu folgen. Das Sozialge-richt ist den Sachverständigen gefolgt und hat seine Entscheidung ausführlich und überzeugend begründet. Der Senat hat keine Veranlassung, davon abzuweichen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Die von dem Kläger vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen, denn sie sind mit den wissenschaftlichen Erkenntnis-sen, wie sie in der unfallmedizinischen Literatur veröffentlicht sind, nicht zu vereinba-ren (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Kap. 8.3.2.6.2). Danach entstehen traumatische Bandscheibenschäden meis-tens mit Wirbelkörperfrakturen. Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleit-verletzung des Wirbelkörperbruchs. Ein Wirbelkörperbruch ist nach den vorliegenden Befunden jedoch ausgeschlossen. Nach der Unfallliteratur ist weiter zu beachten, dass traumatische Bandscheibenvorfälle aus anatomischen Gründen stets mit beglei-tenden minimalen knöchernen oder Bandverletzungen einhergehen (vgl. Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 8.3.2.6.3). Denn vor einer unfallbedingten me-chanischen Schädigung der Bandscheibe müssen die die Bandscheiben sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Erst beim Überschreiten der durch einen intakten Bandapparat vorgegebenen Grenzen normaler Bewegung mit Durchtrennen der Bänder treten Bandscheibenschäden ein. Diese Ausführungen gel-ten nicht nur für Bandscheibenvorfälle, sondern für jegliche Bandscheibenschäden. Die genannten Veränderungen sind bei dem Kläger jedoch ebenfalls nicht gesichert. Es sind weder Bandverletzungen noch Risse im Faserring oder eine Fraktur der Deckplatten, die bei einer Kompressionsbelastung eintritt, gesichert. Damit ist die Schlussfolgerung des Sachverständigen schlüssig, dass bei dem Kläger ein klinisch stummer Vorschaden vorgelegen hat, der bei Gelegenheit des Unfalls am 02. Juni 2005 die jetzt geklagte Beschwerdesymptomatik gezeitigt hat. Da der Kläger vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sein will und die beigezogenen Vorerkrankungsver-zeichnisse der Annahme einer wesentlichen Beschwerdefreiheit nicht entgegenste-hen, scheidet die Diskussion einer unfallursächlichen Verschlimmerung einer Ge-sundheitsschädigung aus.
Letztlich ist auch der geschilderte Unfallhergang zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, eine gesunde Bandscheibe zum Zerreißen zu bringen. Nach der bereits zi-tierten unfallmedizinischen Literatur können Bewegungen mit Scher- und Rotations-wirkung, Überbeugung, Überstreckung sowie Zugbelastung eine gesunde Bandschei-be zerreißen, wobei je nach Art der Einwirkung die Begleitverletzungen ligamentärer oder knöcherner Art sein können. Vom Unfallhergang ausgehende Rekonstruktionen der Unfallschwere und Unfallmechanik sind unsicher und nicht hinreichend. Vielmehr ergeben sich nach der Analyse des Schadensbildes Rückschlüsse auf die biomecha-nische Einwirkung durch das Unfallereignis und damit auf dessen Geeignetheit. Auch hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass ohne Begleitverletzungen die Schadensanla-ge wesentlich, der Unfall also als Gelegenheitsanlass anzusehen ist. Wie bereits er-läutert, sind begleitende knöcherne Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule, Schä-del-Hirn-Traumen, Extremitäten- oder Rumpfverletzungen sowie Bandverletzungen, die Hinweise auf die Stärke der Krafteinwirkung geben könnten, nicht dokumentiert.
Der Kläger kann die Berufung auch nicht mit Erfolg auf das Gutachten des Dr. M vom 17. Januar 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 10. März 2008 stützen, denn auch Dr. M sieht die Erkrankungen der Wirbelsäule als unfallfremd an. Selbst der den Kläger behandelnde Arzt Dr. K hat in seinem ärztlichen Bericht vom 02. September 2005 als Unfallfolgen lediglich eine Rückenprellung, eine Distorsion des rechten Handgelenks sowie eine Kontusion des Schultergürtels beidseits angenommen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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