Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 183 AS 18919/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1613/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. August 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Gründe:
In entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) war durch den Berichterstatter zu entscheiden.
Die Beschwerde der Antragsteller, mit der diese bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgen, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren, und mit der sie sich zudem gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren wenden, ist nicht begründet und war zurückzuweisen.
Soweit die Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend machen, fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bereits an einem Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Anordnung iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Denn eine derzeit drohende Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller, die eine gerichtliche "Notfallhilfe" erforderlich machen würde, ist weder vorgetragen worden noch im Übrigen ersichtlich. Den Antragstellern ist daher ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumutbar, zumal in § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) Regelungen zur Sicherung der Unterkunft selbst für den Fall einer – hier nicht in Rede stehenden – Räumungsklage enthalten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – nicht veröffentlicht). Ein Anordnungsgrund ist auch nicht dargetan, soweit die Antragsteller Leistungen für die Zeit vor Antragstellung bei dem Sozialgericht (SG; 15. Juni 2010) geltend machen. Denn eine Leistungsgewährung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig nicht in Betracht.
Ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist den Antragstellern aber auch zumutbar, soweit sie mit einer einstweiligen Anordnung zu sichernde Ansprüche auf Regelleistungen für die Zeit ab 15. Juni 2010 (Antragseingang beim SG) geltend machen. Denn die ihnen in Ausfluss der gerichtlichen Folgenabwägung – worauf noch näher einzugehen sein wird - zuzuerkennenden einstweiligen Leistungsbeträge iHv 184,- EUR monatlich werden durch die Erwerbseinkünfte der Antragstellerin zu 1. iHv 400,- EUR monatlich abgedeckt, so dass der einstweilen zu sichernde Bedarf gesichert ist. Die verfassungsrechtlich gebotene Folgenabwägung beruht zum einen auf der bislang in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärten Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses bei nichtdeutschen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht sich – wie hier jedenfalls hinsichtlich des Antragstellers zu 2. – nur aus dem Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizgG) ergeben kann (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Es begegnet unter Berücksichtigung der durch Art. 39 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU erheblichen rechtlichen Bedenken, ob die von dem Antragsgegner in Bezug genommene Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II insoweit mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH - (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08 – juris) kann nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates hergestellt hat, sich auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung kann sich bereits daraus ergeben, dass der Betreffende während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem Mitgliedstaat gesucht hat. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 betrifft demgegenüber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe". Der EuGH (vgl. aaO) weist insoweit aber ausdrücklich darauf hin, dass eine Voraussetzung, wie sie in Deutschland für die Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen sei, wonach der Betreffende erwerbsfähig sein müsse, ein Hinweis darauf sein könne, dass diese Leistung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern solle. Im letztgenannten Fall greift Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 aber von vornherein nicht.
Da zum anderen insbesondere auch die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland und deren Erwerbsfähigkeit iSv § 8 Abs. 2 SGB II noch weitere Sachermittlungen erfordert, war im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch diesbezüglich eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris). Diese würde zwar zu dem Ergebnis führen, dass angesichts des existenzsichernden Charakters der begehrten Leistungen die den Antragstellern drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des Antrags und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren ungleich schwerer wiegen würden als der Nachteil einer Überzahlung für den Antragsgegner, und der Antragsgegner daher aus diesem Grund einstweilen zu verpflichten wäre, das absolute Existenzminimum der Antragsteller zu sichern. Der sich hiernach anzusetzende Bedarf ist aber durch das Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 1. gedeckt. Das Gericht hat sich insoweit an dem Wert für den notwendigen Bedarf ohne Unterkunftskosten orientiert, der sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Asylbewerberleistungsgesetz für Haushaltsvorstände ergibt. Dies sind für die beiden Antragsteller jeweils 184,- EUR monatlich.
Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 118 Abs. 2 Satz 4 Zivilprozessordnung (ZPO) zu Recht abgelehnt. Für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kam die Gewährung von PKH mangels Erfolgsaussicht nicht in Betracht (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Für die PKH-Beschwerde sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
In entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) war durch den Berichterstatter zu entscheiden.
Die Beschwerde der Antragsteller, mit der diese bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgen, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren, und mit der sie sich zudem gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren wenden, ist nicht begründet und war zurückzuweisen.
Soweit die Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend machen, fehlt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bereits an einem Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Anordnung iS eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Denn eine derzeit drohende Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller, die eine gerichtliche "Notfallhilfe" erforderlich machen würde, ist weder vorgetragen worden noch im Übrigen ersichtlich. Den Antragstellern ist daher ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumutbar, zumal in § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 und Abs. 6 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) Regelungen zur Sicherung der Unterkunft selbst für den Fall einer – hier nicht in Rede stehenden – Räumungsklage enthalten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – nicht veröffentlicht). Ein Anordnungsgrund ist auch nicht dargetan, soweit die Antragsteller Leistungen für die Zeit vor Antragstellung bei dem Sozialgericht (SG; 15. Juni 2010) geltend machen. Denn eine Leistungsgewährung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume kommt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig nicht in Betracht.
Ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist den Antragstellern aber auch zumutbar, soweit sie mit einer einstweiligen Anordnung zu sichernde Ansprüche auf Regelleistungen für die Zeit ab 15. Juni 2010 (Antragseingang beim SG) geltend machen. Denn die ihnen in Ausfluss der gerichtlichen Folgenabwägung – worauf noch näher einzugehen sein wird - zuzuerkennenden einstweiligen Leistungsbeträge iHv 184,- EUR monatlich werden durch die Erwerbseinkünfte der Antragstellerin zu 1. iHv 400,- EUR monatlich abgedeckt, so dass der einstweilen zu sichernde Bedarf gesichert ist. Die verfassungsrechtlich gebotene Folgenabwägung beruht zum einen auf der bislang in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärten Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses bei nichtdeutschen Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht sich – wie hier jedenfalls hinsichtlich des Antragstellers zu 2. – nur aus dem Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizgG) ergeben kann (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Es begegnet unter Berücksichtigung der durch Art. 39 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU erheblichen rechtlichen Bedenken, ob die von dem Antragsgegner in Bezug genommene Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II insoweit mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH - (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08 – juris) kann nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates hergestellt hat, sich auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung kann sich bereits daraus ergeben, dass der Betreffende während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem Mitgliedstaat gesucht hat. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 betrifft demgegenüber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe". Der EuGH (vgl. aaO) weist insoweit aber ausdrücklich darauf hin, dass eine Voraussetzung, wie sie in Deutschland für die Grundsicherung für Arbeitsuchende vorgesehen sei, wonach der Betreffende erwerbsfähig sein müsse, ein Hinweis darauf sein könne, dass diese Leistung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern solle. Im letztgenannten Fall greift Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 aber von vornherein nicht.
Da zum anderen insbesondere auch die Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland und deren Erwerbsfähigkeit iSv § 8 Abs. 2 SGB II noch weitere Sachermittlungen erfordert, war im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch diesbezüglich eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris). Diese würde zwar zu dem Ergebnis führen, dass angesichts des existenzsichernden Charakters der begehrten Leistungen die den Antragstellern drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des Antrags und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren ungleich schwerer wiegen würden als der Nachteil einer Überzahlung für den Antragsgegner, und der Antragsgegner daher aus diesem Grund einstweilen zu verpflichten wäre, das absolute Existenzminimum der Antragsteller zu sichern. Der sich hiernach anzusetzende Bedarf ist aber durch das Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 1. gedeckt. Das Gericht hat sich insoweit an dem Wert für den notwendigen Bedarf ohne Unterkunftskosten orientiert, der sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Asylbewerberleistungsgesetz für Haushaltsvorstände ergibt. Dies sind für die beiden Antragsteller jeweils 184,- EUR monatlich.
Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 118 Abs. 2 Satz 4 Zivilprozessordnung (ZPO) zu Recht abgelehnt. Für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kam die Gewährung von PKH mangels Erfolgsaussicht nicht in Betracht (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Für die PKH-Beschwerde sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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