L 11 SB 55/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 48 SB 413/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 55/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Februar 2010 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen für die Zeit ab dem 19. August 2009 unter Beiordnung von Rechtsanwalt U H, Rstraße B, bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Denn das Sozialgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger für das Klageverfahren für die Zeit ab dem 19. August 2009 Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Vorgenannte Voraussetzungen sind vorliegend für die Zeit ab dem 19. August 2009 erfüllt. Hierbei kann dahinstehen, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung dieser Voraussetzungen generell der Zeitpunkt der Entscheidung des (Beschwerde-)Gerichts ist (so z. B. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 73 a RdNr. 7 d und 13 d mit weiteren Nachweisen) oder ob es auf diesen Zeitpunkt lediglich für die Bedürftigkeitsprüfung ankommt (so z. B. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 166 RdNr. 14 a mit weiteren Nachweisen). Denn selbst wenn der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht und die Prüfung der Mutwilligkeit maßgeblich sein sollte, müssten im Lichte des aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Gebots der Rechtsschutzgleichheit sowie des sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergebenden Gebots des rechtlichen Gehörs zur Vermeidung unbilliger Härten von diesem Grundsatz Ausnahmen jedenfalls dann gemacht werden, wenn das Gericht erst nach einer Beweiserhebung über den Prozesskostenhilfeantrag entscheidet (so im Ergebnis auch Leitherer a.a.O.). Abzustellen ist dann auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags, zu dem das Prozesskostenhilfegesuch einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den dazu gehörigen Belegen vollständig bei Gericht eingegangen ist (so wohl Kopp/Schenke a.a.O), oder den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags, zu dem die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorliegen und das Gericht über das Gesuch bereits hätte entscheiden können (so Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, Stand: November 2009, § 166 RdNr. 52 f.).

Ein Ausnahmefall im zuvor beschriebenen Sinne ist vorliegend gegeben. Denn das Sozialgericht hat über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst entschieden, nachdem es die Akten des vom Kläger parallel geführten Rentenrechtsstreits im Wege des (Urkunden-)Beweises beigezogen und die darin befindlichen ärztlichen Gutachten sowie weitere medizinische Unterlagen ausgewertet hatte. Damit kommt es für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht und der Mutwilligkeit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife oder zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags an mit der Folge, dass die durch die Beweiserhebung gewonnenen Erkenntnisse für die Entscheidung über den Antrag außer Betracht zu bleiben haben. Zu beiden Zeitpunkten (hier entweder Eingang der vom Sozialgericht zur Konkretisierung der in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemachten Angaben angeforderten Kontoauszüge bei Gericht am 19. August 2009 oder spätestens am Tag der Anforderung der Akten des Rentenrechtsstreits am 20. August 2009) hätte der Klage indes die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden dürfen und die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung verneint werden müssen, weil eine Entscheidung in der Sache ohne weitere Ermittlungen seinerzeit nicht möglich gewesen wäre und der Ausgang der Beweiserhebung offen gewesen ist. Eine Entscheidung darüber, auf welchen der beiden Zeitpunkte es letztlich ankommt, ist damit im vorliegenden Fall entbehrlich.

Der Kläger ist auch heute noch im Sinne des Prozesskostenhilferechts bedürftig. Denn er ist nach seinen Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nach wie vor nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur anteilig aufzubringen.

Die Beiordnung von Rechtsanwalt H beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO. Sie ist geboten, weil die Vertretung des Klägers durch einen Rechtsanwalt mit Blick auf die im vorliegenden Fall anstehenden Probleme erforderlich erscheint.

Für die Zeit vor dem 19. August 2009 war die Beschwerde indes zurückzuweisen. Denn maßgeblicher Zeitpunkt dafür, ab wann Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Sie ist jedoch erst am 19. August 2009 eingetreten. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst ist hier zwar bereits am 10. Februar 2009 bei Gericht eingegangen. Prozesskostenhilfe hätte an diesem Tag jedoch noch nicht bewilligt werden können, weil der Kläger in dieser Erklärung auf ein Bankkonto hingewiesen hatte, ohne hierzu Belege zu überreichen. Er ist vor diesem Hintergrund mit Recht zur Vorlage von Kontoauszügen aufgefordert worden, die jedoch erst am 19. August 2009 bei Gericht eingegangen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 4, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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