L 7 AS 948/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 1439/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 948/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.05.2010 abgeändert. Dem Antragsteller wird zur Durchführung des erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Q aus H beigeordnet. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q aus H wird abgelehnt. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Beschwerde des Antragstellers unabhängig vom Beschwerdewert zulässig. Die Neuregelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze (BGBl I S. 1132), nach der Beschwerden auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen sind, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, wurde im Bundesgesetzblatt vom 10.08.2010 veröffentlicht und trat damit erst in Kraft, nachdem der Antragsteller mit bei Gericht am 31.05.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 27.05.2010 seine Beschwerde erhoben hat. Eine Rückwirkung wurde vom Gesetzgeber nicht normiert. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Antragsteller ist nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen. Die Rechtsverfolgung bot zum Zeitpunkt der Antragstellung auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Erfolgsaussichten in diesem Sinn bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet und in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung für möglich hält. Dabei muss die Chance, den Prozess zu gewinnen, mindestens genauso groß sein, wie die, ihn zu verlieren. Dies ist grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen gemäß § 103 SGG durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), NJW 1991, 413 ff; BVerfG, NJW-RR 2002, 665 ff; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 29.06.2009, Az.: L 20 B 6/09 AS; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 73a, Rn. 7 ff; Düring in: Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 73a Rn. 12 m.w.N). Dabei ist eine schwierige Rechtsfrage nicht im Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu klären, sondern erst abschließend im Hauptsacheverfahren zu entscheiden (BVerfG, Entscheidung vom 05.02.2003, Az.: 1 BvL 1526/02, FamRZ 2003, 833; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73 ab, Rn. 7 b m.w.N.); ist die Rechtsauffassung des Klägers vertretbar, ist daher Prozesskostenhilfe zu gewähren (Littmann in: Lüdtke, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2009, § 73a, Rn. 13 m.w.N.).

Gemessen hieran waren die Erfolgsaussichten im vorliegenden Verfahren nicht zu verneinen. Streitentscheidend war hier die Frage, ob auch in den Fällen, in denen das Arbeitslosengeld II eines unter 25-jährigen Antragstellers auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt werden, die zeitgleiche Entscheidung über ergänzende Sachleistungen notwendig ist. Diese Rechtsfrage ist noch nicht abschließend geklärt. Zwar hat das vom SG zitierte LSG Mecklenburg Vorpommern (Urteil vom 03.08.2009, Az. L 8 B 216/09) die Auffassung vertreten, dass eine solche Notwendigkeit nicht besteht. Das LSG Mecklenburg Vorpommern hat die Notwendigkeit aber nicht deswegen verneint, weil die Leistungen für die Unterkunft von der Sanktion unberührt geblieben sind. Vielmehr hat es seine Entscheidung auf den Gesichtspunkt gestützt, dass eine von Verfassung wegen gebotene Betrachtung des Einzelfalls nur dann möglich sei, wenn die Sanktion bereits angelaufen sei und die besonderen Einzelfälle jedes Sachverhaltes von der Behörde mit in den Blick genommen worden seien. Es kam daher zu dem Schluss, dass über die Aushändigung von Warengutscheinen erst sukzessive und während des Laufs der Sanktion entschieden werden könne (aaO, Rn. 11). Demgegenüber hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 09.09.2009 (Az. L 7 B 211/09 AS ER) entschieden, dass die nach dem Gesetz nur lose Verknüpfung zwischen der Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen andererseits in den Fällen, in denen der Grundsicherungsträger einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II verfügt, durch eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise zu reduzieren ist, dass der Grundsicherungsträger mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entscheiden muss, ob im konkreten ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind. Hinsichtlich der Frage, ob dieses Erfordernis vor dem Hintergrund der verfassungskonformen Auslegung auch dann besteht, wenn nur die Regelleistung, nicht aber die Kosten für Unterkunft und Heizung, nicht gewährt werden, liegt noch keine Entscheidung des Senats vor. Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom 17.09.2010 (Az. L 7 B 267/09 AS ER) bei einem Sachverhalt, in dem nur die Regelleistung abgesenkt und die Kosten für Unterkunft und Heizung weiter gewährt wurden, die Notwendigkeit einer zeitgleichen Entscheidung über ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen verneint. Anders als in dem hier zu entscheidenden Sachverhalt hatte der Antragsteller in dem dortigen Verfahren das 25. Lebensjahr bereits vollendet und die Regelleistung wurde zudem nur für einen Monat gemindert.

Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem Beschwerdeverfahren L 7 AS 947/10 B ER hat der Antrag des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinsichtlich des Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren war die Beschwerde nicht statthaft. Sofern sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung und die damit verbundene Kostenentscheidung richtet, ist diese nur statthaft, wenn die angefochtene Entscheidung die gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Höhe von mehr als 750 Euro erreicht. Dies ist hier nicht der Fall. Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war nach der Beschränkung der Sanktion mit Bescheid vom 17.05.2010 auf den Zeitraum vom 01.04.2010 bis 15.05.2010 nur noch die sechswöchige Absenkung der Regelleistung. Die Regelleistung betrug 323 Euro monatlich. Für den Antragsteller ergab sich somit ein Sanktionsbetrag in Höhe von insgesamt 484,50 Euro für sechs Wochen.

Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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