S 20 SO 54/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 SO 54/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L18 SO 136/11 NZB
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2010 wird aufgehoben.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind zu erstatten.

III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht den dem Kläger zustehenden Regelsatz nach dem SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes abweichend festgelegt und die Erstattung von Leistungen in Höhe von 347,66 EUR gefordert hat.

Der am 10. Januar 1940 geborene Kläger steht bei der Beklagten seit Januar 2005 in Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII. Zuvor bezog er Hilfe zum Lebensunterhalt.
Mit Bescheid vom 25. September 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs in Höhe von 351 EUR Leistungen für den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009 in Höhe von monatlich 808,78 EUR. Im Bescheid wurde der Kläger unter anderem darauf hingewiesen, dass jeder Aufenthalt in einer Einrichtung (Krankenhaus-, Kuraufenthalte) mitzuteilen sei.

Am 27. September 2009 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er sich vom 27. Oktober 2009 bis 17. November 2009 im Krankenhaus aufhalten werde und sich bereits zuvor vom 25. März 2009 bis 4. Juni 2009 im Krankenhaus aufgehalten habe.

Daraufhin erließ die Beklagte am 8. Dezember 2009 einen Bescheid, mit dem sie die Leistungsbewilligung nach dem SGB XII für die Monate April und Mai 2009 insoweit aufhob, als sie die Leistungen auf jeweils monatlich 644,69 EUR beschränkte. Zur Begründung führte sie aus, dass für den Zeitraum des Krankenhausaufenthalts des Klägers der Regelsatz gemäß 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X im April und Mai 2009 zu kürzen sei. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem sich ein Hilfeempfänger in einer stationären Einrichtung (zum Beispiel Krankenhaus) befinde, sei der Regelsatz aufgrund der dortigen Versorgung (Ernährung usw.) zu kürzen. Da sich der Kläger in den Monaten April und Mai 2009 in der Klinik befunden habe, könne lediglich ein Regelsatz in Höhe von 177,17 EUR anerkannt werden. Der Kläger sei gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die entstandene Überzahlung in Höhe von 347,66 EUR zurückzuzahlen.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 29. Dezember 2009 Widerspruch ein. Er trug vor, eine Regelleistungskürzung bei stationärem Aufenthalt sei aufgrund der geänderten ALG II-Verordnung unzulässig. Die ALG II-Verordnung bestimme, dass bereitgestellte Verpflegung außerhalb von Arbeitsverhältnissen nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe. Im Sinne der Gleichbehandlung der Empfänger von Sozialleistungen sei die Nichtanrechnung von Leistungen bei stationärem Aufenthalt seiner Auffassung nach auch auf die Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII analog zu übertragen. Eine Schlechterstellung von Leistungsempfänger nach dem SGB XII halte er für verfassungswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2010 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sich die vom Kläger angeführte Verordnung zum Arbeitslosengeld II ausschließlich auf den Rechtskreis von Leistungsempfängern nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) richte. Charakteristisch für diese Leistungen sei die pauschalierte Form der Regelsätze, die im SGB II abschließend geregelt sei. Im Gegensatz dazu stehe das SGB XII, in dem die Regelsätze eine individualisierte Ermittlung der Bedarfslage zuließen. Das bedeute, dass sich die Leistungen der Grundsicherung im Alter nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten würden und nicht abschließend geregelt seien. Durch § 28 Abs. 1 SGB XII werde eine abweichende Festlegung des Bedarfs ermöglicht. Im Falle des Klägers stelle das während des Krankenhausaufenthalts erhaltene Essen eine einzelne Leistung von dritter Seite dar, wodurch ein abweichender Bedarf begründet werde. Die Anrechnung erfolge generell für volle Monate des Aufenthalts. Daher sei es zu einer Neuberechnung der Monate April und Mai 2009 gekommen. Der Aufnahmemonat und der Entlassungsmonat seien nicht angerechnet worden. Zu Recht habe daher die Beklagte eine Änderung des Bedarfs vorgenommen.

Dagegen hat der Kläger am 16. April 2010 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Zur Klagebegründung führt der Kläger ergänzend zu seinem Vorbringen im Vorverfahren aus, dass die vorgenommene Bedarfskürzung der Beklagten für die Monate April und Mai 2009 schon deswegen rechtswidrig sei, weil sie den Bedarf pauschal um den Anteil der Kosten der Ernährung gekürzt habe. Es sei verkannt worden, dass der Krankenhausaufenthalt auch bedarfserhöhende Kosten verursache, andererseits auch nicht alle Positionen der Abteilung 01 "Ernährung" durch den Krankenhausaufenthalt gedeckt würden. Diese würden unter anderem Tabakwaren und alkoholische Getränke enthalten. Zudem begegne die Kürzung im Hinblick auf Art. 3 Grundgesetz erheblichen Bedenken. Es bestünden keine so wesentlichen Unterschiede zu den Beziehern von Leistungen nach dem SGB II, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre. Auch im Bereich des SGB XII sehe die Gesetzeskonzeption eine Pauschalierung vor, die es dem Leistungsbezieher ermöglichen solle und ihm sogar auferlege, einen Teil der Leistungen anzusparen, um bei entstehendem Bedarf auch größere Anschaffungen zu tätigen. Eine abweichende Bewilligung eines höheren Bedarfs erfolge auch nicht für jeden höheren Bedarf, sondern nur für unabweisbaren erheblich vom Durchschnitt abweichenden Bedarf, also in begrenzten Ausnahmefällen. Auch dies entspreche zwischenzeitlich mehr oder weniger der Konzeption des SGB II. Es werde in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 verwiesen. Unter diesem Gesichtspunkt sei eine Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber Leistungsbeziehern nach dem SGB II nicht zu rechtfertigen. Bei diesen werde ein Krankenhausaufenthalt nicht bedarfsmindernd angerechnet.

Der Kläger beantragt in der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2011,

den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt in der mündlichen Verhandlung,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Sie führt aus, dass die Berücksichtigung des durch die Versorgung in der Klinik gedeckten Ernährungsbedarfs des Klägers gemäß Nr. 42.03 der Sozialhilferichtlinien erfolgt sei. Hinsichtlich der beanstandeten pauschalen Kürzung des Regelsatzes werde auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R verwiesen. Entsprechend dieser Rechtsprechung sei der in den Sozialhilferichtlinien festgelegte Anteil für Nahrung, Getränke und Tabakwaren in Höhe von 36,95 % des Regelsatzes zu Grunde gelegt worden. Hinsichtlich der gerügten Ungleichbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII und nach dem SGB II werde auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 22/07 R Bezug genommen. Dort würden die Unterschiede der Leistungssysteme des SGB XII des SGB II ausführlich dargelegt. Im Leistungssystem des SGB II sei eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. eine abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen. Dagegen gehe das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII von eine individualisierten Berücksichtigung der Bedarfslage aus. Dies führe dazu, dass bei der Berechnung des Bedarfs eines Sozialhilfeempfängers die Verpflegung im Krankenhaus bedarfsmindernd berücksichtigt werden könne. Die Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. März 2010 - B 8 SO 17/09 R seien dagegen nicht überzeugend. Das Verständnis der Vorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII dahingehend, dass eine Absenkung des Regelsatzes nur dann möglich sei, wenn er bereits durch andere Sozialleistungen (teilweise) gedeckt werde, finde in der Begründung des Gesetzentwurfes aus dem Jahre 2004 keine Grundlage. Die Interpretation des BSG finde auch in der Neufassung des SGB XII (§ 27a Abs. 4 SGB XII), die dieses ab 1. Januar 2011 erfahren solle, keinen Niederschlag. Eine Gleichbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und nach dem SGB XII sei auch nicht im Sinne des Gesetzgebers. Vielmehr betone dieser in der erwähnten Neufassung des SGB XII ausdrücklich den Individualisierungsgrundsatz durch Verwendung von Begriffen wie "im Einzelfall" und "individueller Bedarf". Damit bringe er zum Ausdruck, dass die Regelsatzhöhe im jeweiligen Einzelfall abweichen könne. Der Kernunterschied zwischen SGB XII und SGB II, der Individualisierungsgrundsatz auf der einen und der Pauschalierungsgrundsatz auf der anderen Seite, sei vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt. Es bestehe daher auf dem Gebiet der Bedarfsermittlung kein Raum für eine Harmonisierung der beiden Gesetze durch die Rechtsprechung. Das Bundessozialgericht spreche in seinem Urteil vom 23. März 2010 im Zusammenhang mit der Ermittlung des Bedarfes auch nicht von der Notwendigkeit einer Harmonisierung der beiden Gesetze. Dies beziehe sich nur auf die Berücksichtigung eines kostenlosen Mittagessens als Einkommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der Sitzungsniederschrift, sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 8. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zu Unrecht wurde die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII für die Monate April und Mai 2009 in Höhe von jeweils 173,83 EUR aufgehoben und der Kläger zur Erstattung von 347,66 EUR verpflichtet. Der angefochtene Bescheid war daher auf Antrag des Klägers aufzuheben.

Die für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 25. September 2008 notwendigen Vorraussetzungen lagen nicht vor. Insbesondere durfte die Beklagte den Bescheid nicht nach § 48 SGB X aufheben. Damit ist der Bescheid vom 8.12.2009 rechtswidrig.

Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß S. 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Die Beklagte hat die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 25. September 2008 für den Zeitraum April und Mai 2009 auf § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X gestützt. Allerdings fehlen im angefochtenen Aufhebungsbescheid jegliche Ausführungen dazu, inwiefern der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben soll. Letztlich kann diese Frage aber dahin gestellt bleiben, da durch den Klinikaufenthalt des Klägers im Zeitraum 25. März 2009 bis 4. Juni 2009 keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Bewilligungsbescheids vom 25. September 2008 vorgelegen haben, eingetreten ist. Somit sind bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht erfüllt.

1. Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass der dem Kläger zustehende Regelsatz infolge des Krankenhausaufenthaltes gem. § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. abweichend festzulegen war.

Nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. werden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Entgegen dem missverständlichen Gesetzeswortlaut betrifft die Vorschrift die abweichende Bemessung des dem Leistungsberechtigten zustehenden Regelsatzes: Eine (anderweitige) Deckung des Bedarfes setzt denknotwendig das Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs voraus.
Jedoch liegen die Vorraussetzungen für eine Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII nicht vor. Denn auch ein unter Umständen längerer Aufenthalt eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus rechtfertigt für sich allein nicht eine abweichende Festlegung des Regelsatzes.

Hierbei ist zunächst festzustellen, dass - anders als die Beklagte annimmt - zwischen dem SGB XII und dem SGB II kein Unterschied dergestalt besteht, dass im SGB XII der Individualisierungsgrundsatz gelten würde und im SGB II der Pauschalierungsgrundsatz. Vielmehr ist durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, infolgedessen das BSHG (Bundessozialhilfegesetz) durch das SGB XII abgelöst wurde, eine Neustrukturierung der Bedarfe und eine Neubemessung der Regelsätze erfolgt. Durch die Pauschalierung der meisten einmaligen Leistungen an Sozialhilfeempfänger, über die die Sozialhilfeverwaltung in der Vergangenheit im Einzelfall zu entscheiden hatte, und ihre Einbeziehung in die Regelsätze kam der Gesetzgeber Forderungen aus der Praxis, insbesondere der Sozialhilfeträger nach. Dadurch sollten zum einen detaillierte Bedarfsprüfungen und Einzelfallentscheidungen überflüssig gemacht werden und damit Auseinandersetzungen zwischen den Ämtern und den Leistungsberechtigten sowie Widerspruchs- und Gerichtsverfahren vermieden werden (vgl. u.a. BT-Drucks. 15/1514, S. 53). Zum anderen sollte die Selbstverantwortung der Leistungsberechtigten gestärkt werden. Insbesondere obliegt es nunmehr den Leistungsberechtigten, einen Teil der monatlichen Leistungen anzusparen, um bei entstehendem Bedarf auch größere Anschaffungen zu tätigen (a.a.O, u.a. S. 50, 53). Infolge der Pauschalierung der Leistungsgewährung ist der Leistungsberechtigte nicht mehr im Einzelfall auf eine positive Entscheidung des Sozialhilfeträgers über einen geltend gemachten Bedarf angewiesen. Vielmehr kann und hat er nunmehr selbstverantwortlich zu bestimmen, welche Prioritäten er setzt, zur Deckung welcher Bedürfnisse er somit die pauschalierte finanzielle Unterstützung der staatlichen Gemeinschaft einsetzen möchte. Es ist ihm dadurch möglich, durch geschicktes und sparsames Haushalten oder Verzicht auf die Deckung bestimmter Bedürfnisse mehr Geld für andere Bedürfnisse zu haben.
Die Bemessung der Regelsätze erfolgt entsprechend § 29 SGB XII und orientiert sich an den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen. Die ermittelten Regelsätze sollen nach Maßgabe des Gesetzes den durchschnittlichen Bedarf eines Leistungsberechtigten nach dem SGB XII, also den durchschnittlich notwendigen Lebensunterhalt abdecken. Somit geht das SGB XII, soweit es die Sicherstellung des laufenden Lebensunterhalts der Leistungsberechtigten (ohne Mehrbedarfe und Kosten für Unterkunft und Heizung) betrifft, - ebenso wie das SGB II und anders als das BSHG - grundsätzlich von einer Leistungsgewährung in pauschalierter Form (für das SGB XII siehe dazu u.a. Scheider in Schellhorn, SGB XII, § 28 Rn. 6 ff.) aus, und zwar in Form des Regebedarfes (vgl. § 20 SGB II (früher Regelleistung) und § 27a SGB XII (vormals § 28 SGB XII a.F.)). Allerdings kann aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall eine abweichende Bemessung des Regelsatzes erforderlich sein, um in verfassungskonformer Weise das menschenwürdige Existenzminimum zu gewährleisten und den notwendigen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherzustellen und andererseits dem Individualisierungsgebot des § 9 Abs. 1 SGB XII Rechnung zu tragen. Hierzu dient die Öffnungsklausel des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII, die eine Ausnahmeregelung zu S. 1 darstellt. Für den Bereich des SGB II hat der Gesetzgeber aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 mittlerweile in § 21 Abs. 6 SGB II eine § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII ähnelnde Härtefallregelung geschaffen, ohne allerdings wie im SGB XII eine Möglichkeit zur Absenkung des Regelbedarfs vorzusehen (siehe dazu Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, § 21 Rn. 71). Damit hat er die Leistungssysteme SGB II und SGB XII noch stärker aneinander angeglichen.

Ausgehend von der beschriebenen gesetzgeberischen Konzeption ist allein der Umstand, dass sich ein Leistungsberechtigter nach dem SGB XII (vorübergehend) in einem Krankenhaus aufhält, nicht geeignet, eine abweichende Festsetzung des (pauschalen) Regelsatzes nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. (jetzt § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII) zu begründen. Denn wie ausgeführt orientiert sich die Bemessung des Regelsatzes am durchschnittlichen monatlichen Bedarf eines Leistungsempfängers nach dem SGB XII. Eine Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. kommt somit nur in Betracht, wenn ein Sachverhalt vorliegt, demzufolge der durchschnittliche (individuelle) Bedarf des Leistungsempfängers nachweisbar vom durchschnittlichen Bedarf, der dem Regelsatz zu Grunde liegt, abweicht. Im vorliegenden Fall hat das Gericht aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Regelsatz des Klägers infolge des Krankenhausaufenthaltes im Zeitraum 25. März 2009 bis 4. Juni 2009 abweichend individuell festzusetzen wäre. Es geht vielmehr davon aus, dass in den zur Bemessung der Regelsätze herangezogenen Haushalten unterer Einkommensgruppen in ähnlichem Umfang wie bei Leistungsberechtigten nach dem SGB XII Krankenhausaufenthalte anfallen. Damit haben aber die hierdurch bedingten Mehrausgaben oder Einsparungen über die statistisch erfassten Verbrauchsausgaben bereits Eingang in die Bemessung der Regelsätze gefunden. Eine darüber hinausgehende Absenkung (oder auch Anhebung) des dem Leistungsberechtigten zustehende Regelsatzes für die Zeiten eines (vorübergehenden) Krankenhausaufenthalts ist daher nicht gerechtfertigt. Sie stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Intention, mit der Gewährung des pauschalen Regelsatzes den Leistungsempfängern nach dem SGB XII ein selbstverantwortliches, selbstbestimmtes und vorausschauendes Haushalten zu ermöglichen.

Inwieweit § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. grundsätzlich Fälle erfassen kann, in denen der Leistungsberechtigte von Dritten unentgeltlich Essen erhält (vgl. BT-Drucks. 15/1514, S. 59), lässt das Gericht dahingestellt. Eine Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. könnte aber z.B. in Betracht kommen, wenn dem Leistungsberechtigten ein Leibgedinge mit freier Kost eingeräumt ist. Allerdings ist zu beachten, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) die Gewährung von Kost als Einnahme, die nicht in Geld besteht, klassifiziert hat. Insofern fehlt es an einem klaren gesetzgeberischen Konzept, in welchem Umfang und gegebenenfalls nach welcher Vorschrift des SGB XII von Dritten zur Verfügung gestellte Sachleistungen, insbesondere Essen, als leistungsmindernd erfasst werden sollen (siehe dazu Bundessozialgericht vom 23. März 2010 - B 8 SO 17/09 R).

Im Übrigen kam eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes des Klägers für die Monate April und Mai 2009 auch deshalb nicht in Betracht, weil die (mutmaßliche) anderweitige Bedarfsdeckung beim Kläger (Gewährung von Verpflegung im Krankenhaus) nicht von einem Träger der Sozialhilfe als Leistung nach dem SGB XII erbracht wurde. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) ist in diesem Fall § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. nicht einschlägig.

Unabhängig davon, dass das Gericht im vorliegenden Fall bereits den Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII a.F. nicht als eröffnet sieht, begegnet auch die Handhabung der Beklagten, den Regelsatz für volle Kalendermonate eines Krankenhausaufenthaltes pauschal (anteilig) zu kürzen, rechtlichen Bedenken.
Zum einen erscheint es widersprüchlich, wenn sich die Beklagte bei der Kürzung des Regelsatzes des Leistungsempfängers auf den Individualisierungsgrundsatz beruft, gleichzeitig aber eine pauschale Kürzung vornimmt. Hier wäre vielmehr im einzelnen zu ermitteln, in welchem Umfang während des Krankenhausaufenthalts ein anderer, individueller Bedarf des Leistungsempfängers vorliegt, insbesondere in welchem Umfang möglichen Einsparungen (z.B. wegen kostenloser Verpflegung) zusätzliche Aufwendungen (höhere Preise für den Erwerb von Gegenständen des täglichen Bedarfs, also etwa Nahrungsmittel, Genussmittel, Kosmetika, Bücher und Zeitungen vor Ort, zusätzliche Kosten für Telefon o.ä.) gegenüberstehen (siehe dazu SG Detmold, Gerichtsbescheid v. 01.06.2010 - S 2 SO 74/10). Nur auf diese Weise könnte im Ergebnis ein abweichender individueller Regelsatz festgelegt werden.
Zum anderen erscheint es nicht zulässig, wenn die abweichende Festlegung eines individuellen Regelsatzes nur für volle Kalendermonate eines Krankenhausaufenthaltes erfolgt. Denn hierdurch kommt es zu einer sachlich nicht begründbaren Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern. So würde einem Leistungsempfänger, der sich vom 1. April bis 31. Mai in einer Klinik aufhält, der Regelsatz für zwei Monaten des Leistungsbezugs gekürzt. Würde sich der Leistungsempfänger vom 15. April bis 14. Juni (also ebenfalls für den Zeitraum von zwei Monaten) in der Klinik aufhalten, käme es dagegen lediglich für einen Monat (Mai) zu einer Kürzung des Regelsatzes. Falls sich der Leistungsempfänger dreimal drei Wochen lang in einer Klinik aufhalten würde, käme es sogar zu gar keiner Kürzung.

Das Gericht lässt im Übrigen dahingestellt, inwieweit die pauschalierte Kürzung des Regelsatzes des Klägers rechnerisch korrekt vorgenommen wurde.

2. Die Verpflegung des Klägers im Krankenhaus war im Aufhebungszeitraum April und Mai 2009 auch nicht leistungsmindernd als Einkommen (in Form des Sachbezuges) gemäß § 82 SGB XII zu berücksichtigen. Da die Beteiligten insoweit mit dem Gericht in der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts übereinstimmen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 10. Mai 2011), sieht das Gericht von einer ausführlicheren rechtlichen Begründung ab und verweist diesbezüglich auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 23. März 2010 (a.a.O.). Es schließt sich den dort vorgenommenen rechtlichen Erwägungen in vollem Umfang an und macht sie sich zu eigen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (Sozialgerichtsgesetz).

III. Die Berufung gegen das Urteil ist nicht zulässig. Gründe im Sinne von § 143 Abs. 2 SGG, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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