L 3 AS 339/09 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AS 4758/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 339/09 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Gleitsichtbrille ist, anders als eine Arbeitsschutzbrille, keine Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben,
sondern ein medizinisches Hilfsmittel, das in die Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen
Krankenversicherung fällt.

2. Als weitere Leistungen im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F., die für die Eingliederung des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind, kommen nur Leistungen zur
beruflichen Eingliederung, nicht solche für Gegenstände des täglichen Gebrauchs in Betracht.
I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 28. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit seiner Klage zum Sozialgericht Dresden vom 18. September 2008 erstrebt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für den Erwerb einer Gleitsichtbrille als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben zu übernehmen. Die Brille benötige er für eine Arbeitsaufnahme. Der Kläger steht nicht in einem Arbeitsverhältnis, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit steht auch nicht bevor.

Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 28. April 2009 abgelehnt. Die vom Kläger begehrte Leistung stehe im Ermessen der Beklagten, das diese im streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ausgeübt habe. Ermessensfehler lägen nicht vor. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Kläger bereits für die Bewerbung auf eine Arbeitsstelle auf eine Gleitsichtbrille angewiesen wäre. Bewerbungssituationen seien auch mit einer Fern- und einer Nahsichtbrille zu bewältigen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers vom 4. Juni 2009. Um Arbeit zu bekommen, müsse er zumindest richtig sehen können. Die Voraussetzungen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit fehlten nicht deshalb, weil er bereits 63 Jahre alt sei, sondern deshalb, weil er sich "nicht richtig vorstellen" könne. Mit einer neuen Brille habe er "wenigstens eine kleine Möglichkeit Arbeit zu bekommen".

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Vorliegend fehlt es dem Begehren des Klägers in der Hauptsache an der Erfolgsaussicht. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Brille als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben kommt von vornherein nicht in Betracht.

Ein Anspruch auf Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in der bis 31. Dezember 2008 gültigen Fassung vom 19. Dezember 2007 (a. F.) i. V. m. §§ 97 ff. SGB III ist nicht gegeben. Eine normale Brille ist, anders als eine Arbeitsschutzbrille, keine Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern ein medizinisches Hilfsmittel, das in die Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung fällt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – L 5 B 422/08 AS – JURIS-Dokument Rdnr. 9). Da der Kläger wegen seiner Sehschwäche eine Brille nicht nur für den Beruf, sondern auch im täglichen Leben zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse benötigt, liegt das Schwergewicht nicht im beruflichen Bereich. Das Gleiche gilt für die vom Kläger begehrte Gleitsichtbrille. Sie ersetzt sowohl die Brille für die Fernsicht als auch die Brille für die Nahsicht. Auch die damit einhergehende Erleichterung in der Benutzung von Sehhilfen vermag aber die Eigenschaft der Gleitsichtbrille als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu begründen. Der vom Kläger verfolgte Anspruch besteht auch nicht aus § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. Zwar können nach dieser Vorschrift weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Insoweit kommen aber aus den bereits dargelegten Gründen nur Leistungen zur beruflichen Eingliederung, nicht solche für Gegenstände des täglichen Gebrauchs – wie etwa eine Brille – in Betracht (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., JURIS-Dokument Rdnr. 10). Der der Behörde nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. eingeräumte Ermessensspielraum war daher vorliegend nicht eröffnet.

Aus den gleichen Erwägungen kann dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auch nicht aus dem ab dem 1. Januar 2009 an die Stelle von § 16 Abs. 2 SGB II a. F. getretenen § 16f SGB II (freie Förderung) hergeleitet werden.

Für diese Entscheidung fallen Gerichtskosten nicht an (vgl. § 183 SGG). Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Dr. Scheer Guddat Höhl
Rechtskraft
Aus
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