L 2 AS 99/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 75/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 99/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund 12.12.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die Betreuung der Klägerin zu 3) erhielt die Klägerin zu 2) für den Zeitraum 21.08.2010 bis 20.07.2011 Elterngeld in Höhe von 300,- EUR monatlich. Bis zum Ende des Jahres 2010 wurde dieses Elterngeld bei der Berechnung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II nicht berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 17.01.2011 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 01.02.2011 bis 30.04.2011 Leistungen in Höhe von monatlich 788,62 EUR (Februar 2011) bzw. 971,48 EUR (März und April 2011). Dabei rechnete er bei der Klägerin zu 3) Kindergeld in Höhe von 184,- EUR an und berücksichtigte nunmehr auch das Elterngeld nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,- EUR als weiteres Einkommen der Bedarfsgemeinschaft. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2011 zurück. Die Kläger haben daraufhin am 06.01.2012 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und gleichzeitig beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N zu bewilligen. Zur Begründung hat dieser ausgeführt, die Anrechnung des Elterngeldes sei rechtswidrig. Die diesbezügliche Vorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei vorliegend nicht anzuwenden, weil die Kläger auf den Bestand der bis zum 31.12.2010 geltenden Regelung vertrauen durften, nach der das Elterngeld nicht anzurechnen ist. Anderenfalls liege eine Ungleichbehandlung zu den Elterngeldbeziehern vor, die ihr Elterngeld vollständig in 2010 erhalten haben, da bei diesen keine Anrechnung erfolgt sei. Zudem mangele es der Neuregelung an einer Stichtags- oder Übergangsregelung. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts sei daher das Recht anzuwenden, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses gegolten hat (SG Wiesbaden, Urteil vom 26.09.2011 - S 2 EG 17/11). Da der Sache grundsätzliche Bedeutung zukomme (SG Marburg, Urteil vom 12.08.2011 - S 8 AS 169/11; SG Landshut, Urteil vom 07.12.2011 - S 10 AS 484/11) sei Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Mit Beschluss vom 12.12.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage biete keine Aussicht auf Erfolg, weil unter Berücksichtigung des zum 01.01.2011 neu angefügten § 10 Abs. 5 BEEG das Elterngeld auf SGB II-Leistungen voll anzurechnen sei. Etwas anderes gelte nur, wenn bis zur Geburt des Kindes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt worden sei. Dieser Ausnahmefall liege hier nicht vor. § 10 Abs. 5 BEEG sei auch verfassungsgemäß (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.04.2012 - L 19 AS 2012/11).

Gegen den am 09.01.2013 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 10.01.2013 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung machen sie ergänzend geltend, gegen zwei Entscheidungen des Landessozialgerichts NRW, in denen die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in vergleichbaren Fällen zurückgewiesen worden ist, sei Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Die Frage, ob die Anrechnung des Elterngeldes auf SGB II-Leistungen verfassungsgemäß sei, sei eine grundsätzliche, bisher nicht geklärte Rechtsfrage, die im Rahmen der Verfassungsbeschwerden (1 BvR 622/12 und 1 BvR 1361/12) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu klären sei. Es werde daher die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt.

II.

Die Beschwerde der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.

Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Anhaltspunkte für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen in dem hier streitigen Zeitraum 01.02.2011 bis 30.04.2011 sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die ihnen zustehenden Leistungen vielmehr zutreffend berechnet und dabei zu Recht das in diesem Zeitraum bezogene Elterngeld nach Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 270,- EUR monatlich als Einkommen berücksichtigt. Dies entspricht der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und des zum 01.01.2011 eingeführten § 10 Abs. 5 BEEG.

Der von den Klägern gegen die Berechnung der Leistungen ausschließlich erhobene Einwand der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 5 BEEG begründet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 73 a Rndr.7a f.). Die Erfolgsaussichten dürfen dabei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden. Prozesskostenhilfe darf aber verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.04.2012 - 1 BvR 2869/11).

Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Klärungsbedürftig ist aber nicht jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Maßgeblich ist, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage unter Berücksichtigung der einschlägigen gesetzlichen Regelung und der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung schwierig zu beantworten ist.

Dies ist hinsichtlich der Frage der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 5 BEEG nicht der Fall. Der Senat geht vielmehr unter Berücksichtigung von Wortlaut, Gesetzesmaterialien und den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen davon aus, dass die Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 5 BEEG hinreichend geklärt ist (so auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.11.2012 - L 19 AS 1283/12 B; Beschluss vom 06.01.2012 - L 7 AS 1107/11 B; Beschluss vom 04.01.2012 - L 12 AS 2089/11 B; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01.02.2013 - L 6 AS 817/12 B; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.10.2012 - L 14 AS 1607/12 NZB). Insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur leistungsmindernden Anrechnung von Kindergeld auf das Sozialgeld nach dem SGB II (Beschluss vom 11.03.2010 - 1 BvR 3163/09) und zur Stichtagsregelung im Rahmen der Gewährung von Elterngeld (Nichtannahmebeschluss vom 20.04.2011 - 1 BvR 1811/08) ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) durch die zum 01.01.2011 ohne Übergangsregelung eingeführte Anrechnung des Elterngeldes auf SGB II-Leistungen nicht ersichtlich.

Auch die von den Klägern geltend gemachten Vertrauensschutzgesichtspunkte greifen nicht durch, weil der hier streitige Bewilligungsabschnitt nach Beginn der zum 01.01.2011 eingeführten Neuregelung beginnt. Eine unechte Rückwirkung liegt damit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschluss 07.12.2010 - 1 BvR 2628/07 zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe; Beschluss vom 05.12.2012 - 1 BvR 20/12 zur Unzulässigkeit der Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 5 BEEG) nicht vor, weil die geschützte Rechtsposition erst mit Feststellung des Anspruchs der Kläger auf SGB II-Leistungen für die Zeit ab 01.02.2011 und damit nicht vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 5 BEEG entstanden ist. Gesetzesänderungen, die mit Wirkung für die Zukunft in bestehende Rechtspositionen eingreifen, sind aber verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig, weil es ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft nicht gibt.

Bei dieser Sachlage kann allein der Umstand, dass zu der hier streitigen Rechtsfrage noch zwei Verfassungsbeschwerden anhängig sind, keine hinreichenden Erfolgsaussichten begründen oder eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens rechtfertigen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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