L 4 SO 42/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 15 SO 177/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 42/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Leistungen für eine Haushaltshilfe.

Die 1939 geborene Klägerin leidet seit 1975 an Lähmungen in beiden Beinen. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson), H (Hilflosigkeit) und RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Sie erhält eine Altersrente und aufstockend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII.

Seit Juni 1987 erhielt die Klägerin von der Beklagten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), zuletzt monatlich 910,- DM für eine Pflegekraft, 283,50 DM Pflegegeld und 611,- DM Hilfe zur Weiterführung des Haushalts. Die Pflege sowie die Haushaltshilfe übernahm eine private Pflegekraft, Frau S., die hierfür von der Klägerin monatlich 1.800,- DM erhielt.

Mit Bescheid vom 12. Mai 1995 stellte die Pflegekasse der Klägerin, die AOK S1, fest, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Pflegestufe 2 vorliegen und bewilligte ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 800,- DM. In dem Bescheid wurde ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin alternativ zum Pflegegeld Pflegesachleistungen in Form von Pflegeeinsätzen durch hauptberufliche Pflegefachkräfte in Anspruch nehmen oder eine Kombination von Pflegesachleistung und Pflegegeld wählen könne.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1995 teilte die Klägerin der AOK S1 mit, dass ihre pflegerische Versorgung durch die Gewährung des Pflegegeldes nicht ausreichend gewährleistet sei. Einsätze von Pflegepersonen ambulanter Pflegedienste lehne sie aufgrund schlechter Erfahrungen ab. Sie beantragte unter Verweis auf § 77 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Übernahme der Versorgung durch ihre bisherige Pflegeperson Frau S ... Die AOK S1 lehnte dies mit Bescheid vom 22. Juni 1995 ab: Häusliche Pflegehilfe werde durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag abgeschlossen hat, angestellt seien. Da die Pflegerin der Klägerin bei dieser als Privatperson tätig und nicht bei einer Pflegeeinrichtung angestellt sei, könne die Sachleistung nicht gewährt werden. Es könne nur die Zahlung des Pflegegeldes erfolgen, das der Klägerin bereits bewilligt worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

In der Folgezeit erhielt die Klägerin keine Leistungen von der AOK S1; die Beklagte gewährte der Klägerin daher zunächst die bisherigen Leistungen weiter. Am 22. September 1997 teilte die AOK S1 der Beklagten telefonisch mit, dass sie bereit sei, für den Zeitraum vom 1. April 1995 bis zum 30. September 1997 ein Vertragsverhältnis gemäß § 77 Abs. 1 SGB XI mit Frau S. zu unterstellen. Für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 bestehe diese Möglichkeit nicht, da Frau S. nicht bereit sei, für ihre Pflegetätigkeit ein selbständiges Gewerbe anzumelden. Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der AOK S1 einen Erstattungsanspruch für die von ihr im Zeitraum vom 1. April 1995 bis zum 30. September 1997 erbrachten Leistungen der Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 46.000,80 DM (monatlich 1.533,36 DM) geltend. Die Klägerin teilte der AOK S1 mit, ihr Sohn habe monatlich 279,- DM für die Pflege durch Frau S. verauslagt. Die AOK S1 erstattete in der Folgezeit einen Betrag insgesamt 54.000,- DM, davon 46.000,80 DM an die Beklagte und 7.999,20 DM an den Sohn der Klägerin.

Ab Oktober 1997 war Frau S. nicht mehr für die Klägerin tätig. Die AOK S1 gewährte der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von zunächst 800,- DM monatlich. Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 Leistungen der Hilfe zur Pflege in Höhe von zunächst 266,64 DM monatlich.

Im August 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen für eine Haushaltshilfe. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 5. September 2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin erhalt von ihrer Pflegeversicherung Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2. Die Leistungen der häuslichen Pflege beinhalteten die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung. Eine parallele Gewährung von Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB XII sei ausgeschlossen.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 30. September 2008 Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. September 2008: Dr. P. vom Gesundheitsamt der Beklagten habe sie am 28. August 2008 besucht und Einsicht in ihre Krankenunterlagen genommen. Er befürworte eine Haushaltshilfe. Beigefügt war eine Stellungnahme von Dr. P. vom 29. August 2008 mit folgendem Inhalt: "Haushaltshilfe nach § 27 SGB XII im Umfang 10,5 Stunden pro Woche kann befürwortet werden. Die Frage bleibt bestehen, ob Haushaltshilfe auch über Sachleistungen der Pflegeversicherung abgedeckt werden kann."

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen der Häuslichen Pflege gem. § 63 SGB XII für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2008 in Höhe von 140,- Euro. Hiergegen erhob die Klägerin am 23. Dezember 2008 Widerspruch und machte höhere Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 geltend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. September 2008 zurück: Die Klägerin erhalte Pflegegeld nach dem SGB XI. Aus diesem sei gem. § 37 SGB XI auch die hauswirtschaftliche Versorgung sicherzustellen. Leistungen für eine Haushaltshilfe seien gegenüber Leistungen der Hilfe zur Pflege nachrangig. Einzig denkbare Anspruchsgrundlage für die begehrte Haushaltshilfe sei § 65 SGB XII. Gemäß § 66 SGB XII würden Leistungen nach § 65 SGB XII aber nicht erbracht, soweit Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten bzw. es unterlassen, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin sei daher verpflichtet, vorrangig die Leistungen der Pflegeversicherung durch die Inanspruchnahme von Sachleistungen auszuschöpfen.

Ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2008 zurück.

Die Klägerin hat am 23. Mai 2009 Klage zum Sozialgericht Hamburg gegen die Beklagte sowie die AOK S1 erhoben mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihr ab dem 1. Oktober 1997 die ihr zustehenden Pflegeleistungen zu bewilligen (Aktenzeichen S 23 P 54/09). Zur Begründung hat sie ausgeführt, bis zum 30. September 1997 sei ihre pflegerische Versorgung durch die von der Beklagten bewilligten Leistungen sichergestellt gewesen. Danach sei dies nicht mehr der Fall gewesen. Frau S. habe ihr nicht mehr zur Verfügung gestanden. Ihre Kinder seien beide voll berufstätig gewesen und hätten ihre Pflege daher nicht voll übernehmen können. Sie habe keine Hilfe gehabt, sei mehrfach gefallen und habe sich verletzt. Ihre Anfrage nach einer anderen Pflegeperson sei sowohl von der AOK S1 als auch von der Beklagten abgelehnt worden. Für die von ihr selbst beschaffte Pflegerin zahle ihr Sohn. Die Beklagte wäre gem. § 65 SGB XII bzw. § 69b BSHG verpflichtet gewesen, die Kosten der Heranziehung einer besonderen Pflegekraft ab dem 1. Oktober 1997 zu übernehmen. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundlage hätte sie nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen nach dem SGB XI verwiesen werden dürfen. Einen Pflegedienst wolle sie nicht beauftragen.

Das Sozialgericht hat das Verfahren gegen die Beklagte von dem Verfahren gegen die AOK S1 abgetrennt. Anschließend hat es das Verfahren gegen die Beklagte getrennt und das Verfahren bezüglich der Hilfe zur Pflege unter dem Aktenzeichen S 15 SO 248/09 geführt. Die Klage gegen die AOK S1 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 7. Oktober 2009 abgewiesen; die hiergegen zunächst erhobene Berufung (Az.: L 1 P 6/09) hat die Klägerin im Verhandlungstermin am 2. Februar 2011 zurückgenommen. Die Klage bezüglich der Hilfe zur Pflege hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2010 abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung hat der Senat mit Urteil vom 1. Oktober 2014 zurückgewiesen (Az.: L 4 SO 41/10).

Die Klage bezüglich der Haushaltshilfe hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2010 abgewiesen: Die Klägerin erhalte Pflegegeld nach § 37 SGB XI. Damit seien die erforderliche Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung sicherzustellen. Aus dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe folge, dass die Klägerin gehalten sei, zunächst die Leistungen der Pflegeversicherung auszuschöpfen, also hier Sachleistungen in Anspruch zu nehmen, die wertmäßig höher seien als das Pflegegeld. Erst bei vollständiger Ausschöpfung der Leistungen der Pflegeversicherung könne gegebenenfalls eine Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers in Betracht kommen.

Am 17. Juni 2010 hat die Klägerin Berufung eingelegt Sie trägt vor, ihr seien seit dem 1. Oktober 1997 zu Unrecht Leistungen für ihre Pflegeperson versagt worden. Eine Weiterbeschäftigung ihrer Pflegerin Frau S. hätte ab dem 1. Oktober 1997 im Wege des Arbeitgebermodells von der Beklagten nahtlos übernommen werden müssen. Eine Schlechterstellung bei unveränderter Pflegebedürftigkeit sei unzulässig. Sie habe den Leistungsträgern mitgeteilt, dass ihre Versorgung durch das Pflegegeld nicht gesichert sei, die Beklagte sei trotz Kenntnis der Unterversorgung untätig geblieben. Durch Verschulden und Amtspflichtverletzungen der Sachbearbeiter sei sie in entsetzliche Situationen geraten. Die Beklagte hätte sie auf die Möglichkeit des Arbeitgebermodells hinweisen müssen, diesbezüglich liege ein erhebliches Beratungsverschulden vor, aufgrund dessen sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergebe. In der Zeit nach dem 1. Oktober 1997 hätten verschiedene Frauen ihre Pflege und auch Tätigkeiten in ihrem Haushalt übernommen. Sie hätte diese Frauen über Zeitungsannoncen bekommen. Arbeitsverträge seien nicht geschlossen worden, auch eine Anmeldung zur Sozial- oder Unfallversicherung sei nicht erfolgt. Die Pflegerinnen seien bar bezahlt worden, ihr Sohn habe hierfür monatlich 300,- Euro aufgewandt. Nachweise über die Zahlungen an die Pflegerinnen habe sie nicht. Auch mit Frau S. habe es damals keinen Arbeitsvertrag gegeben, angemeldet habe sie auch diese nicht.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009 zu verurteilen, ihr Leistungen für eine Haushaltshilfe nach dem SGB XII zu gewähren.

Die Beklage beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf ihren Vortrag im Widerspruchsbescheid sowie die Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2010. Die Regelungen zum Arbeitgebermodell kämen nur dann zum Tragen, wenn sich der Betroffene durch bei ihm beschäftigte Pflegekräfte pflegen lässt. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor.

Am 27. September 2010 ist die Klägerin nach Pinneberg umgezogen. Am 14. März 2011 hat sie bei dem dortigen Sozialhilfeträger einen erneuten Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Pflegekraft bzw. Haushaltshilfe gestellt.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten der Verfahren L 1 P 6/09, L 4 SO 41/10, L 4 SO 12/10 B ER, L 4 SO 13/10 B ER, L 4 SO 14/10 B ER und S 15 SO 474/09 ER beigezogen. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2011 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und bei der Beratung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hat.

II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 5. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2009, mit dem die Beklagte die Gewährung von Leistungen für eine Haushaltshilfe abgelehnt hat. In zeitlicher Hinsicht ist streitbefangen der Zeitraum ab August 2008 (Antragstellung bei der Beklagten). Der streitgegenständliche Zeitraum endet mit der erneuten Antragstellung in Pinneberg am 14. März 2011. Wird eine Leistung ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt, so hat das Gericht grundsätzlich über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden. Etwas anderes gilt dann, wenn der Betroffene – wie hier – zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen gestellt hat. Für die Zeit, die von einer Entscheidung über den neuen Antrag erfasst ist, hat sich der angefochtene Bescheid erledigt (BSG, Urteil vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 12/06 R und Urteil vom 25.8.2011, Az.: B 8 SO 19/10 R).

2. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen für eine Haushaltshilfe.

a. Ein Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 27 Abs. 3 SGB XII. Nach ihrem eindeutigem Wortlaut kommt diese Norm nur zur Anwendung, wenn keine Hilfebedürftigkeit i.S. des § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII i. V. m. den §§ 82 – 84 SGB XII gegeben ist. Die Klägerin ist aber hilfebedürftig, sie hat im streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend – aufstockend zu ihrer Rente – laufende Leistungen für ihren Lebensunterhalt erhalten.

b. Auch auf § 70 SGB XII kann sich ein Anspruch auf Leistungen für eine Haushaltshilfe hier nicht stützen. Die Klägerin lebt alleine und führt einen Ein-Personen-Haushalt. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Personen mit eigenem Haushalt Leistungen zur Weiterführung des Haushalts erhalten, wenn keiner der Haushaltsangehörigen den Haushalt führen kann und die Weiterführung des Haushalts geboten ist. Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden (Abs. 1 Satz 2). Dies gilt jedoch nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann (Abs. 1 Satz 3). Nach § 70 Abs. 2 SGB XII umfassen die Leistungen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit. Nicht zuletzt dies macht deutlich, dass Zweck der Leistung nicht die auf Dauer angelegte behindertenbezogene Pflege in Form der hauswirtschaftlichen Versorgung, sondern in Abgrenzung zu den Pflegeleistungen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen bei einem (vorübergehenden) Ausfall des Haushaltsführers sowie die zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit ist (vgl. BSG, Urteil vom 26.8.2008, Az.: B 8/9b SO 18/07 R und Urteil vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 12/06 R). § 70 SGB XII will sicherstellen, dass ein Haushalt auch dann aufrechterhalten werden kann, wenn die Person, die den Haushalt normalerweise führt, hierzu (vorübergehend) nicht in der Lage ist. Besteht der Haushalt nur aus einer einzigen Person, so gehen die Regelungen über die Hilfe zur Pflege als die spezielleren Vorschriften dem § 70 SGB XII vor (vgl. Sehmsdorf, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 70 SGB XII, Rn. 13; Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII K § 70 Rn. 3c).

c. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich aber auch nicht aus den §§ 61 ff. SGB XII, die die Hilfe zur Pflege regeln. Unstreitig ist die Klägerin pflegebedürftig im Sinne von § 61 SGB XII. Sie bedarf wegen ihres gesundheitlichen Zustands für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in erheblichem Maße der Hilfe. Zu den gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens gehört gemäß § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII auch die hauswirtschaftliche Versorgung, namentlich das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.

Art und Umfang der Leistungen der Hilfe zur Pflege sowie ihr Verhältnis zu Leistungen anderer Träger sind in den §§ 61 SGB XII näher geregelt. Die Hilfe zur Pflege umfasst dabei neben der stationären und teilstationären Pflege insbesondere die häusliche Pflege. Reicht wie hier häusliche Pflege aus, so soll der Träger der Sozialhilfe gemäß § 63 SGB XII darauf hinwirken, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. Nähere Regelungen diesbezüglich enthalten die §§ 64 bis 66 SGB XII. Aus diesen Vorschriften ergibt sich jedoch kein Anspruch der Klägerin auf Leistungen für eine Haushaltshilfe.

aa. Ein Anspruch lässt sich zunächst nicht aus § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ableiten. Diese Vorschrift gibt einen Anspruch auf Erstattung der angemessenen Aufwendungen einer Pflegeperson, daneben können angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden. Pflegepersonen im Sinne dieser Norm sind keine professionellen Pflegekräfte, sondern Verwandte oder dem Pflegebedürftigen sonst nahestehenden Personen, die die Pflege als Nachbarschaftshilfe übernehmen. Dementsprechend umfassen die "Aufwendungen" im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht eine der Pflegeperson gezahlte Vergütung (vgl. Grube, in: Grube/Wahrendorf SGB XII, 5. Auflage 2014, § 65 Rn. 6). Hier geht es aber nicht um Leistungen für die Haushaltshilfe durch nahestehende Personen, sondern um die Kosten für die gegen Entgelt tätigen Pflegerinnen.

bb. Ferner lässt sich ein Anspruch nicht auf § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII stützen. Diese Vorschrift bestimmt, dass die angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft zu übernehmen sind, wenn deren Heranziehung erforderlich ist. Unabhängig von der Frage, welche Qualifikationsanforderungen an "besondere Pflegekräfte" im Sinne dieser Vorschrift zu stellen sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.2.2013, Az.: B 8 SO 1/12 R und Urteil vom 26.8.2008, Az.: B 8/9b SO 18/07 R; Meßling, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 65 SGB XII Rn. 33 ff.; Klie, in: Hauck/Noftz, SGB XII K § 65 Rn. 7), und ob die für die Klägerin tätigen Personen diese Anforderungen erfüllten, steht einem Anspruch der Klägerin die Regelung in § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII entgegen. Danach werden Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII insoweit nicht erbracht, als Pflegebedürftige in der Lage sind, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Hierin liegt eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Vorrang vor den Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII haben insbesondere die Pflegesachleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Diese dienen demselben Zweck wie die Leistungen nach § 65 Abs. 1 SGB XII, sind also "zweckentsprechend" im Sinne von § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII.

Eine Ausnahme vom Nachrang der Sozialhilfe besteht lediglich, wenn der Pflegebedürftige seine Pflege durch von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellt, so genanntes Arbeitgebermodell. In diesem Fall kann der Pflegebedürftige gemäß § 66 Abs. 4 S. 2 SGB XII nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen der Pflegeversicherung verwiesen werden. Dieser Ausnahmefall greift vorliegend jedoch nicht ein, da die Klägerin die sie pflegenden Personen nicht als Arbeitgeberin beschäftigte. Nach Auskunft der Klägerin wurden keine Verträge geschlossen und damit die für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Regelungen über Entlohnung, Urlaubsansprüche etc. nicht getroffen. Ferner ist keine Anmeldung zur Sozialversicherung bzw. bei der Minijob-Zentrale erfolgt. Ein Beschäftigungsverhältnis lässt sich damit nicht feststellen.

Somit bleibt es bei dem Vorrang der Pflegesachleistungen nach dem SGB XI. Nur sofern der Bedarf der Klägerin durch Sachleistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckt werden kann, hätte sie folglich einen Anspruch auf ergänzende Leistungen der Beklagten. Dieser Anspruch setzt jedoch voraus, dass zunächst die Sachleistungen der Pflegeversicherung voll ausgeschöpft werden (vgl. Meßling, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 66 SGB XII Rn. 41), da nur so der Nachrang der Sozialhilfe umfassend sichergestellt werden kann. Im streitgegenständlichen Zeitraum hat die Klägerin aber keine Sachleistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen. Vielmehr hat sie durchgängig betont, dass sie keine Pflege durch einen Pflegedienst wolle und lediglich die Pflege durch ihre bisherige Pflegeperson, Frau S., beantragt. Eine Pflege durch Frau S. war aber nicht als Sachleistung der Pflegeversicherung möglich. § 36 Abs. 1 Satz 3 SGB XI bestimmt, dass Sachleistungen der häuslichen Pflege durch geeignete Pflegekräfte erbracht werden, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind. Auch durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 SGB XI abgeschlossen hat, kann häusliche Pflegehilfe als Sachleistung erbracht werden (§ 36 Abs. 1 Satz 4 SGB XI). Frau S. war weder bei der AOK S1 noch bei einer ambulanten Pflegeeinrichtung angestellt. Zum Abschluss eines Vertrages nach § 77 Abs. 1 SGB XI zwischen ihr und der AOK S1 für die Zeit ab dem 1. Oktober 1997 kam es gerade nicht.

Die Klägerin war nach Überzeugung des Gerichts auch im Sinne von § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB XII in der Lage, zunächst die Pflegesachleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch zu nehmen. Es ist nicht erkennbar, dass ihr Pflegesachleistungen, insbesondere in Form von Pflegeeinsätzen eines Pflegedienstes, objektiv unmöglich oder subjektiv unzumutbar gewesen wäre. Sofern die Klägerin vorbringt, bei Beauftragung eines Pflegedienstes in der Vergangenheit seien die Leistungen mangelhaft gewesen, kann sie hiermit nicht durchdringen. Insbesondere hätte es ihr offen gestanden, einen anderen Dienst zu beauftragen.

cc. Ein Anspruch ergibt sich in diesem Zusammenhang auch nicht daraus, dass die Beklagte bis zur Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 der Klägerin Leistungen für eine Haushaltshilfe gezahlt hat. Denn allein aus dem Umstand, dass eine bestimmte Leistung in der Vergangenheit gewährt wurde, ergibt sich kein Anspruch auf eine Weitergewährung. Hierfür kommt es vielmehr darauf an, ob die Voraussetzungen für die Leistung im maßgebenden Zeitraum vorlagen.

dd. Auch eine Übernahme der Kosten für die Haushaltshilfe im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kommt nicht in Betracht. Der richterrechtlich entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift ein, wenn der zuständige Sozialleistungsträger eine Pflicht, insbesondere eine Auskunfts-, Beratungs- oder Betreuungspflicht verletzt hat und hierdurch dem Betroffenen ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18.1.2011, Az.: B 4 AS 99/10 R). Hier ist bereits nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre Pflichten gegenüber der Klägerin verletzt hat. Aber selbst wenn im Fall der Klägerin eine Beschäftigung ihrer Pflegerinnen im Rahmen des Arbeitgebermodells möglich gewesen wäre und die Beklagte – wie die Klägerin vorträgt – ihre diesbezügliche Beratungspflicht verletzt haben sollte, so kann sich dennoch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Kostenersatzanspruch der Klägerin ergeben. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Herstellung derjenigen Position gerichtet, die der Betroffene bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung der verletzten Pflichten innegehabt hätte. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Zustand mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung hergestellt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 18.1.2011, Az.: B 4 AS 99/10 R; Urteil vom 1.4.2004, Az.: B 7 AL 52/03 R; Urteil vom 18.2.2010, Az.: B 4 AS 28/09 R). Hingegen können Lebenssachverhalte, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen und einer Gestaltung durch Verwaltungshandeln nicht zugänglich sind, nicht im Wege des Herstellungsanspruchs korrigiert werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31.1.2006, Az.: B 11a AL 15/05 R: Eintritt von Arbeitslosigkeit; Urteil vom 11.3.2004, Az.: B 13 RJ 16/03 R: fehlende Arbeitslosmeldung; Urteil vom 25.10.1989, Az.: 7 RAr 150/88: fehlende Anwartschaftszeiten; Urteil vom 15.5.1985, Az.: 7 RAr 103/83: fehlende Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung). Die Klägerin hat ihre Pflegerinnen – wie oben dargelegt – gerade nicht als Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses liegt außerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten, es kann nicht durch ein Handeln der Beklagten herbeigeführt werden. Folglich kann es auch nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Ohne ein Beschäftigungsverhältnis können aber die von der Klägerin an ihre Pflegerinnen gezahlten Beträge nicht rechtmäßig von der Beklagten übernommen werden.

ee. Scheidet ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Haushaltshilfe schon wegen Fehlens der Voraussetzungen aus, so brauchte der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich einen Bedarf an Leistungen durch die Beklagten hatte und welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der Sohn der Klägerin die anfallenden Kosten für die Pflegerinnen übernommen hat.

3. Über die Frage eines Amtshaftungsanspruches war nicht zu entscheiden. Aus Art. 34 Satz 3 Grundgesetz i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ergibt sich die alleinige Entscheidungszuständigkeit der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Amtshaftungsansprüche. Ein Ausnahmefall, der dem Landessozialgericht über die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG als Rechtsmittelgericht eine eigene Kompetenz geben könnte, über den Amtshaftungsanspruch zu entscheiden, liegt nicht vor. Denn das Sozialgericht hat keine "Entscheidung in der Hauptsache" im Sinne von § 17a Abs. 5 GVG über den Amtshaftungsanspruch getroffen (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.10.2012, Az.: B 13 R 437/11 B). Es hat seine Entscheidung auf mögliche Anspruchsgrundlagen des SGB XII beschränkt; ein Amtshaftungsanspruch wird weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt.

Die Klage bzw. die Berufung war ferner nicht – auch nicht teilweise – an das zuständige Landgericht zu verweisen. Eine Teilverweisung an das Zivilgericht ist nicht zulässig, da das GVG keine Teilverweisung kennt. Einer Verweisung des gesamten Rechtsstreits steht der Grundsatz entgegen, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.10.2012, Az.: B 13 R 437/11 B; vgl. hierzu auch Felix, SGb 2014, S. 469, 477).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved