S 2 SO 103/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 103/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 21.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.04.2012 wird abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur angemessenen Schulbildung durch Übernahme der angefallenen Kosten des Integrationshelfers im Zeitraum vom 27.09.2011 bis 22.12.2011 auch für die Stunden, da der Kläger an der Mittags- und Nachmittagsbetreuung in der Schule teilgenommen hat, zu gewähren. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers auch für den Zeitraum der Nachmittagsbetreuung über den Pflichtunterricht am Vormittag hinaus im Rahmen des Schulbesuchs einer Hauptschule in der Sekundarstufe 1.

Der am 00.00.1998 geborene, schwerbehinderte Kläger leidet bei Zustand nach extremer Frühgeburt seit seiner Geburt an einer spastischen Cerebralparese mit spastischen Diplegien und Innenrotationsgangbild, sowie sensomotorischen Entwicklungsstörungen, Koordinationsstörungen, Sehstörungen und bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) nach Langzeitbeatmung. Die Beine des Klägers waren verdreht und wurden im Juli 2011 im Wege einer Derotations-OP am linken Bein im orthopädischen Zentrum B korrigiert. Danach bestand eine starke Einschränkung der Mobilität. Der Kläger besucht die Q-L-Schule, eine Hauptschule in I. Dort wird in Zusammenarbeit mit der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Gütersloh eine Mittags- und Hausaufgabenbetreuung angeboten, an der auch der Kläger teilnimmt.

Am 01.09.2011 beantragte der Kläger durch seine Eltern die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Bewilligung eines Integrationshelfers. Seit der Operation sei das linke Bein geschient und dadurch bis zur Hüfte fixiert. Er könne nicht auf Krücken gehen, da ihm die Koordination und das nötige Gleichgewicht fehlten. Dies begründe sich in der nicht korrekten Stellung des verbleibenden rechten Beines. Dieser Zustand bestehe mindestens für die nächsten drei Monate. Zum Nachweis legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des örtlichen Kinder- und Jugendmediziners Dr. L1 vor.

Mit Bescheid vom 20.02.2012 übernahm der Beklagte zunächst die Kosten des Integrationshelfers für die Vormittagsstunden, in denen der schulpflichtige Unterricht stattfindet. Auf den Bescheid vom 20.02.2012 wird Bezug genommen.

Mit weiterem Bescheid vom 21.02.2012 lehnte der Beklagte die Übernahme der angefallenen Kosten des Integrationshelfers für die Nachmittagsstunden nach Ende der Schulpflicht ab. Der Kläger habe den Integrationshelfer ohnehin nur für einen Zeitraum von drei Monaten, mithin weniger als sechs Monate, benötigt. Die Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag in der Schule stelle keinen schulpflichtigen Unterricht dar. Es handle sich bei den Kosten des Integrationshelfers insoweit nicht um eine Hilfe zur angemessenen Schulausbildung. Es handle sich nicht um Teilnahme am Unterricht im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten müsse der Kläger daher direkt mit dem Leistungsanbieter abrechnen. Auf den Bescheid vom 21.02.2012 wird für die Einzelheiten Bezug genommen.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Mutter des Klägers wies darauf hin, dass sie bei den Vorgesprächen mitgeteilt habe, dass ihr Sohn gegen 15 Uhr abgeholt werde. Eine Rückfrage, wie sich die Zeit vom Schulbeginn bis zur Abholung aufteile, habe es damals nicht gegeben. Durch die Operation seien der Familie ohnehin zusätzliche größere Kosten entstanden, die die Haushaltskasse außergewöhnlich belasten. Selbst wenn sie wollten, sähen sie sich nicht in der Lage, weitere außergewöhnliche Kosten zu tragen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Menschen seien gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit, oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Die Teilhabeeinschränkung des Klägers, die die Unterstützung durch einen Integrationshelfer habe notwendig werden lassen, sei unterhalb der gesetzlich normierten sechs Monate anzusetzen gewesen. Die Übernahme der Kosten des Integrationshelfers für den Schulbesuch erfolge nur aufgrund der bereits erteilten mündlichen Zusage. Eine Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer für die Mittags- und Hausaufgabenbetreuung falle nicht unter die allgemeine Schulpflicht. Die mündliche Zusage habe sich nur auf den reinen Schulbesuch bezogen. Nach 12:40 Uhr erfolge lediglich ein freiwilliges Betreuungsangebot der Schule. Dieses sei jedoch nicht Teil der allgemeinen Schulpflicht. Diese Kosten könnten nicht im Wege der Quersubventionierung übernommen werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 17.04.2012 Bezug genommen.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 21.02.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.04.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kostenübernahme für eine Integrations- bzw. Assistenzkraft für die Randstunden- und Hausaufgabenbetreuung außerhalb des regulären Schulbesuchs zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch er wiederholt seine bisherigen Ausführungen.

Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Beteiligten haben einer gerichtlichen Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Der zulässige Antrag ist begründet. Der Kläger ist im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 21.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.04.2012 ist rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt, indem dort die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für einen Integrationshelfer für die Randstunden- und Hausaufgabenbetreuung versagt wurde.

Der Anspruch ergibt sich zwar noch nicht etwa aus einer mündlichen Zusicherung, deren Reichweite dann im Wege der Auslegung ermittelt werden müsste. Denn eine Zusicherung bedarf nach § 34 SGB X jedenfalls der Schriftform. Daran fehlt es bei der mündlichen Zusage, die Kosten des Integrationshelfers für den Schulbesuch zu übernehmen.

Der Kläger hat jedoch einen materiellen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe unter dem Aspekt der angemessenen Schulbildung auch für die Stunden der Randstunden- und Hausaufgabenbetreuung in der Hauptschule, vergleichbar der Situation in der Offenen Ganztagsschule an einer Grundschule.

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körper-lichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Von einer Behinderung bedroht sind gemäß § 53 Abs. 2 SGB XII Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Men-schen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.

Leistungen der Eingliederungshilfe sind gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches insbesondere

1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, 2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, 3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, 4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56, 5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben ent-sprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.

Erfordert die Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung, für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen oder für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, sind die Leistungen hierfür gemäß § 92 Abs. 1 SGB XII auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19 Abs. 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. In Höhe dieses Teils haben sie zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner. Den in § 19 Abs. 3 genannten Personen ist die Aufbringung der Mittel gemäß § 92 Abs. 2 SGB XII nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten 1. bei heilpädagogischen Maßnahmen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, 2. bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu,

3. bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, 4. bei der Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, wenn die hierzu erforderlichen Leistungen in besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden, 5. bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 26 des Neunten Buches), 6. bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 des Neunten Buches), 7. bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 des Neunten Buches und in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten (§ 56), 8. bei Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden. Die in Satz 1 genannten Leistungen sind ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Die Kosten des in einer Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts sind in den Fällen der Nummern 1 bis 6 nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anzusetzen; dies gilt nicht für den Zeitraum, in dem gleichzeitig mit den Leistungen nach Satz 1 in der Einrichtung durchgeführte andere Leistungen überwiegen. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 Nr. 7 und 8 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn das Einkommen des behinderten Menschen insgesamt einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt.

Hiervon ausgehend gehört der Kläger zunächst einmal zu dem Personenkreis, der nach § 53 SGB XII Eingliederungshilfe erhalten kann. Denn er ist mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen bei Zustand nach extremer Frühgeburt schon seit der Geburt und somit länger als sechs Monate behindert. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf an, dass er auf den Integrationshelfer als konkrete Maßnahme weniger als sechs Monate angewiesen war, nämlich nur in der Heilungsphase nach der Umstellungsoperation. Die Eingliederungshilfe für die gesamte Nachmittagsbetreuung stellt dabei insgesamt eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung dar. Insoweit ist es unerheblich, dass der Beklagte hier unter Zugrundelegung seiner eigenen Auffassung versäumt hat, dann wenigstens zu prüfen, ob es sich bei dem Integrationshelfer für den Nachmittagsunterricht um eine dann allerdings unter dem Vorbehalt der Subsidiarität stehende Leistung der Teilhabe zum Leben in der Gemeinschaft handelt.

Denn es handelt es sich bei den Kosten für einen Integrationshelfer für die Nachmittagsstunden vergleichbar der Offenen Ganztagsschule in der Grundschule (im Folgenden: OGS) um eine Hilfe für eine angemessene Schulbildung im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Dies ergibt sich bei der Auslegung dieser Norm zur Überzeugung der hiesigen Kammer insbesondere im Lichte der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2012 zum Verfahren B 8 SO 30/10 R.

Dies wird zunächst für die OGS in der Grundschule als Primarstufe und in einem zweiten Schritt für die Nachmittagsbetreuung an der Hauptschule in der Sekundarstufe I dargelegt werden, da die Einordnung der sogenannten Hausaufgabenbetreuung nicht ohne die Bedeutung der OGS zu verstehen ist. Die Problematik der Grenzziehung kommt schon darin zum Ausdruck, dass eine vergleichbare Veranstaltung einmal als Offene Ganztagsschule und einmal als Hausaufgabenbetreuung bezeichnet wird, wobei erstere Bezeichnung offensichtlich nach Schule und letztere Bezeichnung eher nach Privatbereich klingt.

Grundsätzlich kommen als angemessene Schulbildung ausweislich der oben genannten BSG-Entscheidung alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSG, Urteil vom 22.03.2012, Az.: B 8 SO 30/10 R). Ausgeschlossen sind hiernach lediglich solche Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, da § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ausdrücklich die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt lässt, mithin die schulrechtlichen Verpflichtungen neben den sozialhilferechtlichen stehen (BSG, a.a.O.). Die Vorschrift normiert lediglich unterstützende Leistungen, überlässt die Schulbildung aber den Schulträgern (BSG, a.a.O.). Der Begriff der Schulbildung ist bei behinderten Kindern weit zu verstehen. Erforderlich ist aber, dass im Rahmen der in Rede stehenden Förderung Maßnahmen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2008, Az.: L 9 SO 8/08). Ausgangspunkt ist dabei, dass die Betreuung speziell auf die schulischen Maßnahmen abgestimmt ist und zu einer noch zu erreichenden gewissen Schulbildung führt. Es muss ein überwiegender Bezug zur schulischen Ausbildung bestehen. Nicht ausreichend ist dagegen, dass im Rahmen einer Maßnahme positive Nebeneffekte auch für die schulische Entwicklung eintreten können.

Hiervon ausgehend stellt zunächst einmal in der Primarstufe die OGS für die Grundschule zur Überzeugung der hiesigen Kammer inzwischen die typische Alltagssituation des Schulbesuchs dar und ist somit ein angemessener Schulbesuch im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV. Zwar besteht keine schulrechtliche Pflicht zur Teilnahme an der OGS. Das könnte dagegen sprechen, dass es sich kurz gesagt um "Schule" handelt. Allerdings handelt es sich um eine freiwillige Schulveranstaltung, die letztlich den wesentlichen Schulalltag abbildet, wie heutzutage "Schule" angeboten werden soll. Unter Beachtung des besonderen Sinn und Zwecks der Eingliederungshilfe, gerade dem jungen, behinderten Menschen zu ermöglichen, seinen optimalen Platz im Leben in der Gemeinschaft zu finden, ist die OGS in der Primarstufe eine regelmäßige schulische Veranstaltung und somit "Schule" im alltäglichen Sinne, wie bereits auch der Alltagsbegriff "Offene Ganztagsschule" deutlich zeigt. Die Offene Ganztagsschule ist ein Element des modernen Schulunterrichts, das den Schulalltag prägt und im oben genannten Sinne im überwiegenden Bezug zur schulischen Ausbildung steht.

Nichts anderes gilt für die Nachmittagsbetreuung in der Sekundarstufe I an der Hauptschule. Die Zweckrichtung ist die gleiche. Und in der Sekundarstufe I sind die reinen Lerninhalte in der Gewichtung zu den außerunterrichtlichen Angeboten sogar deutlich in der Überzahl, indem die Gewichtung nun bei mindestens 4:1 statt wie in der Primarstufe 1:1 liegt.

Bei der Frage der Einordnung freiwilliger Angebote an den Schulen war eine Abgrenzung vorzunehmen, ob es sich insoweit um Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung oder um Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handelt. Auf den Punkt gebracht geht es um die Frage, ob die Nachmittagsveranstaltung in der Schule nun "Schule" oder "Freizeit" ist. Es kann auch Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gewährt werden. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch hinsichtlich der Rechtsfolgen dann in der Bestimmung des oben genannten § 92 Abs. 2 SGB XII, der die Hilfen zu den dort genannten schulischen und beruflichen Maßnahmen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung privilegiert, während die Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dort nicht privilegiert wird. Konkret bedeutet dies, dass die Hilfen zum Leben in der Gemeinschaft zuzahlungspflichtig sind, während die Hilfen zur angemessenen Schulbildung einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden. Da das Ausmaß der Zuzahlung beträchtlich ist, kann daher nicht dahin stehen, ob es sich bei den Hilfen für die Teilnahme an der OGS in der Grundschule bzw. des Ganztags der anderen Schulformen der Regelschule um Maßnahmen zu einer angemessenen Schulbildung oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handelt. Denn Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

Die Bestimmung des § 19 Abs. 3 SGB XII besagt letztlich, dass die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Grundsatz nach den gleichen Regeln wie die Gewährung von Sozialhilfe im engeren, landläufigen Sinne der staatlichen Unterstützungsleistung der Grundsicherung erfolgt. Lediglich die §§ 92, 92a SGB XII modifizieren diese Regelung im Sinne einer Abmilderung. Auch wenn es also mit dem SGB IX scheinbar ein eigenes Buch über die Rechte behinderter Menschen gibt, so ist dieses SGB IX nicht als Leistungsrecht ausgestaltet, wenn es um die Tragung der Kosten einer Behinderung geht. Hier werden der behinderte Mensch und seine Angehörigen im Grundsatz auf die Sozialhilfe mit dem dortigen Subsidiaritätsprinzip verwiesen, so dass der behinderte Menschen die Kosten der Behinderung jenseits der Akutbehandlung erst einmal selbst zu tragen hat. Hiervon nimmt § 92 SGB XII die schulische und berufliche Bildung strukturell aus.

Bei der Eingliederungshilfe für die Teilnahme an der OGS handelt es sich zur Überzeugung der Kammer, die sich bereits in dem Urteil S 2 SO 285/12 manifestiert hat, um eine Eingliederungshilfe zur angemessenen Schulbildung, so dass es sich um eine einkommens- und vermögensunabhängige Leistungsgewährung aus § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII handelt. Nichts anderes gilt zur Überzeugung der hiesigen Kammer für die Nachmittagsbetreuung in der Hauptschule.

Wird ein Mensch mit Behinderung in eine Regelschule aufgenommen, hat er im Grundsatz bis zur Grenze des Tatsächlichen das Recht wie jeder andere Schüler mitzumachen. Er darf von einzelnen Veranstaltungen nicht ausgeschlossen werden. Er darf weder unmittelbar noch mittelbar diskriminiert werden. Er darf uneingeschränkt in der Grundschule und ebenso auch in der hier im konkreten Fall maßgeblichen Schulform der Hauptschule lediglich beschränkt durch seine eigenen, nicht durch Hilfe kompensierbaren Möglichkeiten und ggfs. gleichrangige Rechte anderer Schüler auf Bildung "mitmachen". Es bedarf also einer inklusiven Betrachtung jedenfalls der Grundschule. Deshalb darf zur Überzeugung der Kammer die Veranstaltung "Grundschule" nicht in einzelne Elemente zerpflückt werden, an denen ein Schüler mit Behinderung nur teils teilnehmen und teilweise nicht teilnehmen dürfte. Vielmehr kommt bei der Vermeidung von Diskriminierung dem subjektiven Empfinden eines objektiven Empfängerhorizontes besondere Bedeutung zu. Im Sinne dieser generalisierenden Betrachtung nimmt ein Schüler die Veranstaltung "Grundschule" als eine Einheit wahr. Nichts anderes gilt für die Veranstaltung "Hauptschule". Da die Kosten eines Integrationshelfers gemessen an den Möglichkeiten eines durchschnittlichen Privathaus-haltes beträchtlich sind, kommt die Zuordnung der Hilfen zur OGS in der Grundschule bzw. zum Ganztag anderer Schulformen der Regelschule zu den Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in ihren faktischen Auswirkungen einem Verbot der Teilnahme an der OGS bzw. dem Ganztag für einen Schüler mit Behinderung, der aus durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen stammt, sehr nahe.

Aus den Resteinkommen auf Sozialhilfeniveau müssten zugleich sämtliche Kosten für das behinderte Kind, die nicht von staatlichen Trägern übernommen werden, wie etwa individuell gewünschte Therapien, wie etwa therapeutisches Reiten, oder sonstige Fördermaßnahmen bestritten werden, die in ihren Kosten regelmäßig deutlich höher liegen als die Aufwendungen, die Eltern mit durchschnittlichem Einkommen für die Freizeitaktivitäten ihrer gesunden Kinder tätigen. Die Eltern würden also annähernd so dastehen, als wären sie nicht berufstätig und würden von der seitens des Staats gezahlten Grundsicherung leben, wenn sie die Gestellung eines Integrationshelfers für die OGS bzw. den Ganztag anderer Schulformen der Regelschule für ihr behindertes Kind in Anspruch nehmen wollen würden.

Wenn ein Schüler, der am Ganztag selbst teilnehmen möchte, auch wenn dieser nur freiwillig ist, daran aus wirtschaftlichen Gründen faktisch nicht teilnehmen kann, weil dann die gesamte Familie wegen seiner Behinderung wirtschaftlich betrachtet auf Sozialhilfeniveau leben muss, um den Integrationshelfer mitzufinanzieren, so wird der Kläger jedenfalls mit-telbar benachteiligt. Das läuft dem Gedanken der Eingliederungshilfe zuwider.

Das Problem bei der Fragestellung, ob die OGS in der Primarstufe und in einem weiteren Schritt die Nachmittagsbetreuung in der Sekundarstufe I Schulbildung im Sinne des § 54 SGB XII ist, beruht im Kern auf dem unterschiedlichen Blickwinkel, den Juristen einerseits und Pädagogen und Soziologen andererseits auf das Gebiet Schule von ihrer unterschiedlichen Aufgabenstellung her beinahe zwangsläufig haben. Die unterschiedlichen Blickwinkel müssen bei größeren gesellschaftlichen Neuentwicklungen erst noch harmonisiert werden.

Die Pädagogen formulieren zunächst die Ziele und Chancen einer Neuerung und überlegen, wer sich noch alles in das Projekt mit einbringen kann. Die Juristen hingegen wollen eine präzise Antwort darauf geben, wer die einzelnen Dinge tun und finanzieren soll. Beide Methoden haben ihre Berechtigung. Dies zeigt sich an dem aktuellen gesellschaftspolitischen Thema der Inklusion deutlich. Die Rechtsfragen rund um die Inklusion als Methode der Integration behinderter Menschen werden gerade erst aufgearbeitet. Der Gesetzgeber ist vielfach noch nicht klarstellend tätig geworden, indem er seinen Willen bei der Auslegung einzelner Bereiche im Lichte der Inklusion aktualisiert hätte. Dies zeigt sich an der Problematik um die Auslegung der Kostentragung der Integrationshelfer für behinderte Kinder, die die OGS in der Primarstufe oder die Nachmittagsbetreuung in der Sekundarstufe I besuchen wollen, geradezu exemplarisch.

Die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe, die in ihren Ursprüngen zunächst scharf zwischen Arbeitswelt und Privatwelt unterschieden hat, überträgt diesen Gedanken in § 54 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII auf die Hilfe zur angemessenen Schulbildung. § 54 SGB XII ist also noch von einer Dialektik von Arbeits- und Privatwelt bzw. Schule und Privatleben geprägt. Diese strenge Entweder-Oder-Betrachtung besteht im Bereich der OGS bzw. des Ganztags anderer Schulformen der Regelschule nicht. In den Empfehlungen der Bildungskonferenz "Zusammen Schule machen für Nordrhein-Westfalen" zum Thema "Ganztag weiterentwickeln" vom 12.05.2011, abrufbar über die Internetseite des Schulministeriums NRW (schulminsterium.nrw.de) heißt es: "Der quantitative und qualitative Ausbau des Ganztags ist heute ein Anliegen aller gesellschaftlichen Gruppen. Gleichwohl gibt es noch unterschiedliche Auffassungen und Lebensentwürfe zur Frage, ob und wenn ja, ab wann der Ganztag für jedes Kind und jeden Jugendlichen verpflichtend sein sollte und könnte. Dies spiegelt sich auch in dem aktuellen Ausbaustand in Nordrhein-Westfalen wider. ( ...) Zentrale Grundlage für Konzeption und Umsetzung des Ganztags ist die Zusammenarbeit von Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, Kultur und Sport, Wirtschaft und Handwerk etc. sowie die Beteiligung von Eltern, Kindern und Jugendlichen. Im Ganztag arbeiten verschiedene Berufsgruppen aus diesen Bereichen gleichberechtigt in multiprofessionellen Teams zusammen. Kristallisationspunkt der Ganztagsentwicklung in der Schule ist die selbstständige, eigenverantwortliche und für das sozialräumliche Umfeld und außerschulische Partner offene Schule. Der Ganztag entwickelt sich immer mehr zu einem wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmung der pädagogischen Gesamtverantwortung aller Beteiligten, auch der Eltern. ( ...) Die Schule soll ein Haus der Lernens und Lebens werden, das formelles und informelles Lernen in einem kohärenten Gesamtkonzept von Bildung, Erziehung und Betreuung verknüpft. Dabei bedarf es einer gemeinsamen Willens- und Organisationsanstrengung aller Betroffenen und Beteiligten, d.h. der Zusammenarbeit der staatlichen, der kommunalen, der privaten und der bürgerschaftlichen Akteure. Ganztag ist in diesem Sinne ein wesentlicher Baustein einer zukunftsfähigen Entwicklung gleichermaßen von Schulen und außerschulischen Einrichtungen in einer kommunalen Bildungslandschaft. Im Ganztag entstehen neue Lernkulturen, die sich an den individuellen und örtlichen Bedarfen und Bedürfnissen orientieren. Der Ganztag trägt dazu bei, die verwandten Ziele der Integration, der Inklusion und des Gender Mainstreaming im Sinne einer geschlechtergerechten Förderung besser zu erreichen, vor allem unter verantwortlicher Mitwirkung und Partizipation der betroffenen Eltern, Kindern und Jugendlichen."

An diesen Aussagen zeigt sich bereits der oben geschilderte soziologische Betrachtungswinkel, der einerseits die Ziele formuliert, andererseits aber noch nicht klärt, welche gesellschaftliche Gruppe dann was am gemeinsamen runden Tisch genau finanzieren soll. Desweiteren formulieren die genannten Empfehlungen der Bildungskonferenz eine finan-zielle und fachliche Unterstützung. Hierbei ist Unterstützung wieder ein eher soziologischer Begriff, während der Jurist sich die Formulierung von klaren und vollständigen Zuständigkeiten wünschen würde. Die Integrationshelfer finden in dem genannten Papier keine Erwähnung. Das Thema Inklusion wird als Ziel erwähnt, ohne Wege zu konkretisieren. Hinzu kommt aus juristischer Sicht noch das Problem, dass es sich bei der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII um Bundesrecht handelt. Allerdings wird das Projekt der Ganztagsschulen auch bundesweit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, das hierzu sogar die eigene Internetseite Ganztagsschulen.org unterhält.

Desweiteren heißt es zum Entwicklungsstand der Schule im Ganztag in dem oben genannten Papier: "Solange es Eltern gibt, die für ihre Kinder keinen Ganztagsplatz wünschen, muss man bei der Weiterentwicklung des Ganztags von einer Aufbau- bzw. Übergangsphase sprechen." Die Verfasser der Empfehlungen sind sich also durchaus bewusst, dass sich die Schule im Ganztag sowohl organisatorisch als auch gesellschaftspolitisch noch in der Aufbauphase befindet. Dies ist der eigentliche Grund, warum sie derzeit noch freiwillig und nicht etwa verpflichtend stattfindet.

So formulieren die Empfehlungen auch kurz das Problem der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII im Rahmen des Aufbaus der Schule im Ganztag allerdings in einem Atemzug mit Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII und im Rahmen der Formulierung einer weiteren Neuerung, nämlich der verstärkten Elternbeteiligung, die dann aber zugleich einen verstärkten Beratungsbedarf nach sich ziehe. So heißt es dann: " In diesem Rahmen könnte man Leistungen der Jugendhilfe zur erzieherischen Förderung, u.a. nach dem SGB VIII, mit den Angeboten einer Ganztagsschule fachlich und strukturell verknüpfen. Dies gilt auch für die besonderen Leistungen für Kinder mit Behinderungen, beispielsweise durch Integrati-onshilfe gemäß SGB XII."

Ferner heißt es in dem genannten Papier, dass Ganztagsschule unter dem zeitlichen Aspekt gerade bei regelmäßiger und nicht nur gelegentlicher Teilnahme erfolgreich ist. Und zur Teilnehmergruppe äußert sich das Papier dahin, dass der Rhythmisierung (im Sinne der Entwicklung von Lerngewohnheiten oder des Lernenlernens) Grenzen gesetzt sind, wenn nur ein Teil der Kinder der jeweiligen Schule am Ganztag teilnimmt. In diesem Sinne postulieren die Empfehlungen der Bildungskonferenz die Teilnahme aller Schüler an der Schule im Ganztag.

Mangels klarer Entweder-Oder-Struktur zwischen schulischem und gesellschaftlichem Leben bei der Schule im Ganztag und mangels einer echten Teilnahmepflicht an der OGS bzw. Nachmittagsbetreuung bedarf es letztlich einer wertenden, systematischen Betrachtung, was unter das Tatbestandsmerkmal der "angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht" fällt, solange der Gesetzgeber nicht seinen gesetzgeberischen Willen zur Eingliederungshilfe im Lichte der Inklusion und sei es nur klarstellend, aktualisiert.

Dass die OGS in der Primarstufe und die Nachmittagsbetreuung in der Sekundarstufe I Neuerungen sind, die noch in der Entwicklung befindlich sind, darf zur Überzeugung der hiesigen Kammer nicht zulasten der behinderten Schüler gehen. Das gebietet auch der Wortlaut des § 54 SGB XII nicht. Vielmehr sind die einzelnen Regelungsbereiche der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII unter Berücksichtigung dieser Neuerung auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es erklärtes Ziel des Landes NRW ausweislich der Empfehlungen der Bildungskonferenz vom 12.05.2011 ist, für alle Kinder und Jugendliche bis 2015 ein erreichbares Ganztagsangebot in Wohnortnähe zur Verfügung zu stellen und für einen weiteren Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen im Primarbereich und in der Sekundarstufe I zu sorgen. Auch die Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe, Berufskollegs und Weiterbildungskollegs) soll einbezogen werden. Dies bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dass das Land den Ganztag in allen gängigen Schulformen der Regelschule zum Standard erheben möchte.

Bei der Auslegung der Abgrenzung von § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und Leistungen zur Teilhaben am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 55 Abs. 1 SGB IX geht das Gericht zusammengefasst von folgenden Überlegungen aus: Das SGB IX als Buch über die Rehabilitation und Teilhabe von behinderten Menschen ist kein Regelungswerk mit finanziellen Anspruchsgrundlagen. Die monetären Rechte sind insoweit vielmehr im SGB XII unter lediglich gelegentlicher Modifikation des Subsidiaritätsgrundsatzes geregelt. Die Zuzahlungspflicht der Eltern behinderter Kinder zu den Kosten eines Integrationshelfers in der OGS der Grundschule bzw. im Ganztag anderer Schulformen der Regelschule führt bei gewöhnlichen Einkommensverhältnissen dazu, dass die Familie sich den Integrationshelfer faktisch nicht leisten kann. Es sei denn, sie lebt trotz guter Berufsausbildung und Er-werbstätigkeit der Eltern mit guter Bezahlung auf Sozialhilfeniveau bzw. dem formal ge-ringfügig höheren Niveau der Aufstocker wegen der erwerbstätigkeitsbezogenen Absetzungsbeträge des § 11b SGB II bei Erwerbstätigkeit mit der Folge, dann nicht einmal freiwillige, individuell für gut befundene Dinge für das behinderte Kind oder gar ein neues (gebrauchtes) Alltagsauto für die Familie finanzieren zu können, obwohl die Eltern erwerbstätig sind. Die Teilnahme am "Ganztag" durch alle Kinder ist seitens der Schule erwünscht und erklärtes Ziel der Schulpolitik insbesondere des Landes NRW. Auch Inklusion ist ausdrücklich ein Ziel der OGS bzw. des Ganztags anderer Schulformen der Regelschule. Der Gedanke der Inklusion hebt allgemein die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, behinderte Menschen in die Gemeinschaft aktiv zu integrieren, hervor. Die Frage, ob vor diesem Hintergrund die finanzielle Versorgung wesentlich behinderter Menschen im Hinblick auf den behinderungsbedingten Bedarf grundsätzlich noch unter dem Vorbehalt der Subsidiarität im Sinne des SGB XII stehen kann oder einer völlig eigenständigen Regelung, wenngleich nicht zwingend ohne jede Selbstbeteiligung, zuzuführen ist, könnte sich stellen bzw. gegebenenfalls zum Gebot einer verfassungskonformen Auslegung führen.

Hiervon ausgehend umfasst die Regelung des § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII nicht nur den Pflichtunterricht in der Schule. Denn dort heißt es lediglich: "insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht". Denn die OGS in der Grundschule und wie oben aufgezeigt auch der Ganztag in den anderen gängigen Schulformen der Regelschule ist ein integraler Be-standteil der neuen Lernkultur im kohärenten Gesamtkonzept, bei dem sich Schule nun als ein Haus des Lernens und Lebens versteht. Dass dabei auch Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens zum Tragen kommen, ist gerade Teil des pädagogischen Gesamtkonzepts, das gerade in der Primarstufe natürlich dem jungen Alter der Schüler besondere Rechnung trägt und sie im Rahmen der Rhythmisierung des Lernens in der OGS noch nicht mit reinen Lerninhalten überfordern will. Nur deshalb besteht das Angebot zwischen Unterrichtsinhalten im engeren Sinne und außerunterrichtlichen Angeboten in einem Verhältnis von 1:1, während es in der Sekundarstufe I dann bereits auf ein Verhältnis von 4:1 oder 5:1 zugunsten der Unterrichtsinhalte verschoben wird. Das ist für die OGS der Grundschule aber gerade Teil des schulischen Konzepts und kein aliud zur Schule. Und in der Sekundarstufe I überwiegen die Lerninhalte ohnehin deutlich.

Dass der Kläger individuell geeignet ist, an dem Schulunterricht einer Regelschule teilzunehmen, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer bereits aus der Tatsache, dass er er-folgreich die Grundschule absolviert hat und in der Hauptschule bis zu seiner Umstellungsoperation sogar ohne Integrationshelfer ausgekommen ist. Dass der Kläger während der Genesungsphase nach der Umstellungsoperation, da das operierte Bein bis zur Hüfte unbeweglich war und das andere Bein behinderungsbedingt auch instabil ist, sich nicht alleine durch das Gebäude und insbesondere auf Treppen bewegen konnte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch für das Gericht anhand des ärztlichen Berichts des behandelnden Kinderarztes überzeugend.

Darüber hinaus muss er seinen Wunsch, am Ganztag teilnehmen zu wollen, nicht weiter rechtfertigen. Insoweit bedurfte es zur Überzeugung der Kammer keiner weiteren Ermittlungen, etwa vergleichbar mit der Frage, ob ein Schüler auf die Bereitstellung von Nachhilfeunterricht angewiesen wäre. Im vorliegenden Einzelfall hat der Kläger ohnehin auch schon vor der Umstellungsoperation, als er noch keinen Integrationshelfer benötigte, am Ganztag teilgenommen. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Eingliederungshilfe in Form des Integrationshelfers für den Ganztag ergibt sich daraus, dass der Kläger damit insgesamt seine Rechte, seine Schule mit all ihren Angeboten zu besuchen, ausüben kann. Diese Maßnahme ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne der allgemeinen rechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob eine Maßnahme völlig außer Verhältnis zu ihrem Nutzen stünde. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass der Schüler mit Behinderung selbst die Auswirkungen unmittelbar spüren würde, indem er zwar in die Schule aufgenommen wäre, aber tatsächlich in seiner Genesungsphase nicht am Nachmittag mitmachen könnte, obwohl er dies möchte. Dies wäre dann nicht etwa nur ein rechtlicher Vorgang, von dem das Kind selbst etwa nichts mitbekommen würde, sondern der Kläger bekäme dies unmittelbar tagtäglich zu spüren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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