S 24 AS 2264/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
24
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 24 AS 2264/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 31a Abs 2 S 1 SGB 2 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs 1 GG
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung eines Sanktionsbescheids des Beklagten.

Der 24-jährige Kläger bezog – soweit ersichtlich – jedenfalls bis Juli 2014 laufend Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit dem Kläger wies der Beklagte diesen mit Bescheid vom 19.12.2013 (Bl. 658 der Verwaltungsakte [d. VA]) im Rahmen einer öffentlich geförderten Beschäftigung in die Arbeitsgelegenheit "Möbelkiste" als Helfer im Bereich Holz/Flechtwaren im Verein U. e. V., beginnend am 02.01.2014, zu. Zudem wurde mit dem Kläger der Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung besprochen. Da aus technischen Gründen weder der Zuweisungsbescheid noch die Eingliederungsvereinbarung ausgedruckt werden konnten, wurde vereinbart, dass sich der Kläger diese Unterlagen am nächsten Tag persönlich abholen sollte. Der Kläger erschien jedoch am Folgetag nicht beim Beklagten, sodass dem Kläger sowohl der Zuweisungsbescheid als auch die daraufhin als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung mit Postzustellungsurkunde am 24.12.2014 (Bl. 662 d. VA) zugestellt wurden.

Der Kläger nahm sodann am 02.01.2014 die Arbeitsgelegenheit "Möbelkiste" nicht auf, woraufhin der Beklagte diesen mit Schreiben vom 15.01.2014 (Bl. 655 d. VA) zum möglichen Eintritt einer Sanktion anhörte.

Mit Sanktionsbescheid vom 12.02.2014 (Bl. 671 d. VA) beschränkte der Beklagte das Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 31.05.2014 auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung führte er u. a. aus, dass sich der Kläger am 19.12.2013 geweigert habe, die zumutbare Arbeitsgelegenheit im Verein U. e. V. fortzuführen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 26.02.2014 (Bl. 699 d. VA) Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er keine Kenntnis von Beginn und Ort der Maßnahme, der er zugewiesen wurde, gehabt habe, da die Eingliederungsvereinbarung im Termin am 19.12.2013 nicht habe ausgedruckt werden können. Der SGB II-Träger habe eine Bedenkzeit von 10 bis 14 Tagen für die Unterzeichnung der Eingliederungsvereinbarung einzuräumen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2014 (Bl. 4 ff. der Gerichtsakte [d. GA]) wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugesandte Zuweisungsschreiben habe eine detaillierte Rechtsfolgenbelehrung enthalten. Es habe sich bei der Maßnahme um eine für den Kläger zumutbare Beschäftigung gehandelt. Die vom Kläger im Widerspruchsschreiben getätigten Ausführungen könnten nicht als wichtiger Grund anerkannt werden, da der Kläger bereits am 19.12.2013 über den Inhalt der Eingliederungsvereinbarung sowie über den Beginn der Maßnahme am 02.01.2014 informiert worden sei. Zudem sei er auch schriftlich nochmals rechtzeitig über den Ort der Maßnahme informiert worden. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass der Kläger ab August 2014 eine Ausbildung beginne, könne der Minderungszeitraum jedoch auf sechs Wochen (01.03.2014 bis 11.04.2014) verkürzt werden.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.06.2014 (Bl. 1 ff. d. GA) Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Sanktionsregelung für Unter-25-Jährige sei verfassungswidrig; sie stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG dar. Die Ungleichbehandlung zwischen Über-25-Jährigen und Unter-25-Jährigen sei nicht gerechtfertigt. Die Altersgrenze von 25 Jahren sei willkürlich; eine sachliche Begründung der Altersgrenze sei nicht möglich. Zwischen den beiden Personengruppen seien keine Unterschiede ersichtlich, die nach Art und Gewicht eine Differenzierung hinsichtlich der Sanktionen rechtfertigen könnten. Zudem seien die Regelungen nicht geeignet, das gesetzgeberische Ziel – die Vermeidung von Langezeitarbeitslosigkeit – zu erreichen.

Der Kläger beantragt daher,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter teilweiser Aufhebung des Sanktionsbescheids vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2014 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis11.04.2014 in rechtmäßiger Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In seiner Klageerwiderung verweist der Beklagte darauf, dass die Umsetzung der Sanktion der Intention des Gesetzgebers und damit der geltenden Rechtslage entspreche.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 05.05.2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 SGG.

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Bescheid des Beklagten vom 12.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2014 rechtmäßig ist und den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten verletzt, § 54 Abs. 2 SGG.

1. Rechtsgrundlage für den Erlass des Sanktionsbescheids vom 12.02.2014 ist §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 31a Abs. 2 S. 1, 31b Abs. 1 SGB II. Dabei begegnet § 31a Abs. 2 S. 1 SGB II aus Sicht der Kammer keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

a. Nach Ansicht der Kammer verstößt die Regelung, die bei einer ersten Pflichtverletzung eine Minderung i. H ... v. 100 % des maßgebenden Regelbedarfs vorsieht, insbesondere nicht gegen das aus Art. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) hergeleitete Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (a. A ... u. a. SG Gotha, Beschluss vom 26.05.2015 – S 15 AS 5157/14).

aa. Auch das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus. Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen. Das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG greift nur dann, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.07.2010 – 1 BvR 2556/09). Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, die Menschenwürde positiv zu schützen. Der Staat muss daher zwar auf der einen Seite die Sorge dafür tragen, dass einem hilfebedürftigen Menschen die materiellen Voraussetzungen dafür zur Verfügung stehen, seine Würde in solchen Notlagen, die nicht durch eigene Anstrengung und aus eigenen Kräften überwunden werden können, durch materielle Unterstützung zu bewahren. Auf der anderen Seite muss aber auch das Prinzip des Förderns und Forderns, welches besagt, dass eine Person, die mit dem Geld der Steuerzahler in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen muss, ihre Situation zu verbessern, beachtet werden. Eine erwerbsfähige Person, die hilfebedürftig ist, weil sie keine Arbeit findet, kann mit der Unterstützung der Gemeinschaft rechnen. Im Gegenzug muss sie alles unternehmen, um ihren Lebensunterhalt wieder selbst zu verdienen (SG Landshut, Beschluss vom 07.05.2012 – S 10 AS 259/12 ER).

bb. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber auch und vor allem, dass der Gesetzgeber mit § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II und § 31b Abs. 1 S. 4 SGB II Regelungen geschaffen hat, die die Möglichkeit, den vollständigen Wegfall der Leistungen für den Regelbedarf entfallen zu lassen oder abzumildern, eröffnen.

(1) So kann der Leistungsträger nach § 31b Abs. 1 S. 4 SGB II die Minderung und den Wegfall der Regelleistung auf einen Zeitraum von sechs Wochen verkürzen, wobei die Verkürzung bereits von Amts wegen zu prüfen und die Entscheidung hierüber unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu treffen ist. Dabei ist zu beachten, dass die fehlerfreie Verkürzungsentscheidung sachliche Voraussetzung für die Minderung ist (Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Auflage, § 31b Rn. 15), weswegen ein Sanktionsbescheid, der Ermessensfehler enthält oder aber keinerlei Ermessensausübung erkennen lässt, als insgesamt rechtswidrig zu werten ist (Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage, § 31b Rn. 26; Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Auflage, § 31b Rn. 15 m. V. a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.05.2008 – L 7 B 321/07 AS ER).

(2) Darüber hinaus können nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II bei einer Minderung des Arbeitslosengelds II um mehr als 30 % des Regelbedarfs auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden, wobei das Ermessen des Leistungsträgers im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums regelmäßig auf Null reduziert sein dürfte. So wurden auch im vorliegenden Fall nach Antragstellung durch den Kläger am 07.03.2014 (Bl. 764 d. VA), 20.03.2014 (Bl. 762 f. d. VA), 15.04.2014 (Bl. 774 d. VA) und 22.04.2014 (Bl. 775, 779 d. VA) Gutscheine für Sachleistungen im Wert von insgesamt 300,00 EUR für den Sanktionszeitraum gewährt. Dies dürfte dabei auch den fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 31, 31a, 31b SGB II vom 22.04.2014 (abrufbar im Internet unter http://www.arbeitsagentur.de, dort unter "Veröffentlichungen" – "Weisungen" – "Grundsicherung", letzter Abruf am 17.06.2015) entsprechen, die bei einer Minderung i. H ... v. 100 % des Regelbedarfs Gutscheine i. H ... v. 196,00 EUR pro Monat vorsehen (vgl. Anlage 3 der Hinweise – Berechnung zur Höhe der ergänzenden Sachleistungen). Auch wenn es sich bei den fachlichen Hinweisen nicht um Regelungen mit Normcharakter, sondern lediglich um interne Hinweise und damit um reines Verwaltungsbinnenrecht handelt, welches die Gerichte nicht bindet (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.02.2014 – L 5 AS 997/13 B ER), ergibt sich daraus jedoch eine Rechtswirkung im staatlichen Innenbereich, die zur Bindung der innerhalb der Verwaltungsorganisation nachgeordneten Behörden führt. Dies muss bei den Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit Eingang finden (a. A ... wohl SG Gotha, Beschluss vom 26.05.2015 – S 15 AS 5157/14), weil damit die durch die Leistungsträger zu treffende Auswahlermessensentscheidung weitestgehend determiniert ist. Eine Unterdeckung der physisch existentiellen Bedarfe dürfte damit fast auszuschließen sein. Dabei ist auch Folgendes zu berücksichtigen: Nach § 5 RBEG werden für die Ermittlung des Regelbedarfs Verbrauchsausgaben in der Abteilung 1 (Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke) i. H ... v. 128,46 EUR (entspricht 32,12 EUR pro Woche) und in Abteilung 6 (Gesundheitspflege) i. H ... v. 15,55 EUR (entspricht 3,89 EUR pro Woche) berücksichtigt. Sofern also, wie im vorliegenden Fall, ergänzende Sachleistungen i. H ... v. 50,00 EUR pro Woche erbracht werden – wovon auf Grund der oben benannten Bindungswirkung der fachlichen Hinweise ausgegangen werden muss –, hat die Kammer keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn sich der grundgesetzlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums neben den unbedingt erforderlichen Mitteln zur Sicherung der physischen Existenz auch auf die Mittel zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben erstreckt (BVerfG, Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13). Entscheidend ist, dass eine nur vorübergehende Beeinträchtigung des soziokulturellen Existenzminimums – anders als eine Beeinträchtigung des physischen Existenzminimums – weder unmittelbare noch mittelbare nachteilige Auswirkungen auf die Persönlichkeit(-sentwicklung) oder die soziale Stellung der Leistungsberechtigten in der Gesellschaft hat. Eine Unterdeckung dieser Bedarfe für den kurzen Zeitraum von drei Monaten ist daher nach Auffassung der Kammer in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Letztlich schließt die Möglichkeit, bei einer Minderung um mehr als 30 % in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen, einen Verfassungsverstoß unmittelbar durch des Gesetz und damit die Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelungen im Hinblick auf Art. 1 GG selbst unter diesem sozialstaatlichen Aspekt bei einer verfassungskonformen Auslegung aus (Berlit, in: LKP-SGB II, 5. Auflage, § 31 Rn. 14 m. w. N ...). Sofern teilweise vertreten wird, dass die Entscheidung über ergänzende Sachleistungen zum Ausgleich des weitreichenden Grundrechtseingriffs zugleich mit der Sanktionsentscheidung von Amts wegen durch den Grundsicherungsträger getroffen werden soll, damit die Sanktionsentscheidung nach Verfassungsrecht überhaupt zulässig sein kann (zum Streitstand Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage, § 31a Rn. 47 f. m. w. N ...), teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich Leistungsberechtigte, die von einer Sanktion i. H ... v. 100 % betroffen sind, aktiv um ihre Existenzsicherung bemühen und den Antrag auf bspw. Lebensmittelgutscheine eigenständig stellen. In den Fällen, in denen Leistungsberechtigte erkennbar nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, ihre Angelegenheiten sachgerecht zu verfolgen, ergeben sich aus dem Antragserfordernis gesteigerte Beratungs- und Belehrungspflichten des Leistungsträgers nach § 14 SGB I (so auch Berlit, in: LKP-SGB II, 5. Auflage, § 31a Rn. 8). Damit kann sichergestellt werden, dass den Hemmnissen oder Schwierigkeiten der Leistungsberechtigten bei der Stellung von Anträgen auf ergänzende Sachleistungen mit einer gesteigerten Obliegenheit zur Aufklärung und Unterstützung begegnet wird, sodass auch in diesen Fällen eine tatsächliche Unterschreitung des physiologischen Existenzminimums ausgeschlossen werden kann.

(3) Nach den oben genannten fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 31, 31a, 31b SGB II kann das Jobcenter während des Minderungszeitraumes schließlich zusätzlich die Abschläge für Stromzahlungen in nachgewiesener Höhe als Zuschuss direkt an die Energieversorger zahlen, wenn diese auf Grund von offenen Zahlungen die Abstellung des Stroms ankündigen (vgl. Rn. 31.49a der Hinweise).

b. Die Kammer hält § 31a Abs. 2 S. 1 SGB II auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG – entgegen den in der rechtswissenschaftlichen Literatur geäußerten kritischen Stimmen (vgl. statt vieler Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Auflage, § 31a Rn. 6 ff. m. w. N ...) – nicht für verfassungswidrig.

aa. Der allgemeine Gleichheitssatz ist neben dem Rechtsstaatsprinzip zentraler Ausdruck des Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz. Er stellt eines der tragenden Konstitutionsprinzipien der freiheitlich demokratischen Verfassung dar (BVerfG, NJW 1957, 584 ff.). Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt in seiner Abwehrfunktion ein subjektiv-öffentliches Recht zum einen dagegen, durch hoheitliche Gewalt im Verhältnis zu anderen Grundrechtsträgern gleichheitswidrig behandelt zu werden. Zum anderen verlangt er aber auch Rechtssetzungsgleichheit. Der Abwehranspruch hat nicht das Ziel, einen bestimmten Schutzbereich zu verteidigen, wie es die Freiheitsrechte tun. Der allgemeine Gleichheitssatz ist vielmehr ergebnisoffen. Er fordert als "modales Abwehrrecht" (Sachs, DÖV 1984, S. 411 ff.) den wertenden Vergleich zweier Sachverhalte, die sich hinsichtlich bestimmter Merkmale unterscheiden (Schmidt, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, GG, 15. Auflage, Art. 3 Rn. 9 f.). Die Aussage über die Beachtung oder die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes erfordert dabei im vorliegenden Fall zunächst die Bildung von Vergleichsgruppen, zwischen denen eine Ungleichbehandlung vorliegt, wobei zugleich das Differenzierungsmerkmal zu identifizieren ist. Schließlich ist zu fragen, ob die Ungleichbehandlung unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Differenzierungszieles zu rechtfertigen ist.

bb. Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass in § 31a Abs. 2 S. 1 SGB II eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung, d.h. eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, zum Ausdruck kommt. Gemäß § 31a Abs. 2 S. 1 SGB I ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II auf die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen beschränkt. Damit erfolgt eine Kürzung der für den Regelbedarf erbrachten Leistungen zu 100 %. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben, mindert sich das Arbeitslosengeld II nach § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II hingegen in einer ersten Stufe nur um 30 % des jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Damit werden die Unter-25-Jährigen bei einem erstmaligen Pflichtverstoß schärfer sanktioniert als Über-25-jährige Leistungsberechtigte. Zwei – im Hinblick auf die grundsätzlich nach § 7 SGB II bestehende Leistungsberechtigung nach dem SGB II (sog. tertium comparationis) – wesentlich gleiche Personengruppen werden damit auf Grund ihres Alters hinsichtlich der Sanktionen ungleich behandelt.

cc. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch aus Sicht der Kammer verfassungsrechtlich gerechtfertigt, also verhältnismäßig.

Da es sich vorliegend um eine Ungleichbehandlung von Personengruppen handelt und die Ungleichbehandlung gerade auf Grund des Umstands, dass die betroffenen jungen Hilfebedürftigen das Kriterium der Ungleichbehandlung – ihr Alter – nicht beeinflussen können, von größerer Intensität ist, hat die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nicht anhand der sog. Willkürformel, sondern vielmehr ausgehend von der sog. neuen Formel zu erfolgen. Das bedeutet, dass für die Rechtfertigung nicht nur irgendein sachlicher Grund genügt; vielmehr muss der rechtfertigende Grund, also das Differenzierungsziel, in einem angemessenen Verhältnis zur Ungleichbehandlung stehen. Es ist daher eine intensivere, um Verhältnismäßigkeit bemühte Kontrolle vorzunehmen (BVerfG, Urteil vom 30.07.2008 – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08). Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert die Ungleichbehandlung erst dann als durch einen gewichtigen sachlichen Grund gerechtfertigt, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt, zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich ist und auch sonst in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Zwecks steht (Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, S. 104 Rn. 440).

(1) Mit der Regelung in § 31a Abs. 2 S. 1 SGB II wird aus Sicht der Kammer ein legitimer Zweck, d. h. ein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel, verfolgt. Durch die Sonderregelung soll ausweislich der Gesetzesbegründung bei jungen Menschen, bei denen nach § 3 Abs. 2 SGB II auch eine gesteigerte staatliche Vermittlungsverpflichtung besteht, von vornherein der Langzeitarbeitslosigkeit entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 61). Dadurch soll der Druck auf junge Arbeitslose erhöht werden, sich um eine Beschäftigung oder Ausbildung zu bemühen, um zu verhindern, dass diese Hilfebedürftigen frühzeitig in der Langzeitarbeitslosigkeit ohne realistische Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt auf Dauer in verharren (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.04.2010 – L 13 AS 100/10 B ER).

(2) Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit der schärferen Sanktionierung für Unter-25-Jährige zur Erreichung des verfolgten Ziels. Geeignet ist ein Mittel grundsätzlich dann, wenn mit ihm der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (BVerfGE 67, 157 ff.). Die Kammer geht dabei davon aus, dass die einschneidende Sanktion bereits des erstmaligen Pflichtverstoßes i. H ... v. 100 % des Regelbedarfs eine Abschreckungswirkung entfaltet und auf diese Weise den jungen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von der Begehung weiterer Pflichtverletzungen abhält, auch wenn einzuräumen ist, dass im Einzelfall ggf. eine zweite Sanktion und damit verbunden ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengelds II für die Erzielung des Abschreckungseffekts notwendig sein mag. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Abschreckungsgedanke mit § 16a Abs. 1 JGG (Jugendarrest neben Jugendstrafe. sog. "Warnschussarrest") selbst im vom Erziehungsgedanken geprägten Jugendstrafrecht, das strafzumessungsrechtliche und strafprozessuale Sonderregelungen für Heranwachsende normiert, Ausdruck gefunden hat. Zudem liegen – soweit ersichtlich – auch spezifische Wirkungsanalysen, die sich ausschließlich auf die Gruppe der Unter-25-jährigen Leistungsempfänger beziehen und damit stichhaltige Anhaltspunkte für die fehlende Geeignetheit liefern könnten, kaum vor (Ehrentraut/Plume/Schmutz/Schüssler, "Sanktionen im SGB II – Verfassungsrechtliche Legitimität, ökonomische Wirkungsforschung und Handlungsoptionen", S. 30). Eine Ausnahme bildet die Studie von Uhlendorff/Wolff/Berg ("Sanctions for young welfare recipients", in: Nordic Economic Policy Review, Nr. 1/2014, S. 177 ff.), die als Schlussfolgerung zwar Bedenken hinsichtlich der Erforderlichkeit äußert, jedoch auch ausführt, dass sowohl milde als auch schärfere Sanktionen zu einer schnelleren Arbeitsaufnahme und damit zu einer größeren Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens aus dem Leistungsbezug führen und dass dieser Effekt gerade bei schärferen Sanktionen größer sei (vgl. a. a. O ..., S. 203 f.). Im Übrigen ist aber auch zu beachten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative hat; er genießt insofern einen "Vertrauensvorsprung" bei der oft schwierigen Beurteilung des komplexen empirischen Zusammenhangs zwischen dem Zustand, der durch den Eingriff in ein Grundrecht (die Ungleichbehandlung) geschaffen wird, und dem anderen Zustand, in dem der Zweck erreicht ist (Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, S. 66 Rn. 282). Als Ausdruck der in Art. 20 GG zum Ausdruck kommenden Gewaltenteilung ist die aus dem Vorrecht, Gesetze entsprechend der eigenen Einschätzung im Hinblick auf tatsächliche Gegebenheiten zu fassen, folgende gesetzgeberische Entscheidung nur sehr eingeschränkt einer (verfassungs-)gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Dies folgt schon allein aus dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, also der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Gesetzes in einer ungleich günstigeren Lage als der Gesetzgeber ist, der seine Regelung in eine offene Zukunft entlässt (Neumann, "Legislative Einschätzungsprärogative und gerichtliche Kontrolldichte bei Eingriffen in die Tarifautonomie", RdA 2007, S. 71 ff.). Bei der Beurteilung der Verfassungsgemäßheit eines Gesetzes und insbesondere bei der Beantwortung der Frage, ob ein Eingriff geeignet ist, den angestrebten legitimen Zweck zu erreichen, können daher nicht die aktuell zur Verfügung stehenden Informationen zu Grunde gelegt werden, vielmehr ist eine ex-ante-Betrachtung vorzunehmen. Eine auf Grund einer Fehlprognose ergriffene Maßnahme kann daher nicht schon allein wegen dieser Fehlprognose als verfassungswidrig angesehen werden; dem Gesetzgeber ist in diesen Fällen lediglich aufgegeben, die Maßnahme nach Erkenntnis der tatsächlichen Entwicklung entsprechend aufzuheben oder zu ändern und die gesetzliche Regelung für die Zukunft zu korrigieren (BVerfG, NJW 1969, S. 499 ff.). Nach alledem ist es der Rechtsprechung daher untersagt, die Prognosen des Gesetzgebers durch regelmäßig ebenso unsichere Prognosen zu ersetzen. Die Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers in Fällen empirischer Ungewissheit wäre ohne die Anerkennung einer solchen Prärogative erheblich geschwächt (Neumann, a. a. O ...).

(3) Die Kammer hält zudem die Ungleichbehandlung von Über-25-Jährigen und Unter-25-Jährigen auch für erforderlich. Ein Mittel ist dann als erforderlich anzusehen, wenn es kein milderes und gleich geeignetes Mittel zur Verfolgung des legitimen Zwecks gibt (Katz, Staatsrecht, Rn. 207). Sofern der Kläger vorträgt, dass es zur Unterstützung der Unter-25-Jährigen statt der schärferen Sanktionen möglich und zielführender sei, eine bessere Betreuung, Fort- und Weiterbildungen sowie Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, so ist Folgendes anzumerken: Schon § 3 Abs. 2 S. 1 SGB II normiert eine gesteigerte Vermittlungsverpflichtung der Grundsicherungsträger gegenüber den jungen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, womit die Arbeitslosigkeit vermieden werden soll (Meyerhoff, in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage, § 3 Rn. 54). Die Kammer teilt die Auffassung des Klägers, dass Aus- und Weiterbildungen grundsätzlich für das Ziel – die Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit – geeigneter seien, nicht. Auch die Aufnahme einer Ausbildung oder die Teilnahme an einer Weiterbildung setzen das Bewusstsein des jungen Hilfebedürftigen, als Mitglied der Gesellschaft nicht nur Rechte zu haben, sondern auch Pflichten unterworfen zu sein, sowie die grundsätzliche Bereitschaft, das eigene Leben verantwortungsvoll und unter Beachtung der gesellschaftlichen Erwartungshaltungen – aber dafür weitestgehend selbstbestimmt – gestalten zu wollen, voraus. Es ist daher aus Sicht der Kammer zumindest nicht fernliegend, dass selbst ein verstärktes Angebot an Aus- und Weiterbildungen oder bspw. Eingliederungsmaßnahmen nach § 16d SGB II, die allesamt den Willen zu einer pflichtbewussten und eigenverantwortlichen Lebensführung voraussetzen, letztlich nicht zur Verhinderung der Langzeitarbeitslosigkeit beitragen kann, sofern die jungen Hilfebedürftigen – wie im vorliegenden Fall – noch nicht einmal an Eingliederungsmaßnahmen, die letztlich auch und vor allem der Heranführung an den Arbeitsmarkt dienen, teilnehmen (wollen). Im Übrigen sind aus Sicht der Kammer auch keine Überlegungen zu der Frage, ob ggf. auch schon eine Leistungsminderung i. H ... v. nur 30 % oder 50 % genauso geeignet zur Zweckerreichung ist, anzustellen. Entscheidend ist nämlich insofern, dass die Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Zweckerreichung grundsätzlich nur dann verneint werden kann, wenn bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststeht, dass er einen bestimmten Zweck sachlich gleichwertig erreicht (BVerfG, NJW 1971, S. 1255 ff.; NJW 1990, S. 1349 ff.; NJW 2002, S. 3009 ff.). Da allerdings – wie ausgeführt – aussagekräftige Wirkungsanalysen bzw. Studien bislang fehlen, kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Sanktion i. H ... v. bspw. 50 % ein milderes, aber gleich geeignetes Mittel ist.

(4) Die Kammer hält die Differenzierung zudem auch für angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Angemessenheit verlangt, dass das zu erreichende Ziel, der legitime Zweck, und die dafür in Kauf genommene Beeinträchtigung des Grundrechtsträgers nicht außer Verhältnis stehen. Dabei ist zu bedenken, dass auch beim Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne trotz der hohen theoretischen Relevanz praktisch nur von geringer Bedeutung ist; sie stellt sich vor allem als Notwendigkeitsprüfung bzw. "Sinnigkeitskontrolle" dar (Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, S. 68 Rn. 294). Das vom Gesetzgeber mit der scharfen Sanktion verfolgte Ziel der Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit junger Hilfebedürftiger hat aus Sicht der Kammer nicht nur in fiskalischer Hinsicht eine überragende Bedeutung. Arbeit und Beruf fördern und prägen den lebenslangen Prozess der menschlichen Entwicklung in einem ganz entscheidenden Maß, insbesondere trägt der Besitz von Arbeit oftmals zur – vor allem psychischen – Gesunderhaltung und Persönlichkeitsentwicklung bei. Ebenso wie bspw. durch den Schulbesuch findet auch durch die berufliche Tätigkeit eine Sozialisierung des Einzelnen statt, die ihn sich als Teil einer Gemeinschaft begreifen lässt. Dies wiederum trägt dazu bei, dass sowohl die von der Gemeinschaft dem gesellschaftlichen Zusammenleben zu Grunde gelegten Wert- und Moralvorstellungen als auch die das Zusammenleben regelnden Ge- und Verbote durch den Einzelnen akzeptiert werden. Aus diesem Grund ist es auch angemessen, dass Pflichtverstöße ohne wichtigen Grund, die die Erreichung dieses überragend wichtigen Ziels gefährden, mit hinreichendem Nachdruck sanktioniert werden, auch und vor allem im Interesse der betroffenen jungen Hilfebedürftigen.

dd. In diesem Zusammenhang verweist die Kammer schließlich auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21.12.2012 (L 12 AS 2232/12 B), in dem die Vorschrift des § 31a Abs. 2 SGB II nicht für verfassungswidrig gehalten wird. Auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in seinem Beschluss vom 21.04.2010 (L 13 AS 100/10 B ER) ausgeführt, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber in § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II (a. F ...) bei jungen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, schon bei einem erstmaligen Pflichtenverstoß eine scharfe Sanktion in Gestalt der Absenkung der Regelleistung um 100 % und der obligatorischen Direktzahlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II an den Vermieter vorsehe. Letztlich lässt sich auch dem Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20.03.2013 (L 7 AS 1434/12 B ER – n. v.) grundsätzlich nichts Gegenteiliges entnehmen. So äußert der erkennende Senat lediglich dahingehend Zweifel, ob die von § 31 Abs. 2 SGB II vorgesehenen verschärften Rechtsfolgen bei einer wiederholten Pflichtverletzung durch Unter-25-Jährige verfassungskonform sein können.

2. Vorliegend sind die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage für den Erlass des Sanktionsbescheids erfüllt.

a. Gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte u. a. dann ihre Pflichten, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen. Vorliegend hat der Kläger die Arbeitsgelegenheit beim Verein U. e. V. als Helfer im Bereich Holz/Flechtwaren nicht aufgenommen. Er ist zum Beginn der Maßnahme am 02.01.2014 nicht erschienen. In diesem Zusammenhang kann dem Vortrag des Klägers, er habe von Beginn und Ort der Maßnahme keine Kenntnis gehabt, nicht gefolgt werden. So ergibt sich aus der Verwaltungsakte, dass sowohl die Eingliederungsvereinbarung als auch der Zuweisungsbescheid dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 24.12.2014 (Bl. 662 d. VA) zugestellt wurden. Die Kammer hält das in dem Zuweisungsbescheid benannte Angebot der Arbeitsgelegenheit dabei auch für hinreichend bestimmt i. S. d. der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 60). So sind aus diesem die Art der Arbeit ("Aufbereitung und Säuberung von gebrauchten Möbeln, Abholung und evtl. Abbau der gebrauchten Möbel [ ]"), ihr zeitlicher Umfang und ihre zeitliche Verteilung ("Arbeitszeit: Mo. – Fr. von 07.00 – 11.00 Uhr und 11.00 – 15.00 Uhr im Wechsel") sowie die Höhe der Entschädigung für die Mehraufwendungen ("1,50 EUR/Std.") ersichtlich.

Darüber hinaus ist auch die zusammen mit dem Zuweisungsbescheid versandte Rechtsfolgenbelehrung (vgl. Bl. 659 d. VA) inhaltlich nicht zu beanstanden. Eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung setzt voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt sowie dem Leistungsberechtigten in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens ergeben. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Rechtsfolgenbelehrung ihre Warn- und Steuerungsfunktion hinreichend erfüllen (S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31 Rn. 56). Vorliegend wird in der Belehrung ausgeführt, dass im Fall der Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen, das Arbeitslosengeld II vollständig entfällt, dass der Wegfall drei Monate dauert und mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheids beginnt. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass während der Zeit des Wegfalls kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem SGB XII besteht und dass auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden können. Schließlich findet sich auch der Verweis auf die Möglichkeit, im Einzelfall die Sanktion auf einen Zeitraum von sechs Wochen zu verkürzen. Damit wurden die konkreten Rechtsfolgen vollständig benannt.

Nach alledem ist der Zuweisungsbescheid nicht zu beanstanden, insbesondere sind keine Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit ersichtlich.

b. Im Fall des Kläger ist auch kein wichtiger Grund für die Pflichtverletzung ersichtlich. wichtige Gründe können alle Umstände des Einzelfalls sein, die unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Leistungsberechtigten in Abwägung mit etwa entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit das Verhalten des Leistungsberechtigten rechtfertigen (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R). Der Leistungsberechtigte hat den wichtigen Grund für sein Verhalten darzulegen und nachzuweisen, womit jedoch der im SGB II grundsätzlich geltende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i. V. m. § 20 SGB X) nicht aufgehoben ist (S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31 Rn. 56). Es sind jedoch auch Sicht der Kammer keine Umstände ersichtlich, die geeignet wären, einen wichtigen Grund darzustellen. In Anbetracht des Zustellnachweises sowohl für den Eingliederungsverwaltungsakt als auch für den Zuweisungsbescheid ist es insbesondere nicht nachvollziehbar, warum der Kläger meint, er habe keine Kenntnis von Beginn und Ort der Arbeitsgelegenheit gehabt. Der Vortrag des Klägers ist auch insoweit nicht von Relevanz, als dass er ausführt, er habe keine Bedenkzeit für die Unterzeichnung einer Eingliederungsvereinbarung gehabt. Entscheidend ist nämlich dabei, dass die Sanktion gerade nicht wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II erfolgt und daher die Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsakts auch nicht zu beurteilen ist.

3. Die vom Beklagten festgelegte Beschränkung des Arbeitslosengelds II auf die für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu erbringenden Leistungen ist daher aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Es ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, dass in der Belehrung als Rechtsfolge der vollständige Wegfall des Arbeitslosengelds II benannt wurde, wohingegen dann tatsächlich im Sanktionsbescheid nur eine Minderung des Regelbedarfs zu 100 % erfolgte, weil das Verhalten des Klägers als erstmalige Pflichtverletzung gewertet wurde. Es wäre nach Auffassung der Kammer sinnwidrig, wenn ein Absehen vom vollständigen Wegfall des Arbeitslosengelds II – also von der schärfsten Sanktion überhaupt – zu Gunsten des Hilfeberechtigten die Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids begründen würde. Zudem hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid den Sanktionszeitraum auf sechs Wochen verkürzt und daher sein durch § 31b Abs. 1 S. 4 SGB II eingeräumtes Ermessen im Hinblick auf den bevorstehenden Ausbildungsbeginn des Klägers pflichtgemäß ausgeübt (Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage, § 31b Rn. 26).

4. Letztlich begegnet es aus Sicht der Kammer auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die im Fall des Klägers zum Zeitpunkt des Beginns des Sanktionszeitraums bereits bestehende Sanktion i. H ... v. 39,10 EUR wegen eines Meldeversäumnisses nach § 32 Abs. 1 SGB II (vgl. Bl. 643 d. VA) für die Zeit vom 01.03.2014 bis 30.04.2014 von den Bedarfen für Unterkunft und Heizung abgesetzt wurde. Denn gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 SGB II tritt die Minderung nach § 32 Abs. 1 SGB II zu einer Minderung nach § 31a SGB II hinzu, wobei entscheidend ist, dass nach § 32 Abs. 1 S. 1 SGB II eben gerade nicht der Regelbedarf gemindert wird, sondern das Arbeitslosengeld II an sich, sodass auch die Absetzung einer Sanktion i. H ... v. 39,10 EUR von den nach § 22 SGB II erbrachten Bedarfen ohne weiteres möglich ist.

Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.

II.

1. Die Kostenentscheidung Ziff. 2. des Tenors beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Auf Grund des Unterliegens des Klägers in der Hauptsache hat der Beklagte keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

2. Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zuzulassen (§ 144 Abs. 2 SGG), da höchstrichterlich bislang noch nicht über die Frage der Vereinbarkeit der Sanktion für Unter-25-Jährige nach § 31a Abs. 2 SGB II mit Art. 3 GG entschieden wurde.
Rechtskraft
Aus
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