L 2 AS 2028/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 3809/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2028/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 10.11.2015, mit dem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller ein Stromdarlehen zur Wiederherstellung der Energieversorgung zu gewähren, zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 23 bei juris). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG, Beschl. vom 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91, Rn. 28 bei juris).

Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschl. vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01, Rn. 5 bei juris).

Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschl. vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 24 f. bei juris). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, Rn. 26 bei juris); vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn 29a).

Es ist bereits fraglich, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Der Antragsteller wirkt nur sehr eingeschränkt bei der Aufklärung des Sachverhalts mit und entzieht sich wiederkehrend Bemühungen seiner Prozessbevollmächtigten, vom Senat gestellte Fragen zu beantworten, wiederkehrend. So ist beispielsweise nicht einmal zu klären gewesen, ob neben dem Antragsteller auch minderjährige Kinder von der Stromsperre betroffen sind. Wenn aber eine besondere Eilbedürftigkeit geltend gemacht wird - im Hinblick auf die seit dem 23.10.2015 unterbrochene Stromzufuhr ist dies anzunehmen -, so ist zu erwarten, dass der betroffene Antragsteller, der Ansprüche geltend macht, in dem gebotenen Umfang an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann jedoch dahinstehen; denn jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden. Der Senat nimmt diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zunächst vollinhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Er hält weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Anspruch auf Übernahme von Stromschulden durch Gewährung eines entsprechenden Darlehens nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialbuch (SGB II) voraussetzt, dass zunächst alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft worden sind. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 SGB II, der bestimmt, dass eine leistungsberechtigte Person zunächst sämtliche zur Verfügung stehenden anderen Mittel und Möglichkeiten einzusetzen hat, bevor öffentliche Leistungen zur Schuldentilgung in Anspruch genommen werden dürfen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.06.2014 - L 2 AS 932/14 B ER, Rn. 7 bei juris unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 12. Senats des LSG NRW, Beschluss vom 08.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B ER, Rn. 20 bei juris). Dieser Grundsatz der Vorrangigkeit der Selbsthilfemöglichkeiten gilt in besonderem Maße für die Übernahme rückständiger Energiekosten, da der Leistungsträger sonst zum Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen werden würde. Das Risiko des Energieversorgers, die von ihm an seinen Kunden erbrachten Leistungen auch abgegolten zu erhalten, muss deshalb zunächst in dem zu Grunde liegenden rein zivilrechtlichen Rechtsverhältnis geklärt werden, bevor ein etwaiger Einstand des Leistungsträgers und damit eine Risikoüberleitung auf den Steuerzahler in Betracht kommt (siehe auch Beschluss des erkennenden Senates vom 13.05.2013 - L 2 AS 313/13 B ER, Rn. 48 bei juris). Solche Möglichkeiten hat der Antragsteller in keiner Weise ausgeschöpft, der sich erstmals nach zwei Zahlungserinnerungen und acht Mahnungen seitens der RWE Vertrieb AG an diese gewandt hat - allerdings beschränkt auf die Erlangung von Kopien der Jahresrechnung und der Mahnungen zwecks Vorlage beim Antragsgegner - und eine Ratenzahlungsvereinbarung erstmals zwei Monate später über seine Prozessbevollmächtigten hat treffen wollen, deren Inhalt nicht bekannt ist und die seitens des Energielieferanten abgelehnt wurde, wohl auch vor dem Hintergrund bereits mehrfach in der Vergangenheit aufgetretener Zahlungsschwierigkeiten.

Auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller trotz entsprechender Anregungen des Senates keine Selbsthilfemöglichkeiten anführen können. Weder hat der Antragsteller Bemühungen glaubhaft gemacht, die künftige Stromversorgung durch einen Anbieterwechsel sicherzustellen, noch hat er vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er über eine kostenlos zu erlangende Beratung seinen seit vielen Jahren unverhältnismäßig hohen Stromverbrauch einer Überprüfung unterzogen und sich Wege zur Energieeinsparung hat aufzeigen lassen, die für die Zukunft eine erneute Inanspruchnahme von Stromdarlehen ausschließen lassen. Nach einer Internetrecherche des Senates gibt es durchaus auch Stromanbieter, die Neukunden - teilweise nur bei Vorkasse, teilweise aber auch ohne Vorkasse - ohne Bonitätsprüfung aufnehmen (vgl. z.B. www.bester-stromanbieter.net, www.schufa-nicht-notwendig.de, www.testsieger-berichte.de/2014/ 07/14stromanbieter-ohne-Bonitätsprüfung). Die hierzu zum Teil zu leistenden Vorauszahlungen werden dabei zum Teil auch nur monatsweise angefordert und sind daher nicht als unzumutbare Vertragsbedingungen anzusehen. Der Kunde hat diesbezüglich die Möglichkeit, mit Hilfe eines online auszufüllenden Antrags eine Vielzahl von Stromanbietern anzufragen und die Möglichkeit eines Anbieterwechsels sowie die vertraglichen Bedingungen zu ermitteln. Angesicht dieser einfachen Möglichkeit, zumindest den Versuch eines Anbieterwechsels zu unternehmen, sieht der Senat keinerlei ausreichende Selbsthilfebemühungen. Eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II durch den Antragsgegner kommt zudem auch bei Ausschöpfung der Selbsthilfemöglichkeiten nur dann in Betracht, wenn diese objektiv geeignet ist, die Energieversorgung (dauerhaft) zu sichern. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller prognostisch dazu in der Lage sein wird, die geforderten Abschlagszahlungen künftig weiter zu erbringen. Angesichts der Höhe der monatlichen Stromabschläge in Höhe von derzeit 225,- Euro und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller bereits in den Jahren 2008 und 2013 Darlehen zur Begleichung von Stromschulden in Höhe von 3.644,45 Euro bzw. 4.627,88 Euro erhalten hat und in der Vergangenheit für diverse Verbrauchsstellen Zahlungsschwierigkeiten entstanden sind, kann hiervon nicht ausgegangen werden: Angaben dazu, aus welchen Mitteln die Stromabschläge künftig finanziert werden sollen oder welche Energiesparmaßnahmen eingeleitet worden sind, hat der Antragsteller nicht gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Mangels Erfolgsaussichten war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren abzulehnen, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m § 114 Satz 1 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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