L 9 SO 46/12

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 31 SO 214/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 46/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch Kosten der im Rahmen der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung sind Bestattungskosten i.S.d. § 74 SGB XII.
2. Die Kostenübernahme nach § 74 SGB XII ist vorrangig gegenüber der Möglichkeit eines Erlasses der Kosten der Ersatzvornahme nach § 21 Abs. 2 Schleswig-Holsteinische Verordnung über die Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (VVKVO).
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. April 2012 wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten der Ersatzvornahme, für die durch die Stadt Eutin durchgeführte Bestattung der Ehefrau des Klägers in Höhe von 1.755,18 EUR, die gegenüber dem Kläger geltend gemacht wurden als Bestattungskosten.

Der Kläger ist der Ehemann der am. 2009 verstorbenen G U. Die Verstorbene bezog gemeinsam mit ihrem Ehemann vor ihrem Tod Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Eheleute verfügten über kein Vermögen. Als weitere Verwandte der Verstorbenen gibt es eine Tochter. Es gab keine gemeinsamen Kinder der Eheleute. Der Kläger hat das Erbe ausgeschlagen. Er verfügte mit Ausnahme des Arbeitslosengeldes II über kein Einkommen.

Der Kläger stellte am 28. Dezember 2009 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Beerdigungskosten für seine verstorbene Ehefrau. Dazu reichte er eine Todesbescheinigung und einen nicht unterschriebenen Bestattungsauftrag für das Bestattungsunternehmen S ein, worin die voraussichtlichen Bestattungskosten mit 3.124,79 EUR angegeben waren. Am 5. Januar 2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die Beerdigung im Rahmen einer Ersatzvornahme durch das Ordnungsamt der Stadt Eutin veranlasst und durchgeführt worden sei. Mit Bescheid vom 12. Januar 2010 setzte die Stadt Eutin die Kosten für die Beerdigung der Ehefrau des Klägers mit 1.755,18 EUR fest und verlangte vom Kläger die Erstattung. Bei dem Betrag handelte es sich um die vom Beerdigungsunternehmen der Stadt Eutin in Rechnung gestellte Summe für die Durchführung der Beerdigung.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. Januar 2010 die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, bei den von der Stadt Eutin geforderten Kosten der Ersatzvornahme handele es sich nicht um Bestattungskosten im Sinne des Sozialhilferechts. Bestattungskosten seien jene Kosten, die das Ordnungsamt an das Bestattungsunternehmen gezahlt habe.

Am 5. Februar 2010 legte der Kläger Widerspruch ein. Die von der Stadt Eutin veranlassten Kosten seien unangemessen, weil eine Verbringung der Verstorbenen nach W im Landkreis Sa einerseits gegen den Willen der Verstorbenen und auch seinen Willen - den des Ehemannes - und andererseits völlig unmotiviert gewesen wäre. Die Überführungskosten seien nicht zu erstatten. Im Übrigen handele sich um Bestattungskosten, die zu übernehmen seien.

Der Beklagte wies nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 6. Mai 2010, Beteiligung des Widerspruchsbeirates am 31. Mai 2010, erneuter Anhörung mit Schreiben vom 27. August 2010 und weiterer Beteiligung des Widerspruchsbeirates am 15. September 2010 den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2010 als unbegründet zurück.

Er - der Beklagte - führte zur Begründung aus, Sozialhilfe sei nur nachrangig zu gewähren und Selbsthilfemöglichkeiten seien daher vorrangig in Anspruch zu nehmen. So seien erforderliche Kosten einer Bestattung aus Sozialhilfemitteln nur zu übernehmen, wenn den hierzu Verpflichteten die Tragung der Kosten nicht zuzumuten sei. Der Kläger sei zwar Bestattungsverpflichteter, jedoch könne ihm zugemutet werden, bei der Stadt Eutin einen Antrag nach § 21 Abs. 2 Vollzugs- und Vollstreckungs¬kostenverordnung (VVKVO) zu stellen. Danach könne von der Beitreibung der Kosten abgesehen werden, wenn diese für den Schuldner eine unbillige Härte darstellten. Demnach stünde dem Kläger eine einschlägigere Anspruchsgrundlage zur Verfügung, mit deren Hilfe er - der Kläger - die ihm von der Stadt Eutin auferlegten Kosten abwenden könne. Es könne ihm auch zugemutet werden, einen solchen Anspruch gegenüber der Stadt Eutin geltend zu machen. Dies ergebe sich aus dem gesetzlich geregelten Nachrangprinzip der Sozialhilfe. Trotz Hinweises auf die Möglichkeit und die Pflicht zur Stellung eines solchen Antrages bei der Stadt Eutin habe er dies bislang nicht getan. Da er überhaupt keine Bemühungen zur Verwirklichung eines vorrangigen Anspruchs erkennen lasse, komme eine nachrangige Leistungsgewährung im Rahmen der Sozialhilfe nicht in Betracht. Die Umstände und die Aufklärung bei der Antragsstellung hätten keinen Anlass dafür gegeben, dass nicht der Kläger die Bestattung in Auftrag gegeben, sondern sich stattdessen an die Stadt Eutin gewandt habe. Spätestens mit dem Anhörungsschreiben vom 6. Mai 2010 zur beabsichtigten Zurückweisung des Widerspruchs habe er von der Möglichkeit des Forderungserlasses nach § 21 VVKVO erfahren.

Der Kläger hat am 13. Oktober 2010 vor dem Sozialgericht Lübeck Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorgetragen hat, er - der Kläger - sei zu keinem Zeitpunkt über die Möglichkeit eines Antrags nach § 21 Abs. 2 VVKVO aufgeklärt worden. Auch sei keine Aufklärung durch die Mitarbeiterin des Beklagten zum Procedere erfolgt. Inzwischen sei ein Erlassantrag gegenüber der Stadt Eutin gestellt worden, der nicht schriftlich beschieden werde. Mündlich sei ihm - dem Kläger - durch die Mitarbeiterin der Stadt Eutin, Frau F , mitgeteilt worden, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 26. Januar 2010 in Form des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Beerdigungskosten in Höhe von 1.755,18 EUR an die Stadt Eutin zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf den Beschluss des Landessozialgerichts vom 14. März 2006 (Az. L 9 B 65/06 SO ER) Bezug genommen. Danach müsse nach dem Bestattungsgesetz vorrangig das Ordnungsamt eintreten. Insofern könnten erst recht nicht die Kosten der Ersatzvornahme geltend gemacht werden. Der Kläger sei durch seine Mitarbeiterin die des Beklagten auf seine Verpflichtung hingewiesen worden, die Bestattung in Auftrag zu geben. Er - der Beklagte - habe erst mit dem Anhörungsschreiben auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 21 VVKVO hingewiesen und nicht behauptet, dass dies bereits zuvor erfolgt sei.

Das Sozialgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu den persönlichen Verhältnissen seiner verstorbenen Ehefrau befragt. Diese habe danach eine Tochter, die selbst zwei Kinder habe. Sie lebe von ihrem Ehemann getrennt, arbeite halbtags und ein Kind lebe noch bei ihr. Sie - die Tochter der Verstorbenen - wohne in Z. Kontakt habe zu Lebzeiten der Ehefrau bestanden. Es solle Schulden gegeben haben, daher hätten sich die Eheleute getrennt. Deshalb sei sie - die Tochter - gar nicht wegen der Beerdigungskosten angesprochen worden.

Das Sozialgericht Lübeck hat den Beklagten mit Urteil vom 3. April 2012 zur Zahlung von 1.755,18 EUR an die Stadt Eutin verurteilt. Der Kläger sei vorrangig zur Tragung der Kosten für die Beerdigung seiner Ehefrau verpflichtet. Kostentragungspflichtiger im Sinne des § 74 SGB XII sei derjenige, der letztendlich verpflichtet sei, die Kosten der Bestattung zu tragen. In der Regel sei dies gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Erbe des Verstorbenen. Die Verpflichtung könne jedoch auch unterhaltsrechtlich begründet sein oder aus landesrechtlichen Bestattungspflichten herrühren (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. Mai 2002 5 C 14/01 , NJW 2003, S. 78; OVG Schleswig, Urteil vom 18. März 1999 - 1 L 37/98 -, juris). Hier sei der Kläger zwar weder erbrechtlich noch unterhaltsrechtlich zur Kostentragung verpflichtet; denn er habe das Erbe ausgeschlagen und sei nicht leistungsfähig im Sinne des Unterhaltsrechts gemäß § 1603 BGB, denn für die Verpflichtung im Rahmen des § 74 SGB XII reiche allein die abstrakte Unterhaltspflicht nicht aus (Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 74 Rn. 20; Paul in ZFSH/SGB 2002 - Aufsatz: Wer ist Verpflich¬teter im Sinne des § 15 BSHG?, VGH München, Urteil vom 10. Januar 2006 - 12 B 03.756 -, juris). Den Kläger treffe aber als Ehemann der Verstorbenen vorrangig vor deren Tochter die öffentlich rechtliche Bestattungspflicht und er sei aus diesem Grunde auch Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 - 5 G 8/00 -, juris; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 74 SGB XII, Rn. 24). Gemäß §§ 13 i.V.m. 2 Nr. 12 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein (Bestattungsgesetz) seien Hinterbliebene in der dort genannten Reihenfolge zur Bestattung verpflichtet. Diese Verpflichtung sei öffentlich rechtlich zwingend begründet und ihr könne sich nicht entzogen werden, so dass auch diese Verpflichtung zu einer Verpflichtung im Sinne des § 74 SGB XII führen könne, wenn, wie hier, vorrangig keine anderweitig begründete Verpflichtung bestehe. Diese rechtliche Wertung ändere auch der Umstand nicht, dass der Kläger die Bestattung trotz seiner Bestattungspflicht nicht selbst in Auftrag gegeben habe, sondern diese durch die Stadt Eutin im Wege der Ersatzvornahme veranlasst worden sei. Denn die Ordnungsbehörde nehme den Kläger nun auf der Grundlage des bestandskräftigen Festsetzungsbescheides vom 12. Januar 2010 in Höhe der verauslagten Bestattungskosten als vorrangig zur Bestattung Verpflichteten in Anspruch, so dass ihn auch auf diesem Weg die letztendliche Kostentragungspflicht treffe. In diesen Fällen sei es daher unerheblich, dass die zivilrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmer und die "Verpflichtung" im Sinne des § 74 SGB XII auseinanderfielen und nicht in einer Person vereint seien. In der Konstellation, in der die Ordnungsbehörde die Bestattung veranlasse, habe daher zwar nicht die Ordnungsbehörde als öffentliche Hand selbst einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger, jedoch könne der vom Ordnungsamt in Anspruch genommene Bestattungsverpflichtete einen solchen Anspruch geltend machen (so auch Grube/Wahren¬dorf, § 74, Rn. 26; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 04/10, § 74, Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 19. August 1994 - 1 B 149/94 -, NVwZ-RR 1995, 283; VGH Mannheim, Urteil vom 19. Oktober 2004 - 1 S 681/04 -, VBIBW 2005,141; OVG Münster, Urteil vom 29. April 2008 - 19 A 3665/06 -; VG Stade, Urteil vom 18. Feb¬ruar 2004 - 1 A 681/03 -, ZfF 2005, 133; VG Augsburg, Beschluss vom 12. Januar 2007 - Au 7 K 06.1015 -; VG Köln, Urteil vom 20. März 2009 - 27 K 5617/07 -). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht vertrete in seiner vom Beklagten zitierten Entscheidung vom 14. März 2006 keine andere Auffassung. Denn dort habe das Gericht lediglich über die Frage zu befinden gehabt, ob die Antragstellerin im Eilverfahren auf möglicherweise bestehende Ersatzansprüche gegen gleich- oder vorrangig verpflichtete Verwandte verwiesen werden könne, wenn diese nicht sofort realisierbar seien und die Bestattung ganz oder teilweise noch nicht erfolgt sei (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 14. März 2006 - L 9 B 65/06 SO ER -, juris). Das Landessozialgericht habe entschieden, dass in dieser Konstellation eine selbst darlehensweise Verauslagung der Kosten durch den Sozialhilfeträger nicht erforderlich sei, um innerhalb der gesetzlichen Fristen eine entsprechende Bestattung sicherzustellen, da das Ordnungsamt diese im Wege der Ersatzvornahme zu veranlassen habe. Eine solche Situation sei hier jedoch nicht gegeben, da keine anderweitigen Ersatzansprüche gegenüber gleich- oder vorrangig Verpflichteten im Sinne des § 74 SGB XII existierten und es um die Frage der letztendlichen Kostenübernahme gehe.

Entgegen der Ansicht des Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 26. Januar 2010 handele es sich daher bei den geltend gemachten Kosten auch um Bestattungskosten im Sinne des § 74 SGB XII. Bei Auseinanderfallen von zivilrechtlicher Verpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmer und der Kostentragungspflicht nach § 74 SGB XII komme es allein darauf an, ob den Antragsteller die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten letztendlich treffe. Nur weil ein Dritter, wie hier die Stadt Eutin, die Bestattung in Auftrag gegeben habe und die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmer eingegangen sei, könne der Sozialhilfeträger gegenüber dem letztendlich zur Kostentragung Verpflichteten und tatsächlich für die Erstattung in Anspruch Genommenen die Leistung nicht mit der Begründung ablehnen, es handele sich nunmehr um "Kosten der Ersatzvornahme oder Schulden". Denn zum einen nehme die Anspruchsgrundlage des § 74 SGB XII im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein, da sie den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Verpflichteten knüpfe, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwende (BSG, Urteil vom 29. Sep-tember 2009 - B 8 SO 23/08 R -, juris, Rn. 14 f.; BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1997 5 C 13/96 BVerwGE 105, 51 ff). Die Regelung unterscheide sich daher von anderen Leistungen des 5. bis 9. Kapitels u. a. dadurch, dass der Bedarf bereits vor Antragstellung gedeckt sein könne, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetze, nicht mehr gegeben sein müsse. Die Verpflichtung des Trägers der Sozialhilfe setze danach lediglich voraus, dass die ggf. bereits beglichenen Kosten "erforderlich" seien und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden könne, diese Kosten zu tragen, ohne ausdrücklich und ausschließlich auf die Bedürftigkeit abzustellen. Der sozialhilferechtliche Bedarf der Sozialleistung nach § 74 SGB XII sei daher nicht die Bestattung, sondern die Entlastung des Verpflichteten von den Kosten. Damit werde die Verbindlichkeit als solche als sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt (BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R -, juris, Rn. 14 f.; BVerwG, Urteil vom 5. Juni 1997 - 5 C 13/96 - BVerwGE 105, 51 ff). Zum anderen habe die Stadt Eutin als Ordnungsbehörde im Bescheid vom 12. Januar 2010 die von ihr konkret verauslagten und durch Rechnung vom Bestattungsinstitut ausgewiesenen Kosten der Bestattung festgesetzt und nicht stattdessen oder zusätzlich zu den tatsächlich angefallenen Ausgaben für die Beerdigung Gebühren für die Ersatzvornahme erhoben, so dass es sich auch aus diesem Grund zweifelsohne um unmittelbar durch die Bestattung verursachte Kosten im Sinne des § 74 SGB XII handele.

Die angefallenen und vom Kläger zur Übernahme beantragten Kosten der Bestattung in Höhe von 1.755,18 EUR seien erforderlich gewesen. Als erforderlich im Sinne des § 74 SGB XII seien die dem Grunde und der Höhe nach anfallenden Kosten für eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form anzusehen (Grube/Wahrendorf, § 74, Rn. 31; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 74, Rn. 14 f.). Die laut Rechnung des Bestattungsinstituts vom 31. Dezember 2010 abgerechneten Leistungsposten entsprächen nach Auffassung der Kammer diesen Anforderungen. Es handele sich um eine Feuerbestattung einfachster Form, was vorliegend bereits dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass die Bestattung durch das Ordnungsamt im Wege der Ersatzvornahme in Auftrag gegeben worden sei.

Dem Kläger sei aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die Kostentragung nach § 74 SGB XII auch unzumutbar. Er sei zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Beklagten aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation nicht in der Lage gewesen, die Kosten der Bestattung selbst zu tragen.

Der Kläger könne durch den Beklagten nicht darauf verwiesen werden, er habe vorrangige Ansprüche - konkret in Form eines Antrages nach § 21 Abs. 2 VVKVO - geltend zu machen. Zwar sei es grundsätzlich zutreffend, dass der Antragsteller vor einer Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger zunächst Ausgleichs- oder Ersatzansprüche gegenüber gleich- oder vorrangig Verpflichteten im Sinne des § 74 SGB XII geltend machen müsse. Dies folge aus dem im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigenden allgemeinen Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII. Um einen solchen, dem sozialhilferechtlichen Anspruch des § 74 SGB XII vorrangigen, Anspruch handele es sich bei der Vorschrift des § 21 Abs. 2 VVKVO jedoch nach Auffassung der Kammer nicht. Danach könne die Vollzugs- und Vollstreckungsbehörde von einer Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen teilweise oder ganz abse¬hen, wenn die Beitreibung der Kosten für den Schuldner eine unbillige Härte darstellen würde. Damit handele es sich bei dieser Vorschrift um eine allgemeine Härteklausel, die dem Kläger keinen Ersatzanspruch gegen die Ordnungsbehörde einräume, sondern der Ordnungsbehörde lediglich in Härtefällen das (ggf. intendierte) Ermessen einräume, von einer Beitreibung abzusehen. Ein solcher Härtefall liege jedoch nicht vor, wenn dem Betroffenen ein sozialhilferechtlicher Übernahmeanspruch aus § 74 SGB XII als realisierbare Ersatzmöglichkeit zur Verfügung stehe. Dies entspreche der überwiegenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die den Kostenübernahmeanspruch aus § 74 SGB XII vor der Anwendung einer landesrechtlichen Härtefallregelung als vorrangig ansehe und damit das Verhältnis gegenüber der Auffassung des Beklagten genau entgegengesetzt beurteile (Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 4 ZB 07.2815 -, juris, Rn. 8; OVG Saarland, Urteil vom 27. Dezember 2007 - 1 A 40/07 -, juris, Rn. 85; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 -, juris, Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2004, - 1 S 681/04 -, juris, Rn. 26; VG Köln, Urteil vom 20. März 2009, 27 K 5617/07 , juris, Rn. 48; Stelkens/Cohrs, Bestattungspflicht und Bestattungskostenpflicht, NVwZ 2002, 917 (923/924); a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Juli 2009 - 19 A 448/07-, juris, Rn. 45 ff.). Nur diese rechtliche Wertung ermögliche eine Gleichbehandlung des Bestattungspflichtigen, der sich weigere, seiner Bestattungspflicht nachzukommen, z. B. weil ihm klar sei, dass er die vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmer nicht aus eigenen finanziellen Mittel begleichen könne, mit dem Bestattungspflichtigen, der sich seiner Bestattungspflicht - trotz Unzumutbarkeit der damit verbundenen Kostenlast - beuge und die Bestattung (zunächst) auf seine Kosten ausrichte.

Auf die Umstände zur Veranlassung der Beerdigung und der Beratung bei Antragstellung komme es nicht an. Da die Kosten der Stadt Eutin zustünden und der Kläger eine Zahlung an die Stadt Eutin wünsche, sei entsprechend tenoriert worden.

Der Beklagte hat gegen das am 25. April 2012 zugestellte Urteil am 24. Mai 2012 Berufung eingelegt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten, die für die von der Stadt Eutin im Wege der Ersatzvornahme veranlasste Beerdigung seiner Ehefrau entstanden seien. Das Landessozialgericht habe in seinem Beschluss vom 14. März 2006 (Az. L 9 B 65/06 SO ER) ausgeführt, dass es keiner Kostenübernahme bedürfe, wenn das Ordnungsamt eintreten müsse. Insofern müsse es erst recht für Fälle wie diesen gelten, in denen die Bestattung bereits vollzogen worden sei. Es handele sich bei den Kosten der Ersatzvornahme nicht um Bestattungskosten im Sinne des § 74 SGB XII. Der Anspruch scheitere spätestens bei der Zumutbarkeit, da der Kläger einen Erlassantrag bei der Stadt Eutin stellen könne. Er - der Beklagte - teile die Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalens (Urteil vom 30. Juli 2009 – 19 A 448/07) bezüglich des Verhältnisses von Leistungsanspruch zur unbilligen Härte nach der landesrechtlichen Kostenordnung. § 74 SGB XII lasse das Vorliegen einer unbilligen Härte unberührt. Auf die konkreten Beratungsumstände des vorliegenden Falles komme es nicht an.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf das Vorbringen in erster Instanz und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck. Zudem liege ein Beratungsverschulden des Beklagten vor. Die Bestattung sei wegen der Untätigkeit des Beklagten durch das Ordnungsamt durchgeführt worden. Er - der Kläger - habe dem Beklagten, der Stadt Eutin und dem Bestattungs-unternehmer erklärt, dass er wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die Kosten der Bestattung zu bestreiten. Zudem hätte der Beklagte ihm behilflich sein können, die Kostenerstattung im Rahmen der unbilligen Härte abzuwenden. Mit dem Bundessozialgericht (Urteil vom 25. August 2011, B 8 SO 20/10 R) könne davon ausgegangen werden, dass bei Bezug von Sozialhilfe dem Leistungsempfänger regelmäßig die Kostentragung für die Bestattung nicht zumutbar sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, die Kosten der Ersatzvornahme zu zahlen. Die entgegenstehenden Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2010, mit dem die Beklagte die Erstattung der Kosten für die Beerdigung der Ehefrau des Klägers abgelehnt hat.

Einer Beiladung der Stadt Eutin bedarf es nicht. Anders als im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis bedeutet Kostenübernahme im Sinne des § 74 SGB XII nicht die Erklärung eines Schuldbeitritts, sondern lediglich die Normierung einer Geldschuld. Der Kläger hat zwar die Erbringung der Leistung an die Stadt Eutin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht beantragt. Dies stellt allenfalls eine Zahlungsbestimmung dar, mit der der Beklagte den klägerischen Anspruch diesem gegenüber erfüllen kann. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist ausschließlich auf Zahlung an sich selbst gerichtet, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine notwendige Beiladung gerechtfertigt wäre (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 14). Die Erklärung des Klägers in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung stellt insoweit keine Abtretung dar. Ein solche wäre nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nicht möglich, da der Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen werden kann. Eine solche Abtretung wäre demgemäß nach § 134 BGB nichtig und daher unbeachtlich.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 74 SGB XII (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I 3022, erhalten hat). Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Kläger ist Verpflichteter im Sinne dieser Vorschrift. Die Regelung selber konkretisiert nicht, wann eine Verpflichtung zur Kostenübernahme für eine Bestattung vorliegt. Die Verpflichtung kann erbrechtlich (§ 1968 BGB), unterhaltsrechtlich (§ 1601 BGB) oder landesrechtlich durch die Bestattungsvorschriften begründet sein. Die Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten ergibt sich hier bereits aus dem Bescheid der Stadt Eutin vom 12. Januar 2010. Der Kläger ist durch den Verwaltungsakt zur Zahlung der Bestattungskosten verpflichtet worden. Mit dem Bescheid macht die Stadt Eutin gegenüber dem Kläger die Bestattungskosten in Höhe von 1.755,18 EUR geltend, die die Firma S der Stadt für die Bestattung der Ehefrau des Klägers in Rechnung gestellt hat. Als Rechtsgrundlage für die Ersatzvornahme und die Kostenerstattung sind die §§ 73 Abs. 2 und 3, 165, 166, 174, 176, 230 Abs. 1, 238 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) i.V.m. §§ 2 Nr. 12 Ziff. C, 13 Abs. 2 Bestattungsgesetz Schleswig-Holstein (vom 4. Februar 2005, GVOBl. S. 60) genannt. Der Charakter der Kosten als Bestattungskosten ändert sich nicht durch die Ersatzvornahme, die die Ordnungsbehörde durchgeführt hat. Die Ersatzvornahme nach § 238 LVwG kommt bei Handlungen in Betracht, deren Vornahme durch eine andere Person möglich ist, mithin bei vertretbaren Handlungen. Diese "Vertretung" kann dann erfolgen, wenn eine verpflichtete Person ihre gebotene Handlung nicht erfüllt. Die Vollzugsbehörde kann die Handlung auf Kosten des Pflichtigen ausführen oder durch eine andere Person ausführen lassen. Die Anordnung der Weitergabe der Kosten ist bereits in § 238 LVwG Gesetz normiert. Insofern widerspräche es dem Normzweck, wenn der Charakter der Kosten der Ersatzvornahme ein gänzlich anderer als für die eigentlich geforderte Handlung sein sollte. In beiden Fällen fallen Kosten für die Erfüllung der ursprünglichen Pflicht an. In dem Fall, in dem der Kläger selbst die Bestattung in Auftrag gegeben hätte, wären die Kosten unmittelbar bei ihm angefallen. Durch die Ersatzvornahme ist die Stadt Eutin in "Vorlage" getreten und muss nach § 238 LVwG die Kosten beim Kläger geltend machen.

Zusätzlich ist die Ordnungsbehörde gleichrangig bestattungspflichtig. Ihre Bestattungspflicht nimmt im System der Bestattungspflichtigen eine Sonderstellung ein. Die Ordnungsbehörde ist selbst nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG bestattungspflichtig, u. a. wenn die zur Bestattung verpflichteten Personen ihrer Pflicht nicht innerhalb der Frist von neun Tagen gem. § 16 BestattungsG nachkommen. Die Bestattungspflicht erfolgt gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG entsprechend §§ 230, 238 LVwG, mithin im Wege des sofortigen Vollzuges nach § 230 LVwG als Ersatzvornahme nach § 238 LVwG. Die ordnungsbehördliche Pflicht der Gemeinde ist nach dem BestattungsG bereits als Ersatzhandlung für die eigentlich nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattungsG Verpflichteten, die Hinterbliebenen, ausgestaltet.

Dem Kläger ist es nicht zumutbar die Bestattungskosten zu tragen. Das SGB XII und insbesondere dessen § 74 enthält keine Definition des Begriffes der Zumutbarkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergibt sich der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, insbesondere aus den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts (BSG, Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 23/08 R, juris, Rn. 14). § 74 SGB XII stellt für die Übernahme der Bestattungskosten nicht ausdrücklich und ausschließlich auf die Bedürftigkeit ab. Anders als bei den anderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels des SGB XII kann der Bedarf bereits vor Antragstellung gedeckt sein und eine Notlage, die für die Inanspruchnahme anderer Sozialhilfeleistungen regelmäßig vorausgesetzt wird, muss nicht mehr gegeben sein. Vor diesem Hintergrund nimmt § 74 SGB XII im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein (BSG, a.a.O.). Der sozialhilferechtliche Bedarf ist im Falle des § 74 SGB XII nicht die Bestattung an sich, sondern die Entlastung des Verpflichteten von den Kosten. Aufgrund der Normierung der eigenständigen Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit (vgl. für die Vorgängervorschrift des § 15 BSHG Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 5. Juni 1997, 5 C 13/96, juris, Rn. 8) sind für den Anspruch auf die Übernahme von Bestattungskosten neben der Bedürftigkeit weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. § 19 Abs. 3 SGB XII bestimmt, dass u. a. Hilfen in anderen Lebenslagen (§ 70 bis 74 SGB XII) geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist. Das bedeutet, dass bei Vorliegen einer Bedürftigkeit die Unzumutbarkeit der Übernahme der Bestattungskosten ohne Weiteres gegeben ist. Da aber die Vorschrift des § 74 SGB XII nicht nur den Begriff der Bedürftigkeit verwendet, sondern auf die Zumutbarkeit abstellt, kann für eine Kostenübernahmeentscheidung nicht allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt werden. Es müssen vielmehr nach den Besonderheiten des Einzelfalles (§ 9 Abs. 1 SGB XII) auch solche Umstände Berücksichtigung finden, die im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtlich sind (BSG, a.a.O., Rn. 16). So ist, wenn denn eine Bedürftigkeit nicht gegeben ist, für die Zumutbarkeit auch auf die Qualität der Beziehung des Verpflichteten zum Verstorbenen abzustellen. Das BSG hat dazu ausgeführt, dass in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes umso geringer seien, je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung gewesen sei. Umgekehrt könnten etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen. Entscheidend seien jeweils die Verhältnisse des Einzelfalls (BSG, a.a.O., Rn. 16). Demnach ist zunächst eine Prüfung der Bedürftigkeit vorzunehmen und im Anschluss daran wären im Falle der Verneinung einer Bedürftigkeit weitere Gesichtspunkte des Einzelfalles zu würdigen. Die Bedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit aus anderen Gründen muss nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 74 SGB XII zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens vorliegen, da der Leistungsfall die Verbindlichkeit an sich ist (BSG, a.a.O., Rn. 17).

An der Erforderlichkeit der Kosten in Höhe von 1.755,18 EUR bestehen keinerlei Zweifel. Kostengünstiger wird eine Bestattung nach der langjährigen Erfahrung des Senats kaum durchzuführen sein. Anzumerken wäre allenfalls, dass wohl stärker auf die Bedürfnisse der Angehörigen bei der Durchführung der Bestattung einzugehen gewesen wäre. Hinsichtlich der Kosten ist nämlich grundsätzlich eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (§ 9 Abs. 1 SGB XII); grundsätzlich ist dabei auch angemessenen Wünschen des Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und ggf. des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII) sowie religiösen Bekenntnissen (Art. 4 Grundgesetz) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde (BVerwG Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr. 41; BSGE 100, 131 ff RdNr. 22 = SozR 4-3500 § 90 Nr. 3) Rechnung zu tragen ist (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 18). Die fehlende Rücksprache hinsichtlich Art, Ort und Zeitpunkt der Bestattung der verstorbenen Ehefrau des Klägers scheint die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen nicht zu erfüllen.

Dem Kläger ist die Kostentragung nicht zuzumuten. Er verfügt nicht über Einkommen und Vermögen, um die Kosten der Bestattung zu tragen. Die üblichen Bedürftigkeitskriterien der §§ 85 bis 91 SGB XII dienen als Orientierungspunkte für die Beurteilung der Zumutbarkeit (H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 74 SGB XII RdNr.12); in besonderer Weise ist Bedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. SGB XII bezogen auf Leistungen zum Lebensunterhalt ein wesentliches Kriterium der Zumutbarkeit des § 74 SGB XII (BSG, Urteil vom 25. August 2011 B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 25). Der Kläger lag mit seinem Leistungsbezug unter der Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII. Ein Erbe, als vorrangig einzusetzendes Vermögen bzw. Einkommen, bestand ebenso wenig wie Zuwendungen aus Anlass des Todes (z. B. Sterbegeld, Lebensversicherung, Bestattungsvorsorgevertrag). Das dürfte auch der Grund für die Erbausschlagung seitens des Klägers gewesen sein.

Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht die Möglichkeit eines Erlasses der Kosten der Ersatzvornahme nach § 21 Landesverordnung über die Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (Vollzugs- und Vollstreckungskostenverordnung - VVKVO - vom 11. September 2007, GVOBl. 2007, 443) entgegen. Nach § 21 Abs. 2 VVKVO kann die Vollzugs- oder Vollstreckungsbehörde von einer Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen teilweise oder ganz absehen, wenn die Beitreibung der Kosten für die Schuldnerin oder den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde. Zutreffend hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die nahezu einhellige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (Bayrischer VGH, Beschluss vom 9. Juni 2008, - 4 ZB 07.2815 -, juris Rn. 8; OVG Saarland, Urteil vom 27. Dezember 2007 - 1 A 40/07 -, juris, Rn. 85; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 -, juris, Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2004 - 1 S 681/04 -, juris, Rn. 26; VG Köln, Urteil vom 20. März 2009 - 27 K 5617/07, juris, Rn. 48; Stelkens/Cohrs, Bestattungspflicht und Bestattungskostenpflicht, NVwZ 2002, 917 (923/924); a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Juli 2009 – 19 A 448/07 -, juris, Rn. 45 ff.) ausgeführt, dass hinsichtlich der Kosten einer Beerdigung die Kostenübernahme nach § 74 SGB XII als vorrangig angesehen werde.

Diese Auffassung wird vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht geteilt (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 6 A 219/13 –, juris, Rn. 28; Urteil vom 16. Oktober 2014 - 6 A 62/13 -, juris, Rn. 22). Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts schließt der Anspruch nach § 74 SGB XII die Anwendung der Härteklausel gemäß § 21 VVKVO hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse aus, nur persönliche Härtefallgründe könnten ggf. mit Erfolg im Rahmen von § 21 VVKVO geltend gemacht werden. Letztere liegen hier jedoch nicht vor. Insofern steht dem Kläger kein realisierbarer Anspruch gegen die Stadt Eutin zur Seite, der geeignet wäre, die Kostentragung zu vermeiden. Bei den anderslautenden Ausführungen des OVG Nordrhein-Westfalens (a.a.O., Rn. 45 - 47) handelt es sich zum einen nicht um einen tragenden Grund der Entscheidung und zum anderen ist die Auslegung des OVG zur Kostenordnung Nordrhein-Westfalens ergangen. Selbst wenn der erkennende Senat der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalens folgen würde, ist nicht ersichtlich, wie vor dem Hintergrund der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gem. § 52 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – maßgebend ist der Sitz des Beklagten – der Kläger einen Anspruch gegen die Stadt Eutin erreichen könnte. Da es sich bei den Vollstreckungsordnungen um Landesrecht handelt, ist auch dem Bundesverwaltungsgericht eine Klärung wegen § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO versagt. Es hat über die Anwendung und Auslegung von Bundesrecht zu entscheiden (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 17. August 2009 6 B 10.09 mwN, juris). Im Übrigen folgt der Senat der Auffassung des Sozialgerichts und sieht nach § 153 Absatz 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Urteilsgründe ab.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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